Hallo,
die MastCam des zukünftigen Marsrovers Curiosity verfügt über einen Aufbau, welcher mit den Panoramakameras der beiden aktuellen Rover Spirit und Opportunity vergleichbar ist. Zwei Kameras sind an der Spitze eines Kameramastes montiert und können zeitgleiche Aufnahmen ihrer Umgebung anfertigen. Durch die Überlagerung dieser Aufnahmen kann man dabei auch dreidimensionale Bilder erzeugen. Der wissenschaftliche Sinn dieser Aufnahmen besteht darin, dass man anhand dieser 3-D-Bilder einen besseren wissenschaftlichen Zusammenhang bei der Analyse der verschiedenen geologischen Formationen und der Auswertung der durch die anderen Instrumente gesammelten Daten herstellen kann. Aus technischer Sicht sind diese 3-D-Bilder sogar extrem wichtig, da durch sie die Steuerung eines Rovers durch ein ansonsten völlig unbekanntes Gelände ungemein erleichtert wird.
Die PanCams der beiden aktuellen Rover sind identisch und verfügen über eine Brennweite von 43 Millimetern, welche nicht verstellt werden kann. Das Gesichtsfeld beträgt dabei 16 x 16 Grad. Der gegenseitige Versatz der beiden Kameras um 30 Zentimeter hat zur Folge, das man in Entfernungen von minimal 5 Metern bis hin zu maximal etwa 100 Metern die besagten dreidimensionalen Bilder anfertigen kann.
Weitere Einzelheiten zu den Panoramakameras von Spirit und Opportunity findet Ihr hier :
http://pancam.astro.cornell.edu/pancam_instrument/doc/Bell_Pancam_JGR.pdf ( 1,7 MB )
Das ursprüngliche Konzept von Malin Space Science Systems ( kurz MSSS ) sah vor, dass auch die beiden MastCams des Mars Science Laboratory, mittlerweile ja in Curiosity umbenannt, identisch sein sollten. Als Verbesserung gegenüber den PanCams sollte dabei eine variable Brennweite verwendet werden, welche mittels eines 15fachen Zooms die Brennweite von 100 Millimetern ( Teleaufnahmen ) stufenlos bis hinunter zu 6,5 Millimetern ( Weitwinkelaufnahmen ) verändern kann. Leider warf die NASA dieses Konzept im Jahr 2007 aus Gründen der Kostenersparnis über Bord.
Stattdessen entschied man sich für zwei Kameras mit fest eingestellten Brennweiten, wobei die eine Kamera über eine Brennweite von 34 Millimetern und die andere über eine Brennweite von 100 Millimetern verfügt. Dabei ist das Gesichtsfeld der Kameras relativ begrenzt und beträgt lediglich 15 bzw. 5 Grad. Um damit einen größeren Bereich abzudecken, sollen die gewonnenen Einzelbilder zu Panoramen zusammen gefügt werden. Der weitere mechanische und elektronische Aufbau der beiden Kameras ist dagegen nach wie vor identisch. Die dadurch erreichte Kosteneinsparung belief sich auf "sagenhafte" 1,5 Millionen US-Dollar.
Diese beiden von der NASA festgelegten Kameras wurden dann auch von MSSS hergestellt, getestet und am 17. März 2010 an das JPL geliefert. Dort wurden sie einer weiteren Funktionsprüfung und einem Kontaminationstest unterzogen. Nach dem Abschluss dieser Überprüfungen wurden die Kameras bis zum Einbau in Curiosity, welcher Anfang 2011 stattfinden soll, eingelagert.
Hier ein Bild von einer der beiden MastCams :
Image Credit : Malin Space Science Systems
Dies ist die Kamera mit der 100er Brennweite. Hier noch einmal in Groß :
https://images.raumfahrer.net/up021941.jpg Zum Vergleich hier noch die Kamera mit der 30er Brennweite :
https://images.raumfahrer.net/up021942.jpg Der einzige Unterschied der beiden Kameras besteht in der Größe der jeweiligen Objektivabdeckung.
Nachdem die NASA bzw. das JPL diese beiden Kameras jetzt fest in der Hand hielt, setzte allerdings ein Umdenken ein. Die NASA unterbreitete MSSS das Angebot, die im März gelieferten Kameras nachträglich gegen zwei andere Systeme auszutauschen, welche dem ursprünglichen Konzept entsprechen und somit auch über die ehemals vorgesehenen Zoom-Objektive verfügen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Auslieferung der beiden neuen Kameras optimalerweise noch bis Dezember 2010, spätestens jedoch vor dem Beginn der Endprüfung aller Systeme für Curiosity Anfang des Jahres 2011 erfolgt. MSSS hat dieses Angebot dankend angenommen und unmittelbar danach mit dem Bau der neuen Kameras begonnen.
Michael Malin, der Principal Investigator der MastCam, sagt dazu folgendes : "Der Zoom-Faktor ist nicht alleine eine Frage der Wissenschaft, auch wenn es durch ihn durchaus einen gewissen wissenschaftlichen Output geben wird." Die zuletzt vorgesehenen fixierten Brennweiten der Kameras sind sehr wohl in der Lage, die ursprünglich vorgesehenen wissenschaftlichen Ziele zu erfüllen. Aber sie sind nicht in der Lage, ein weiteres Sichtfeld mit vergleichbaren Stereo-Aufnahmen abzubilden. Mit einem identischen Zoom-Faktor in beiden Kameras kann man dagegen Videosequenzen von der Oberfläche des Mars erstellen - UND DAS IN FARBE, HD UND 3-D!!! Die Auflösung würde dabei 1280 x 720 Pixel betragen und es könnten zehn Einzelbilder pro Sekunde erzeugt werden. Damit werden zugleich dem Co-Investigator der MastCam, James Cameron, Werkzeuge in die Hand gegeben, wie er sie auch bei seinen bisherigen Filmprojekten verwendet hat.
Ein weiterer wissenschaftlicher und technischer Gewinn besteht aber nicht nur in den zu erstellenden Videosequenzen, welche zugegebener weise in erster Linie an die Öffentlichkeit gerichtet sein dürften. Durch diese verbesserten 3-D-Aufnahmen, welche jetzt in frei wählbaren verschiedenen Auflösungen ein weit größeres Gebiet abdecken können, haben sowohl die Wissenschaftler als auch die Roverdriver die Möglichkeit, das von der MastCam abgebildete Gebiet noch bedeutend besser zu analysieren als mit den bisher vorgesehenen unveränderbaren Brennweiten. Mit diesen Videos könnten zum Beispiel auch der Zug der Wolken oder eventuelle Dustdevils besser abgebildet werden. So spektakulär solche Aufnahmen für die interessierte Öffentlichkeit auch sein mögen - für die beteiligten Wissenschaftler wären sie in ihrem Wert nahezu unbezahlbar...
Die Frage ist allerdings, warum die NASA ihr Konzept jetzt noch einmal geändert hat. Eines hat man durch die aktuellen Rovermissionen von Spirit und Opportunity zweifelsfrei gelernt. Mit einer vernünftigen Öffentlichkeitsarbeit lässt sich auch das Interesse dieser Öffentlichkeit wecken und anschließend über Jahre hinweg aufrecht erhalten. Solche 3-D-Videos sind dabei wohl ohne Zweifel eine sehr guter Möglichkeit, um genau dieser Öffentlichkeit, welche immerhin durch ihre Steuergelder für die Kosten der Mission aufkommt, für die Curiosity-Mission und im Anschluss daran für weitere und eventuell auch noch bedeutend teurere Missionen ( zu Beispiel Mars Sample Return? ) zu gewinnen. Erinnert Ihr Euch noch an die japanische Mond-Mission Kaguya und die dort an Bord befindliche
HDTV-Kamera? Der wissenschaftliche Nutzen dieser Kamera dürfte relativ gering gewesen sein. Zumindestens in der japanischen Öffentlichkeit wurden diese Bilder trotzdem mit Begeisterung wahrgenommen und haben das dortige Interesse an der Weltraumforschung belebt.
Hoffen wir also, dass MSSS die neuen Kameras rechtzeitig liefern kann und freuen wir uns zugleich auf diese neuen Aufnahmen : "AVATAR IN ROT" - bloß wird es sich dabei diesmal nicht "lediglich" um einen weiteren Trickfilm handeln, sondern vielmehr um die realen Bilder von der Oberfläche eines anderen und, trotz aller bisherigen Forschungsmissionen, immer noch fremden Planeten unseres Sonnensystems. Dies wäre ein ungemein wichtiger Beitrag im "public engagement", der Öffentlichkeitsarbeit der NASA und könnte eventuell auch andere Weltraumagenturen zu einer ähnlichen Vorgehensweise ermutigen.
Schöne Grüße aus Hamburg - Mirko