Der Mythos, das die N1 aufgrund der Bündlung gescheitert ist - ist also in der Tat ein solcher. Meiner Meinung nach ist das Scheitern der N1 vorallem auf inadequate Fertigungstechnik zurück zu führen.
Nach meinen Informationen war das Problem sehr vielschichtig. Er erste Start scheiterte, weil nach einer Triebwerksexplosion (kleine Metallteile im Treibstoff zerstörten die Turbopumpe) ein Feuer im Heck ausbrach. Das zerstörte die Kabelverbindungen, so das die Telemetrie der Triebwerke ausfiel und das Kontrollsystem alle Triebwerke abschaltete.
Auch beim zweiten Start kam es aus dem gleichen Grund wieder zu Treibwerksausfällen. Nach 10 s kam es zu einer Störung der Stromversorgung und zum Abschalten aller Triebwerke. Der Träger stürzte aus ca 200 m Höhe auf die Startplatform und zerstörte den ganzen Startplatz.
Beim dritten Start schwenkte man den Träger sofort nach dem Abheben vom Startplatz weg, um eine ähnliche Katastrophe wie beim zweiten Start zu vermeiden. Allerdings hatte man die Aerodynamik des Trägers falsch eingeschätzt, so das die Rakete immer mehr ins Kippen kam und nach 50 s schließlich in der Luft auseinander brach.
Der 4. Start scheiterte durch einen hydrostatischen Effekt. Um die Beschleunigung zu reduzieren schaltete man 6 Triebwerke vorzeitig aus. Das führte zu einer sehr starken Druckwelle im Treibstoffsystem, durch den eine Sacherstoffleitung brach und ein Triebwerk explodierte.
Man kann die Schuld also nicht an einem Punkt festmachen. Der ganze Träger wurde überhastet und mit viel zu wenig finanziellen Mitteln entwickelt. Die Tanks wurden nicht gesäubert, die Triebwerke hatten keine Filter, die Aerodynamik entsprach nicht den Berechnungen und das Kontrollsystem der Triebwerke war sehr unzuverlässig. Man verzichtete auf Teststände. Die Entwicklung wurde viel zu spät begonnen, dennoch wollte man die USA mit ihrer Saturn 5 schlagen. Während die Saturn 5 sehr sorgfältig und mit großen Sicherheitsspielräumen und genügend Zeit entwickelt wurde, war die Entwicklung der N1 ein einziger Wettlauf gegen die Zeit, als man mit völlig unzureichenden Mitteln einen Hochleistungsträger entwickeln wollte.
Zudem standen sich die Entwickler selber im Weg. Während die USA alle Anstrengungen auf die Saturn 5 konzentrierten, spielten sich die russischen Entwickler in Kleinkriegen gegeneinander aus. Problem war auch, das die USA damals schon in der Triebwerkstechnik deutlich vorne lagen und mehr Erfahrungen mit starken Triebwerken hatten. Bei den Russen (oder damals eher Sowjets) dagegen setze man eher auf Bündelung. Triebwerke mit 4 Brennkammern wurden sehr oft eingesetzt, man investierte aber kaum in die Entwicklung starker Einkammertriebwerke. Der wichtigste Triebwerksentwickler und der wichtigste Raketenentwickler hatten eine private Fehde und waren nicht zur Zusammenarbeit zu bewegen. Das alles waren keine guten Vorraussetzungen. Rückblickend betrachtet, ist es unter diesen Umständen nicht verwunderlich, das die N1 scheiterte. Man kann das scheitern auch nicht auf einen einzelnen Punkt festmachen, in dem ganzen Projekt war der Wurm drin.