ISS Versorger ATV

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #650 am: 18. Februar 2009, 18:21:33 »
Zitat

Hallo,

Deutschland hatte zur Ministerratskonferenz zusätzliche ca. 400 Mio. nachgeschoben ohne damit ein neues Projekt anzustoßen. Mit welchen Interessen lässt sich das erklären?

Dies lässt sich leider sehr einfach erklären. Für einige Partner ist Europa immer dann gut, wenn sie etwas bekommen. Leider können sie sich dann nicht mehr so richtig "entsinnen", wenn es nicht mehr um ihren speziellen Vorteil geht. Rest steht in der FR 02-2009 auf der Seite 44.

Die Vorwürfe in Richtung ATV kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wenn Partner nicht ihre zugesagten Mittel bereitstellen, dann sind nicht die Projekte fehlerhaft.

Ich hätte mir nur gewünscht, dass das Signal aus Deutschland etwas kraftvoller gekommen wäre.
« Letzte Änderung: 18. Februar 2009, 19:05:33 von itemmler »
"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen."
Immanuel Kant

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Offline roger50

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #651 am: 21. Februar 2009, 19:40:20 »
N'abend,

upps, was ist denn hier los? Vielen Dank den Mitforisten, die auf die 'Thesen' von hesaenger schon geantwortet haben.

Noch einige Anmerkungen:

Zitat
ATV ist ein schöner ingenieurtechnischer Demonstrator.

Ein Demonstrator - oder besser Prototyp - war das ATV-1, Jules Verne. Ab sofort ist ATV ein Serienprodukt, von dem noch definitiv 4, wahrscheinlich 6, und vielleicht mehr gebaut werden.  ;)


Zitat
ATV hat die ESA fast in die Pleite getrieben.

Das ist nun wirklich Blödsinn. Die gesamte Entwicklung des ATV inclusive der ersten Mission hat zwischen 1,2 und 1,5 Mrd. € gekostet, je nachdem, wie man rechnet. In 12 Jahren !
Das war zwar mehr als ursprünglich veranschlagt, lag aber noch im Rahmen der leider üblichen Kostenüberschreitungen derartiger Großprojekte.

In der gleichen Zeit betrug der Etat der ESA insgesamt irgendwo zwischen 40 und 50 Mdr €. Also 'verschlang' das ATV nicht einmal 3 % des ESA-Etats.  ::)

N.B.: Die Entwicklung einer Rakete wie Ariane-5 liegt zwischen 5-10 Mrd. €.


Zitat
ATV kann die notwendigen Dienste für die Raumstation nicht vollständig übernehmen, da es nur an das kleine russische Dock passt. Hier muss man deshalb auf die Japaner warten.

ATV kann genau das, was es im Rahmen der integrierten ISS-Logistik leisten soll. Und es kann vieles, was kein Shuttle und kein HTV kann ( z.B. Reboost der Station, Transport von ISS-Treibstoffen, größeren Mengen von Luft und Wasser). [/quote]

Und um es noch einmal festzuhalten: ohne ATV gäbe es auch kein COLUMBUS-Modul an der ISS, denn mit den ATV-Flügen bezahlt Europa die COLUMBUS-Betriebskosten.

In diesem Sinne

Gruß
roger50

hesaenger

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #652 am: 22. Februar 2009, 06:22:09 »
Hallo,

Entschuldigung, wenn ich mich nicht eindeutig ausgedrückt habe. Es geht doch darum. Klar ist ATV Teil eines Barter Geschäfts. Das, was ATV aber zum Bartergeschäft beiträgt, wäre auch mit einem deutlich günstigeren Konzept gegangen. ATV hat demonstriert, dass Westeuropa die automatische Kopplung beherrscht. Das hat die USA aber nie verlangt. Es ist richtig, ab jetzt ist ATV kein Demostrator mehr, ab jetzt kostet ATV nur Geld. Geld das sehr knapp ist und auch an anderer Stelle gebraucht werden könnte. Wir haben doch generell das Problem. Wenn es ein neues Projekt gibt, ist jeder daran interessiert die Spezifikationen so hoch als möglich anzusetzen um an Geld zu kommen. Wenn wir so weiter machen, kommt der Tag, dass wir uns überhaupt keine Raumfahrt mehr leisten können! Dann lacht sich die EU ins Fäustchen und wickelt die ESA und deren Projekte ab. Dann gibt die EU ihre strategischen Satelliten in Auftrag und gibt deren Starts in Auftrag. Werden westeuropäische Standorte dann noch dabei sein?
« Letzte Änderung: 22. Februar 2009, 06:24:04 von hesaenger »

hesaenger

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #653 am: 22. Februar 2009, 06:34:30 »
Zitat
Die gesamte Entwicklung des ATV inclusive der ersten Mission hat zwischen 1,2 und 1,5 Mrd. € gekostet, je nachdem, wie man rechnet. In 12 Jahren !
Das war zwar mehr als ursprünglich veranschlagt, lag aber noch im Rahmen der leider üblichen Kostenüberschreitungen derartiger Großprojekte.

In diesem Sinne

Gruß
roger50


und es ist noch nie pasiert, dass Arbeiten unter einem anderen Titel abgerechnet worden wenn das Budget nicht mehr gereicht hat? ::)

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Offline Schillrich

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #654 am: 22. Februar 2009, 07:25:04 »
Zitat


und es ist noch nie pasiert, dass Arbeiten unter einem anderen Titel abgerechnet worden wenn das Budget nicht mehr gereicht hat? ::)

Guten Morgen,

na das ist doch jetzt frei in den Raum spekuliert. Wo ist der Beweis? Welche Beträge? Wann? Wer? Wo?
So kann ich alles unterstellen ...
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

hesaenger

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #655 am: 22. Februar 2009, 08:02:00 »
Hallo,

mir fällt kein Land, wo diese Frage jetzt so gestellt worden wäre. Kann es sein, dass Europa Deutschland gar nicht verdient hat? 8-)

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Offline Schillrich

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #656 am: 22. Februar 2009, 08:14:24 »
Wenn man ordentlich argumentieren möchte, darf man nicht einfach seine persönliche Meinung in den Raum stellen, man muss sie auch belegen.
« Letzte Änderung: 22. Februar 2009, 08:15:50 von Schillrich »
\\   //    Grüße
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Offline roger50

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #657 am: 22. Februar 2009, 20:56:19 »
N'abend,

@ hesaenger:

Zitat
Das, was ATV aber zum Bartergeschäft beiträgt, wäre auch mit einem deutlich günstigeren Konzept gegangen.

Ach ja? Und mit welchem??  :o

Zitat
ATV hat demonstriert, dass Westeuropa die automatische Kopplung beherrscht. Das hat die USA aber nie verlangt.

Warum auch? Aber die automatische Kopplung ist nicht nur eine Technologie, die auch für weitere Projekte notwendig ist, sondern in erster Linie für ein Gerät, das Europa zur ISS schickt unabdingbar. Wir haben nämlich kein erdumspannendes Bodenstationsnetz wie die NASA und (eingeschränkt) RKA.  8-)

Zitat
... ab jetzt kostet ATV nur Geld. Geld das sehr knapp ist und auch an anderer Stelle gebraucht werden könnte.

Nochmals: ALLE ATV sind Teil des Barterabkommens. Ohne ATV-2 ff. müßten wir auch COLUMBUS stilllegen, denn wir zahlen mit dem Transport von US-Cargo unsere laufenden Betriebskosten.

Zitat
Wenn es ein neues Projekt gibt, ist jeder daran interessiert die Spezifikationen so hoch als möglich anzusetzen um an Geld zu kommen.

Die Specs werden vom Auftraggeber geschrieben, also nicht von der Industrie, sondern der ESA. Und die ist daran interessiert, das es kostengünstig wird, damit die Realisierungschancen steigen. Ein Projekt wie ATV muß von interessierten Ländern gezeichnet werden, wird also nicht (!) aus dem generellen Budget bezahlt.

Zitat
Wenn wir so  weiter machen, kommt der Tag, dass wir uns überhaupt keine Raumfahrt mehr leisten können!

Ich wiederhole es ein letztes Mal: ATV benötigte weniger als 5 % der Gelder, die die ESA insgesamt zur Verfügung hatte!  >:(

Zitat
Dann lacht sich die EU ins Fäustchen und wickelt die ESA und deren Projekte ab. Dann gibt die EU ihre strategischen Satelliten in Auftrag und gibt deren Starts in Auftrag.

Die EU hat überhaupt nicht die Möglichkeiten, Raumfahrtprojekte durchzuführen. Auch das von der EU bezahlte Projekt GALILEO wird über die ESA abgewickelt.  ;)

Zitat
Werden westeuropäische Standorte dann noch dabei sein?

Äääh, welche osteuropäischen Standorte von Raumfahrtfirmen, die größere Projekte durchführen könnten, gibt es denn ?

Zitat
... dass Arbeiten unter einem anderen Titel abgerechnet worden wenn das Budget nicht mehr gereicht hat?

Sicher gibt es sowas. Aber eben NICHT bei Projekten wie ATV, COLUMBUS, Ariane, etc. Da die jeweils beteiligten Länder bestimmte Prozente zeichnen, müssen sie entsprechend ihrem Anteil nachschießen, wenn das Projekt teurer wird als geplant. Oder es wird eingestellt. Denn einfach Geld aus einem anderen Projekt abzuzweigen, würde dann dort eine Lücke reißen. Und um einen größeren Fehlbetrag aus dem (relativ kleinem) generellen Budget der ESA auszugleichen, geht auch nicht, da dort jeder € fest verplant ist.  ;)

Gruß
roger50

Crest

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #658 am: 13. Mai 2009, 20:08:21 »
Mal eine Frage zur Nutzlastkapazität des ATV: Ist die derzeit mögliche maximale Nutzlast zur ISS durch Beschränkungen beim ATV begrenzt, oder durch Performance-Beschränkungen bei der Ariane? Könnte man bei einer verbesserten Ariane, die ein paar Tonnen mehr in einen LEO befördern kann, also mehr Ladung in das ATV packen, ohne dass es umkonstruiert werden muss?

René

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Offline roger50

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #659 am: 13. Mai 2009, 21:36:50 »
N'abend,

Crest
Zitat
Ist die derzeit mögliche maximale Nutzlast zur ISS durch Beschränkungen beim ATV begrenzt, oder durch Performance-Beschränkungen bei der Ariane?

In erster Linie durch letzteres. Mit der jetzigen EPS-ES-Oberstufe ist die max. Masse von ATV auf rund 20,5 t begrenzt. Mit der ESCA-Oberstufe müßten theoretisch einige Tonnen mehr drin sein. Genauere Studien dazu kenne ich aber momentan nicht.

ATV kann theoretisch 5,6 t Trockennutzlast, 0,73 t Treibstoffe für die ISS, 80 kg Luft und bis zu 4 t Treibstoffe für das ISS-Reboost mitführen. Letztere befinden sich zwar in den normalen Treibstofftanks des ATV, zählen aber auch zur angerechneten Nutzlast.
Zusammen sind das rund 10,4 t theoretische Nutzlast, aber aufgrund der AR5-Leistungsfähigkeit sind es momentan real 7-8 t.

Die Kapazität von Treibstoffen und Luft sind durch die Tankgrößen limitiert, da geht ohne Konstruktionsänderungen nicht mehr. Drehen könnte man also nur an der Trockennutzlast. Da sind sicher 1-2 t mehr möglich, die Racks sind stabil genug.  :D

Gruß
roger50

Offline Ruhri

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #660 am: 01. September 2009, 20:15:21 »
Auch wenn ich Gefahr laufe, mich gleich beim ersten Beitrag unbeliebt zu machen, aber hast du dich beim Treibstoff an Bord des ATV nicht vertan? Laut ESA besteht der Treibstoff für das Swesda-Modul aus Unsymmetrischem Dimethylhydrazin und Distickstofftetroxid, wohingegen das ATV selber Monomethylhydrazin mit MON3 (Distickstofftetroxid, Stickstoffdioxid und 3% Stickstoffmonoxid) verwendet. Die Equipped External Bay des Integrated Cargo Carrier  enthält deshalb doch auch 22 Tanks für die nasse Fracht.
« Letzte Änderung: 01. September 2009, 22:30:21 von Ruhri »

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Offline noidea

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #661 am: 01. September 2009, 22:48:01 »
Hi @
@ Ruhri: Hi und willkommen im Forum!  ;D
Da liegst du etwas daneben, das ATV hat separate Treibstofftanks und ein Reeboost erfolgt meist auch nicht mit den Triebwerken Swesdas, sondern mit den bordeigenen des ATV, und die verwenden nun mal einen anderen Treibstoff als Swesda, aber es hat auch Tanks für den Treibstoff für die ISS, der dann in die Tanks in Swesda gepumpt wird. Also hat sich niemand außer dir vertan (nimm´s nicht bös und du machst dich so nicht unbeliebt, es ist schon OK (für mich jedenfalls ;)))
« Letzte Änderung: 01. September 2009, 22:52:10 von H.J.Kemm »
MfG
sf4ever

Kommt doch auch mal in den Chat

Offline Ruhri

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #662 am: 01. September 2009, 23:12:29 »
Hi @
@ Ruhri: Hi und willkommen im Forum!  ;D
Da liegst du etwas daneben, das ATV hat separate Treibstofftanks und ein Reeboost erfolgt meist auch nicht mit den Triebwerken Swesdas, sondern mit den bordeigenen des ATV, und die verwenden nun mal einen anderen Treibstoff als Swesda, aber es hat auch Tanks für den Treibstoff für die ISS, der dann in die Tanks in Swesda gepumpt wird. Also hat sich niemand außer dir vertan (nimm´s nicht bös und du machst dich so nicht unbeliebt, es ist schon OK (für mich jedenfalls ;)))

Danke für die freundliche Begrüßung. Vertan habe ich mich aber nicht, zumindest nicht in den Details. Höchstens habe ich Roger50 falsch verstanden. Manchmal sollte man doch lieber einen Satz dreimal lesen, bis man ihn wirklich verstanden hat.

Also, Swesda und ATV benutzen ähnliche Treibstoff-/Oxidatorkombinationen, aber nicht identische, wie ich oben noch einmal aufgeführt hatte. (Der Oxidator für das ATV ist doch MON3, oder? Bei Wikipedia steht das nämlich anders und müsste daher korrigiert werden.) Der Treibstoff für die ISS ist Nutzlast und Fracht, wie auch immer man das definieren mag. Der Treibstoff, den ein ATV selber benutzt, zählt aber eben genau deshalb zur Nutzlast, weil mit einem Teil davon Bahnmanöver mit der angedockten ISS geflogen werden. Ich hatte das beim ersten und zweiten Lesen so verstanden, als ob der ATV-Treibstoff in die ISS-Tanks umgepumpt werden würde, und das wäre natürlich völlig falsch gewesen. Das liest und hört man leider oft genug.

Übrigens, vielleicht steht es irgendwo in diesem Monster-Thread, aber wieso hat sich die ESA für eine andere Treibstoffkombination als etwa Roskosmos entschieden? Und soll man die Antriebseinheiten der ISS eher als Backup-Systeme verstehen? Ich könnte mir so als Laie vorstellen, dass die eben auch nur eine gewisse Lebenserwartung haben und durch den Einsatz von ATV und Progress geschont werden.

Hm, jetzt seht ihr mich völlig irritiert: Auf der ESA-Seite habe ich zwei unterschiedliche Aussagen über den Oxidator gefunden. Einmal schreibt man etwas von Distickstofftetroxid, einmal etwas von MON3, eine Mischung von Distickstofftetroxid und/oder Stickstoffdioxid mit einem Anteil von 3 % Stickstoffmonoxid. Was stimmt denn nun?

HAL2.0

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #663 am: 02. September 2009, 12:11:52 »
Welcome Ruhri ! :)

Du hast geschrieben:
"Und soll man die Antriebseinheiten der ISS eher als Backup-Systeme verstehen? Ich könnte mir so als Laie vorstellen, dass die eben auch nur eine gewisse Lebenserwartung haben und durch den Einsatz von ATV und Progress geschont werden."

Jupp,das stimmt so. Gut,"Backupsysteme" ist wohl etwas übertrieben für die Antriebseinheiten von Swesda,aber sie haben tatsächlich nur eine begrenzte Lebensdauer,und daher nutzt man Progress bzw. ATV anstatt dessen,wenn möglich.

Zu der Mischung von Distickstofftetroxid und Stickstoffdioxid:
Beide Stoffe stehen in einem chemischen Gleichgewicht. Sie wandeln sich stetig ineinander um,und das abhängig vom Druck und der Temperatur.
N2O4 <===> 2 NO2
Das Gleichgewicht verschiebt sich nach rechts
-je höher die Temperatur ist
-je kleiner der Druck ist.
Stickstoffmonoxid dürfte hier eine produktionsbedingte Verunreinigung sein.

mfG,HAL

Offline Ruhri

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #664 am: 02. September 2009, 23:32:24 »
Welcome Ruhri ! :)

Du hast geschrieben:
"Und soll man die Antriebseinheiten der ISS eher als Backup-Systeme verstehen? Ich könnte mir so als Laie vorstellen, dass die eben auch nur eine gewisse Lebenserwartung haben und durch den Einsatz von ATV und Progress geschont werden."

Jupp,das stimmt so. Gut,"Backupsysteme" ist wohl etwas übertrieben für die Antriebseinheiten von Swesda,aber sie haben tatsächlich nur eine begrenzte Lebensdauer,und daher nutzt man Progress bzw. ATV anstatt dessen,wenn möglich.

Schon klar, deswegen hatte ich auch das Wörtchen "eher" verwendet. Oder anders formuliert: Geplante Manöver fliegt man nach Möglichkeit mit den Triebwerken von Progress oder ATV, bei ungeplanten hat man keine Wahl. Im STS-128-Thread wurde ja auch vor kurzem darauf hingewiesen, dass das Swesda-Modul beim Anlegemanöver der Discovery benutzt werden musste. Außerdem sollte man die Triebwerke vielleicht schon deshalb von Zeit zu Zeit einsetzen, um deren Betriebsfähigkeit zu testen. (Hat Sarja nicht auch Triebwerke? Die dürften allerdings abgeschaltet und gesichert sein, damit nicht versehentlich Swesda beschädigt wird.)

Zitat
Zu der Mischung von Distickstofftetroxid und Stickstoffdioxid:
Beide Stoffe stehen in einem chemischen Gleichgewicht. Sie wandeln sich stetig ineinander um,und das abhängig vom Druck und der Temperatur.
N2O4 <===> 2 NO2
Das Gleichgewicht verschiebt sich nach rechts
-je höher die Temperatur ist
-je kleiner der Druck ist.
Stickstoffmonoxid dürfte hier eine produktionsbedingte Verunreinigung sein.

mfG,HAL

Eine Verunreinigung? Das denke ich eher nicht. Laut Wikipedia ist MON (Mixed Oxides of Nitrogen) ein fester Begriff für Oxidatoren hypergoler Triebwerke. Wie ich schon oben geschrieben hatte, besteht es aus N2O4 und NO2 (technisch dasselbe, wie du so freundlich erläutert hattest), in dem ein bestimmter Prozentsatz Stickstoffmonoxid (NO) gelöst ist. Dieser Prozentsatz ist die Zahl hinter dem MON, somit enthält MON 3 halt 3% NO. Das Ganze dient wohl hauptsächlich dem Korrosionsschutz, reduziert aber die (im Triebwerk gewünschte) oxidierende Wirkung. Rein logisch betrachtet ist die MON 3-Angabe bei der ESA glaubwürdiger, wohingegen die Aussage N2O4 quasi nur zu 97% wahr wäre. Wenn man die 3% NO vernachlässigt, ist die Aussage richtig. Wozu hätte man aber in dem einen Fall MON 3 erwähnen sollen, wenn es nicht tatsächlich benutzt würde?

Ebenfalls laut Wikipedia-Artikel benutzen die Amerikaner meist MON3, die Europäer hingegen MON 1,3. Welche Raumfahrzeuge sind damit wohl gemeint? Bei den Amerikanern dürften zumindest die Shuttles gemeint sein, bei den Europäern aber nicht das ATV, wenn es denn MON 3 verwendet. Ob damit vielleicht Satelliten gemeint waren?

HAL2.0

  • Gast
Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #665 am: 03. September 2009, 02:48:47 »
Ich bedanke mich ebenfalls - bisher war mir der Begriff/das Akronym MON unbekannt.Man lernt nie aus....und ja,Das Stickstoffmonoxid ist eine produktionsbedingte Verunreinigung,sowohl in Amerika,als auch in Europa (oder Russland meinetwegen.).
Stickstoffmonoxid ist weniger effizient als Oxidator,und somit ein unerwünschtes,aber unvermeidliches Begleitprodukt des Treibstoffes. Ein mol Sauerstoff mit einem mol Stickstoff ? Das ist nicht effizient genug. Zwei mol Sauerstoff mit einem mol Stickstoff - das ist erstrebenswert,und stellt den N2O4-Oxidator dar. BZW. dessen Gleichgewichtsprodukt NO2.

Alle Klarheiten beseitigt ? Ich wollte jetzt nicht ZU chemisch werden,sonst schreckt das doch andere Leser ab,ne ? :)
Bitte vertraue mir,ich habe seit meiner Kindheit Chemie betrieben,um es später auch zu studieren. Derlei Reaktionen schüttel ich aus dem Ärmel - richtig cool ist doch erst die organische Chemie. Aber so kompliziert brauchen wir das hier gar nicht.
N2O4 zu 2 NO2 ? Das ist gar nix....incl. der Feststellung,Monoxide wären eine Verunreinigung. Das ergibt sich sterisch und energetisch zwangsläufig.
Frag mich mal nach Festtreibstoffen a la Shuttle-Booster,da wird es vergleichsweise kompliziert. Obwohl - immer noch anorganisch,also....eigentlich langweilig.
(Für Chemiker: sind die Polybutadiene nun schon spannend ? Ich weis ned....."spannend" beginnt etwa bei Immunglobulinen,oder ?)

jetzt hab ich aber echt mal einen auf dicke Hose gemacht. Sorry,sonst bin ich doch bescheiden. HAL

Ebenso für Chemiker: Polybutadien ist doch nur per Definitionem organisch. Einfach lächerlich. Organische Chemie beginnt bei Eiweißmolekulen,wie den erwähnten Immunglobulinen. Alles davor ist ...einfach.
Die Molekülorbitale sehe ich,wenn ich nur daran denke.
Kunststoffketten....pfft.

Oh je,da war noch was von wegen MON x,y Prozent. Ich sagte bereits: Stickstoffmonoxid ist eine Verunreinigung im Oxidator.
Jaa,wir europäer kriegen das nun mal besser hin,da wir eine fortschrittlichere chemische Industrie haben. DESHALB benutzen wir MON 1,3. Nicht MON 3,wie unsere beinahe ebenso erfolgreichen Freunde aus Übersee. Wir können es nun mal besser - industriell betrachtet. Und daher stammen die unterschiedlichen Bezeichnungen.
« Letzte Änderung: 03. September 2009, 03:35:15 von HAL2.0 »

Offline Ruhri

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #666 am: 03. September 2009, 20:29:52 »
Vorsicht, red dich bloß nicht um Kopf und Kragen! Du hast ja selbst gesagt, dass anorganische Chemie eher langweilig ist und du den Begriff "MON" nicht gekannt hast. Laut dem Wikipedia-Eintrag dient ein gewisser Anteil Stickstoffmonoxid dem Korrosionsschutz. Was kannst du als Chemiker zu dieser Aussage sagen? Deine Aussage, dass NO den Oxidator ineffizienter macht, stand dort auch und wurde von mir daher bereits angeführt.

Für mich stellt sich das eher so dar, dass man bei den MON-Versionen abwägt zwischen höchstmöglicher Effizienz des Oxidators und seiner geringstmöglichen Aggressivität. Zumischungen von NO zwischen 1,3 - 3% könnten da durchaus der übliche Mittelweg zwischen diesen beiden Anforderungen darstellen.

HAL2.0

  • Gast
Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #667 am: 04. September 2009, 12:45:01 »
Oh je.

Ich bitte um Entschuldigung. NO ist tatsächlich sehr reaktionsfreudig,und zwar als Reduktionsmittel (!). Das Studium ist ein paar Tage her....ehrlich,tut mir Leid.
Was ich aber immer noch nicht verstehe: wieso bewirken 3 % NO in 97% NO2/N2O4 eine antikorrosive Wirkung ? Das ist mir unbegreiflich. Die oxidative Wirkung des NO2 sollte doch überwiegen,oder ?

diese Schallplatte ist zerkratzt,HAL

Offline Ruhri

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #668 am: 04. September 2009, 20:12:19 »
Irgendwie habe ich dieses komische Gefühl, dass ich dir auf den Schlips getreten sind. Falls das so ist, tut es mir Leid. (Oder war es die Fliege? Immerhin bist du Chemiker. :) )

Wenn ich recht verstehe, wirkt NO der korrosiven Wirkung von NO2 bzw. N2O4 tatsächlich entgegen, nur erwartest du von einer 3%igen Zumischung keinen wesentlichen Effekt. Nun ja, was weiß ich? Bin ich vielleicht Chemiker? (Und keine Sorge - was meinst du, was ich alles aus meinem Studium vergessen habe!)

Mir ist aber noch eine mögliche Erklärung eingefallen, wieso einmal bei der ESA "MON 3" erwähnt wird, obwohl angeblich in Europa eher "MON 1,3" verwendet wird (und auch in der entsprechenden Reinheit hergestellt werden kann).

Die Triebwerke des ATV stammen aus den USA, und die Amerikaner verwenden als Wikipedia MON 3 als Oxidator. Daraus ergeben sich zwei mögliche Antworten, von denen womöglich keine zutrifft:

  • Das ATV verwendet tatsächlich MON 3, weil die Triebwerke nur dafür zugelassen sind.
  • Der Autor des einzigen Hinweises wusste, dass für amerikanische Triebwerke MON 3 verwendet wird und ist davon ausgegangen, dass das auch für das ATV zutreffen würde.

So, und wenn jetzt einer die korrekte Antwort kennt, könnten wir beide dieses Herumraten einstellen, nicht wahr?  :-X

Offline Ruhri

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #669 am: 21. September 2009, 14:18:08 »
Mal eine andere Überlegung: Gesetzt den Fall, die COTS-Firmen könnten der NASA nicht rechtzeitig Frachtflüge verkaufen, was hätte das ATV den Amerikanern zu bieten? Treibstoff/Oxidator brauchen sie nicht, es sei denn, sie tauschen es bei den Russen gegen etwas anderes ein. Sauerstoff wäre ohne weiteres denkbar, aber was ist mit Wasser?

Oder würde ein ATV in US-Diensten mit leeren Tanks fliegen und dafür den begehbaren Teil mehr mit Stückgut beladen?

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Offline roger50

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #670 am: 22. September 2009, 23:00:18 »
N'abend,

bin mir zwar nicht sicher, ob ich Deine Fragen richtig verstanden habe, aber zur letzten:

Falls kein Reboost geplant ist, braucht ATV nur soviel Treibstoff mit zu nehmen, wie für die eigentliche Mission (rauf/runter) benötigt wird. Das sind rund 3.000 kg. Dann kann entsprechend mehr Trockennutzlast mitgenommen werden, bis zu 5.800 kg. Zusätzlich noch Luft/Wasser.

Gruß
roger50

Offline Ruhri

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #671 am: 22. September 2009, 23:46:22 »
Naja, so halb und halb.  ;)

Ich hatte mich einfach nur gefragt, was die NASA in ein ATV packen würde, wenn sie eines für ausschließliche Nutzung buchen würden. Ein ATV ist nun einmal auch ein Tanker, und nicht nur ein Frachter.

Thema Wasser: Wir würden da über Trinkwasser nach amerikanischem Standard sprechen. Ließe sich das über einen Schlauch bis zum entsprechenden Modul leiten? Andocken kann schließlich auch ein ATV in amerikanischem Auftrag nur am Heck von Swesda, es sei denn, es würde ein anderer Port umgerüstet.

Aber ansonsten hast du es schon beantwortet: Weniger nasse Fracht ggf. inklusive Reboost-Treibstoff, dafür mehr trockene Fracht. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie lange der Vorlauf wäre, wenn die NASA sich mit der ESA und EADS einigen sollte? Anderthalb bis zwei Jahre, würde ich schätzen...

Aber auf dem International Space Bazar könnte die NASA natürlich auch von ihr selbst nicht benötigte nasse Fracht einladen lassen und gegen irgendetwas anderes eintauschen.

aero

  • Gast
Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #672 am: 23. September 2009, 00:54:55 »
Hast du eigentlich eine Ahnung, wie lange der Vorlauf wäre, wenn die NASA sich mit der ESA und EADS einigen sollte? Anderthalb bis zwei Jahre, würde ich schätzen...

Le Gall meinte zum HSF-Kommitee, dass der Vorlauf bei 36 Monaten für ein ATV liegt, sollte man eines bestellen wollen.

Offline Ruhri

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #673 am: 23. September 2009, 08:42:06 »
Also 50-100% auf meine Schätzung drauf - da lag ich ja gar nicht einmal so schlecht. ;)

Tja, wenn die NASA also 2012 Fracht über die mit Roskosmos vereinbarten Kontingente hinaus zur ISS transportieren möchte, müssen sie sehr sicher sein, dass OSC oder SpaceX dann bereit sein werden oder jetzt mal so langsam mit der ESA oder JAXA abschließen.

Aber gut, ein komplettes Raumschiff muss nicht unbedingt nötig sein. Je nach Lagerbestand auf der ISS kann die NASA auch bei den nächsten ATVs Frachtkapazität einkaufen und dafür irgendetwas anderes eintauschen - und wenn es nur Strom ist.
« Letzte Änderung: 23. September 2009, 19:33:29 von Ruhri »

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Offline roger50

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Re: ISS Versorger ATV
« Antwort #674 am: 23. September 2009, 10:37:46 »
Moin,

36 Monate Vorlauf für ein zusätzliches ATV ist eine realistische Größenordnung... ;)

Ruhri
Zitat
...kann die NASA auch bei den naächsten ATVs Frachtkapazität einkaufen

Das braucht NASA gar nicht. Mit den ATV-Missionen 'bezahlt' Europa seinen Anteil an den Betriebskosten der ISS, die durch COLUMBUS & den Aufenthalt europ. Astronauten anfallen. Deshalb definiert auch NASA das Nutzlastmanifest der ATV-Missionen, mehr als 80% der Cargo wird direkt von NASA gestellt.  ;)

Gruß
roger50