Chinas Planung zur Monderforschung

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #150 am: 18. Juli 2023, 16:25:02 »


Selbstständiger ortsveränderlicher  Mobil-Labor Komplex     Bild: CCTV 13/CMS/ed.HausD

Was sich mir noch nicht erschlossen hat ist der Rover mit dem "Schirm" (re. oben im Bild), ...ist es ein Schutzschirm gegen zu starke Sonneneinstrahlung und Temperatur, ist es ein Fotovoltaik-Fächer ...

Erinnert mich doch sehr stark an diese "Pilze" zur Energieerzeugung, (ab 03:00) hier allerdings auf dem Mars.



Da diese Stationsmodule ja ihre eigene Energieversorgung zu haben scheinen, kann ich mir vorstellen, daß diese chin. Mond"pilze" in grösserer Entfernung aufgestellte autonome Ladestationen für Mondrover o.ä. darstellen könnten. Daher auch diese "Gebäude, Batterien..." darunter. (Hier nur mit auf dem Bild, um zu zeigen, daß es sowas eben auch noch gibt!)

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #151 am: 18. Juli 2023, 17:41:37 »
Jetzt wird's ein bisschen kompliziert. Das Bild mit den mobilen Modulen und dem Kernreaktor stammt von Zhang Hailian, also von der CMSA. Mittlerweile kristallisiert sich heraus, dass die ihr eigenes Ding macht, unabhängig von und parallel zur Internationale Mondforschungsstation der CNSA am Südpol des Mondes. Letztere ist noch auf längere Zeit unbemannt, die CMSA fliegt aber schon ab 2030 bemannt zum Mond um dort Techologien zu erproben. Ohne Stress und Hektik und ohne darauf achten zu müssen, die kostbaren Messgeräte in der Südpolstation mit ihren großen Landefähren nur ja nicht einzustauben. Wenn der Maurer-Roboter von Chang’e 8 einmal eine gepflasterte Landefläche in sicherer Entfernung von den Robotern angelegt hat, werden natürlich ab und zu auch Raumfahrer vorbeischauen, um Materialproben auszuwechseln oder die Zebrafische zu füttern.

Aber was Du auf dem Bild von HausD siehst, ist nicht die Internationale Mondforschungsstation. Die Solarmodule sind nach oben ausgerichtet, man befindet sich also am Äquator. Dort herrscht der normale Mondzyklus mit 14 Erdentagen Licht und 14 Erdentagen Nacht. Die ersten bemannten Missionen werden wie einst bei Apollo nach Sonnenaufgang landen und vor Sonnenuntergang wieder wegfliegen. Wenn man aber schon so weit ist, dass man ein Wohn- und ein Labormodul hat, dann bleiben die Raumfahrer natürlich für mehrere Monate auf dem Mond, nicht nur aus Kostengründen, sondern auch zur Technologie- und Psychologieerprobung. Zwei Wochen Kälte, Finsternis und Tod, das muss man mögen.

In der Praxis wird das so laufen: während des Mondtags wird die Station über die Solarmodule mit Strom versorgt, die Raumfahrer fahren mit dem Rover oder dem großen Wohnmobil herum, sammeln Bodenproben und suchen mit dem Magnetometer am Unterboden der Fahrzeuge nach geeigneten Felsplatten und Hohlräumen im Untergrund, wo man sich langfristig vor der kosmischen Strahlung verkriechen kann. Während der Nacht wird die Station vom Kernkraftwerk mit Strom versorgt, die Raumfahrer sitzen in dem Labormodul rechts und untersuchen die gesammelten Bodenproben. Nach Sonnenaufgang bricht man dann wieder auf.

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #152 am: 18. Juli 2023, 23:14:15 »
So würde es sicher bei einer äquatorialen Station laufen. Aber wie wahrscheinlich ist es denn, daß eine über längere Zeit bemannte Station in Äquaternähe errichtet wird? Viel sinnvoller ist es doch, erstmal zum Südpol zu gehen! Da gibt es Wasser und Licht/Energie!
Auch die NASA plant doch sicher nicht umsonst ihre Station im Polnähe zu errichten!

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #153 am: 19. Juli 2023, 07:59:52 »
Im Prinzip hast Du schon recht. Auch bei der Internationalen Mondforschungsstation am Südpol sind Wohnmodule vorgesehen (man beachte den Schattenwurf und die Ausrichtung der Solarmodule):


Bild: CNSA

Aber wie es hier auf S. 2 heißt, "subsequent" - "später":
https://www.cnsa.gov.cn/english/n6465645/n6465648/c6812150/content.html

Die Schwierigkeiten einer Landung am Südpol werden massiv unterschätzt, vor allem auf der erdabgewandten Seite der Polregion, wo die Chinesen aus radioastronomischen Gründen hinwollen. Bei der Äquatorialregion der erdzugewandten Seite des Mondes wirkt die Erdkugel als Meteoritenschutzschirm. Im Südpol-Aitken-Becken, lila in dem rechten Bild, ist das Gelände dagegen ernsthaft zerklüftet:



Ein chinesischer Experte hat einmal gesagt, dass die Landung von Chang’e 4 im Von-Kármán-Krater ungefähr so war, wie wenn man von Paris aus einen Golfball in einem Pekinger Schornstein einlocht. Dafür werden ab Anfang nächsten Jahres Navigationssatelliten rund um den Mond positioniert. Dann hast Du aber noch die berühmten kleinen Steine, die den Unterschied zwischen Leben ud Tod bedeuten können. Die CMSA wird wohl erst dann - in sicherer Entfernung - bei der Südpolstation der CNSA landen, wenn dort eine ebene, gepflasterte Landefläche angelegt ist. Bis dahin gibt es in den schönen flachen Mares der erdzugewandten Äquatorialregion noch genügend zu tun. Wie gesagt, man muss diese Module nicht nur von der Erde hochbekommen, sondern vor allem sanft auf der Mondoberfläche absetzen.

Was das Wasser am Südpol betrifft, so rechnet in China keiner damit. Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten beim Abbau (Arbeiten in finsterster Dunkelheit bei -190 °C) ist Kometeneis ein nicht nachwachsender Rohstoff. Darauf kann man keinen Wirtschaftskreislauf basieren. Die Chinesen haben nicht vor, vom Mond wieder wegzugehen und sind nur an langfristigen Lösungen interessiert. Die Mondstation bleibt bis mindestens 2250 (voraussichtliches Ende der Volksrepublik China) permanent besetzt, wahrscheinlich wesentlich länger. Zur Einordnung: der Kaiserkanal ist seit 584 in Betrieb, damals mit Getreidebooten, heute mit Containerschiffen.

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #154 am: 19. Juli 2023, 12:11:37 »
....Was das Wasser am Südpol betrifft, so rechnet in China keiner damit. Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten beim Abbau (Arbeiten in finsterster Dunkelheit bei -190 °C) ist Kometeneis ein nicht nachwachsender Rohstoff. Darauf kann man keinen Wirtschaftskreislauf basieren. Die Chinesen haben nicht vor, vom Mond wieder wegzugehen und sind nur an langfristigen Lösungen interessiert. Die Mondstation bleibt bis mindestens 2250 (voraussichtliches Ende der Volksrepublik China) permanent besetzt, wahrscheinlich wesentlich länger.

Mein Respekt vor China wächst mit jeder solchen Nachricht!
Hab das schon immer recht traurig gefunden, daß unser Raubbau an der Natur demnächst auf dem Mond weitergehen soll!
Und, daß die Chinesen nicht den gleichen Fehler machen, wie die Amerikaner damals mit Apollo, will ich doch schwer hoffen! Es wird wirklich langsam höchste Zeit, daß wir eine permanent besetzte wachsende Forschungsstation auf dem Mond haben und die Pläne Chinas erscheinen mir da doch viel fundierter und innovierter, als alles was die NASA zu bieten hat!
Auch, daß erst Test- und Probestationen in Äquatornähe errichtet werden sollen, finde ich ausgesprochen vernünftig.

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #155 am: 19. Juli 2023, 13:21:18 »
China fordert zunehmend andere Länder auf an ihrem Mondbasis-Projekt teilzunehmen.
Bisher haben sich angeblich bereits Russland, Pakistan, die Vereinigten Arabischen Emirate (die auch Mitglied der Artemis Accords sind!) und die Asia-Pacific Space Cooperation Organization (APSCO) beteiligt und mehr als10 weitere haben ihr ernsthaftes Interesse bekundet (darunter Malaysia und Venezuela).
Damit ist ein Gegengewicht zu den Artemis Accords bzw. den internationalen Mond-Plänen der NASA entstanden.

https://spacenews.com/china-attracts-moon-base-partners-outlines-project-timelines

Venezuela hat jetzt unterschrieben.

https://spacenews.com/venezuela-signs-up-to-chinas-moon-base-initiative

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Offline HausD

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #156 am: 19. Juli 2023, 15:34:03 »
... was Du auf dem Bild von HausD siehst, ist nicht die Internationale Mondforschungsstation.  ...
In der Praxis wird das so laufen: während des Mondtags wird die Station über die Solarmodule mit Strom versorgt, die Raumfahrer fahren mit dem Rover oder dem großen Wohnmobil herum, sammeln Bodenproben und suchen mit dem Magnetometer am Unterboden der Fahrzeuge nach geeigneten Felsplatten und Hohlräumen im Untergrund, wo man sich langfristig vor der kosmischen Strahlung verkriechen kann.
Während der Nacht wird die Station vom Kernkraftwerk mit Strom versorgt, die Raumfahrer sitzen in dem Labormodul rechts und untersuchen die gesammelten Bodenproben. Nach Sonnenaufgang bricht man dann wieder auf. ...

Dazu nochmal das Bild (Antippen = Vergrößern) zum direkten Vergleich :

Selbstständiger ortsveränderlicher  Mobil-Labor Komplex     Bild: CCTV 13/CMS/ed.HausD

Dazu ist heute in der China Daily Yang Liwei, der stellvertretende Chefplaner für bemannte Raumflüge des Landes, mit seiner wissenschaftlichen Stellungnahme zu Chinas Bemanntes Raumschiff der Nächsten Generation zitiert worden:
... das neue Schiff soll bei Chinas geplanten bemannten Missionen zum Mond und bei denen in den Weltraum eingesetzt werden ...
Und  ... Das Raumschiff wird aus zwei Hauptteilen bestehen – dem Abstiegsmodul, in dem sich die Taikonauten befinden und das während des Raumfluges als Kontrollzentrum für die gesamte Apparatur dienen wird, und dem Servicezentrum, dem Modul, das die Energie- und Antriebssysteme enthalten wird. Das Fahrzeug wird fast 9 Meter lang sein, einen Durchmesser von 4,5 Metern haben und 22 Tonnen wiegen. ...
Diese Aussage ist in etwas variierter Form in dem Bild oben wiederzufinden.

Gruß, HausD

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #157 am: 19. Juli 2023, 17:01:13 »
Was Yang Liwei bei seiner Rede in Guangzhou gemeint hat, ist dieses Ding:


Bild: Shu Jianyang

Du kannst es hier links in die Trägerrakete Langer Marsch 10 eingebaut sehen:


Bild: AstroSiren

Das "reentry module" aus dem China-Daily-Artikel ist das, was man im Deutschen meist als "Wiedereintrittskapsel" bezeichnet, also der Konus oben drauf. Der Kern dieser Kapsel ist wiederverwendbar, der in vier Paneele eingeteilte, ablative Hitzeschild wird nach der Landung abmontiert und durch einen neuen ersetzt. Hier ein 2016 geflogener Prototyp:


Bild: Li Xiaokui

Die technischen Daten sind variabel, je nachdem, ob man von Leergewicht oder betanktem Startgewicht spricht, mit oder ohne Rettungsrakete. Hier kannst Du einen ungefähren Überblick gewinnen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bemanntes_Raumschiff_der_neuen_Generation

Das ist ein Mehrzweckraumschiff, das sowohl für Mondmissionen als auch später für den Transport von Raumfahrern zur Raumstation im erdnahen Orbit eingesetzt werden soll. Prinzipiell kann es sieben Personen transportieren; bei den drei Personen, die 2028/29 den Mond umkreisen und 2030 landen sollen (einer der drei bleibt im Raumschiff), ist noch viel Platz für Fracht. Zur Erinnerung: bei der ersten unbemannten Testlandung der Fähre soll ein anstelle des Rovers ausgesetzter mobiler Bohrroboter einen Bohrkern von 10 m Länge produzieren und in der Fähre platzieren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bemanntes_Raumfahrtprogramm_der_Volksrepublik_China#Nutzlasten_der_Landef%C3%A4hre

Das ist viel schweres Gestein, das die im Orbit wartenden Raumfahrer mit zurück zur Erde nehmen müssen.

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #158 am: 20. Juli 2023, 14:35:16 »
In dem China-Daily-Artikel hat es einige Missverständnisse gegeben, daher hat die Herstellerfirma soeben eine Klarstellung veröffentlicht:
https://www.cnsa.gov.cn/n6758823/n6758838/c10078852/content.html

Das für den Transport von 3 Raumfahrern zum Mond gedachte Raumschiff wiegt, so wie es in dem ersten Bild meines obigen Beitrags fotografiert ist, also ohne Rettungsrakete, in betanktem Zustand 26 t. Das sogenannte "Servicemodul" (heißt auf Chinesisch auch so) ist  nur ein Tank mit angeschraubten Triebwerken und Solarmodulen. Die Lebenserhaltungssysteme, Temperaturregelung, Funkanlage etc. befinden sich im Unterboden des Raumschiffs und werden mit diesem beim nächsten Flug wiederverwendet (theoretisch; in der Praxis werdendie ersten Mondraumschiffe sicher an Museen verschenkt).

Die LEO-Version des neuen Raumschiffs hat ein kleineres Servicemodul, kann aber 4 bis 7 Personen zur Chinesischen Raumstation bringen. Dementsprechend gibt es auch eine dreistufige Trägerrakete mit Boostern und einer Nutzlastkapazität von 27 t für den Mond und eine zweistufige Trägerrakete ohne Booster mit einer Nutzlastkapazität von 14 t für die Raumstation:


Bild: CASC

In der Firmenmitteilung wird bestätigt, dass der Rover geich bei der ersten bemannten Landung mitkommt. Außerdem wird auch auf das Mobile Mondlabor links im Bild eingegangen. Letzten September hat ein CASC-Ingenieur auf der Tagung der Internationalen Astronautischen Föderation in Paris gesagt, dass man noch nicht über die Himmelskran-Technologie verfügt. Man scheint dort aber Fortschritte zu machen. Die Wohnmobil-Pläne wirken schon recht konkret.

Offline failsafe

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #159 am: 23. Juli 2023, 17:56:50 »
Der Schirm ist die Kühlfläche eines am Institut für Sicherheit der Kernenergie in Hefei in Entwicklung befindlichen, mit geschmolzenem Lithium gekühlten schnellen Brüters:

Hier eine Illustration zum entsprechenden NASA-Konzept: ein kleiner Kernreaktor für den Einsatz auf der Mondoberfläche im Rahmen des Artemis-Programms, mit 40 kW elektrischem Output, skalierbar bis 100 kW:


  Bild: NASA

https://spacenews.com/nasa-plans-for-lunar-fission-power-systems-face-fiscal-challenges/

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #160 am: 24. Juli 2023, 11:14:35 »
Da wir gerade von Kernreaktoren sprechen, in diesem englisch untertitelten Video zur Internationalen Mondforschungsstation (die internationale robotische der CNSA, nicht die chinesische bemannte der CMSA) kann man bei 3:35 die Sonde zur Erkundung der Heliopause sehen, für die der Reaktor ursprünglich gedacht war (und immer noch ist):
https://www.bilibili.com/video/BV1co4y187Lx/

Der Reaktor sitzt vorne an der Spitze, die Instrumentankapsel ganz hinten, weit weg von der radioaktiven Strahlung.
« Letzte Änderung: 24. Juli 2023, 14:42:30 von Regnart »

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #161 am: 01. September 2023, 06:11:43 »
Hier zwei gestern von der CMSA im Rahmen eines Namensgebungswettbewerbs veröffentlichte, neuere Bilder von Mondraumschiff und Landefähre:


Bild: CMSA


Bild: CMSA

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #162 am: 01. September 2023, 11:06:10 »
Hier das dazugehörige Video:



Man beachte:
Die Mondanzüge haben kein Exoskelett.

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #163 am: 01. September 2023, 12:47:28 »
Falls es bei 2030 - Landung bleibt, wären es ja immerhin noch 7 Jahre, aber schön zu sehen, daß das Projekt jetzt immer konkreter wird.
Das neue Raumschiff soll ja 2025/2026 bemannt fliegen, die Long March 10 bis 2027 einsatzfähig sein und der Lander wird wohl bis dahin auch seiner Fertigstellung entgegensehen können. Möglicherweise klappt es dann ja schon etwas eher (2029?) mit der ersten Mondlandung! ???
Das wären dann fast genau 60 Jahre nach den Amerikanern, aber sicher etliche Jahre vor den Indern und den Russen (arbeiten die überhaupt noch daran?). Von uns Europäern mal ganz zu schweigen (aber vielleicht dürfen wir ja irgendwannmal bei Artemis mit  ;) )

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #164 am: 01. September 2023, 15:05:18 »
Das mit dem Erstflug des neuen Raumschiffs 2025/2026 ist ein weitverbreitetes Missverständnis. Während der 2020 geflogene Prototyp in die Nutzlastverkleidung der Changzheng 5 passte, hat die neue Version oben auf dem Bild einen größeren Durchmesser und sitzt oben auf der Raketenwand auf. Abgesehen davon, dass die Changzheng 5, anders als die Changzheng 7, nicht für bemannte Flüge gebaut wurde und daher dafür auch nicht zertifiziert wird (eine Zuverlässigkeit von 97 % ist in China einfach nicht gut genug), kann sie das neue Raumschiff auch rein technisch nicht transportieren. Das neue Raumschiff ist für die Changzheng 10 gebaut, die Changzheng 10 ist für das neue Raumschiff gebaut. Das eine kann nicht ohne das andere fliegen. Also Erstflug 2027 für Rakete und Raumschiff.

Wie Du an den zentimetergenauen Angaben für die Nutzlasten bei der ersten unbemannten Mondlandung sehen kannst, ist der Lander bereits fertiggestellt:
https://mp.weixin.qq.com/s/X9GeY_g8QbT7My3EQqv0oA

Das Ding existiert schon längst, sonst hätte das Büro für bemannte Raumfahrt im Frühjahr kein Modell im Nationalmuseum ausgestellt. Das mit dem "Gesicht verlieren" ist zwar ein Klischee, aber wie alle Klischees hat es einen wahren Kern. Private Raumfahrtfirmen in China nehmen, wie ihre abendländischen Kollegen, den Mund gerne sehr voll (siehe die Powerpoint-Konzepte für wiederverwendbare Raketen), aber chinesische Behörden würden nichts ankündigen, von dem sie nicht überzeugt sind, dass sie es zum angegebenen Zeitpunkt liefern können. Du kannst in Deinem Terminkalender vermerken:
2029 autonome, unbemannte Landung der chinesischen Mondlandefähre, Bohrung mit Entnahme einer Gesteinsprobe aus 10 m Tiefe
2030 Wang Yaping auf dem Mond

Die Sache mit den bis zum Lagrange-Punkt L1 des Sonne-Jupiter-Systems verteilten Wasserstoff-Tankstellen ist übrigens ebenfalls absolut ernst zu nehmen :D

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #165 am: 01. September 2023, 16:41:18 »
Ist das nicht die Long March 2F, welche "man rated" ist?
Soweit ich sehe, ist die LM/CZ 7 bisher nur unbemannt geflogen.
Die LM 5 hat wohl mit 5 Metern den selben Durchmesser wie die LM 10, oder hat sich das auch geändert?
Und da bei der LM 5 eh nahezu für jede Nutzlast ein neuer Adaptor gebaut wird, könnte wohl das neue Raumschiff auch darauf fliegen, Zertifizierung natürlich vorausgesetzt.
Noch ist die LM 10 ja kein einziges mal geflogen, also liegt da ja auch keine "Zuverlässigkeit über 97%" vor.

Genau genommen kann die LM 10 natürlich auch ohne das neue Raumschiff fliegen. Soll und wird es ja auch, z.B. mit dem Mondlander!  ;)

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #166 am: 01. September 2023, 17:14:14 »
Die Zuverlässigkeit einer Rakete berechnet sich nicht aus der Zahl der Fehlstarts - dann dürfte die Rakete ja erst nach mindestens hundert Starts zertifiziert werden - sondern aus Massentests der einzelnen Bauteile, aus denen dann wie bei der Fehlerrechnung im Physikunterricht vor dem allerersten Testflug die Gesamtzuverlässigkeit der Rakete berechnet wird.

Bei der derzeit für bemannte Flüge eingesetzten Changzheng 2F/G beträgt die Zuverlässigkeit 98,95 %. Das gilt für die Rakete. Da aber oben auf dem Raumschiff noch eine Rettungsrakete sitzt, liegt für den einzelnen Raumfahrer die Wahrscheinlichkeit, einen Start auch bei einer Fehlfunktion der Rakete noch zu überleben bei 99,996 %. Das ist deutlich besser als die Überlebenswahrscheinlichkeit im Pekinger Stadtverkehr, ganz zu schweigen von den Bergstraßen in Südwestchina, weswegen chinesischen Raumfahrern das Autofahren allerstrengstens verboten ist. Dafür hat ihre Ausbildung einfach zu viel Geld gekostet.

Die Changzheng 7 ist zwar bis jetzt nur unbemannt geflogen, nichtsdestotrotz ist sie aufgrund ihrer Zuverlässigkeit von 98 % für bemannte Flüge lizensiert. Falls das Kosmodrom Jiuquan durch ein Erdbeben zerstört werden sollte (kommt in der Inneren Mongolei öfters mal vor), kann man die bemannten Flüge von Wenchang aus aufrechterhalten. Der Preis dafür ist, dass ein Start mit der Changzheng 7, eben weil sie so aufwendige Sicherheitsmaßnahmen und Redundanz besitzt, 570 Millionen Yuan kostet, egal ob oben drauf ein bemanntes Raumschiff oder nur ein Frachter mit Essenspaketen montiert ist. Zum Vergleich: ein Start mit einer Changzheng 3B/E, die die gleiche Nutzlastkapazität besitzt, aber nicht für bemannte Flüge zertifiziert ist, kostet nur 265 Millionen Yuan.

Die Changzheng 5 hat ebenso wie die Changzheng 10 einen Außendurchmesser von 5 m. Das neue Raumschiff hat aber am Hitzeschild ebenfalls einen Außendurchmesser von 5 m. Es wird nicht in der Rakete auf einem Nutzlasttraggestell transportiert, sondern auf der Rakete. Dadurch, dass das Raumschiff auf der Außenwand der Rakete ruht, spart man sich das Gewicht des Nutzlasttraggestells.

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #167 am: 01. September 2023, 17:20:05 »
Danke @Regnart für die wie immer umgehende, höchst aufschlussreiche und komplette Information!

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #168 am: 08. September 2023, 06:59:02 »
Am 1. September hat sich auch die Nationale Raumfahrtbehörde Südafrikas der Kerngruppe der Internationalen Mondforschungsstation angeschlossen, der Text des Memorandums entspricht weitgehend dem mit Venezuela unterzeichneten:
https://www.cnsa.gov.cn/n6758823/n6758840/c10370666/content.html

Wie bei Venezuela geht es hier primär um Bodenstationen. Und wie bei Venzuela, wo die Bodenstationen in El Sombrero und Luepa 2007 im Rahmen des Venesat-1-Projekts von der Volksbefreiungsarmee gebaut wurden und mit den chinesischen Systemen kompatibel sind, ist auch die Satellitenempfangsstation Hartebeesthoek bei Johannesburg bereits in eine virtuelle Konstellation von Erdbeobachtungssatelliten der BRICS-Staaten integriert. Die National Research Foundation of South Africa hat in Hartebeesthoek auch ein 26-m-Radioteleskop, das bei VLBI-Projekten mit den Nationalen Astronomische Observatorien der Chinesischen Akademie der Wissenschaften zusammenarbeitet. Daher hat man in dem Memorandum auch gleich eine chinesisch-südafrikanische Zusammenarbeit bei der Tiefraumerkundung (Mars etc.) festgeschrieben.

Man beachte, das Memorandum ist eine bilaterale Vereinbarung zur chinesisch-südafrikanischen Zusammenarbeit (中南合作). Die Internationale Mondforschungsstation wird von China aus sternförmig koordiniert. Die Führungsrolle hat eindeutig China.

开放  合作    Offenheit  Zusammenarbeit

欢迎全世界的小伙伴们一同出发  Die kleinen Freunde auf der ganzen Welt sind herzlich dazu eingeladen, mitzufliegen


Bild: CLEP

:D

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #169 am: 25. September 2023, 16:44:50 »
Am 15. September hat das Zentrum für Projekte und Technologien zur Nutzung des Weltalls der Chinesischen Akademie der Wissenschaften eine Liste mit 30 über den gesamten Mond verteilten, technisch machbaren und wissenschaftlich interessanten Orten für eine bemannte Landung veröffentlicht. Eine PDF-Datei mit der Landkarte und den (chinesischen) Begründungen für jeden Ort kann an sich von hier herunterladen (die Website ist sicher):
http://www.yhxb.org.cn/CN/10.3873/j.issn.1000-1328.2023.09.002

Zur Erläuterung:
Das Zentrum für Projekte und Technologien zur Nutzung des Weltalls ist nur für die Betreuung der Nutzlasten beim bemannten Raumfahrtprogramm zuständig, nicht für die Internationale Mondforschungsstation, die unbemannt ist. Mehrere Autoren des Artikels sind Daten- und Simulationsspezialisten. Sie arbeiten mit einem digitalen Zwilling des Mondes, an dem zum Beispiel die Besonnungssituation im Laufe eines Tages durchgespielt werden kann:



Hier ist der Kontrollraum für die simulierten Missionen:


Bilder: CSU

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #170 am: 26. September 2023, 11:16:44 »
Gestern hat sich das Nationale Astronomische Forschungsinstitut Thailands (NARIT) der Internationalen Mondforschungsstation angeschlossen. Die Vereinbarung wurde eine Stufe unterhalb der Ministerialebene geschlossen, dafür wurde aber konkret vereinbart, dass sich das NARIT mit einer Nutzlast für Tiefraumkommunikation an der für Ende 2026 geplanten Mission Chang’e 7 beteiligt:
https://mp.weixin.qq.com/s/_8BAbyQ0C09vnc5Bwp7DTQ

Auf dem Orbiter von Chang’e 7 soll ein Laser Communication Terminal installiert werden. Es ist nicht klar, ob es sich bei der thailändischen Nutzlast um dieses Gerät, oder zum Beispiel um einen Transponder für die Kommunikations-, Navigations- und Fernerkundungskonstellation Elsternbrücke handelt. In der Pressemitteilung des Labors für Tiefraumerkundung wird ausdrücklich die langjährige Zusammenarbeit des NARIT mit dem Changchuner Institut für Optik, Feinmechanik und Physik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften erwähnt, das in seiner Abteilung "Weltraumoptik III" Kommunikationslaser herstellt:
http://www.ciomp.ac.cn/jgsz/kyxt/gxyb/

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #171 am: 26. September 2023, 15:59:33 »


Mittlerweile gibt es mehr Informationen zu dem Bemannten Mobilen Mondlabor:
http://www.yhxb.org.cn/CN/10.3873/j.issn.1000-1328.2023.09.013

Es kann für eine gewisse Zeit – das Fahrzeug besitzt kein regeneratives Lebenserhaltungsystem – zwei Personen auf ebener Strecke mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h befördern. Es ist 6 t schwer (die chinesische Landefähre wiegt 9 t), besitzt einen Radstand von 3,3 m und eine Spurweite von 3,4 m, passt also in die Nutzlastverkleidung der Changzheng 10. Das Mobile Labor hat Räder mit einer Doppelbereifung aus federnden Stahlblechstreifen, die über Speichen mit einer Nabe aus Aluminiumlegierung verbunden sind, es besitzt eine aktive Radaufhängung, mit der eine Geländeneigung von bis zu 5° ausgeglichen werden kann. Die im Vergleich zu den Jadehasen relativ hohe Geschwindigkeit erfordert eine gute Federung, die außerdem als Stoßdämpfer dient, wenn das Fahrzeug von einer Trägerstufe auf die Mondoberfläche abgeworfen wird. Mit einem an die irdische Schwerkraft angepassten Fahrgestell-Prototyp konnte bei Fallteststs eine vertikale Geschwindigkeit von 2,5 m/s und eine horizontale Geschwindigkeit von 0,5 m/s abgefangen werden, was etwa der Restgeschwindigkeit einer Mondlandefähre entspricht, die sich auf den letzten Metern zur Staubvermeidung mit abgeschalteten Triebwerken fallen lässt.

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #172 am: 08. Oktober 2023, 18:28:05 »
Am 3. Oktober hat sich am Rande des 74. Internationalen Astronautischen Kongresses in Baku nun auch Azercosmos der  Internationalen Mondforschungsstation angeschlossen. In der gemeinsamen Erkärung mit der CNSA wurde neben dem Standardtext zur Beteiligung an der Festlegung der wissenschaftlichen Ziele der Station auch die Mitnahme aserbaidschanischer Nutzlasten auf chinesischen Mondsonden vereinbart:
https://www.cnsa.gov.cn/n6758823/n6758838/c10393280/content.html

Die interessante Frage ist nun, ob schon bei Chang’e 8 aserbaidschanische Nutzlasten mitfliegen. 200 kg freies Gewicht stehen dort für internationale Partner zur Verfügung:
https://spacenews.com/china-outlines-change-8-resource-utilization-mission-to-the-lunar-south-pole/

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Offline alepu

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #173 am: 08. Oktober 2023, 22:34:43 »
Was hätten denn die so anzubieten?

Offline Regnart

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Re: Chinas Planung zur Monderforschung
« Antwort #174 am: 09. Oktober 2023, 07:08:40 »
Die aserbaidschanische Erd- bzw. Mondbeobachtung sollte man nicht überbewerten - Azersky wurde von Airbus gebaut. Wesentlich interessanter ist dagegen die Sonnenbeobachtung bzw. die Beobachtung der Interaktion des Sonnenwinds mit der Magnetosphäre der Erde am Astrophysikalischen Observatorium Şamaxı:
https://azercosmos.az/en/about-us/space-legacy

Das ist in China ein Forschungsschwerpunkt. Eine diesbezügliche Nutzlast befindet sich auf dem Relaissatelliten Elsternbrücke 2, der startet aber schon im März. Ähnliche Geräte sind auch für den Lander von Chang’e 7 vorgesehen. Der startet 2026, das heißt, 2025 müsste ein aserbaidschanischer Beitrag fertig sein. Falls da nicht schon Vorgespräche stattgefunden haben (die Ausschreibung für die Nutzklasten ging am 26. August 2020 raus) wird das wohl auch zu knapp werden.

Wichtiger als die Nutzlasten ist für die CNSA aber wohl die Bodenstation Baku. Der chinesische TT&C-Dienstleister Emposat ist dort bereits vertreten (ebenso wie übrigens auch in Hartebeesthoek):
https://en.emposat.com/About.html#c_static_001-1685861391992

Die Systeme sind kompatibel.