SpaceX Raumanzug

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Offline Kelvin

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #150 am: 16. September 2024, 11:47:04 »
Ich verstehe die Formulierung "in-suit cooling capability, delivering additional oxygen" auf der SpaceX-Website so, dass die beiden Versorgungssysteme getrennt sind. Das wäre auch unter Redundanz-Aspekten durchaus sinnvoll.

Ist das nicht so gemeint, daß "additional zur benötigten Atemluft" eben mehr Sauerstoff durchgeschickt wird? Was ist da noch redundant? Klar, man kann die Druckbeaufschlagung in der Kapsel verdoppeln, man kann auch zwei Leitungen in das "Versorgungsbündel" einbauen, falls eine verstopft oder platzt. Aber ab da gibt es keine Redundanz, wenn keine Atemmaske da ist und der Anzug undicht wird.

Zwei gleichzeitig betriebene "Druckquellen", die einen gemeinsamen Raum versorgen, haben zusätzlich so seine Probleme. Real wird immer nur ein System aktiv sein, welches einen etwas höherem Druck abliefert. Einen absolut identischen Wert gibt es nicht. Der Sauerstoff aus der zweite Quelle hat dann keine "Veranlassung" in einen Raum zu fliessen, in dem ein höherer Druck herrscht. Es gibt ein ständiges "Armdrücken" und nur einer setzt sich durch.   


Das zweite System, also das Kühlsystem, dient nicht primär der Atemluftversorgung, sondern als Gebläse, wie der kleine Handventilator, den sich Hongkongerinnen und ähnliche Wesen im Sommer vors Gesicht halten.

Dieses "dient" ist aber nur eine philosophische Frage. Der Astronaut wird real das atmen, was in seinem Helm ankommt. Und das wird der Sauerstoff sein, der von dem System geliefert wird, welches bei diesem Armdrücken der beiden Systeme gerade die Nase vorne hat. Was man machen könnte - braucht der Astronaut mehr Kühlung, schickt man den Sauerstoff über eine Düse vor seinem Gesicht. Sonst über eine Düse, die "nicht stört".   

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Offline Erika

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #151 am: 16. September 2024, 11:55:54 »
Sind die SX-Anzüge dann eher mit den alten orangenen Rettungsanzügen vergleichbar?
Wissen ist Macht. Nichts wissen macht nichts

Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #152 am: 16. September 2024, 13:28:07 »
Sind die SX-Anzüge dann eher mit den alten orangenen Rettungsanzügen vergleichbar?

Hallo Erika,

nein, die "alten orangenen Rettungsanzüge" sind nur für den Notfall gedacht. Das entsprechende SpaceX-Analogon dazu sind deren IVA (Intravehicular Acticity) Anzüge, die bei allen bemannten SpaceX-Missionen vor Polaris Dawn zum Einsatz kamen. Die sehen fast genauso aus wie jene EVA (Extravehicular Activity) Anzüge, die jetzt bei Polaris getestet wurden, sind aber wesentlich einfacher aufgebaut und eben nur für den Notfall gedacht. Die jetzt bei Polaris getesteten EVA-Anzüge sind schon echte Raumanzüge. Allerdings "nur" gewissermaßen Version 1 und noch lange nicht fertig entwickelt. Das wird gerne vergessen bzw. ist oft beim mehr oder weniger uninformierten Publikum ein Ansatzpunkt für Kritik.

SpaceX hat einen anderen Ansatz als klassische Raumfahrtunternehmen. Bei SpaceX wird gerne schrittweise weiterentwickelt. Im unbemannten Entwicklungsbereich wird viel ausprobiert und man scheut auch Rückschläge nicht. Man startet gerne mit dem Ansatz, so viele Teile wie möglich wegzulassen und nimmt auch in Kauf, mal Teile wegzulassen, die benötigt werden und fügt diese nach einem Rückschlag wieder hinzu. Kann man gerade in Boca Chica beim Starship beobachten. Der erste Startturm sollte ohne Flammengraben auskommen, inzwischen funktioniert das auch halbwegs (nachdem beim ersten Start ziemlich viel schief ging), aber den zweiten Turm baut man nun augenscheinlich anders, soweit zu beobachten ist wohl durchaus mit einem Flammengraben.

Im unbemannten Einsatzbereich wird weniger radikal vorgegangen, dennoch gibt es auch hier immer wieder viele kleine Entwicklungsschritte. Im bemannten Einsatzbereich ist man natürlich nochmals wesentlich konservativer. Dennoch ist der grundsätzliche Tenor bei SpaceX auch hier die Weiterentwicklung. Das betrifft auch den Raumanzug. Man hat in Rekordzeit (knapp 3 Jahre, kurz nach Inspiration 4 ging es los) von Grund auf einen EVA-Anzug entwickelt, dem man auch für diesen Test vertraute. Aber damit ist die Entwicklung des Anzugs eben nicht abgeschlossen. Letztlich soll dieser Anzug für Einsätze im All und auf Planeten geeignet sein, die weit über das hinaus gehen, was nun bei Polaris Dawn gezeigt wurde. Dafür wird noch sehr viel Arbeit von Nöten sein. Irgendwann wird dieser Anzug meiner Ansicht nach ohne ein Versorgungskabel auskommen müssen und auch die Kühlung wird nach meinem Eindruck verbessert bzw. evtl. sogar grundhaft verändert werden müssen. Ebenso wird auch bei der Beweglichkeit meiner Ansicht nach noch einiges passieren müssen und es wurde natürlich noch gar nicht demonstriert, ob und falls ja, wie gut man mit diesem Anzug beispielsweise auf der Mondoberfläche herumlaufen könnte.

Aber so ist eben SpaceX. Etwas entwickeln, unter möglichst realen Bedingungen testen, aus den Tests lernen und aus dem Gelernten etwas besseres, geeigneteres Weiterentwickeln. Im unbemannten Bereich mutiger als im bemannten Bereich, aber immer mit dieser Grundhaltung. Und gemessen an den Produktzyklen aller anderen westlichen Raumfahrtunternehmen verdammt schnell.

Natürlich kann man kritisieren, dass der Anzug, der jetzt bei Polaris Dawn zum Einsatz kam, noch lange nicht die Fähigkeiten besitzt, die der EMU Anzug der Nasa hat (jener Raumanzug, der beispielsweise im amerikanischen Teil der ISS zum Einsatz kommt). Man sollte dabei meiner Ansicht nach aber auch bedenken, dass dieser Anzug seit 1981 (43 Jahre!) im Einsatz ist und es immer noch kein neueres, besseres Modell gibt, dass im All auch mal zum Einsatz kam. SpaceX ändert daran gerade etwas und mit dem kürzlichen Einsatz bei Polaris Dawn haben sie gezeigt, dass das mehr als nur Papiermodelle sind.

Der nächste Flug des SpaceX EVA-Anzugs wird - davon bin ich fest überzeugt - zeigen, dass zu diesem Zeitpunkt dieser Anzug schon wesentlich weiter entwickelt sein wird als jener, den wir gerade erlebt haben.

Zum Schluss noch ein grundsätzlicher Gedanke: Ich bin 1976 geboren. Ich konnte die Zeit in den 60er und 70er Jahren, in denen in der Raumfahrt von den ersten bemannten Flügen bis zur Mondlandung so wahnsinnig viel und schnell geschehen ist, nicht miterleben. Damals waren die Medienlandschaft und deren technische Möglichkeiten völlig anders und man nahm wohl als normaler Bürger viel weniger an dem ganzen Prozess teil, als es heute möglich ist. Dennoch bekam man zumindest die Ergebnisse mit und das muss unfassbar mitreissend gewesen sein. Ich hätte wahnsinnig gerne die Mondlandung live erlebt.

Seit einigen Jahren sind wir - meiner Ansicht nach fast völlig dank SpaceX und kaum jemandem sonst - wieder ein bisschen mehr in einer solchen Zeit, was die Raumfahrt angeht. Und die technischen Möglichkeiten, daran teilzuhaben, sind unendlich viel weiter, als damals. Ich bin unendlich dankbar, jetzt miterleben zu können, was sich im Bereich Raumfahrt seit einigen Jahren tut und freue mich darauf, mitzuerleben, was andere Firmen in den kommenden Jahren in den Ring werfen werden. SpaceX war eine riesige Inspiration für viele Unternehmen und wir werden sehen, dass beispielsweise Blue Origin, aber auch chinesische Unternehmen, große Schritte machen werden. Davon bin ich fest überzeugt.

Wer auch immer in Zukunft die Nase vorn haben wird, ist mir gar nicht so wichtig. Solange es die Raumfahrt insgesamt voran bringen wird und alle Menschen daran partizipieren können. Aber mein Punkt ist eben: Es passiert gewaltig viel. Und das finde ich einfach toll. Für mich ist das Glas halb voll und nicht halb leer. Und wenn ich lese, mit welcher negativen Grundhaltung manche Nutzer hier an die aktuelle Zeit herangehen, macht mich das - nicht zuletzt auch für jene, die diese Grundhaltung haben - echt traurig.

Gruß
Excalibur
Wenn Du mit dem Finger auf jemand anderen zeigst, schaue Dir Deine Hand an. Du wirst feststellen, dass drei Finger auf Dich selbst gerichtet sind.

Offline Regnart

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #153 am: 16. September 2024, 14:00:42 »
Das zweite System, also das Kühlsystem, dient nicht primär der Atemluftversorgung, sondern als Gebläse, wie der kleine Handventilator, den sich Hongkongerinnen und ähnliche Wesen im Sommer vors Gesicht halten.

Dieses "dient" ist aber nur eine philosophische Frage. Der Astronaut wird real das atmen, was in seinem Helm ankommt. Und das wird der Sauerstoff sein, der von dem System geliefert wird, welches bei diesem Armdrücken der beiden Systeme gerade die Nase vorne hat. Was man machen könnte - braucht der Astronaut mehr Kühlung, schickt man den Sauerstoff über eine Düse vor seinem Gesicht. Sonst über eine Düse, die "nicht stört".   

Wir geraten hier ein bisschen in den Bereich der Spekulation - was objektiv gilt, sind nur die paar Worte auf der SpaceX-Website. Aber ich denke, genau so wird es laufen, mit den zwei Düsen. Idealerweise nicht mit Armdrücken, sondern mit gesteuerter Druckveränderung in beiden Systemen. Wenn beim einen der Druck erhöht wird, dann muss beim anderen der Zuführungsdruck aktiv reduziert werden (was wohl nicht so ganz funktioniert hat).

Offline Kelvin

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #154 am: 16. September 2024, 14:06:39 »
Sind die SX-Anzüge dann eher mit den alten orangenen Rettungsanzügen vergleichbar?

Das Wort "vergleichbar" hat m.M.n. das maximale Potential falsch verstanden zu werden. Vergleichen kann man alles, es kommt nur auf das Ergebnis eines Vergleiches an. Daher ist die Frage eigentlich unsinnig. Leider verstehen aber zu viele Leute "vergleichbar" als Synonym für "ähnlich wie". Daher sollte man es besser nicht verwenden, wenn man einen Streit vermeiden möchte. Und davon gehe ich doch aus ;)

Zur Sache sage ich nichts, dazu kenne ich mich zu wenig aus. Aber irgendwo zwischen dem orangenem Dingens und dem EMU wird es schon liegen ;).

Eine Sache ist mir aber schon aufgefallen: je günstiger der Transport von LOX in die Umlaufbahn sein wird und je kleiner der Ox-Verbrauch bei Außeneinsätzen, desto weniger spricht für die offenbar aufwendige Aufbereitung der "verbrauchten" Atemluft im Raumanzug. Hier könnte es vielleicht zu Verschiebungen kommen, das würde ich beobachten. 

Offline Kelvin

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #155 am: 16. September 2024, 14:38:56 »
Wir geraten hier ein bisschen in den Bereich der Spekulation - was objektiv gilt, sind nur die paar Worte auf der SpaceX-Website.

Hier bin ich nicht ganz einverstanden. Es sind nicht nur die Worte von der Webseite. Es sind auch einfach logische Schlüsse, die manche Varianten ausschließen und andere übrig lassen. 

Wenn beim einen der Druck erhöht wird, dann muss beim anderen der Zuführungsdruck aktiv reduziert werden (was wohl nicht so ganz funktioniert hat).

Das würde ja bedeuten, daß wenn man "die Kühlung einschaltet", daß man damit "das Atemsystem automatisch ausschaltet". "Druck reduzieren" bedeutet doch nicht anderes, als daß da nichts mehr ankommt.

Dann hätte man also ein "Atemssystem", welches aber nur manchmal arbeitet, und ein "Kühlsystem", welches immer auch die Atemluft (Ox) zur Verfügung stellt. Also beides "kann". Eine solche Aufteilung wäre in meinen Augen unglücklich. Viel besser wäre doch nur ein "Versorgungssystem" zu haben, oder auch zwei redundante, welche wahlweise bei Bedarf durch Düsenumstellung und größeren Durchsatz auch etwas kühlen können. Schon weil man nur ein System entwickeln, testen, versorgen muß. Oder zwei identische, wenn man es redundant haben möchte.

Offline Hugo

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #156 am: 16. September 2024, 16:47:27 »
Ein paar Gedankenideen zum Thema Kühlung: Man könnte zwei redundante Sauerstoffleitungen zum Anzug verbauen. Drei Volumenstrom-Regler im Anzug, einer geht direkt mit dem Sauerstoff zum Helm, einer durch die linke Körperhälfte und einer durch die rechte Körperhälfte. So ausgelegt, dass im Belastungszustand nur 2 benötigt werden. Dann hätte man vollständige Redundanz.
Da hier die Sauerstoffzuführung Volumenstrom-geregelt ist, muss die Druckbegrenzung jetzt im System für die Luftabführung geregelt werden.

In der Schwerelosigkeit benötigt man im Helm eine aktive Luftverwirbelung, damit die Astronauten nicht einfach ihre eigene Luft wieder einatmen. Das könnten Ventilatoren sein, oder aber auch über Zuführungsdüsen (wie im Flugzeug) gelöst sein. 

Dazu kommt, dass man bei 35% vom Normaldruck, welcher dort herrscht, nicht mit 21% Sauerstoff in der Luft auskommen kann, da der Partialdruck viel zu niedrig ist dafür. Mir ist aber nicht bekannt, wie weit man den Sauerstoffgehalt erhöht hat.. Edit: Der Sauerstoffgehalt wurde hier auf 100% angehoben. Thx @Regnart für die nachträgliche Info hierzu, ich hatte das oben überlesen.



Trotzdem sind 33 °C Innentemperatur viel zu warm. Damit käme Isaacman an der ISS keine drei Griffstangen weit.

Wo oder wie wird die Temperatur gemessen? Am Bein? Am Arm? In der Achselhöhle? Direkt auf der Haut? Zwischen Unterwäsche und Anzug? In den Layern vom Anzug oder gar Helm, die ausgeatmete Luft oder die eingeatmete Luft? Auf der Kopfhaut? Hier wäre es sicher am besten, da Kopf am empfindlichsten ist und nicht schwitzen kann. Je nach Messpunkt wären 33 °C auch viel zu kalt.

Alles in allem: Es sind viel zu wenig Informationen bekannt. Aber wer weiß, vielleicht stellt Tim Dodd genau diese Fragen bei einem folgenden Besuch bei Herrn Musk in der Starbase.

Offline Regnart

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #157 am: 16. September 2024, 17:05:11 »
Nur ganz kurz:
Es wurde reiner Sauerstoff geatmet, also 100% Sauerstoffgehalt:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=19349.msg566136#msg566136

Die zweitägige Absenkung des Kabinendrucks unter Erhöhung der Sauerstoffkonzentration ist etwas, das man laut dem Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation der Universität Bremen auf gar keinen Fall gar nie nicht machen sollte:
https://www.raumfahrer.net/zarm-erhoehte-brandgefahr-bei-astronautischen-raumfahrtmissionen/

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Offline alepu

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #158 am: 16. September 2024, 19:21:58 »
@Regnart und @Hugo

Tatsächlich ist das mit den "33°C" nicht so einfach zu beantworten.
Menschen sind oft gezwungen auch noch bei 40° zu arbeiten, und tun das auch. Brauchen dabei allerdings eine erheblich höhere Flüssigkeitszufuhr (und eben keine Thermounterwäsche!  ;) )
Im Raumanzug dürften sie dabei allerdings wegen dem Hitzestau tatsächlich sehr schnell erhebliche Probleme bekommen! Und da ist dann auch ein kühlender Luftstrom sehr notwendig!
Aber diese angeblichen 33°C hat zumindest J.Isaacman anscheinend als durchaus angenehm empfunden und auch Sarah Gillis hat eher bedauert, daß der Ausstieg nicht länger gedauert hat.

Wieso "der Kopf nicht Schwitzen kann" verstehe ich jetzt aber nicht so ganz! (Hast du Hugo noch nie verschwitzte Haare oder Schweiß auf der Stirn gehabt?)
Im Gegenteil, gerade am Kopf befinden sich überdurchschnittlich viele Schweißdrüsen! Er muß ja auch extrastark gekühlt werden können!
Das Gehirn kann allerdings tatsächlich nicht schwitzen, aber das können andere Organe ja auch nicht  ;)
Allerdings sollte andererseits wohl auch wirklich darauf geachtet werden, daß gerade der Kopf/das Gesicht im geschlossenen Raumanzug/Helm nicht übermäßig ins Schwitzen kommt, da es unmöglich wäre sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, auch wenn er, mangels Schwerkraft, wohl nicht so schnell in die Augen laufen dürfte. Ein beständiger kühlender Luftstrom wäre auch hier überaus wichtig.

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Offline alepu

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #159 am: 16. September 2024, 19:37:49 »
Nur ganz kurz:
Es wurde reiner Sauerstoff geatmet, also 100% Sauerstoffgehalt:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=19349.msg566136#msg566136

Die zweitägige Absenkung des Kabinendrucks unter Erhöhung der Sauerstoffkonzentration ist etwas, das man laut dem Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation der Universität Bremen auf gar keinen Fall gar nie nicht machen sollte:
https://www.raumfahrer.net/zarm-erhoehte-brandgefahr-bei-astronautischen-raumfahrtmissionen/

Möglicherweise meinst du das ja ironisch, aber von "auf gar keinen Fall gar nie nicht" hab ich in dem Artikel nix gefunden.
Daß es sehr gefährlich werden kann dürfte auch SX bekannt sein und anscheinend haben sie die Sache im Griff, denn passiert ist ja offensichtlich nix, zumindest hab ich kein Feuer gesehen!

Und auch die Apollo-Astronauten atmeten reines O2 bei vermindertem Innendruck und das nahezu während des gesamten Fluges zum Mond und zurück! (Und der dauerte erheblich länger!)

Gerade der Brand an Bord von Apollo-1 hat zu sehr vielen damals neuen Erkenntnissen geführt, die in den anschließenden Bau von Raumkapseln eingefloßen sind und diese sehr feuerfest gemacht haben, auch wenn da reiner Sauerstoff bei vermindertem Druck verwendet wird.
Von diesen Erfahrungen hat SX sicher auch profitiert!

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Apollo_1#Schlussfolgerungen

Offline Hugo

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #160 am: 16. September 2024, 21:21:46 »
Wieso "der Kopf nicht Schwitzen kann" verstehe ich jetzt aber nicht so ganz!
Ich meine damit, dass keine Wärme über Schwitzen abgegeben werden kann. Das gilt aber für den ganzen Körper, wenn man in so einem Anzug ist.

Offline Kelvin

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #161 am: 16. September 2024, 22:50:01 »
Wieso "der Kopf nicht Schwitzen kann" verstehe ich jetzt aber nicht so ganz!
Ich meine damit, dass keine Wärme über Schwitzen abgegeben werden kann. Das gilt aber für den ganzen Körper, wenn man in so einem Anzug ist.

Es kommt nur darauf an, daß die gesättigte Luft (dort wo Verdunstung gefragt ist) wieder verschwindet und durch frische, trockenere, also aufnahmefähige ersetzt wird. Das ist auch im Raumanzug möglich, wenn dort für Luftaustausch gesorgt wird.

Offline Kelvin

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #162 am: 16. September 2024, 23:20:54 »
Da hier die Sauerstoffzuführung Volumenstrom-geregelt ist, muss die Druckbegrenzung jetzt im System für die Luftabführung geregelt werden.

Das ist immer so, Druck baut sich "vom Ende" auf. Ohne Widerstand gibt es keine Kraftentfaltung. Man kann aber keinen Druck aufbauen, ohne daß am Eingang eine Druckquelle vorhanden ist, die mindestens den erwünschten Druck bereitstellt. Das Volumen muß man natürlich auch irgendwie begrenzen, ich würde aber dem Druck immer Vorrang einräumen. Was hätte ein Astronaut davon, wenn sein Raumanzug zwar das benötigte Volumen zugeteilt bekommt, ihm aber gleichzeitig durch eine Undichtigkeit sowohl das Volumen, als auch insbesondere der Druck verloren geht. 

Offline Regnart

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #163 am: 17. September 2024, 07:46:27 »
Wo oder wie wird die Temperatur gemessen? Am Bein? Am Arm? In der Achselhöhle? Direkt auf der Haut? Zwischen Unterwäsche und Anzug? In den Layern vom Anzug oder gar Helm, die ausgeatmete Luft oder die eingeatmete Luft? Auf der Kopfhaut? Hier wäre es sicher am besten, da Kopf am empfindlichsten ist und nicht schwitzen kann. Je nach Messpunkt wären 33 °C auch viel zu kalt.

Es geht hier nicht um die Körpertemperatur, sondern um die Innentemperatur des Anzugs, sinnvollerweise gemessen am Ausgang zum Abluftschlauch (Spekulation). Dort liegt die Temperatur idealerweise bei etwa 20 °C:
https://de.wikipedia.org/wiki/Raumtemperatur#Geb%C3%A4udetechnik_und_Alltag

Wenn man sich nicht bewegt, sind 30 °C, wie zum Beispiel beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, für ein paar Minuten auch noch akzeptabel. Das mussten die Pflanzensamen aushalten, die als Testpiloten mit Chang’e 6 zum Mond flogen; bei menschlichen Raumfahrern liegt die Innentemperatur des Druckanzugs, wenn ich mich recht entsinne, in dieser Situation bei 27 °C. 33 °C ist viel zu warm. Dabei geht es nicht darum, was der Raumfahrer subjektiv empfindet, sondern darum, dass in einem luftdichten Raumanzug keine Lüftung möglich ist und die Körperkerntemperatur unaufhaltsam dem Hitzschlag zustrebt. Die 33 °C wurden sicher nicht in wenigen Sekunden erreicht; da braucht man schon einige Minuten. Isaacman hat sich wohl bereits beim Öffnen der Luke überhitzt.

Wenn der Schweiß auf der Stirn stehen bleibt, hat der Raumfahrer noch Glück. Wenn er Pech hat, verdunstet der Schweiß und kondensiert an der Helmscheibe, wie bei Matthias Maurer.

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Offline Erika

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #164 am: 17. September 2024, 08:02:02 »
Die Abweichen vom SX Anzug zu den "echten" Raumanzügen sind mir nun klar, aber wo liegt der unterschied zu den normalen Kapselanzügen von SX, mal abgesehen vom coolen Designe?

Der aller erste Raumanzug von Alan Sheppart sah ja auch ganz cool aus, war aber für echte Weltraumspaziergänge nicht geeignet, etwa so wie die PolarisDawn Anzüge. Die Gemini Anzüge waren dann schon klobiger.



Wissen ist Macht. Nichts wissen macht nichts

Offline Regnart

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #165 am: 17. September 2024, 08:55:44 »
Wesentliche Unterschiede sind die zweite Sauerstoffzufuhr zur Kühlung, die beweglicheren Schultergelenke, das Head-up-Display, mit dem den durch die Schwerelosigkeit sowieso schon desorientierten Raumfahrern nutzlose Informationen ins Sichtfeld projiziert werden, und die getönte Helmscheibe, durch die Sarah Gillis auf der Nachtseite der Erde wohl gar nichts mehr gesehen hat (bei einem professionellen Außenbordanzug kann man das getönte Visier hochschieben).

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Offline alepu

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #166 am: 17. September 2024, 11:23:09 »
 ;D
Na zumindest "etwas" hat sie schon noch gesehen, aber ihre hauptsächliche Erinnerung ist tatsächlich "Dunkelheit"

Als Quelle hierzu folgendes Interview mit Tim Dodd wenige Stunden nach dem Ausstieg (etwa ab 05:05):


www.youtube.com/watch?v=phswCJvLp6M

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Offline Blondi

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #167 am: 17. September 2024, 11:36:23 »
Wieso "der Kopf nicht Schwitzen kann" verstehe ich jetzt aber nicht so ganz!
Ich meine damit, dass keine Wärme über Schwitzen abgegeben werden kann. Das gilt aber für den ganzen Körper, wenn man in so einem Anzug ist.

Die Abkühlung beim Schwitzen entsteht durch die Verdunstungskälte des Schweißes auf der Haut. Je mehr man schwitzt und der Schweiß verdunstet desto mehr Abkühlung.

Das "einfache" Thermomanagement der SpaceX Anzüge kann ME nur wenig zur Wärmeregulierung beitragen, wenn man sich in Erinnerung ruft wie komplex diese bei den NASA EVA Suits ist (Wasserkreislauf in die Unterwäsche eingebaut zur Kühlung/Heizung) dann muß einem klar sein dass die SpaceX Anzüge wie sie in dieser Entwicklungsstufe sind nur Eingeschränkt Tauglich sind für längere Aufenthalte im Weltraum. Was nicht heissen soll dass dies bei einer weiteren Entwicklungsstufe einmal möglich ist, kommt nur darauf an wie das Thermalmanagement der Anzüge mit der Aufgabenstellung einer Kühlung (Wärmeproduktion des Menschen im Ruhezustand ~100 W, bei Anstrengung bis zu ~400 W!) oder Heizung zu Rande kommt.

Un dann kommt nochdazu wie das ausgeatmete Kolendioxid in der Atemluft gebunden und entsorgt werden kann, nur einfach 100% Sauerstoff zu Atmen am beginn eines EVA's reicht hier nicht aus. Der Mensch verbraucht von den 21% O2 in der Luft hier auf der Erde ~ 4%, atmet also Luft mit 17% O2 aus. Man kann sich also ausrechnen wann der O2 Anteil auch in einer reinen Sauerstoffatmosphäre unter die kritische Menge von 10% fällt bei der der Mensch automatisch das Bewusstsein verliert.

Nicht umsonst sind die EVA Anzüge so unförmig wegen der Umfangreichen Technik die in dem Geräteteil am Rücken eingebaut ist. Die SpaceX Anzüge hängen zwar über eine Nabelschnur an den Systemen der Raumkapsel, aber wegen des fehlens eines ausreichenden Thermalmanagements sind diese wie schon oben gesagt für mich nur eine Entwicklungsstufe auf dem Weg zu einem Anzug der dann ähnlich wie die heute von der NASA und Roscosmos verwendeten einen mehrstündigen Aufenthalt im Weltraum für Wartungsarbeiten ausserhalb des Raumfahrzeuges erlauben.

lg Werner

Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #168 am: 17. September 2024, 13:47:42 »
Un dann kommt nochdazu wie das ausgeatmete Kolendioxid in der Atemluft gebunden und entsorgt werden kann, nur einfach 100% Sauerstoff zu Atmen am beginn eines EVA's reicht hier nicht aus. Der Mensch verbraucht von den 21% O2 in der Luft hier auf der Erde ~ 4%, atmet also Luft mit 17% O2 aus. Man kann sich also ausrechnen wann der O2 Anteil auch in einer reinen Sauerstoffatmosphäre unter die kritische Menge von 10% fällt bei der der Mensch automatisch das Bewusstsein verliert.
Nicht der abnehmende Sauerstoffgehalt, sondern das ansteigende CO2 stellt das weitaus größere Problem dar. Wie Du selbst schreibst, werden bei jedem normalen Atemzug ca. 4% O2 verbraucht und durch 4% CO2 in der ausgeatmeten Luft ersetzt. Normale Raumluft enthält höchstens 0,1% CO2, in der Atmosphäre der Erde sind es ca. 0.04%. Bereits ein Anstieg auf über 0,15% fühlt sich wie schlechte Luft an, 1% verursacht deutliche Symptome wie Atemnot, Schwindel und Übelkeit, über 4% kann der Tod durch CO2-Narkose eintreten (siehe Apollo 13 mit der zu geringen Kapazität des LM-CO2-Absorbers). Den fehlenden Sauerstoff kann man einfach ersetzen, das CO2 muss entfernt werden. Bei den EVA-Anzügen von SpaceX wird dies bisher einfach mit O2 ausgespült. Wieviel Kapazität diese Spülmöglichkeit hat, um z.B. bei körperlicher Aktivität das CO2 im Anzug unter 0,15% zu halten wissen wir nicht. Auf jeden Fall steigt aber deutlich der Sauerstoffverbrauch. Für längere Missionen oder körperliche Aktivität werden diese Anzüge kaum ausreichen - für PR-Getöse schon.
Das ist nichts was unmöglich zu verbessern wäre, aber für einen vernünftigen Anzug der auch für längere z.B. Reparaturmissionen geeignet ist muss noch einiges entwickelt werden. Als Vergleich: bisher hat man einen einfachen Taucheranzug der dafür taugt unter halbwegs temperiertem Wasser zu überleben ohne groß zu arbeiten. Was man braucht ist ein komplexer Rebreather mit Atemluftaufbereitung und Temperaturmanagement.
« Letzte Änderung: 17. September 2024, 16:09:19 von thunder5 »
Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius null - und das nennen sie ihren Standpunkt. (David Hilbert - nicht, wie oft behauptet, Albert Einstein)

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Offline Blondi

  • Raumcontref­f 2023
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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #169 am: 17. September 2024, 18:07:48 »
Un dann kommt nochdazu wie das ausgeatmete Kolendioxid in der Atemluft gebunden und entsorgt werden kann, nur einfach 100% Sauerstoff zu Atmen am beginn eines EVA's reicht hier nicht aus. Der Mensch verbraucht von den 21% O2 in der Luft hier auf der Erde ~ 4%, atmet also Luft mit 17% O2 aus. Man kann sich also ausrechnen wann der O2 Anteil auch in einer reinen Sauerstoffatmosphäre unter die kritische Menge von 10% fällt bei der der Mensch automatisch das Bewusstsein verliert.
Nicht der abnehmende Sauerstoffgehalt, sondern das ansteigende CO2 stellt das weitaus größere Problem dar. Wie Du selbst schreibst, werden bei jedem normalen Atemzug ca. 4% O2 verbraucht und durch 4% CO2 in der ausgeatmeten Luft ersetzt. Normale Raumluft enthält höchstens 0,1% CO2, in der Atmosphäre der Erde sind es ca. 0.04%. Bereits ein Anstieg auf über 0,15% fühlt sich wie schlechte Luft an, 1% verursacht deutliche Symptome wie Atemnot, Schwindel und Übelkeit, über 4% kann der Tod durch CO2-Narkose eintreten (siehe Apollo 13 mit der zu geringen Kapazität des LM-CO2-Absorbers). Den fehlenden Sauerstoff kann man einfach ersetzen, das CO2 muss entfernt werden. Bei den EVA-Anzügen von SpaceX wird dies bisher einfach mit O2 ausgespült. Wieviel Kapazität diese Spülmöglichkeit hat, um z.B. bei körperlicher Aktivität das CO2 im Anzug unter 0,15% zu halten wissen wir nicht. Auf jeden Fall steigt aber deutlich der Sauerstoffverbrauch. Für längere Missionen oder körperliche Aktivität werden diese Anzüge kaum ausreichen - für PR-Getöse schon.
Das ist nichts was unmöglich zu verbessern wäre, aber für einen vernünftigen Anzug der auch für längere z.B. Reparaturmissionen geeignet ist muss noch einiges entwickelt werden. Als Vergleich: bisher hat man einen einfachen Taucheranzug der dafür taugt unter halbwegs temperiertem Wasser zu überleben ohne groß zu arbeiten. Was man braucht ist ein komplexer Rebreather mit Atemluftaufbereitung und Temperaturmanagement.
100% Zustimmung und Asche auf mein Haupt. Als Rebreather Taucher sollte man das mit dem CO2 auch wissen, war bei mir ob der langen Zeit in der ich nicht mehr Tauchen war (20 Jahre) leider verschütt gegangen.

lg Werner

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Offline alepu

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Re: SpaceX Raumanzug
« Antwort #170 am: Gestern um 16:48:16 »
Hier der 2. Teil des Interviews Senkrechtstarter/Prof. Dr. Claas Olthoff
(1. Teil siehe Antwort#142 vom 15.09.)
Diese Folge hat jetzt allerdings überhaupt nichts mit SX zu tun, es geht speziell um den früheren SpaceShuttle-, bisherigen ISS- und zukünftigen NASA/Axiom -Anzug.


www.youtube.com/watch?v=AoJYcp8CyMI

3. Teil folgt wohl in kürze
(wen der Moritz mal in den Fingern bzw. "vor dem Mikrophon" hat, den läßt er so schnell nicht mehr los  ;))