Chinas Planung zur Monderforschung

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #200 am: 21. Dezember 2023, 07:33:11 »
@Regnart
Genau, ich habe auch die Messwerte des Dosimeters der Uni Kiel gemeint. Aber auf der Erde zählt die Radiation weniger 0,5 μSv/h als harmlos. Ich habe ein Dosimeter. Zum Beispiel zeigt es gerade jetzt durchschnittlich 0,17 μSv/h. Also wenn geht man von der Strahlung auf der Erde 0,5 μSv/h dann ergibt es sich ein Verhältnis 57/0,5=114. Auf ISS haben manche Astronauten den Aufenthalt mehr als 1 Jahr gehabt.

Auf der ISS beträgt die durchschnittliche Strahlenbelastung 22 μSv/h, also die Hälfte von der auf dem Mond. Die CMSA wird den halbjährigen Schichtwechsel mittelfristig beibehalten, zum einen wegen des Polarsommers, zum anderen sinkt nach einem halben Jahr in ständigem Lärm die Konzentration und Leistungsfähigkeit spürbar ab. Insofern wären Mondbasis und ISS gleich: doppelte Strahlenbelastung, halbe Zeit.

Was die Apollo-Astronauten im August 1972 getötet hätte, war aber nicht die durchschnittliche Strahlenbelastung, sondern die koronalen Massenauswürfe. Die Universität Nanjing will 2026 an dem der Erde nacheilenden Langrange-Punkt L5 den Frühwarnsatelliten Xihe 2 positionieren, mit dem man einen sich anbahnenden Massenauswurf vier bis fünf Tage vorher sehen würde, bis sich die Sonne soweit gedreht hat, dass er auf das Erde-Mond-System trifft:


Bild: SMG

Sich in vier bis fünf Tagen vom Mond zurück zur Erde zu flüchten, wird knapp (und teuer). Aber die Leute in der um den Mond kreisenden Raumstation können sich in dieser Zeit problemlos unter die Mondoberfläche flüchten.

Die Sonne hat eine sehr große Oberfläche, und selbst in Zeiten des Sonnenfleckenmaximums gehen die meisten Flares etc. nicht auf die Erde, sondern irgendwo nach hinten in den Weltraum hinaus. Die NASA meint, sie kann mit dem bisschen Risiko leben und schickt 2025 Leute auf eine Mondumkreisung. In China sieht man das anders. Das ist einfach eine andere Denkweise.

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #201 am: 28. Dezember 2023, 16:24:43 »
Am 25. Dezember hat das Chinesische Raumfahrer-Ausbildungszentrum einen recht konkreten Missionsplan für eine unbemannte Probelandung, kombiniert mit einer bemannten Umkreisung, veröffentlicht. Eine PDF-Datei mit dem gesamten Artikel kann man sich von hier herunterladen:
http://www.yhxb.org.cn/CN/10.3873/j.issn.1000-1328.2023.12.005

Hier ist eine maschinenübersetzbare Zusammenfassung des Labors für Tiefraumerkundung:
https://weibo.com/5027345285/NzfS7fTjk

Was bislang noch ncht so expliziert kommuniziert wurde, ist, dass die Fähre 3 bis 6 Monate vor dem Raumschiff startet. Da man für die Landung den 25. April 2029 vorgesehen hat (einen Tag nach dem chinesischen Tag der Raumfahrt), bedeutet das in der vorliegenden Beispielrechnung, dass die Fähre bereits am 27. November 2028 starten müsste. Sie bleibt dann 139 Tage in einem um 171° zum Mondäquator geneigten Parkorbit von 200 × 5000 km, der nicht von Mascons gestört wird und ohne weiteren Treibstoffverbrauch aufrechterhalten werden kann. Erst danach startet die Mannschaft und der Orbit der Fähre wird auf eine Kreisbahn von 200 km Höhe abgesenkt. Rendezvous, Abkoppelung, Landung auf dem Mond, 3 Tage Aufenthalt mit Kernlochbohrung, Rückstart, Rendezvous, Probenumladung, Landung in der Inneren Mongolei.

Es wird kein Grund angegeben, warum diese lange Zeit zwischen den beiden Starts nötig ist. An sich sollte ab Januar auf dem Kosmodrom Wenchang ein doppeltes Raumfahrzeugmontagegebäude mit zwei Startrampen für je eine Changzheng 10 gebaut werden. Dort könnte man beide Raketen parallel montieren und kurz hintereinander starten. Die einzige Erlärung, die mir hier einfällt, ist, dass man mit der Montage der zweiten Rakete erst beginnen will, wenn die Landefähre sicher bestätigt im Mondorbit ist.

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #202 am: 24. Januar 2024, 08:39:02 »
Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Mondprogramms der Volksrepublik China hier eine kurze Aktualisierung:

In einem Interview am Rande des Starts von Tianzhou 7 hat Yang Liwei, Stellvertretender Technischer Direktor des bemannten Raumfahrtprogramms der Volksrepublik China, erklärt, dass Prototypen von Trägerrakete, Raumschiff und Landefähre fertiggestellt sind und derzeit getestet werden:


https://www.youtube.com/watch?v=0KypYxqACrU

Andererseits hat der für Januar geplante Baubeginn von Raumfahrzeugmontagegebäude und Startrampe für die Changzheng 10 bis heute nicht stattgefunden und wird angesichts des unerbittlich nahenden Frühlingsfests am 10. Februar (so etwas wie bei uns Weihnachten) wohl auch nicht mehr stattfinden:
https://m.weibo.cn/status/ND8mI9oc2
(15. Kommentar)

Gleichzeitig hat Xu Lijie (徐利杰, * 1981, das in dem Artikel ist ein Jugendfoto) von der Chinesischen Akademie für Trägerraketentechnologie als Studioexperte beim Start von Tianzhou 7 - mit kantonesischem Akzent und schnell gesprochen - gesagt, dass die ersten Flüge der Changzheng 10 bereits 2025/2026 stattfinden sollen:


https://www.youtube.com/watch?v=NyGWL5IPrFA

Man muss das wohl so verstehen, dass zunächst nur die Kernstufe der Rakete von der Startrampe 101 des Kosmodroms Wenchang abheben wird, von wo auch die Changzheng 5 startet. Der Bau einer neuen Startrampe dauert in China zwei Jahre.

Die unbemannte Sonde Chang’e 8 wurde von Chang’e 7 räumlich getrennt und soll nun erst 2029 statt 2028 starten. Die von CCTV in der Meldung verwendete Computergrafik ist nicht mehr aktuell:
https://m.weibo.cn/status/ND8mI9oc2

Chang’e 8 hat mehrere Nutzlasten, ist aber im Wesentlichen eine Ziegelei. Man befürchtete wohl, dass das Einsammeln des Regoliths für die Ziegel mit einer Art Straßenkehrmaschine trotz aller Maßnahmen zur Staubvermeidung die empfindlichen Instrumente von Chang’e 7 stören könnte.

Jadehase 2 rollt und rollt und rollt. Er wurde nun, wie zuvor schon der Lander von Chang’e 3, zum Musterarbeiter ernannt:


Bild: CNSA

:D

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #203 am: 24. Februar 2024, 07:32:47 »
Aus fast 2000 Vorschlägen, die bei einem allgemeinen Wettbewerb eingereicht wurden, wurden jetzt die Namen für das neue Raumschiff und die Monlandefähre ausgewählt. Das Raumschiff heißt Mengzhou (梦舟), also "Traumboot", ein Bezug auf Xi Jinpings Konzept vom Chinesischen Traum und Raumfahrttraum. Nachdem es von dem Raumschiff zwei Varianten gibt - die Mondvariante mit langem Servicemodul wie auf dem Bild, und später den Raumstation-Zubringer mit kurzem Servicemodul - heißt die Tiefraumvariante Mengzhou-Y, wobei das "Y" für "Yue"/月, also "Mond" steht:


Bild: CMSA

Die Mondlandefähre heiß Lanyue (揽月), also "Mondumarmung", ein Bezug auf den ursprünglich von dem Tang-Dichter Li Bai stammenden, aber von Mao Zedong 1965 in dem Gedicht „Wieder auf den Jinggangshan steigen“ bekannt gemachten Spruch „Wir können zum Himmel hinaufsteigen und den Mond herunterholen“ (可上九天揽月, wird bei Chang’e 6 sicher wieder reichlich zitiert):


Bild: CMSA

https://www.cmse.gov.cn/xwzx/202402/t20240224_55093.html

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #204 am: 24. Februar 2024, 11:10:21 »
Natürlich beabsichtigt die CMSA nicht, den gesamten Mond vom Himmel zu holen, sondern nur einzelne Bodenproben, wie es hier auf dem Missionspatch von Chang'e 6 die Mondfee tut:


Bild: CCTV 13/Andrew Jones

Letztes Jahr hat das Zentrum für Projekte und Technologien zur Nutzung des Weltalls 50 über den gesamten Mond verteilte Stellen von geologischem Interesse ausgewählt:


Bild: CSU

Aus diesen wurden wiederum 30 Stellen ausgewählt, um die sich die Raumfahrer vorrangig kümmern sollten:
https://www.yhxb.org.cn/thesisDetails#10.3873/j.issn.1000-1328.2023.09.002&lang=zh

Die Erkundung wird an jeder der 30 Stellen in sich langsam erweiternden Kreisen durchgeführt. Der chinesische Mondanzug ist so konstruiert, dass sich die Raumfahrer damit in einem Radius von 1 km zu Fuß bewegen können (1 km hin + 1 km zurück = 2 km). Der bereits bei der ersten bemannten Landung mitgeführte Mondrover besitzt einen Aktionsradius von 10 km, die bei einer Antennenhöhe von 3 m oben auf dem Lander angenommene maximale Sichtweite. Aus Sicherheitsgründen will man sich zunächst nur in einem Radius von 5 bis 6 km bewegen.

Das die meiste Zeit unbemannt vor sich hinrollende Mondlabor der ersten Generation, bei dem die Raumfahrer nur gelegentlich vorbeischauen, um voranalysierte und selektierte Bodenproben (wie bei Chang'e 8) abzuholen, besitzt einen Aktionsradius von bis zu 100 km, das mobile Mondlabor der zweiten Generation mehr als 100 km (远征 bedeutet "Fernmarsch"). Ab der Phase der mobilen Mondlabore soll die Landefähre, die bis zu 4 Personen transportieren kann, von einer orbitalen Mondraumstation aus wiederverwendet werden. Hier eine schematische Darstellung der mobilen Phase:


Bild: CAST

Das "5G" auf dem Bild ist nicht das irdische 5G (da brauchen die Basisstationen zuviel Strom), sondern eine vereinfachte Version. 高速 bedeutet "hohe Datenübertragungsrate", 中速 bedeutet "mittlere Datenübertragungsrate" und 低速 bedeutet "niedrige Datenübertragungsrate". Der Rover links unten ist ein Entwurf der Shanghaier Akademie für Raumfahrttechnologie, bei dem, ähnlich wie bei im Tagebau verwendeten Muldenkippern, der vordere und der hintere Teil um die Längsachse plus/minus 10° drehbar sind. Dadurch kann das Fahrzeug auch schwierigeres Gelände bewältigen:
https://www.yhxb.org.cn/thesisDetails#10.3873/j.issn.1000-1328.2023.09.012&lang=zh

In den ersten zehn bis zwanzig Jahren will die CMSA aber zunächst die flachen Mare im Zentrum der Mondvorderseite abarbeiten (während sich die CNSA mit ihren unbemannten Sonden an das Südpol-Aitken-Becken auf der Mondrückseite wagt).

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #205 am: 24. Februar 2024, 12:08:44 »
Hier ist ein Prototyp des Mengzhou-Raumschiffs an dem man derzeit baut:


Bild: CCTV

Das Servicemodul entspricht noch nicht dem endgültigen Zustand, wie er in der Animation hier oben zu sehen ist:
https://content-static.cctvnews.cctv.com/snow-book/index.html?item_id=6615520895874762540

Die Nutzlastverkleidung mit größerem Durchmesser für die Changzheng 5 könnte unter anderem für diesen Prototypen gedacht sein. Dann würde man noch keine große Startrampe für die CZ-10 benötigen, sondern könnte den Prototypen mit der kleineren CZ-5 starten. In die reguläre Nutzlastverkleidung mit 4,5 m Innendurchmesser passt das Ding nicht - es hat am Boden der Kapsel einen Außendurchmesser von 5 m.

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #206 am: 25. Februar 2024, 16:06:07 »
Das Mengzhou-Raumschiff, das auf kürzeren Strecken bis zu 7 Personen transportieren kann, ist nach dem selben Prinzip konstruiert wie die Chinesische Raumstation. Innen befindet sich eine luftdichte Kapsel aus einer Aluminiumlegierung, die bis zu einem Verformungsdruck von 0,278 MPa stabil bleibt. Der bei einer regulären Landung auftretende Verformungsdruck beträgt maximal 0,15 MPa (bei einer irregulären Landung ist die Verformung der Kapsel das geringste Problem der Raumfahrer). Das bedeutet, die Aluminiumkapsel ist, solange sie nicht von einem Mikrometeoriten durchlöchert wird, unendlich wiederverwendbar. Auf dem Prüfstand wurde sie 30 mal bei 0,278 MPa getestet, ohne dass es zu einer Materialermüdung gekommen wäre.

Außen an der Kapsel ist ein ablativer, in vier Wandsegmente und die Bodenplatte unterteilter Hitzeschild befestigt. Der ist zwar schon so konstruiert, dass beim Flug durch die Atmosphäre keine heißen Gase nach innen dringen, aber nicht wirklich luftdicht. Geräte, die dem Vakuum ausgesetzt werden können, sind für die leichte Zugänglichkeit bei der Wartung in Kammern außen rund um die hermetisch verschlossene Kapsel angeordnet. Bordrechner und andere Dinge, die Zimmertemperatur und einen besseren Schutz vor Strahlung benötigen (das Mengzhou-Raumschiff ist zunächst für Mondflüge gedacht, CSS-Zubringerdienst kommt später), befinden sich im Inneren der Kapsel unter den Bodenplatten:


Bild: CAST

Alles, vom Hitzeschild über die Geräte bis zu den Rohrabschnitten für die Treibstoffleitungen, ist auswechselbar. Man geht davon aus, dass eine zehnmalige Wiederverwendung des Raumschiffs am wirtschaftlichsten ist. Danach würden die Wartungs- und Reparaturkosten mehr betragen als der Bau eines neuen Raumschiffs. Das Ziel ist, das Raumschiff in weniger als zwei Jahren nach einer Landung wieder startbereit zu machen (bei den mittlerweile in Kleinserie hergestellten Shenzhou-Raumschiffen dauert es zwei Jahre, ein Exemplar zu bauen ).

Ein Problem, das sich nach dem Testflug eines Prototypen im Mai 2020 gezeigt hat, war, dass während alle um die Kapsel herumstanden und Erinnerungsfotos machten, Sand und Staub in die Gerätekammern auf der Außenseite sowie in die Düsen der Lageregelungstriebwerke eindrang. Die richtig offenen Stellen müssen nun sofort nach der Landung abgedeckt werden, außerdem muss das Raumschiff sobald als möglich in einen geschlossenen Transportcontainer gehoben werden. Die auf dem Foto gekennzeichneten Stellen sind besonders zu schützen (需防护区域):


Bild: CAST

Ich sehe übrigens gerade, dass das Foto oben eventuell vom Fernsehen herangezogenes Archivmaterial von 2020 ist.

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #207 am: 27. Februar 2024, 12:23:04 »

Bild: CMSA

Bem Lanyue-Lander soll das Antriebsmodul (unten) regulär in einer Entfernung von 4500 m von der angestrebten Landestelle und in einer Höhe von 3000 m über dem Boden von der eigentlichen Landefähre abgetrennt werden. Das Antriebsmodul fällt dann auf einer ballistischen Flugbahn zu Boden (blau gepunktete Kurve), während sich die Fähre aus ihrer schrägen Fluglage allmählich aufrichtet, mit nach unten gerichtetem Schubvektor den Fall verlangsamt und in einem Sicherheitsabstand von 2 km hinter der Einschlagstelle des Antriebsmoduls senkrecht stehend, ohne laterale Geschwindigkeitskomponente 30 m über dem Boden schwebt. Unter Nutzung ihrer Hindernisvermeidungssysteme landet die Fähre dann auf einer sicheren Stelle, wobei die letzten drei Meter zur Reduzierung der Staubentwicklung im freien Fall zurückgelegt werden. Im Normalfall läuft der Landevorgang automatisch ab, die Raumfahrer können aber jederzeit eingreifen und die Fähre auch manuell steuern.


Bild: CAST

Interessant wird die Sache bei einer Fehlfunktion. Die Hauptarbeit bei der Bremsung des Abstiegs aus dem Mondorbit übernimmt die Antriebsstufe mit einem nicht regelbaren Triebwerk von 80 kN Schubkraft. Fall sich damit während des Abstiegs ein Problem ergibt, wird das Antriebsmodul vorzeitig abgetrennt und die Landefähre, die zu diesem Zeitpunkt, mit noch vollen Tanks, 17 t wiegt, kehrt mit ihren vier, jeweils zwischen 1,5 und 7,5 kN regelbaren Haupttriebwerken aus eigener Kraft in den Orbit zurück, wo sie an das Mengzhou-Raumschiff ankoppelt. Da dessen Orbit so angelegt ist, dass sich alle drei Tage ein Fenster für einen treibstoffsparenden Rückstart von der Mondoberfläche ergibt, wird das einiges an Wartezeit und/oder Bahnmanövern erfordern.

Wenn sich nach dem regulären Abtrennen der Antriebsstufe an der Landefähre selbst eine Fehlfunktion ergibt, muss sie für eine Rückkehr in den Orbit zuerst senkrecht ausgerichtet werden, was je nach Zeitpunkt bzw. Winkel einige Sekunden dauern kann. Bei einem regulären Ablauf stellt sich die Fähre mit 3° pro Sekunde senkrecht, bei einem Notfall wird das auf 6° pro Sekunde beschleunigt. Während dieser Zeit fällt die Fähre weiter nach unten, bis sie die vier Haupttriebwerke - falls nötig  mit Unterstützung der 12 Lageregelungstriebwerke, die denselben Schubkraftvektor besitzen - wieder hochziehen:


Bild: CAST

Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #208 am: 29. Februar 2024, 23:06:06 »
Sehr spannend, vielen Dank für deine ausführlichen Beiträge :-)

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #209 am: 04. März 2024, 09:10:04 »
In diesem Nachrichtenbeitrag des chinesischen Fernsehens vom 24. Februar sagt der Pressesprecher des Büros für bemannte Raumfahrt ab 2:38, dass man mit dem Bau der Prüf- und Starteinrichtungen für die Mondrakete in vollem Umfang beginnen will (Futur):


https://www.youtube.com/watch?v=xFyiNcgP7MM

Hier ist ein Transkript des Beitrags, die entsprechende Passage kommt im letzten Absatz:
https://content-static.cctvnews.cctv.com/snow-book/index.html?item_id=6615520895874762540

Nach Satellitenaufnahmen hat ein teilumfänglicher Bau der Starteinrichtungen aber schon begonnen. Die gerodete, im unteren Teil nach links abbiegende "Straße" links/westlich der Gleisbahn zur Startrampe 101 (Langer Marsch 5) scheint den Gleisverlauf zu einer neuen Startrampe südwestlich von 101 zu markieren. Auf dem vorher/nachher-Gif hier kann man das gut erkennen:
https://weibo.com/5658451754/NC5E2AB1q

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #210 am: 05. März 2024, 16:53:04 »
Gleichzeitig hat Xu Lijie (徐利杰, * 1981, das in dem Artikel ist ein Jugendfoto) von der Chinesischen Akademie für Trägerraketentechnologie als Studioexperte beim Start von Tianzhou 7 - mit kantonesischem Akzent und schnell gesprochen - gesagt, dass die ersten Flüge der Changzheng 10 bereits 2025/2026 stattfinden sollen ...

Das Rätsel ist gelöst. Xu Lijie hat nicht die Changzheng 10 gemeint, sondern separate, kommerzielle Raketen mit 4 m und 5 m Durchmesser, die 2025 bzw. 2026 ihren Erstflug absolvieren sollen. Der Schlüssel zum Verständnis liegt in den Triebwerken. Die Changzheng 10 verwendet Kerosin-Triebwerke vom Typ YF-100K (erste Stufe) und YF-100M (2. Stufe). Die neuen Raketen verwenden Kerosin-Triebwerke vom Typ YF-102 bzw. Methan-Triebwerke vom Typ YF-209, wahlweise ergänzt mit Feststoffboostern (wie bei der Changzheng 6A):
https://www.chinanews.com.cn/gn/2024/03-04/10174021.shtml

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: das hat nichts mit dem Mondprogramm zu tun; das sind rein kommerzielle Raketen. (Jawohl, auch Staatsbetriebe dürfen heutzutage Geld verdienen. Sie müssen aber nicht.)

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #211 am: 07. März 2024, 16:32:31 »
In einem kurz vor den diesjährigen Parlamentssitzungen aufgenommenen Interview mit der Nachrichtenagentur Neues China hat Wang Yaping gesagt, dass man am Raumfahrer-Ausbildungszentrum derzeit einen Mondlandungssimulator baut. Von der Wortwahl und der Beschreibung her dürfte das wohl so etwas wie ein über Hexapod-Montierung kippbarer Flugsimulator sein (die Dame ist gelernte Kampfpilotin):


Symbolbild: Lufthansa

Und natürlich darf beim Unterricht für die chinesischen Schulkinder aus der Landefähre ein Plüschhase nicht fehlen:
https://www.guancha.cn/politics/2024_03_07_727562.shtml

:D

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #212 am: 08. März 2024, 09:06:44 »
Der Portalartikel über ein Atomkraftwerk auf dem Mond bedarf einer Klarstellung.

Richtig ist, dass Juri Borissow über ein Atomkraftwerk auf dem Mond gesprochen hat. Nicht eine Radionuklidbatterie, sondern ein echter Atomreaktor, der nicht über langsamen Kernzerfall, sondern mit einer Kettenreaktion Energie erzeugt. Das hat auch im chinesischen Internet eine Fülle von Artikeln mehr oder weniger bekannter Blogger hervorgebracht.

Was Borissow laut der chinesischen Übersetzung der Reuters-Meldung, die wohl auf einer Tass-Meldung beruht, am 5. März tatsächlich gesagt hat, ist, dass Russland darüber nachdenkt mit China im Zeitraum zwischen 2033 und 2035 damit zu beginnen ein Kernkraftwerk auf dem Mond zu bauen (俄罗斯正考虑与中国合作,于2033年至2035年期间开始在月球上建造一座核电站):
https://weibo.com/5027345285/O3J1sdsqD

Reuters hat dann am 6. März in der Pressekonferenz des chinesischen Außenministeriums nachgefragt, wo man von nichts wusste:
http://de.china-embassy.gov.cn/det/fyrth/202403/t20240306_11254625.htm

Es handelt sich hier nicht um einen gemeinsamen Plan von China und Russland. Es gibt keine russisch-chinesischen Diskussionen, und an irgendetwas arbeiten tut man schon gar nicht. Das Projekt eines russisch-chinesischen Atomkraftwerks auf dem Mond existiert nur im Inneren des Kopfes von Juri Borissow.

Richtig ist, dass die CMSA seit 2017 für die bemannte Mondbasis, seit 2023 als Bemannte Lunare Experimentierstation bekannt, ein Kernkraftwerk plant:
https://www.cmse.gov.cn/dmt/cbw/zrht/2017n/2017ndeq/201706/t20170626_40626.html

Zur Frage der Umwandlung der dort durch Kernspaltung erzeugten Wärme in elektrischen Strom gab es über die Jahre unterschiedliche Ansätze. Nach den erfolgreichen Testläufen des Stirling-Generators auf der Chinesischen Raumstation ist das nun der Favorit:
https://www.yhxb.org.cn/thesisDetails#10.3873/j.issn.1000-1328.2024.01.013&lang=zh

Ein Stirling-Generator hat bewegliche Teile, kommt also nur für Anwendungen in der bemannten Raumfahrt in Frage, wo Leute in der Nähe sind, die ihn notfalls reparieren oder, falls er durch Phasenverschiebung der Kolben stehenbleibt, wieder anschubsen können. Die Standortwahl für die bemannte Mondstation, wo das Kernkraftwerk gebaut wird, findet 2060 durch die Führungsebene des bemannten Raumfahrtprogramms statt, nachdem die 30 bislang in Erwägung gezogenen Standorte eingehend auf ihre Eignung untersucht wurden. Was Juri Borissow auf dem Jugendfestival von sich gegeben hat, war nichts weiter als heiße Luft.

Das ist übrigens einer der Gründe, warum Roskosmos nicht mehr auf der Planungsebene an der unbemannten Internationalen Mondforschungsstation beteiligt ist. Die Leute meinen, auf Absprachen mit den chinesischen Partnern verzichten zu können und klopfen einfach nur hohle Sprüche, die mit der objektiven Realität nichts zu tun haben. Großsprecherei kommt in China gar nicht gut an.

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #213 am: 08. März 2024, 11:20:21 »
Herzlichen Dank @Regnart für die Klarstellung!
War wirklich dringend nötig!
Bin sehr froh, daß wir dich hier haben!

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #214 am: 16. März 2024, 17:37:10 »
Auch meine eigenen Angaben bedürfen gelegentlich einer Klarstellung. Die Einordnung des am 3. Februar 2024 mit einer Jielong-3 gestarteten DRO-L als Erdbeobachtungssatellit war falsch. Es handelt sich um einen experimentellen Navigationssatelliten, dessen nächste oder übernächste Inkarnation das Beidou-Satellitennavigationssystem mit der Umfassenden Kommunikations-, Navigations- und Fernerkundungskonstellation Elsternbrücke verknüpfen soll. Das funktioniert im Prinzip genauso wie die Vermessung des Königreichs Hannover durch Carl Friedrich Gauß in den 1820er Jahren: DRO-L ist ein geodätischer Festpunkt, dessen Position durch die Beidou-Satelliten genau bestimmt ist. Natürlich ist dieser Festpunkt nicht fest, sondern er befindet sich in einem sonnensynchronen Orbit von etwas über 500 km Höhe, mit einer Bahnneigung von 97,4° und einer Umlaufzeit von knapp 95 Minuten. Dort ist er vom Mond aus gesehen für maximal 40 Minuten pro Umlauf hinter der Erde verschwunden:
https://jdse.bit.edu.cn/sktcxb/cn/article/doi/10.15982/j.issn.2096-9287.2023.20230017

Um den nächsten geodätischen Punkt zu bestimmen - momentan der am 13. März verlorengegangene DRO-A, nach 2033 die Rettungs- und Wohnungs-Raumstation in einem entfernten rückläufigen Orbit um den Mond - besitzt DRO-L neben einem Beidou-Empfänger einen auf dem K-Band bei 25 GHz arbeitenden Transceiver (im Weltall wird da nichts durch die sommerliche Monsunwolkendecke gedämpft), eine Parabolantenne mit 60 cm Durchmesser und einen beheizten Quarzoszillator für präzise Zeitmessung. In der endgültigen Version soll ein um eine Zehnerpotenz genauerer Rubidium-Oszillator verwendet werden; die irdischen Beidou-Satelliten haben Wasserstoff-Maser-Uhren.

DRO-L und DRO-A senden sich in kurzen Abständen Pings. DRO-L berechnet aus der Laufzeit die Entfernung und mithilfe eines erweiterten Kalman-Filters (eine Extrapolationsmethode) die absolute Position von DRO-A im Erde-Mond-System. Damit ist nun DRO-A zum nächsten (mobilen) Festpunkt geworden. Der entfernte rückläufige Orbit, in dem sich DRO-A und später die Raumstation befindet, ist sehr stabil; er würde, wenn es keinen Lichtdruck von der Sonne gäbe, über einen Zeitraum von mindestens 100 Jahren keine Bahnkorrekturmanöver benötigen. Außerdem kann man von dort alle Orte auf dem Mond, auf der Erde, die Chinesische Raumstation und erdnahe Asteroiden in allen möglichen Umlaufbahnen mit geringem Energieaufwand erreichen. Der Orbiter von Chang’e 5, mit dem diese Umlaufbahn seit Dezember 2021 getestet wird, bewegt sich bei 70.000 x 100.000 km (die lange Achse ist tangential zur Umlaufbahn des Mondes um die Erde) mit einer Umlaufzeit von 15,75 Tagen. Für die Raumstation wird aus Gründen der gleichbleibenden Arbeitsabläufe eine Umlaufzeit von 14,75 Tagen, also ein halber synodischer Monat angestrebt, was einem Orbit von 76.900 x 96.100 km entspricht.

Der ebenfalls verlorengegangene Satellit DRO-B sollte in dem Experiment des Zentrums für Projekte und Technologien zur Nutzung des Weltalls einen an die Raumstation andockenden Raumflugkörper spielen, also eine Pendelfähre CSS-Mondraumstation, eine von der Mondoberfläche aufsteigende Landefähre oder was auch immer. Nun schickt DRO-L einen leicht streuenden Signalstrahl zum Mond, der DRO-A und DRO-B abdeckt (durch den großen Radius des rückläufigen Orbits haben die beiden Satelliten fast immer Sichtverbindung zur Erde):


Bild: CSU

Gleichzeitig schickt DRO-A die Information, die er von DRO-L erhält an DRO-B. Aus dem Laufzeitunterschied zwischen dem Signal von DRO-L zu DRO-A und von DRO-L zu ihm selbst berechnet DRO-B seine relative Position zu DRO-A, also dem Ankoppelungsziel. In Simulationen, die nun nicht verifiziert werden können, gelang das mit einer Genauigkeit von 4 bis 5 m (die Präzision des für zivile Anwender freigegebenen Beidou-Systems auf der Erde beträgt 4,4 m), die relative Geschwindigkeit von DRO-A und DRO-B zueinander konnte mit einer Präzision von 0,1 mm/s bestimmt werden. Eine echte Raumfähre würde auf den letzten 20 m des Anflugs dann natürlich mit Laser-Retroreflektor und Zielkreuz manövrieren.
« Letzte Änderung: 17. März 2024, 10:36:48 von Regnart »

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #215 am: 11. April 2024, 16:45:07 »
Gibt es was Neues zum geplanten Raumschiff "Mengzhou"?
Wie weit sind sie da inzwischen?
Wann soll der erste bemannte Flug stattfinden?

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #216 am: 11. April 2024, 17:09:17 »
Das wird derzeit auf seine Widerstandsfähigkeit gegen Hitze, Kälte, Vibration etc. getestet. Nach der Genehmigung für den Bau von für einen Flug ins All bestimmten Exemplaren dauert es anderthalb Jahre, bis ein Raumschiff fertig ist. Falls alle Testflüge perfekt ablaufen, was unwahrscheinlich ist, kann der erste bemannte Start 2029 erfolgen.

Die Chinesische Akademie für Trägerraketentechnologie arbeitet jedoch derzeit an einer auskragenden Nutzlastverkleidung für die Changzheng 5. Diese Rakete erfüllt nicht die Sicherheitsbestimmungen für bemannte Flüge (das ist in China keine Frage der Genehmigung, sondern der technischen Voraussetzungen). Mit dieser Nutzlastverkleidung wäre es aber möglich, das Raumschiff unbemannt zu starten, an der Chinesischen Raumstation anzudocken, einen Testpiloten zusteigen zu lassen und etwas im erdnahen Orbit herumzukurven. Auch eine bemannte Landung könnte man auf diese Art ausprobieren. Das könnte bereits 2026 stattfinden und wäre eine Erklärung, warum sich Fei Junlong auf einen Flug mit dem Raumschiff vorbereitet. Der ist Jahrgang 1965 und für einen Flug zum Mond definitiv zu alt, aber als Testpilot könnte er durchaus noch fungieren. Sein Sohn ist mittlerweile erwachsen und käme notfalls auch ohne Vater aus.

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #217 am: 11. April 2024, 19:14:18 »
Erster bemannter Start frühestens 2029 und dann schon 2030 die bemannte Mondlandung (zu der es ja gebraucht wird!) ?
Sollte da nicht auch noch dazwischen eine bemannte Mondumkreisung stattfinden?
Wird das nicht etwas eng?
Allerdings hat es damals bei Apollo auch nur 9 Monate gedauert (Okt. 1968 - Juli 1969) inklusive Tests in LEO und Mondorbit.

Baut man in China nicht auch an einem "Starship"?
Gibt es diesbezüglich auch Pläne für Mondflüge?

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #218 am: 12. April 2024, 08:06:20 »
Der bemannte Start Mitte April 2029 ist für eine bemannte Mondumkreisung. Am 27. November 2028 startet die unbemannte Fähre und wird in einem rückläufigen Orbit von 200 x 5000 km um den Mond geparkt. Am 21. April 2029 um 12:36 MESZ wird der Orbit der Fähre auf eine Kreisbahn von 200 km Höhe abgesenkt, der am selben Tag um 15:18 MESZ erreicht wird. Das bemannte Raumschiff koppelt an die Fähre an. Zwei Mann der dreiköpfigen Besatzung klettern hinüber, testen die Systeme und klettern wieder hinaus. 24. April, Tag der Raumfahrt, landesweiter Jubel.

Am 25. April landet die Fähre unbemannt bei 0° östlicher Länge und 10° nördlicher Breite im Zentrum der erdzugewandten Seite des Mondes und setzt statt des Rovers einen bedingt mobilen Roboter ab, der an einer nicht von Treibmitteln kontaminierten Stelle in etwas Abstand von der Fähre in Multiplen von 3 Tagen (3, 6, etc.) mit einem Kernlochbohrer einen 10 m langen Bohrkern erbohrt. Wenn derselbe Bohrer wie bei Chang’e 5 verwendet wird, entspricht das etwa 8 kg Gestein. Der aufgewickelte, durch einen Aramidschlauch zusammengehaltene Bohrkern wird in der Fähre platziert. Rückstart in die Umlaufbahn, Ankoppeln, Hinüberklettern, Entnahme des Bohrkerns, Abkoppeln, Heimflug, Landung auf dem Ostwind-Landeplatz beim Kosmodrom Jiuquan. 1. Oktober 2029 Parade zum 80-jährigen Bestehen der Volksrepublik China, Karnevalswagen mit Modell der Landefähre.

Ende November 2029 Start der Landefähre für die bemannte Landung. Mitte April 2030 Start des bemannten Raumschiffs für die bemannte Landung. 24. April 2030 Wang Yaping meldet: „Ich habe den Mond betreten, fühle mich sehr gut“. Schallendes Gelächter im Raumfahrtkontrollzentrum Peking, landesweiter Jubel.

Während die NASA danach strebt, möglichst viele Menschen ins All zu bringen, versucht das Büro für bemannte Raumfahrt, möglichst wenig bemannte Flüge durchzuführen. Bei einer simplen Mondumkreisung wie Artemis 2 könnte die Mannschaft nichts tun, was Chang’e 2 nicht schon wesentlich besser gemacht hat. Dass die kosmische Strahlung ungesund ist, weis man auch so. Menschen einfach zum Spaß um den Mond herumzuschicken, nur damit man sagen kann, man war da, würde beim chinesischen Steuerzahler nicht gut ankommen.

Und nein, China arbeitet nicht an einem "Starship". Die Chinesische Akademie für Trägerraketentechnologie arbeitet an der kerosin- (1. Stufe) und wasserstoffgetriebenen (2. und 3. Stufe) vollständig wegwerfbaren Trägerrakete Langer Marsch 9, die, da sie kein Gewicht mit Landebeinen und Treibstoff für den Rückflug vergeudet, eine Nutzlast von 50 t in einen Transferorbit zum Mond bringen kann. Damit soll Mitte der 2030er Jahre die Raumstation in einem entfernten rückläufigen Orbit um den Mond gestartet werden, ab 2060  dann die Module für die Bemannte Lunare Experimentierstation (nicht zu verwechseln mit der unbemannten Internationalen Mondforschungsstation).

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #219 am: 13. April 2024, 13:06:57 »
Das mag im Augenblick durchaus so geplant sein, aber bei so zahlreichen Änderungen denen LM 9 in den letzten Jahren schon unterworfen war, wäre ich sehr zurückhaltend schon jetzt vorherzusagen, wie das in 35 Jahren (2060!) ausschauen wird.

https://www.nasaspaceflight.com/2023/04/cz-9-update

Sollte sich das Starship (nach dem offensichtlichen Erfolg von F9!) tatsächlich zu einem technischen und finanziellen Erfolg entwickeln (und i.A. sieht es doch durchaus so aus), so kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß China die nächsten Jahrzehnte bei den Wegwerfraketen stehen bleibt.
Und mit "China" meine ich auch die nichtstaatliche chinesische Raumfahrt!

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #220 am: 13. April 2024, 16:04:55 »
China bleibt nicht bei Wegwerfraketen stehen. Neben dem Raumgleiter wird nächstes Jahr eine Rakete mit wiederverwendbarer Erststufe von 4 m Durchmesser ihren Erstflug absolvieren, 2026 eine solche mit 5 m Durchmesser. Aber das sind kommerzielle Raketen bei denen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die Bremsung auf Infrastruktur am Boden verlegt wurde. Die Details findest Du hier:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=6408.msg559793#msg559793


Bild: CALT

Beim Mond sprechen wir nicht von kommerziellen Satellitenstarts für Megakonstellationen, sondern von ernsthafter Raumfahrt. Wiederverwendbarkeit ist eine Vergeudung von Nutzlastmasse.

Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #221 am: 13. April 2024, 21:45:14 »
Beim Mond sprechen wir [...] von ernsthafter Raumfahrt. Wiederverwendbarkeit ist eine Vergeudung von Nutzlastmasse.
Nur zum Verständnis:
Sind das Deine persönlichen Ansichten oder kommt das von der chinesischen Raumfahrtagentur (als untergeordnetem Organ des diktatorischem Regimes)? Daß Wiederverwendbarkeit KEINE Vergeudung von Nutzlastmasse ist, wissen wir seit knapp 10 Jahren, daher frage ich mich, was diese seltsamen Sprüche von Deiner Seite bezwecken sollen.
So Sätze wie "ernsthafte Raumfahrt" hört sich in dem Zusammenhang sehr nach Propaganda an, welche die westliche ins lächerliche ziehen möchte, auch wenn das angesichts des gewaltigen Erfolges absurd bzw. schon fast lustig erscheint.

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #222 am: 14. April 2024, 00:00:45 »
So wie es "SX-Fans" gibt, gibt es natürlich auch "China-Fans", das ist doch auch ganz natürlich.
Auch in China denkt man daran "unernste" Raumfahrt zu betreiben, bzw. Megakonstellationen aufzubauen.
Und ganz objektiv betrachtet geht Wiederverwendung erstmal tatsächlich auf Kosten der Nutzlast, zumindest kurzfristig. Der Gewinn liegt halt woanders (Unkosten, Resourcen, Zeitgewinn*, Sicherheit...). Ist halt eine Frage der Prioritäten. Was einen aber nicht daran hindern sollte wiederverwendbare Träger/Raumschiffe/Lander zu bauen. Falls dann im Einzelfall erwünscht oder erforderlich, kann damit dann immer noch im "Wegwerfmodus" geflogen werden, "quod erat demonstrandum"

* es mag länger dauern wiederverwendbare Raketen und Triebwerke zu entwickeln, bei der späteren Herstellung und Startfrequenz ergibt sich aber ein absoluter Zeitgewinn.

Das ist erstmal eine psychologische Frage. Man muß halt wie EM dran glauben können, daß die Technik tatsächlich funktioniert. Und daran sind auch jahrelang "alle Anderen" gescheitert. Jetzt, wo man sieht "es geht" und "es bringt was" werden es sicher auch die Chinesen machen, möglicherweise noch nicht bei der ersten bemannten Mondlandung und möglicherweise auch noch nicht bei der staatlichen Raumfahrt, aber das ist ja in Amerika auch nicht viel anders und wird wohl auf die Dauer auch nicht so bleiben.

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #223 am: 14. April 2024, 08:22:30 »
Beim Mond sprechen wir [...] von ernsthafter Raumfahrt. Wiederverwendbarkeit ist eine Vergeudung von Nutzlastmasse.
Nur zum Verständnis:
Sind das Deine persönlichen Ansichten oder kommt das von der chinesischen Raumfahrtagentur (als untergeordnetem Organ des diktatorischem Regimes)? Daß Wiederverwendbarkeit KEINE Vergeudung von Nutzlastmasse ist, wissen wir seit knapp 10 Jahren, daher frage ich mich, was diese seltsamen Sprüche von Deiner Seite bezwecken sollen.
So Sätze wie "ernsthafte Raumfahrt" hört sich in dem Zusammenhang sehr nach Propaganda an, welche die westliche ins lächerliche ziehen möchte, auch wenn das angesichts des gewaltigen Erfolges absurd bzw. schon fast lustig erscheint.

Das "CALT" unter dem Foto oben ist das englische Akronym für "China Academy of Launch Vehicle Technology", der Führungsgesellschaft der China Aerospace Science and Technology Corporation für das Geschäftsfeld Trägerraketen. CASC ist ein Zentral Verwaltetes Unternehmen, also ein Bestandteil des militärisch-industriellen Komplexes der Volksrepublik China. Das ist übrigens der Grund, warum sich China ein Mondprogramm leisten kann und die freie Welt nicht. Wenn sich die NASA eine Mondrakete kauft, wandert das Geld aus der Staatskasse in die Kasse von Privatfirmen. Wenn sich die CMSA eine Mondrakete kauft, wandert das Geld aus der Staatskasse in die Staatskasse.

Dass Wiederverwendbarkeit auf Kosten der Nutzlast geht, müsste eigentlich auch einem Humanisten klar sein. Selbst wenn man auf Landebeine verzichtet, wie auf dem Foto oben, benötigt eine wiederverwendbare Rakete Treibstoff zur Bremsung, also Masse, die man bei einer vollständig wegwerfbaren Rakete unter die Nutzlastverkleidung packen kann.

Bei ernsthafter Raumfahrt sprechen wir nicht nur von technischer Ernsthaftigkeit im Sinne von Sicherheit und Redundanz (sieh Dir mal die Grafik von dem Rettungsverfahren in #207 oben an), sondern von Ernsthaftigkeit der Absicht. Wenn man ganz genau weis, dass man ein Projekt niemals umsetzen wird, dann kann man der Phantasie freien Lauf lassen. Das was der Literaturwissenschaftler "willentliches Aussetzung der Ungläubigkeit" nennt.

In der Volksrepublik China wird dagegen nicht per Präsidentenrede regiert, sondern in einem verbindlichen bürokratischen Verfahren. Es gilt Rechtssicherheit. Am 23. Januar 2004 genehmigte Premierminister Wen Jiabao das Mondprogramm der Volksrepublik China, mit dem man in mehreren genau definierten Schritten zu einer ständig bemannten Basis kommen will. Das ist keine Absichtserklärung, sondern ein gedrucktes, rechtsverbindliches Dokument. Seit 2013 hat China eine diametral entgegengesetzte Regierung. Wie in den USA Republikaner und Demokraten bekriegen sich in China Marktwirtschaftler und Planwirtschaftler. Die KPCh ist sich selbst Opposition genug. Nichtsdestotrotz wird das Mondprogramm weiterhin durchgezogen. Genau so, wie es 2004 beschlossen wurde. (Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass man sich das 2004 vorher gründlich überlegt hat und sich alle Beteiligten, unabhängig von ihrer politischen Einstellung, darüber einig sind, dass eine Mondbasis zweifellos eine gute Idee ist).

Den Grad der Ernsthaftigkeit kann man unter anderem am finanziellen Engagement festmachen. Nichts für ungut, aber wer schon mit den paar Milliarden Dollar für einen Raketenstart ein Problem hat, ist auf dem Mond fehl am Platze.

Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #224 am: 14. April 2024, 12:57:52 »
Besten Dank @Regnart für diese wirklich gute Erläuterung!