COLUMBIA-Unglück

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Offline Ruhri

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #150 am: 02. Januar 2011, 00:43:56 »
Was ich der Nasa vorwerfe ist, dass Sie in Ihren Möglichkeiten nicht 110% leistet. In der Raumfahrt reichen 100% nicht aus. Apollo 1, Challenger, Columbia.. wäre alles vermeidbar gewesen, wenn man es vorher besser gewusst hätte. Bei Columbia wusste es man schon bevor das eigentliche unglück eingetreten ist... nur man reagierte nicht ausreichend genug... und das ist nicht akzeptabel. Ein Arzt sagt seinem Patienten ja auch seine Diagnose wenn etwas nicht stimmt. Und genauso hätte die Flugleitung die Astronauten informieren müssen um eine gemeinsamen Lösung zu eruieren.


Was soll das denn heißen, die NASA müsse 110 % Leistung bringen? Nach welchem Maßstab denn?  >:(

Und was den Vergleich mit der ärztlichen Diagnose angeht, so ist das vergleichbar mit dem Fall, dass ein Arzt etwas feststellt, dass eine Reihe von Ursachen haben könnte. Bevor er nicht entsprechende Resultate vorliegen hat, wird er den Patienten nach Möglichkeit nicht beunruhigen. Um diese Resultate zu erhalten und damit eine sichere Diagnose stellen zu können, muss aber zunächst das richtige Testverfahren gefunden werden. In der Medizin braucht es dazu einen Anfangsverdacht, da es schlichtweg zu aufwändig und zu teuer wäre, jeden einzelnen Test durchzuführen. Ansonsten geht man gerade in der Medizin in der Reihenfolge der Wahrscheinlichkeiten durch, und das hat die NASA letztlich auch getan. Ein schwerer Schaden am Flügel galt als dermaßen unwahrscheinlich, dass man sich darum nicht hat kümmern können.

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Offline KSC

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #151 am: 02. Januar 2011, 09:07:25 »
Tatsache ist, dass man wusste, dass  ein Isolationsstück den Flügel getroffen hatte. Aufgrund eines fehlerhaften Prozesses wurden Bedenken nicht ausreichend Beachtung geschenkt, bzw. nicht genau genug nachverfolgt.  Schlussendlich kam man zu dem Schluss, dass keine Gefahr besteht.
Wieso also hätte man eine scheinbar nicht vorhandene Gefahr mit der Crew diskutieren sollen?
Man hat keine Gefahr gesehen, also gab es auch keine Notwendigkeit eine Lösung zu suchen. Das war mit damaligem Wissen folgerichtig.
Das das eine Fehleinschätzung war, das ist heute klar, man darf aber nicht mit dem heutigen Wissen die damaligen Entscheidungen beurteilen.
Dass die Basis der damaligen Entscheidungen eine fatale Fehleinschätzung war ist unbestritten. Dass der Prozess der dazu geführt hat äußerst mangelhaft war ist auch klar. Man kann was damals gelaufen ist, was hätte laufen sollen und was damals an Fehlern gemacht wurde,  alles im CAIB Report nachlesen und zwar haarklein.
Man sollte nicht spekulieren und auch keine Behauptungen aufstellen, alle Fragen sind in dem Bericht detailliert beantwortet.  Wer sich wirklich für das Thema interessiert sollte den Bericht lesen und zwar von Anfang bis Ende.

Gruß,
KSC

Invicta

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #152 am: 02. Januar 2011, 12:46:50 »
Zitat
...braucht es dazu einen Anfangsverdacht, da es schlichtweg zu aufwändig und zu teuer wäre...

Dieser Anfangsverdacht bestand allerdings, da ja um zusätzliche Aufnahmen mit Militärsatelliten gebeten wurde, diese aber wegen den Kosten und des zusätzlichen Aufwandes nicht genehmigt wurden. Die Nasa hat somit nur Ihre 100% die im Rahmen der STS 107-Mission zu lesiten waren erfüllt. Die restlichen fiktiven 10% hätte Sie erbringen müssen um eine Gefährdung der Leben der Astronauten auszuschließen. Wenn man sich über einen Sachverhalt nicht ganz sicher ist, wie kann man dann einfach ins blaue denken und sich auf die Erfahrung verlassen, weil ja nie etwas schief gegangen ist? Klar man wusste es bis dato nicht besser.

Nach Challenger gab es das sogenannte Face-To-Face meeting bei dem jeder Astronaut mit jedem leitenden Ingenieur, Flugleitung, Mission Control etc persönlich gesprochen hat. Gibt es Probleme, wenn ja habt Ihr Sie beseitigt, ist alles safe, unser Leben liegt in euren Händen... das hat gewirkt. Aber es zeigte sich, dass man wieder zu routiniert an die Shuttleflüge ranging. Wenn doch Strukturanalytiker der Flugleirung sagen: "Leute, wir haben bei der video launch analysis etwas entdeckt und würden gerne einen größeren Schaden ausschließen", die dann aber sagen "Nein, zu aufwendig und zu teuer", dann kann man so eine Fahrlässigkeit nicht damit entschuldigen, weil man so einen Schaden nicht erwartet hätte :o.  Wir sprechen von der Nasa, einer staatlichen Institution und der Raumfahrtagentur und nicht von einem Hobbyraketenclub. Man hatte die Möglichkeiten aber man nutzte sie nicht.

Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #153 am: 02. Januar 2011, 13:01:03 »
... steht das was hier diskutiert wird, nicht alles schon auf den
ersten 3 - 4 Seiten des Threads? Ich hab das grob überflogen
und lese fast die gleichen Fragen und Antworten wieder  ;)

klausd

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #154 am: 02. Januar 2011, 13:05:21 »
Das ist aber überhaupt nicht schlimm. Wenn neue Mitglieder oder Leute die damals nicht mitdiskutiert haben die Sache nochmal neu diskutieren wollen, warum nicht?

Gruß, Klaus

Offline Ruhri

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #155 am: 02. Januar 2011, 13:09:18 »
Invicta, das ist wirklich deine ganz persönliche Meinung. Damit ist aber nicht notwendigerweise korrekt. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass du die Denkweise der Ingenieure in der Raumfahrt überhaupt nicht verstehst. Die arbeiten nämlich mit Wahrscheinlichkeiten.

Ich gebe dir einmal ein Beispiel: Als das Apollo-Projekt lief, hatte man die Besorgnis, dass das Abstiegstriebwerk versagen könnte. Das Problem wurde aber als nicht besonders gravierend angesehen, da man bei einem Triebwerksausfall einen Abort durchgeführt und die Landestufe abgesprengt hätte. Man wäre dann mit Hilfe des Aufstiegstriebwerk zur Kommandokapsel zurückgekehrt. Buzz Aldrin berichtete seinerzeit, dass er kurz vor dem Rückstart enorm nervös geworden ist. Warum? Nun, hätte jetzt das Aufstiegstriebwerk versagt, wären er und Neil Armstrong tot gewesen. Die Ausfallwahrscheinlichkeit beider Triebwerke war ungefähr gleich groß. Wieso hat man also den Ausfall des Abstiegstriebwerk als weniger schlimm angesehen als den Ausfall des genauso (un)zuverlässigen Aufstiegstriebwerks, das ja immerhin als Backup vorgesehen war? Nun, die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Mission gleich beide Triebwerke versagen, wurde als dermaßen gering eingestuft, dass man sich damit nicht weiter beschäftigt hat.

So ähnlich ist das halt auch bei der Columbia gelaufen. Auf Grund der gemachten Erfahrungen hatte man Wahrscheinlichkeiten berechnet, und kam dann zu dem Schluss, dass das Restrisiko keine teuren Untersuchungen rechtfertigen würden. Das mag man heute als Fehler ansehen, aber es ist leicht, Entscheidungen zu kritisieren, die damals unter den Bedingungen einer gerade ablaufenden Mission getroffen wurden. Gerecht ist es aber nicht.

xwing2002

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #156 am: 02. Januar 2011, 13:25:07 »
Ich möchte da Invicta deutlich zustimmen.

@Ruhri
Wenn ein Arzt beispielsweise einen Verdacht hat, dass eine bedrohliche medizinische Diagnose im Raum stehen könnte und er dann entsprechende Diagnostikinstrumente aufgrund von Kosten nicht nutzt und der Patient stirbt - dann würde ich das genauso kritisieren. Und genau dies ist passiert.
Insgesamt hat zu gelten, dass Menschenleben kein Kostenfaktor sein dürfen.
Die NASA hatte bereits einen Orbiter verloren und sich in dem Zusammenhang in ihrer Entscheidungsstruktur als fehlerhaft gezeigt. Auch ohne die Challengerkatastrophe, aber erst recht mit ihr im Hintergrund durfte eine Gewissheit bringende Untersuchungsmethode nicht abgelehnt werden.

@KSC
Es ist gängige Praxis eine Crew im Einsatz nicht psychisch mit Verdachtsmomenten zu belasten. Das mag auch richtig so sein. Fraglos ist aber auch, dass dieser Verdachtsmoment nicht aufgrund von relativ plausiblen Annahmen hätte ausgeräumt werden dürfen... er hätte stattdessen auf relativ einfache Weise sicher geprüft werden müssen. Und zwar zeitnah. DANN hätte man die Crew in die Lösungsmöglichkeitenfindung einbinden können und müssen.

Wenn die NASA bei diesen möglichen Rettungsmaßnahmen gescheitert wäre, dann würde ich ihr keinen Vorwurf unterbreiten. Rettungsmaßnahmen können scheitern. Aber die NASA hat bereits vorher versagt. Und das aufgrund von Strukturen, die teilweise vergleichbar sind mit jenen, die bereits bei Challenger zum Problem wurden.

Wenn ich in Extrembereichen wie der Raumfahrt arbeite, dann kann ich nicht glauben, dass etwas in Ordnung ist, weil es lange Zeit in Ordnung war. Das reicht vorallem dann nicht, wenn ich es besser wissen könnte, es aber nicht herausfinden will. Es gibt einen Grundsatz. Der gilt für den normalen Autoverkehr genauso wie erst recht für die Raumfahrt: es ist nicht die Frage ob zukünftig ein Unfall passiert, die Frage ist nur wann.
Diesem "Wann" kann ich nur durch maximale vorausschauende und menschenmögliche Sicherheit entgegenwirken und diesen Grundsatz habe ich als Raumfahrtunternehmen im Kopf zu haben.
Und wenn es keinen Präzedenzfall für einen Treffer eines Schaumstoffstückes dieser Größe gibt, dann habe ich sämtliche erhebbaren Daten für diese neue Situation zu erheben. Gerade weil dafür keine ausreichenden Erfahrungwerte bestehen können. Wenn ich das nicht tue, wenn Entscheidungsstrukturen erlauben sich da gnadenlos selbst zu überschätzen, dann sind Vorwürfe diesbezüglich kein Angriff, sie sind Beschreibung bestehender Mißstände, die Menschenleben gekostet haben.
Und an dieser Stelle nochmal: wieder gekostet haben.
Wenn ich sie nicht abstelle, dann werden sie es absehbar auch wieder tun.

Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #157 am: 02. Januar 2011, 13:35:06 »
Es passt zwar nicht ganz zum Treat aber ich würde es doch gerne loswerden.

Buzz Aldrin hat auf der Mondoberfläche in einem unbedachten Augenblick mehrere Schalter des LEM mit seinem Sauerstoffrucksack abgebrochen. Es waren ausgerechnet jene Schalter die zu aktivieren des Rückstarttriebwerkes benötigt wurden. Da die Finger der Astronauten an Bord zu dick und auch kein geeignetes Werkzeug vorhanden war, behalf sich Buzz Aldrin mit einer Kugelschreibermine.

Das zeigt, das die Astronauten in jeder Situation realtiv kreativ handeln können.

Die Astronauten von STS 107 waren sich aller Risiken bewusst. Warum konnte man sie nicht von vornherein über den vorhandenen Schaden Informieren? Sie hätten sicherlich ruhig und bewusst gehandelt und die Chancen einer erfolgreichen Rückkehr zumindest erhöht.
Grüße,
Chris

Offline Ruhri

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #158 am: 02. Januar 2011, 13:42:27 »
Ich möchte da Invicta deutlich zustimmen.

@Ruhri
Wenn ein Arzt beispielsweise einen Verdacht hat, dass eine bedrohliche medizinische Diagnose im Raum stehen könnte und er dann entsprechende Diagnostikinstrumente aufgrund von Kosten nicht nutzt und der Patient stirbt - dann würde ich das genauso kritisieren. Und genau dies ist passiert.
Insgesamt hat zu gelten, dass Menschenleben kein Kostenfaktor sein dürfen.
Die NASA hatte bereits einen Orbiter verloren und sich in dem Zusammenhang in ihrer Entscheidungsstruktur als fehlerhaft gezeigt. Auch ohne die Challengerkatastrophe, aber erst recht mit ihr im Hintergrund durfte eine Gewissheit bringende Untersuchungsmethode nicht abgelehnt werden.

Siehst du, und ich widerspreche euch beiden auf das Entschiedenste! Um noch einmal das Problem der medizinischen Diagnose aufzugreifen, dann stell dir einfach vor, du gehst mit Beschwerden zum Arzt. Der Arzt nimmt deine Beschreibung der Symptome auf, deine medizinische Vorgeschichte und die deiner Familie und führt ein paar erste einfache Untersuchungen durch. Danach mag es vielleicht dutzende Krankheiten geben, an denen du leiden könntest. Also beginnt er mit Standardtests, Urin- und Blutuntersuchungen. So nach und nach wird er alle Möglichkeiten, die ihm einfallen, durchgehen. Er wird aber keinesfalls für irgendein exotisches Morbus XYZ-Syndrom, das vielleicht 100 Menschen jemals gehabt haben und dessen Test einige tausend Euro kostet, gleich als allererstes eine Untersuchung durchführen lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass du daran leidest, ist dermaßen gering, dass erst die wahrscheinlicheren Krankheiten zur Überprüfung an der Reihe sind.

Es sind damals natürlich Fehler gemacht worden. Der von dir und Invicta erhobene Vorwurf, es sei unverantwortlich gewesen, diese Fehler zu machen, ist aber eben in höchstem Maße ungerecht. Selbst das Kriterium "Menschenleben sind jedwede Kosten wert!" zieht da nicht wirklich. Ich erinnere an den X-15-Piloten, der angesichts eines extrem teuren Schleudersitzsystems mit dennoch fraglicher Überlebenswahrscheinlichkeit vorgeschlagen hatte, lieber zu Gunsten seiner Familie eine ordentliche Lebensversicherung abzuschließen. Astronauten, die zu etlichen Tonnen hochbrisanten Treibstoffs in eine Rakete steigen, wissen um das Risiko, und sie akzeptieren es. Wenn du das Leben der Astronauten bestmöglich schützen willst, musst du die bemannte Raumfahrt komplett einzustellen - so einfach ist das.

xwing2002

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #159 am: 02. Januar 2011, 13:56:03 »
So ähnlich ist das halt auch bei der Columbia gelaufen. Auf Grund der gemachten Erfahrungen hatte man Wahrscheinlichkeiten berechnet, und kam dann zu dem Schluss, dass das Restrisiko keine teuren Untersuchungen rechtfertigen würden.

Ich erlaube mir jetzt Zynismus satt... und schiebe diese Bemerkung ausdrücklich vorweg.

Das Columbia-Desaster hat die Orbiterflotte zwei Jahre am Boden gehalten.
Das Columbia Desaster hat eine kostenspielige Hochstufung von Sicherheitsparametern nach sich gezogen, die heute noch greifen. Sie verursachen heute noch Kosten von denen manche hier meinen, dass sie in Teilen nicht unbedingt nötig wären.
Ebenso glauben viele, dass die Kostenexplosion, die das Columbia Desaster nach sich gezogen hat mit verantwortlich für das Scheitern des Constellation-Programms ist.

Vielleicht sind Wahrscheinlichkeitsberechnungen und das Ausschlagen von definitiven Untersuchungsmöglichkeiten aus finanziellen Gründen kein effizienter Weg in der Raumfahrt Kosten zu sparen.

Zynismusklammer aus.

@Ruhri
Die NASA hat es aber nicht mit "normalen" Patienten zu tun. Sie arbeitet und fliegt mit einem Ausnahmepatienten, einem absoluten VIP. Und ich glaube, wenn beispielsweise der Präsident der USA ein mögliches gesundheitliches Problem hat, dann wird auf alles getestet was die Untersuchungsmöglichkeiten hergeben.
Wenn ich ein Qietschen bei meinem Opel Corsa ignoriere, weil in meiner Brieftasche Ebbe herrscht, dann kann ich die Fahrt in die Werkstatt höchstwahrscheinlich eine erklägliche Weile vor mir herschieben ohne Leib und Menschenleben zu gefährden. Bei einer Cessna werde ich mir das schon genauer überlegen, ob ich das gut fände. Bei einem Shuttle sollte man es einfach nicht tun.
Verdachtsmomente haben unterschiedliche Konsequenzen, je nachdem was sie betreffen. Und ab einem bestimmten Extrembereich sollte man sie verifizieren, wenn man das kann.

Invicta

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #160 am: 02. Januar 2011, 14:01:31 »
Zitat
...Ehrlich gesagt, glaube ich, dass du die Denkweise der Ingenieure in der Raumfahrt überhaupt nicht verstehst. Die arbeiten nämlich mit Wahrscheinlichkeiten

Nun ich bin Raumfahtingenieur :) Du wiedersprichst Dir da selbst.  Du sagst dass wir Ingenieure mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten was vollkommen richtig ist. Da man ja von dem Einschlag wusste bestand ja auch die Wahrscheinlichkeit eines Schadens. Nicht umsonst baten die beiden Ingenieure Austin und Daugherty um weitere auschließende Beweise als Columbia im Orbit war. Und genau das war der springende Punkt.

Einer der beiden Ingenieure namens Austin war besorgt genug, um die Unterstützung eines Spionage-Satelliten des Pentagons zu ersuchen was natürlich gegenüber dem Verteidigungsministerium eine prikäre Angelegenheit war. Ron Dittemore verweigerte es  beim Verteidigungsministerium nach Satellitenbildern zu fragen, unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten Offiziellen der Raumfahrtbehörde.

Am Mittwoch dem 29. Januar 2003 skizzierte der zweite Ingenieur namens Daugherty Risiken in einer Email, die sich aus einer Überhitzung des Fahrwerkschachtes ergeben könnten.  Auszug und Übersetzung :"[...]Ich begebe mich hier zugegebenermaßen in den Bereich der absolut schlimmsten Szenarien[...] so könnte das Fahrwerk bei Überhitzung auseinander brechen. Das könnte die Tür des Fahrwerkschachtes sprengen ("katastrophal"), ein Fahrwerk ausfahren und das andere nicht ("dann seid ihr am Ende") oder eine Bauchlandung nötig machen ("kein guter Tag")"[...].
NASA-Flugdirektor Milt Heflin darauf: "Es habe sich um eine reine "Denkübung" gehandelt". Der E-mail- Austausch sei der Shuttle-Flugkontrolle nie gezeigt worden(!) Arbeitete man hier nicht mit einer Wahrscheinlichkeit?

Shuttle Manager Dittemore vierließ sich auf die Analyse von externen Boeing-Ingenieuren. Man nahm die eigenen Ingenieure nicht ernst!

Bei Cahllenger war es das selbe: Roger Boisjoly sprach sein Bedenken aus und empfohl den Abbruch des Starts. Doch wegen den vielen Startverschiebungen, dem Druck und den Kosten setzte man Ihn vor die Tür und titullierte Ihn als Whistleblower.

klausd

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #161 am: 02. Januar 2011, 14:07:48 »
Wenn ein Space Shuttle in seine Einzelteile zerfällt hat definitiv irgendjemand einen Fehler gemacht. Bestreitet doch keiner. Die stehen alle im CAIB drinnen.

Da könnt Ihr noch 30 Mal darauf rumreiten, das macht die 7 Menschen an Bord leider auch nicht wieder lebendig.  :-\

Gruß, Klaus

xwing2002

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #162 am: 02. Januar 2011, 14:27:40 »
Nein, Klaus, das tut es nicht. Nichts kann das. Diese Diskussion wird, glaube ich, vornehmlich geführt, weil das Desaster auf Strukturen basiert, die bereits zweimal in der NASA ein Problem dargestellt haben und die sicher abgestellt gehören.

Katastrophen können nur ein einzig gutes hervorbringen... man kann aus ihnen lernen und zukünftige Verluste besser vermeiden. Die NASA hat 1986 strukturell versagt. Sie hat begründete Bedenken von Ingenieuren ignoriert. Sechs Jahre später hat sie das wieder getan, Invicta hat das gut beschrieben.
Sie hatte nichts gelernt.

2010/2011 nun haben wir mit der aktuellen Shuttle-Mission wieder eine Situation, bei der es darum geht Erfahrungswerte und aktuelle Daten so zu interpretieren, dass Entscheidungen getroffen werden, die so sicher wie nur menschenmöglich sind.
Natürlich wird das Verhalten der NASA heute auch auf der Grundlage zweier Shuttleverluste betrachtet.
Und auch als nicht entscheidungsberechtiger  und -befugter Raumfahrtfan lohnt da die Ursachenbetrachtung vergangener Fehler durchaus.
Ich sage ausdrücklich, dass ich gerade nicht sehe, dass die NASA Untersuchungsmöglichkeiten ausläßt. Stand der Dinge ist ja erstmal die Datenerhebung. Was diese Daten ergeben ist offen. Die darauf basierenden Entscheidungen sind ausstehend.
Aber sie werden getroffen werden vor dem Hintergrund zweier Katastrophen. Und ich erwarte, dass sie getroffen werden ohne dass unbequeme oder Kostenverursachende Bedenken ignoriert werden.
Und gerade deswegen finde ich diese Diskussion hier trotzdem gerade wissenssteigernd und sehr interessant - auch wenn sie keine Zeitmaschine sein kann, die irgendetwas ungeschehen macht.

*

Offline Schillrich

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #163 am: 02. Januar 2011, 15:21:40 »
Ich frage mich wie sich die Beteiligten am Boden gefühlt haben müssen, als in Telemetrie und Funksprüchen klar wurde, dass da was im Flügel passiert und bereits bis in den Fahrwerksschacht vorgedrungen war ...
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

jok

  • Gast
Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #164 am: 02. Januar 2011, 15:29:04 »
Ich frage mich wie sich die Beteiligten am Boden gefühlt haben müssen, als in Telemetrie und Funksprüchen klar wurde, dass da was im Flügel passiert und bereits bis in den Fahrwerksschacht vorgedrungen war ...

Hallo,

Genau diese Gedankengänge habe ich auch immer wenn ich das Video von Flight Control sehe.Es kommen immer neue Daten rein,steigende Temperatur,der Druckverlust auf den Reifen des Fahrwerk.Ich glaube in kürzester Zeit hat man die Bilder vom Start und den Zwischenfall mit der Tankisolierung im Kopf und denkt oh mein Gott...wir lagen komplett daneben!!!
Und genau dieser Moment wo man überhaupt nichts machen kann ,sondern nur hoffen.

gruß jok

Invicta

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #165 am: 02. Januar 2011, 15:38:18 »
Zitat
...Diese Diskussion wird, glaube ich, vornehmlich geführt, weil das Desaster auf Strukturen basiert, die bereits zweimal in der NASA ein Problem dargestellt hatten...

So siehts aus und dem ist nichts hinzuzufügen!

Zitat
...Sie hatte nichts gelernt...

... dies ist nicht ganz richtig. Sie haben einiges in den Prozeduren geändert. Was sie aber nicht gelernt hat ist dass Kosten und Menschenleben nicht kongruent sind!

Zitat
Ich frage mich wie sich die Beteiligten am Boden gefühlt haben müssen, als in Telemetrie und Funksprüchen klar wurde, dass da was im Flügel passiert und bereits bis in den Fahrwerksschacht vorgedrungen war ...

Ich habe noch die Bilder vom Flight Control Manager Leroy Kane im Gedächtnis als er anfing beim UHF-Call zu zittern und zu weinen. Das Schlimme: Er wurde erst nach dem Unglück über das Wissen informiert was Austin und Daugherty sowie Dittemoire  Tage zuvor schon hatten...

Hoffen wir für den vorletzten Launch dass  man diesmal die richtige Entscheidungt trifft und den Mut hat auch mal zu sagen "nein wir fliegen nicht"...

Danke nochmals für die vielen Perspektiven und das "teilen" dieses doch noch sehr diskussionsbedürftigen Themas

xwing2002

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #166 am: 02. Januar 2011, 17:12:57 »
Und genau dieser Moment wo man überhaupt nichts machen kann ,sondern nur hoffen.
Genau zu diesem Moment möchte ich was schreiben.
Ich bin 1970 geboren und als ich begann Raumfahrt bewußt wahrzunehmen, da flog das Shuttle. Anders als meine Mutter, 74 Jahre und Raumfahrtfan von Anfang an, habe ich zu Raketen nicht die emotionale Verbindung, die ich zum Shuttle habe. Ich weiß, was Raketen geleistet haben und nochimmer leisten, aber irgendwie waren es immer die Shuttle, die mich am meisten hingerissen haben.
Aber ich hatte unter ihnen nie einen besonderen Liebling... wir sagen ja manchmal "unsere" Shuttle, also waren das auch alles "meine" Shuttle. Und dann gab es einen Moment, wo ich zu einem dieser Shuttle ein besonderes Verhältnis bekam. Das war auf der Trauerfeier für die STS-107 Crew. Ich weiß nicht einmal mehr, wer diese Ansprache hielt... es war ein Astronaut, der schon mit der Columbia geflogen war. Er sprach zuerst den Angehörigen der Crew sein Mitgefühl über den Verlust aus, aber dann fand er auch noch einige Worte für "seine" Columbia. Er beschrieb, dass es ihm so vorgekommen wäre, als hätte sich der Orbiter gegen das Auseinanderbrechen gewehrt, als hätte das Shuttle sich gegen die einwirkenden Kräfte gestemmt, als hätte es bis zuletzt versucht seine Menschen zu schützen.
Natürlich ist das eine untechnische Betrachtung, sie vermenschlicht, sie ist emotional - aber wenn man sich die Bilder des Wiedereintritts ansieht, dann kommt es einem manchmal so vor, als ob er Recht hätte. Ich habe diese Worte nie wieder vergessen und ich denke sie jedes Mal seitdem, wenn ich die Bilder sehe.
Vor einigen Jahren bekam ich von meiner Mutter ein großflächiges Poster eines Shuttlestarts. Sie hatte nur darauf geachtet, dass es die Columbia war... aber es war der Start vom 16. Januar 2003. Ich habe es trotzdem rahmen lassen und es hängt in meinem Wohnzimmer. Es hängt dort als ein "Trotzdem" und weil ich glaube, dass die letzte Crew der Columbia sicher gewollt hätte, dass die Orbiter wieder fliegen, dass die Raumfahrt auch nach Katastrophen weitergeht, dass ihre Arbeit fortgeführt wird.

jok

  • Gast
Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #167 am: 02. Januar 2011, 19:00:03 »
Hallo,

Das hast du sehr schön geschrieben!!!
Ich habe diese Ansprache auch noch im Kopf,und es ist ja tatsächlich so das Columbia bis zum auseinanderbrechen mit seinen Systemen gekämpft hat die Fluglage zu halten und einen sauberen Wiedereintritt hinzulegen,genau wie Sie es schon vorher auf 27 Missionen gemacht hatte...einen Kampf den Sie dann verloren hat und damit die Crew der STS-107.

Wie sagte unser Mitglied eumel hier schonmal im Forum: "der Shuttle der hat Seele"

...und genau so ist das.

gruß jok

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Offline hood

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #168 am: 02. Januar 2011, 19:13:02 »
Hallo!!
Die Ansprache hat Astronaut Robert Laurel Crippen gehalten.
Schönes und erfolgreiches neues Jahr 2011 an alle Leser.
Mfg hood

xwing2002

  • Gast
Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #169 am: 02. Januar 2011, 19:27:29 »
Bob Crippen war das??? Oh ja, der darf sowas wohl sagen, der war einer der beiden ersten, die der Columbia ihr Leben anvertraut haben. Vielen Dank für die Information.

edit: Ich habe diese Rede schon mehrfach gesucht und jetzt auch nochmal mit seinem Namen. Ich find' sie nirgendwo. Wenn jemand bei der Suche erfolgreicher war/ist... bitte hier posten! Danke!

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Offline STS-49

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #170 am: 02. Januar 2011, 21:57:02 »
edit: Ich habe diese Rede schon mehrfach gesucht und jetzt auch nochmal mit seinem Namen. Ich find' sie nirgendwo. Wenn jemand bei der Suche erfolgreicher war/ist... bitte hier posten! Danke!

Auch wenn es fast nur um den Orbiter und nicht um die Crew ging, hat mich diese Rede auch beeindruckt.
Auf nasaspaceflight.com gibt es einen Mitschnitt als .wmv  : http://forum.nasaspaceflight.com/index.php?topic=3903.0

...ich bin mir aber nicht sicher ob es die vollständige Rede ist.



nico
"If we were not meant to explore the universe, we would not have been given the ability to wonder about it."

Offline Ruhri

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #171 am: 03. Januar 2011, 00:10:27 »
Nun ich bin Raumfahtingenieur :) Du wiedersprichst Dir da selbst. 

Wieso? Nur weil du in keinster Weise den Eindruck vermittelt hattest, selber ein Raumfahrtingenieur zu sein, zumindest nicht, soweit es mich betrifft? Das sieht man den Leuten eben nicht an der Nasenspitze an, und schon gar nicht, wenn man nur schriftlich korrespondiert.

Für welche Firma bzw. welche Agentur bist du denn tätig oder an welchen Projekten hast du persönlich so mitgearbeitet? Ich hoffe zumindest, dass du uns das sagen darfst. Mir ist natürlich klar, dass es da Sicherheitsvorschriften geben mag, die eine Auskunft deinerseits unmöglich machen würden.

Invicta

  • Gast
Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #172 am: 03. Januar 2011, 00:19:31 »
... da ist, wie Du schon sagst, eine Schweigepflicht die ich nicht verletzten werde vorhanden. Außerdem ist dies hier auch nicht das Thema. Ich kann nur soviel sagen dass ich für ein Institut für die Insustrie und einer Agentur tätig war. u.A für den life science payload support der ISS.

Wer selbst kein Ingenieur ist sollte demnach nicht sagen dass man die denkweise der Raumfahrtingenieure der Nasa nicht versteht da es recht anmaßend ist.  Zudem muss muss ich nicht einen Eindruck über meine Tätigkeit vermitteln nur um meine Sichtweisen und Meinungen damit zu untermauern.  Bist du selbst Ingenieur um sowas zu behaupten? Denn anscheinent verstehst du die Denkweise jener Ingenieure besser als ich.  Falls nicht... faux pas!

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Offline KSC

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #173 am: 03. Januar 2011, 01:07:34 »
Zitat
...Diese Diskussion wird, glaube ich, vornehmlich geführt, weil das Desaster auf Strukturen basiert, die bereits zweimal in der NASA ein Problem dargestellt hatten...

So siehts aus und dem ist nichts hinzuzufügen!

Doch, dem ist sehr wohl etwas hinzuzufügen, etwas ganz wichtiges sogar! Diese Strukturen, oder besser diese Prozesse gibt es heut so nicht mehr!
Wenn heute irgendjemand Zweifel hat, dann starten man nicht, das ist genau das, was man im Moment bei STS-133 beobachten kann.

Gruß,
KSC

xwing2002

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Re: COLUMBIA-Unglück
« Antwort #174 am: 03. Januar 2011, 11:24:53 »
KSC
Du weißt ich habe einen Hammerrespekt vor Deinem Wissen um alles, was man in den Himmel schießen kann und darüber hinaus und ich habe auch gesagt, dass die NASA mit STS-133 zur Zeit tatsächlich alle nur mögliche Sorgfaltspflicht walten läßt.
Es sind tatsächlich schon einige kostenpflichtige Entscheidungen getroffen worden, das stimmt - aber die Knackpunktphase ist mit STS-133 noch nicht erreicht. Die haben wir dann, wenn es tatsächlich um die Frage geht: kann man mit dem Tank fliegen?
Welche Risikobewertungen werden dann getroffen? Werden sie entgegen von Ingenieursbedenken getroffen? Wird geflogen, obwohl man die Mechanismen, die der Rissbildung zugrunde liegen, nur abschätzend beurteilen kann, aber nicht abschließend? Wird notfalls die wirklich mistige Entscheidung getroffen, dass der Tank nicht fliegen darf?
Da steht noch einiges an Entscheidungen aus ...und diese Entscheidungen werden beurteilt auch mit dem Hintergrund der Gestalt und Entstehung von zwei Fehlentscheidungen.
Seit 2005 gab es natürlich immer wieder Probleme, die beurteilt und entschieden werden mussten. Ich empfinde es allerdings so, dass mit STS-133 tatsächlich ein Prüfstein auf dem stack steht, der zeigen wird, ob diese Strukturen und Prozesse noch existieren.
Ich bin ganz sicher nicht allein damit zu hoffen, dass dem deutlich nicht mehr so ist!