Zunächst... nur, falls das falsch angekommen sein sollte... ich sage NICHT: Leute, bitte simuliert keine Marsmission. Ich sage nur: bitte macht es besser als das!
Richtig knebel99, es gibt keine konkreten Pläne für ein Marsraumschiff. Man ist jetzt erstmal mit der Entwicklung einer neuen Schwerlastrakete beschäftigt, unter Wiederverwendung der Oriongrundidee. Für wie wahrscheinlich hältst Du es, dass eine sechsköpfige Crew sich unter Berücksichtigung der voraussichtlichen technischen Entwicklung 243 m² nutzbare Fläche wird teilen können, inklusive Gewächshaus?
Wenn die Crew Glück hat, dann wird es auf eine handelsübliche Stdentenbude hinauslaufen, nicht auf ein Loft. Geringeres Platzvolumen aber hat fundamentale Auswirkungen auf den terretorialen Stressfaktor. Keine Privatsphäre, sich nicht aus dem Weg gehen können... das zu untersuchen ist wichtig. Mars500 hat diesen Faktor eliminiert? Wieso?
Mars500 untersucht eine einzige Gruppenkonstellation. Das Projekt beantwortet wichtige Fragen nicht. Es konzentriert sich allein auf eine relativ große Gruppe. Nicht nur, dass eine große Crew auch großen technischen Aufwand bedeutet, weswegen kleinere Crewstärken wahrscheinlicher sind... Gruppendynamiken ändern sich mit der Personenstärke. Ein Paar entwickelt eine andere Dynamik als ein Trio, wo sich eine Mehrheit gegen ein Omegamitglied aufstellen kann, ein Quartett kann gleichstrake Fronten bilden oder eine Masse gegen ein Mobbingopfer aufbringen. Sechs ist eine hohe Durchmischung individueller Strukturen, aber wird wahrscheinlich nicht umzusetzen sein. Mehr noch. Wir haben sechs Männer, die von den Russen favorisierte Besatzung. Die Amerikaner haben gute Erfahrungen mit gemischten Shuttlecrews was die Teampsychologie angeht. Und niemand hat jemals erwogen, dass ein reines Frauenteam vielleicht manche psychologischen Aspekte besser bewältigen kann. Über all das trifft Mars500 keine verwertbaren Aussagen.
Umgebung - die Besatzungen von Raumstationen haben die Erde vor Augen und Evakuierungsmöglichkeiten. Teil des psychischen Drucks ist die Abwesenheit des Heimatplaneten. In einer Station zu sein, in der man notfalls die Luke aufmachen kann und man ist draußen... das trägt dem zu erwartenden Druck keine Rechnung. Jede U-Bootbesatzung kennt das Gefühl, Arktisforscher kennen Abgeschnittenheit, chronologische Isolationsexperimente wurden in Höhlen gemacht... aber Mars500 baut Wohnkontainer auf der zugänglichen Oberfläche. Warum keine Module im Dunkel der Meere? Warum nicht in ausgedienten Bergwerksstollen? An einem Ort, wo Abgeschiedenheit ins Bewußtsein der Teilnehmer rückt? Warum leisten andere Isolationsforschungszweige da mehr als jene, die zum Mars wollen?
Wohnkontainer - die Besonderheit eines Raumschiffes ist, dass es für die Schwerelosigkeit gebaut wird und man sich darin auch dementsprechend verhält. Was nicht festgebunden oder angeklettet ist fliegt rum. Man hat kein Bettchen, keine Waschraum, keine Fitnessgeräte wie bei McGeiz, man kriegt kein frisches Gemüse...etc. - Schwerelosigkeit ist hunderte Zusatzgriffe pro Tag. Warum baut man keine Wohnmodule basierend auf den Erfahrungen die im All gemacht worden sind?
Ernährung, Luft, Wasser... teure Güter, die die Verfassung beeinflussen. C0² Überkonzentration verursacht Kopfschmerzen, die schlagen auf die Psyche, Wärme kostet Energie, denkbar, dass die auch mal rationiert werden muss, Nahrung muss leicht und Nährstoffreich sein, nicht lecker... Faktoren, die den Teilnehmern wurscht sind, sie kriegen sie nicht ab. Sie simulieren Raumfahrtluxus, den wir nicht werden realisieren können.
Schwerelosigkeit verursacht Rückenschmerzen und Muskelschwund... nur teilweise simulierbar durch liegen. Müssen die Teilnehmer Liegezeiten einhalten? Nein.
Frische Wäsche, Körperhygiene... nennen wir's beim Namen, das Marsraumschiff wird voller unappetitlicher Gerüche sein, da bekommt "sich nicht riechen können" eine Bedeutung. Wird dem Rechnung getragen? Nein.
Ja, ich will eine Simulation der Marsmission, und nein, ich halte 15 Millionen US Dollar nicht für verschwendet, wenn sie einer tatsächlichen Simulation dienen. Diese aber simuliert einen Hollywood-Luxustrip zum Mars... und will die tatsächlichen psychologischen Auswirkungen einer machbaren Mission simulieren?
Wir wollen Ergebnisse? Aussagekräftige Ergebnisse? Gut. Dann baut weltraumtaugliche Wohnmodule in einen Stollen, 400 Meter unter der Erde, begrenzt den Wohnraum auf ein technisch realistisches Maß, bildet Referenzgruppen verschiedener Anzahl und Geschlechterkombination, gebt den Teilnehmer zu essen was platzsparend ist, gönnt ihnen nur feuchte Tücher nach dem Training und ein realistisches Maß an Wechselkleidung, legt sie in ihrer Freizeit flach um Muskelabbau zu simulieren... und dann sind wir einen Schritt weiter. Einen Schritt in eine tatsächliche annehmbare Realität.
Denn, jakda, ich glaube an Laserschwerter nur auf der Leinwand und schätze Realismus in dieser Frage. Und Deine Wissenschaftler, denen Du bedingungslos Kompetenz bescheinigst... solche Wissenschaftler arbeiten auch am Ames Research Center, einem der größten NASA-Forschungszentren, welches Gelder bekommen hat um das "Hundred Year Starship"- Projekt zu starten. Aber vielleicht hat sich die Krise der Ingenieure und der amerikanischen Raumfahrt noch nicht bis zu ihnen herumgesprochen?
Wenn wir den Mars wollen, dann unter realistischer Einschätzung. Von Anfang an. Schon in der Simulation. Den Rest überlassen wir dann doch lieber Brian de Palma.