Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation

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Offline thunder5

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #500 am: 10. Dezember 2024, 19:12:21 »
Der Mensch ist entwicklungsgeschichtlich bedingt einfach nicht für die Schwerelosigkeit gemacht und wird sich in ihr wohl auch nicht problemlos fortpflanzen können.
Es ist sogar fraglich, ob es auf dem Mars oder Mond funktioniert. Und wenn nicht, wäre der Traum von EM schon vorab geplatzt, wenn man keinen entsprechenden Weg findet, den man natürlich so schnell wie möglich entwickeln müsste.

Wenn es nur um die Fortpflanzung geht, sehe ich da keine so großen Probleme. Höchstens in der Embryogenese könnte es welche geben, die man vermutlich aber schon durch geringe Schwerkraft kompensieren kann.
Aber Du hast natürlich recht, es muss endlich einmal gemacht werden. Allein um die zahlreichen medizinischen Probleme bei Langzeitaufenthalten zu reduzieren. Für den Anfang kann man Raumstationen rotieren lassen (oder ein Starship, wenn es mal fliegt). Selbst eine Minigravitation von 0,05 G würde das Leben auf so einer Station erheblich erleichtern (Körperpflege, Essen, Arbeiten usw.). Eine Bewegung durch die Station "schwebend" mit minimalem Kraftaufwand wäre noch möglich, aber Gegenstände bleiben am Platz oder "verschüttete" Flüssigkeiten sammeln sich am Boden.
Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius null - und das nennen sie ihren Standpunkt. (David Hilbert - nicht, wie oft behauptet, Albert Einstein)

Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #501 am: 10. Dezember 2024, 21:35:11 »
Ich denke nicht das es auf Mond oder Mars Probleme gäbe, sehe es eher wie mein Vorposter.
Ethik ist tatsächlich nicht irgendwo festgeschrieben und beispielsweise zeigt nachfolgender Link was das bedeuten kann.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kairoer_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte_im_Islam#:~:text=Die%20Kairoer%20Erkl%C3%A4rung%20wurde%20am,derzeit%20bei%2055%20von%2057.

Offline Gecko

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #502 am: 11. Dezember 2024, 08:21:59 »
Die Volksrepublik China hat wesentlich höhere ethische Standards als die freie Welt.
Das ist für mich schon in sich ein Widerspruch, denn ein unfreies Volk wird wohl kaum ethisch regiert. Aber das ist eine andere Diskussion.
Nicht vergessen: Menschliches Klonen wurde auch versucht, und erst als es aufflog, hat man sich distanziert. Stichwort ist da weniger "Ethik" als "Gesichtswahren", wie schon erwähnt. Was in der Raumstation oder sonstwo wirklich passiert, weiß wohl keiner außerhalb CN.

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #503 am: 11. Dezember 2024, 09:34:09 »
Nicht "man", sondern He Jiankui, und der wurde zu 3 Jahren Haft verurteilt:
https://de.wikipedia.org/wiki/He_Jiankui

Was auf der Raumstation wirklich passiert, kannst Du jeden Sonntag in den wöchentlichen Videoberichten der CMSA sehen:
https://weibo.com/u/2196038737

Du kannst das auch in der Presse nachlesen. So hat zum Beispiel das Frachtraumschiff Tianzhou 8 am 15. November neben den Fruchtfliegen auch Säugetierembryonen und menschliche pluripotente Stammzellen zur Station gebracht:
http://www.ce.cn/xwzx/gnsz/gdxw/202411/16/t20241116_39205021.shtml

Ethik ist, wie schon einsteinturm gesagt hat, vom kulturellen Kontext abhängig. Konfuzianismus verhält sich zu Humanismus wie das Alien zu Sigourney Weaver - man muss es nicht verstehen, aber man muss akzeptieren, dass das seit dem Neolithikum funktioniert. (Konfuzius hat den Konfuzianismus nicht erfunden, sondern nur die existierenden Moralvorstellungen in knackige Sprüche gefasst. Die Analekten sind das bronzezeitliche Äquivalent zur Mao-Bibel).


Zurück zum Thema:
Die CMSA wird den Standortvorteil der Schwerelosigkeit ganz sicher nicht aufgeben, weder bei der CSS, noch bei der Lunaren Orbitalstation oder der Raumschiffwerft im geostationären Orbit. Dort dauert eine Schicht 6 Monate, das kann man verkraften, vor allem wenn man vorschriftsgemäß einen Pinguin-Anzug trägt und über seine Akupunkturpunkte elektrisch Muskelzuckungen hervorruft.

Raumflüge zu Mars, Kallisto etc. sind eine andere Sache. Dort versucht man mit nuklear-thermisch angetriebenen Raumschiffen so lange wie möglich unter Beschleunigung zu fliegen. Das Chinesische Raumfahrer-Ausbildungszentrum ist nach sorgfältiger Abwägung aller Faktoren zu dem Schluss gekommen ist, dass dabei 1/6 g einen vernünftigen Kompromiss zwischen technischem Aufwand und Gesunderhaltung der Raumfahrer darstellt:
https://www.yhxb.org.cn/thesisDetails#10.3873/j.issn.1000-1328.2023.09.016&lang=zh (das Link dauert manchmal etwas länger, bis es lädt. Geduld!)

Rotierende Raumflugkörper sind erstens spinstabilisiert und nicht zu lenken, zweitens müsste bei jedem Außenbordeinsatz die Rotation gebremst (und danach wieder in Gang gebracht) werden, damit die Raumfahrer oder ihr Werkzeug nicht bei einer kurzen Unachtsamkeit hinaus in die Tiefen des Weltalls geschleudert werden. Jede derartige Aktion kostet erstens Treibstoff, zweitens belastet sie die Station mechanisch und verkürzt ihre Lebensdauer.

Offline Gecko

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #504 am: 11. Dezember 2024, 11:19:44 »
Rotierende Raumflugkörper sind erstens spinstabilisiert und nicht zu lenken, zweitens müsste bei jedem Außenbordeinsatz die Rotation gebremst (und danach wieder in Gang gebracht) werden, damit die Raumfahrer oder ihr Werkzeug nicht bei einer kurzen Unachtsamkeit hinaus in die Tiefen des Weltalls geschleudert werden.

"Nicht zu lenken" stimmt nicht ganz, solange die Richtungsänderung orthogonal zur Drehachse ist. Ist aber komplexer als nur eine Steuerdüse zu zünden.

Das mit dem Abhandenkommen von "Zubehör" gilt für einen ständig beschleunigten/gebremsten Flug genauso (allerdings wäre das Wiedereinfangen leichter, man müsste "nur" die Geschwindigkeit, nicht die Richtung ändern).

Bei langen Flügen wäre die Variante mit Gravitation durch Beschleunigung aus mehreren Gründen vorzuziehen, aber da es hier ja um eine Raumstation geht, bleiben doch nur Mikrogravitation oder "Zentrifugalgravitation" als Option.

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #505 am: 01. Januar 2025, 09:12:27 »
Ein Kernreaktor lässt sich nicht ganz so einfach abschalten, aber falls während eines Fluges zum Mars, Jupiter etc. tatsächlich ein Außenbordeinsatz nötig werden sollte, weil ein Mikrometeorit eine Antenne zerschossen hat oder was auch immer, dann würde man das tun und im "Gleitflug" weiterschweben. Die Raumfahrer fallen dann mit der gleichen Geschwindigkeit in Richtung Mars wie das Raumschiff (wie Passagiere in einer Aufzugkabine, wo das Seil gerissen ist), und man hat die selbe Situation wie bei der CSS im Erdorbit.

Einer der Gründe, warum Schwerelosigkeit in einer Raumstation von Vorteil ist, wird von Bordingenieurin Wang Haoze in diesem Video ab 00:56 mit dem Kleinen Raumfahrer demonstriert, einer Kameradrohne, die sich wie ein Quadkopter durch die Station bewegt:
https://weibo.com/2656274875/P7wTNCLBN

Derzeit ist das nur ein Spielzeug, das durch Ansprache kommandiert werden muss ("Kleiner Raumfahrer, Kleiner Raumfahrer, mach ..."). In einer nächsten Version soll das Ding aber selbstständig durch die Station patrouillieren, die Position von weggelegtem Werkzeug etc. dokumentieren und alles, was nicht der Norm entspricht (lockere Schrauben, Verschmutzungen) sofort melden.

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Offline alepu

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #506 am: 12. Januar 2025, 12:35:03 »
Führung durch die Station.
Hab jetzt hier etwas zurückgescrollt, bin mir aber trotzdem nicht ganz sicher, ob dieses Video schon irgendwo reingesetzt wurde.
Da aber recht informativ und auch noch mit englischen Untertiteln....


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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #507 am: 13. Januar 2025, 07:35:33 »
Die englische Version ist neu :)

Wer sich dafür interessiert, was in den Laborschränken geschieht, die in dem Video vorgestellt werden, kann sich von hier den Arbeitsbericht 2024 herunterladen (das sind 135 MB, kann also etwas dauern):
https://www.cmse.gov.cn/xwzx/202412/t20241230_56187.html

Dort sind bei jedem Experiment die Anwendungszwecke angegeben (zum Beispiel bei den Glasfaserkabeln, mit denen sich Fei Junlong und Zhang Lu bei der Mission Shenzhou 15 so geplagt haben, die Videoüberwachung von Atommüll-Endlagern mit ihrer hohen Strahlenbelastung). Außerdem sind repräsentative Veröffentlichungen in der Fachpresse angegeben, wo man weitere Details nachlesen kann. Hier zum Beispiel für die Zebrafische:
https://www.the-innovation.org/article/id/6728238c52700000d7002804

Die Tiere haben sich in der Schwerelosigkeit dann doch noch ganz gut zurechtgefunden und gelaicht. Nach 43 Tagen wurden sie schmerzlos getötet und zusammen mit dem Laich eingefroren (wenn die Jungfische geschlüpft wären, wäre das Ökosystem zusammengebrochen). Damit hat die Mannschaft von Shenzhou 18 den seit 1998 von der Ruhr-Universität Bochum gehaltenen Weltraum-Fischhaltungs-Rekord von 16 Tagen eingestellt:
https://idw-online.de/de/news?print=1&id=4291

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #508 am: 18. Januar 2025, 10:30:19 »
Neben den von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften betriebenen Laborschränken der Raumstation befindet sich unter dem Fußboden des Wissenschaftsmoduls Mengtian der Baugruppenträger für Raumfahrt-Grundlagenforschung der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie, wo die Firma Technologieerprobung für eigene Projekte durchführt. So wird zum Beispiel an einer ständig rotierenden Säule der Abrieb von Schleifringen für die Stromübertragung von drehbaren Solarmodulen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit untersucht:


Bild: CAST

Das Qian-Xuesen-Labor für Weltraumtechnologie (das Innovationszentrum der Firma für langfristige, fachbereichsübergreifende Planungen) arbeitet seit 2015 an Methoden, über künstliche Photosynthese Kohlendioxid + Wasser in Sauerstoff + Kohlenwasserstoffe umzuwandeln:


Bild: Qian-Xuesen-Labor für Weltraumtechnologie

Während die bislang auf der Raumstation praktizierte Aufbereitung von Kohlendioxid bei hoher Temperatur und hohem Druck stattfindet, arbeitet das Experiment des Qian-Xuesen-Labors in einem Einschub des Baugruppenträgers bei Zimmertemperatur (298 K) und unter normalem Luftdruck (101 kPa). Mit einem Halbleiter als Katalysator ist es nun weltweit erstmals gelungen, in 12 Versuchsreihen zuverlässig und reproduzierbar in der Schwerelosigkeit aus Kohlendioxid Sauerstoff und Ethylen herzustellen, das zum Beispiel als Raketentreibstoff verwendet werden kann.

Mit einem veränderten Versuchsaufbau soll nun auch Ameisensäure hergestellt werden, die als Rohstoff für synthetische Kohlenhydrate dienen soll. Auf Himmelskörpern wie dem Mars, wo man das Wasser aus dem Eis im Untergrund und das Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnehmen kann, könnten die Kohlehydrate als Nahrungsergänzungsmittel dienen:
https://www.cmse.gov.cn/xwzx/202501/t20250118_56224.html

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Offline alepu

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #509 am: 18. Januar 2025, 11:58:58 »
Toll, wenn das auch in grösserem Maßstab funktioniert!

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #510 am: 18. Januar 2025, 15:33:57 »
Das ist eine etwas komplexe Angelegenheit. Das Qian-Xuesen-Labor wurde am 14. August 2020 von einer zauseligen Denkfabrik zu einer von drei Hauptabteilungen von CAST hochgestuft (die anderen beiden sind Großprojekte und Kommunikations- und Navigationssatelliten). Dieses Gerät ist zwar nur eine kleine Versuchsanlage, aber ein industrieller Maßstab ist absolut geplant:


Bild: CMSA

Man muss dabei allerdings im Blick behalten, was die Anlage genau macht. Das obige Gerät arbeitet in der Schwerelosigkeit und ist dafür gedacht, unter direkter Ausnutzung des kostenlosen Sonnenlichts, ohne den Umweg über Solarmodule und Strom, das ausgeatmete Kohlendioxid der Raumstationsbesatzung zu Sauerstoff wiederaufzuarbeiten. Wang Yaping hat das auf eine diesbezügliche Schülerfrage während der Mission Shenzhou 13 bereits angekündigt. Die Kohlenwasserstoffe sind hier zunächst einmal ein Abfallprodukt.

In der oben zitierten Firmenmitteilung heißt es aber explizit, dass diese Methode auf Mond, Mars und Asteroiden (Ceres ist momentan wieder aktuell) zur Herstellung von Sauerstoff und Treibstoff verwendet werden soll, neben Ethylen auch Methan. Unter den diversen Schwerkräften (1/ 6 g, 1/3 g etc.) ergeben sich aber verschiedene Strömungsmechaniken. Das Herumpumpen von Flüssigkeiten und Gasen in der Schwerelosigkeit ist ausgesprochen schwierig. Bei einem Einsatz auf einem Himmelskörper muss man das anders angehen. Es wird aber wohl eher leichter als bei der Testanlage auf der CSS.

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #511 am: 19. Januar 2025, 08:28:30 »
In diesem Video kann man ab 00:20 sehen, wie die Raumfahrer an den Ventieln Q2 und Q4 Proben des erzeugten Sauerstoffs und Ethylens entnehmen, die im Shenzhou-Raumschiff mit zur Erde genommen und dort auf ihre Reinheit genau untersucht werden:
https://weibo.com/2196038737/PagOTdrz2

Offline Regnart

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #512 am: 23. Januar 2025, 18:24:33 »
... Hier zum Beispiel für die Zebrafische:
https://www.the-innovation.org/article/id/6728238c52700000d7002804

Die Tiere haben sich in der Schwerelosigkeit dann doch noch ganz gut zurechtgefunden und gelaicht. Nach 43 Tagen wurden sie schmerzlos getötet und zusammen mit dem Laich eingefroren (wenn die Jungfische geschlüpft wären, wäre das Ökosystem zusammengebrochen). Damit hat die Mannschaft von Shenzhou 18 den seit 1998 von der Ruhr-Universität Bochum gehaltenen Weltraum-Fischhaltungs-Rekord von 16 Tagen eingestellt:
https://idw-online.de/de/news?print=1&id=4291

Noch in diesem Jahr soll eine zweite Zebrafisch-Mannschaft auf die Station geschickt werden, diesmal bestehend aus 6 Fischen, die von 6 Hornblatt-Pflanzen unterstützt werden:



In dem Video leben die Fische bei 0:37 in einem großen Aquarium zusammen mit dem Hornblatt, nicht mehr durch ein Gitter von den Pflanzen getrennt. Bei 2:45 sagt Wang Gaohong vom Institut für Hydrobiologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, dass bei dem zweiten Versuch das Aquarium verbessert wird. Es ist nicht klar, ob damit auch ein größeres Volumen gemeint ist. Das erste Aquarium hatte 0,75 l für die Fische und 0,5 l für die Pflanzen.

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Offline alepu

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #513 am: 23. Januar 2025, 19:17:46 »
Hier mit engl. Untertitel.
Geht wohl etwas durcheinander mit Aufnahmen vom alten und neuen Aquarium.
Einmal 4 Fische ohne Pflanzen, dann 6 mit, dann wieder 4 ohne, und einmal habe ich mindestens 7 gezählt...
Angeblich ist auch die Rede von einem 1,2 l Aquarium, aber bezieht sich wohl auf das alte.
Sie schreiben hier allerdings nicht von 6 Pflanzen, sondern von 6 Gramm Hornblatt (Übersetzungsfehler?)


Offline Regnart

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #514 am: 24. Januar 2025, 07:58:56 »
Das ist in der Tat ein Übersetzungsfehler. Die Sprecherin sagt bei 0:22 in dem chinesischen Video “kē” bzw. , mit flachem Ton. Das ist ein Zählwort für Pflanzen. Wörtlich übersetzt bedeutet 六棵金鱼藻 "6 Exemplare Raues Hornblatt". Das Übersetzungsprogramm hat dagegen "kè" bzw. gehört, mit fallendem Ton, was "Gramm" bedeutet. Einem menschlichen Übersetzer wäre vom Kontext her klar gewesen, dass das nicht sein kann. Auf den Kameraaufnahmen kann man sehen, dass das Grünzeug mehr als ein paar Gramm wiegen muss :D

Das ist übrigens einer der Gründe, warum - im Gegensatz zur unbemannten ILRS - beim Bemannten Monderkundungsprogramm der Volksrepublik China keine Ausländer zugelassen sind. Die Gefahr von Missverständnissen, insbesondere im Funkverkehr, ist einfach zu hoch.

Die 1,2 l beziehen sich auf das alte Aquarium (0,75 l + 0,5 l). Die Frage ist, wo ein größeres Aquarium untergebracht werden würde. Die vier von Shenzhou 18 betreuten Fische haben hier unten links im Einschub für gesteuerte Ökosysteme des Laborschranks für Biologie und Ökologie im Wissenschaftsmodul Wentian gelebt:


Bild: CSU, bearb. Regnart

Die Fruchtfliegen leben derzeit rechts daneben im Einschub für die Züchtung von kleineren Organismen. In dem Video sieht das große Aquarium langgestreckt aus. Möglicherweise nimmt man die unteren beiden Einschübe heraus und ersetzt sie durch einen großen. Nachdem die als Tiefkühlware zurückgekommenen Fische von Shenzhou 18 derzeit noch untersucht werden, würde ich vermuten, dass die neue Fischmannschaft erst bei Shenzhou 21 im Herbst mit ins All fliegt, möglicherweise auch mit Tianzhou 9 im Sommer. Da bei einem Frachter vor dem Ankoppeln keine lange Checkliste abgearbeitet werden muss, können die Fische in 2 Stunden von Hainan auf der Station sein. Die Trägerrakete für den Frachter ist für bemannte Flüge zugelassen, die fliegt schonend.

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Offline alepu

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #515 am: 24. Januar 2025, 12:20:26 »
Klingt logisch, wobei das mit dem Gewicht allerdings so eine Sache ist.
Die Zebrafische werden z.B. bis zu 5 cm lang und wiegen angeblich durchschnittlich 70 mg bis 180 mg. (Kommt mir allerdings schon sehr wenig vor!)
Da das Hornblatt ein sehr starkes Wachstum hat, kommen mir 6 Pflanzen in einem etwa 2-Liter-Aquarium allerdings auch sehr viel vor! Da ist eine Pflanze wohl schon ganz ausreichend.

Offline Regnart

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #516 am: 24. Januar 2025, 16:29:40 »
Das habe ich mich auch schon gefragt. Ursprünglich bin ich davon ausgegangen, dass bei der 4-Fisch-Mannschaft nur ein Raues Hornblatt dabei war  - im Chinesischen kann man Singular und Plural ohne nähere Angaben mit dem oben erwähnten Zählwort nicht unterscheiden. In der chinesischen Langversion des Videos sagt die Sprecherin aber bei 0:57 explizit, dass es 2024 vier Hornblatt-Pflanzen waren. Es scheint also so zu sein, dass jeder Fisch den von einer Pflanze erzeugten Sauerstoff benötigt.

Du musst zum einen im Hinterkopf behalten, dass manche Pflanzen in der Schwerelosigkeit nicht so gut wachsen wie auf der Erde. Andererseits kannst Du bei 1:07 in dem chinesischen Video sehen, dass das Halbliter-Abteil für die Pflanzen nach einigen Wochen im All schon ziemlich zugewuchert war.

Das Experiment mit den 6 Fischen basiert auf den Erfahrungen von 2024, also nehme ich an, dass das mit den 6 Pflanzen gut durchdacht und genau so geplant ist. Falls in dem Aquarium nach einiger Zeit wirklich kein Platz mehr für die Fische ist, können die Raumfahrer ja etwas von dem Kraut entfernen.

2024 wurden die Zebrafische mit von außen aus dem Fischfutter-Behälter (鱼食盒) zugeführter Nahrung gefüttert, den man in dem chinesischen Video bei 1:51 sehen kann. Die Lochplatte war eigens dafür gedacht, die Fische davon abzuhalten, die Pflanzen anzuknabbern. Vielleicht möchte man dieses Jahr sehen, ob die Fische überleben können, wenn sie das mit ihrem ausgeatmeten Kohlendioxid gefütterte Hornblatt essen. Sozusagen ein geschlossener Kohlenstoff-Kreislauf.

Hier ist übrigens die in dem Video angesprochene Entnahme von Wasserproben (alle 10 Tage 6 cm³):


Bild: BACC

Da man die Gedärme der Fische vor dem Start nicht desinfizieren konnte - Du kennst das Problem aus dem Anfang von "Andromeda Strain" - musste die Wasserqualität ständig überwacht werden.

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Offline HausD

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #517 am: 26. Januar 2025, 18:07:33 »
Video


Challenges of growing rice in space: Innovative solutions for zero gravity farming             CNSA Watcher

Die Herausforderungen beim Reisanbau im Weltraum: keine Luft, kein Wasser, keine Erde und die Auswirkungen der Schwerelosigkeit. Die Forscher mussten sich kreative Lösungen einfallen lassen. Hier der erste vollständige Prozess des Reisanbaus im Weltraum...
                                                       Quelle: weibo
Gruß, HausD

Offline Regnart

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Re: Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation
« Antwort #518 am: 26. Januar 2025, 21:00:52 »
Das ist ein Ausschnitt aus Teil 5 einer letzte Woche ausgestrahlten Fernsehdokumentation zum Bau der Chinesischen Raumstation.

Hier ist Teil 1 mit den Anfängen. Der weißhaarige Herr am Anfang ist Wang Yongzhi, 1992-2006 der erste Technische Direktor des bemannten Raumfahrtprogramms. Die Dame ab 25:43 ist Zhang Wanxin, die Chefkonstrukteurin des Feitian-Raumanzugs (und des Mondanzugs). Ab 34:16 geht es um den von der Shanghaier Akademie für Raumfahrttechnologie entwickelten Koppelmechnismus. Eigentlich wollten man den Roskosmos abkaufen, die haben aber zu viel Geld verlangt. Da hat man ihn gleich selber entwickelt. Auch wenn er äußerlich so aussieht, das ist kein APAS und mit diesem nicht kompatibel. Bei 36:43 wird erläutert, dass ursprünglich geplant war, vor der Raumstation noch ein drittes Raumlabor zu starten. Statt Tiangong 3 hat man dann aber gleich das Kernmodul Tianhe gebaut:




Hier ist Teil 2. Am Anfang sieht man den Flug des Raumfrachters Tianzhou 5, der am 12. November 2022 mit 2 Stunden 7 Minuten Anflugszeit einen neuen Weltrekord aufgestellt hat. Ab 22:10 sieht man das Shanghaier Institut für Weltraumantriebe. Die Ingenieure arbeiten dort gerade am Antriebssystem für das Xuntian-Teleskop. Ab 23:10 geht es um das von diesem Institut entwickelte Betankungssystem. Rund ein dutzend Arten von Ventilen, 100 m Rohrleitungen, mehr als 1000 Schweißnähte, mehr als 130 Sensoren. Die Membran zwischen dem Helium für die Druckgasförderung/Saugbetankung und dem Treibstoff wurde 24 Millionen Mal auf Vor- und Zurückbeulung getestet.

Ab 23:35 geht es um den HET-80 Hallantrieb des Instituts, von dem vier Stück am Heck des Kernmoduls Tianhe montiert sind. Es laufen immer zwei Triebwerke im Dauerbetrieb; jedes Jahr ist ein Satz neuer Xenon-Tanks nötig:




Hier ist Teil 3. Am Anfang wird das Wissenschaftsmodul Mengtian angeliefert. Bei 2:00 sagt Li Dong, der Chefkonstrukteur der schweren Trägerrakete Langer Marsch 5, dass 99 % Zuverlässigkeit nicht gut genug sind. Es gibt nur 100 % oder 0 %. Dieser Philosophie haben es die Chinesen zu verdanken, dass in den gut 30 Jahren seit dem Beginn des bemannten Raumfahrtprogramms noch kein Raumfahrer ums Leben gekommen ist. Ab 2:31 sagt Rong Yi, die Chefkonstrukteurin der bemannten Trägerrakete Langer Marsch 2F das Gleiche. Bei 3:08 beginnt der 52 Tage dauernde Zusammenbau der Rakete für das Wissenschaftsmodul Mengtian mit einem diesbezüglichen Appell (die Techniker sind alles Soldaten).

Ab 20:22 sieht man die Eisenbahnsoldaten die für Bau und Erhalt der 239 km langen Bahnstrecke von der Stadt Jiuquan zum Kosmodrom zuständig sind. Wenn die Stufen einer Trägerrakete angeliefert werden, steht entlang der Bahnstrecke jeden Kilometer ein Wachtposten:




Hier ist Teil 4. Ab 3:00 sieht man das Raumfahrtkontrollzentrum Peking am 1. September 2022 während des 1. Außenbordeinsatzes der Mission Shenzhou 14. Ab 3:22 sieht man die Mannschaft von Shenzhou 12 (Wang Yaping erkennt man an ihrem roten Hoodie), die der Mannschaft von Shenzhou 15 (Fei Junlong erkennt man an seiner Stoppelfrisur) an diesem Beispiel erklärt, wie so ein Außenbordeinsatz in der Praxis abläuft. Wang erklärt den "Neulingen" dass sie es noch relativ gut haben - sie sehen beim Aussteigen aus dem Wissenschaftsmodul Wentian nur die Erde, während sie und ihre Mannschaftskollegen aus der Kugelschleuse direkt in die unendlichen Weiten des Weltalls gestürzt sind - ein Panik-Effekt, den man auf der Erde nicht trainieren kann.

Ab 5:09 sieht man den Außenbordeinsatz vom Chinesischen Raumfahrer-Ausbildungszentrum aus. Chen Dong im Anzug mit den blauen Markierungsstreifen steigt als erster aus und besteigt den mechanischen Arm. Als sie sich bei 5:49 abwechseln sollen, kann Liu Yang den Arm mit ihren Füßen nicht erreichen. Ausbilderin Wu Hao (die jüngere mit der Brille; links daneben sitzt Chefausbilderin Huang Weifen) versucht ihr die richtige Handpositionierung zu erklären, aber Liu Yang, die das im Wassertank auf der Erde immer einwandfrei hingebracht hat, gerät in Panik. Auch im Ausbildungszentrum steigt die Anspannung. Schließlich schleudert sich Liu Yang vom Geländer weg und schwebt im Freiflug, nur durch die roten Seile gesichert, auf die Fußverankerungsplattform. Chen Dong hilft ihr dann mit der Verriegelung.

Ab 26:59 kann man sehen, wie die Außenbordanzüge in Kleinserie gebaut werden. Ein Feitian-Anzug besteht aus fast 100 Komponenten bzw. 10.000 Einzelteilen, die von mehreren 100 Leuten in etwa 10.000 Arbeitsstunden bzw. 3 Monaten zusammengebaut werden. Vor der Übergabe an die Raumfahrer wird jeder Anzug in der ab 28:04 zu sehenden Vakuumkammer 11 Stunden lang getestet. Bei den deutlich schweißtreibenderen Einsätzen im All beträgt die reguläre Einsatzzeit 8 Stunden plus 1,5 Stunden mit Reservesauerstoff.

Ab 37:17 sieht man den Übungstank. 23 m Durchmesser, 10 m tief, 4200 t Wasser. Es gibt gut 20 Rettungstaucher die sich abwechseln, die Raumfahrer müssen aber in der Regel 6 Stunden (die Sicherheitsgrenze) unter Wasser bleiben. Fei Junlong wiegt im normalen Training 63 kg, nach 6 Stunden unter Wasser hat er 2 kg weniger. Ab 38:45 kann man sehen, wie Fei Junlong und Deng Qingming die gestellte Aufgabe wegen mangelnder Beweglichkeit nicht erfüllen können. Bei 39:41 kommt Cheftaucher Zhao Yang aus dem Wasser und erklärt entnervt, dass das einfach nicht geht. Man hat den Ablauf dann noch verbessert, aber Fei Junlong und Zhang Lu, der im All die Position von Deng Qingming übernommen hat, hatten beim realen Einsatz immer noch reichlich Probleme:




Hier ist Teil 5, wo es primär um die wissenschaftlichen Nutzlasten geht. Beim Reis gelang weltweit erstmals der Anbau vom Korn über die Pflanze zum geernteten Korn. Am Anfang des Videos sieht man Yang Liwei in dem Stationsmodell des Raumfahrer-Ausbildungszentrums, ab 1:05 das sonst selten gezeigt Bad mit Toilette. Yang meint, dass es die junge Generation deutlich luxuriöser hat als er seinerzeit. Als Sprecher der Raumfahrer im Direktorium der CMSA trainiert er aber immer noch voll mit: