Es ist schon etwas blauäugig, die Space Ship One mit der X-15 zu vergleichen. Beide erreichten zwar die gleiche Höhe, von der Geschwindigkeit her war die X-15 aber (mit fast Mach 7 statt Mach 2,5) um Welten vorne. Im Vergleich dazu ist die Space Ship One nicht viel mehr als eine bemannte Höhenforschungsrakete. Für die, die in dieser Materie nicht so bewandt sind, das bedeutet, das die X-15 sowohl strukturell als auch beim Thermalschutz weit höhere Anforderungen hatte. Ich will die Leistung der Space Ship One Entwickler nicht schmälern, aber für ein orbitales Zubringersystem ist davon praktisch nichts verwendbar, ein orbitales System stellt weit härtere Anforderungen, die auch die X-15 nicht hätte erfüllen können. Wobei das zugegebenermaßen auch nicht die Aufgabe des Space Ship One war, dessen Aufgabe ist es, mit so wenig Aufwand wie möglich eine Höhe von über 100 km zu erreichen. Das Fazit bleibt aber dasselbe, ich sehe Scaled Composites nicht in der Lage, bis zur geplanten Ausmusterung der ISS (also 2018) ein wirklich flugfähiges System für einige Tonnen Nutzlast zur ISS zu entwickeln.
Zu SpaceX: Ich würde mir wirklich wünschen, dass sie mit ihren Planungen Erfolg haben (ein billiger Schwerlastträger wäre genau das, was man braucht um das unbemannte Programm wieder in Schwung zu bringen), aber mir fehlt der Glaube daran. Einen Träger für knapp 600 kg Nutzlast zu entwickeln ist ein was, einen Träger für 25 t dagegen etwas völlig anderes. Sieht man sich die Daten an, die bisher zur Falcon 9 veröffentlicht wurden, so glaube ich nicht daran, das der Träger überhaupt flugfähig ist, geschweige denn, dass er jemals die projektierte Nutzlast erreichen kann. Von den niedrigen Startpreisen dank Wiederverwendbarkeit mal zu schweigen. Hier hätte es schon bei der Falcon 1 riesige Probleme gegeben. Abgesehen davon, das es schon schwer werden dürfte, eine durch Druck versteifte Stufe unbeschadet zu landen scheint man keinen Gedanken daran verschwendet haben, wie aggressiv Salzwasser ist. Der Fehlstart geht auf Kontaktkorrosion einer Alu Mutter zurück. Hat man da bedacht, das es im Salzwasser zu galvanischer Korrosion kommt und sich das unedlere Metall auflöst (bei Schiffen z.B. müssen die Schrauben durch Opferanoden geschützt werden, um die im Salzwasser auftretende galvanische Energie abzuleiten)? Vermutlich nicht. Wie zuverlässig ist ein Träger, der in der Heavy Version 27 Triebwerke in der Startstufe einsetzt? Die einzige (ernüchternde) Erfahrung gibt es hier mit der N1, bei der auch wegen der massiven Triebwerksbündlung alle Starts scheiterten. Ist ein Träger, der auf minimalen Preis optimiert ist, so zuverlässig, dass man ihm später einmal Menschen anvertrauen kann?
Ich sehe das gesamte COTS Programm mit sehr gemischten Gefühlen. Schon zu viele Firmen haben billige Raketen versprochen, aber bisher konnte keine auch nur ein flugfähiges Modell vorzeigen. Man denke an die ganzen einstufigen Entwicklungen (Delta Clipper, Rotery), die alle sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden sind. OK, hier hat die NASA auch satt daneben gelegen (Venture Star). Aber Venture Star hat zumindest einige neue Technologien erforscht (Treibstofftanks aus Kohlefasern, Metallischer Hitzeschild, Aerospike Triebwerke), auf denen man später aufbauen kann. Das gleiche gilt für das NASP (X-30), wo man signifikante Fortschritte beim Thema Staustrahltriebwerken und leichte und hochwarmfeste Werkstoffe gemacht hatte. Man übersieht leicht, das auch bei derartigen, wegen der extremen Komplexität abgebrochen Projekten sehr viel Grundlagenforschung betrieben wurde.
Das alles sehe ich bei den privaten Anbietern nicht. Die Falcon 1 ist so innovativ wie eine Doppeldeckerflugzeug. Das gleiche trifft auf Kistler und die anderen zu. Klar mag es SpaceX mal schaffen, die Falcon 1 erfolgreich zu starten, aber daraus dann einen Träger zu entwickeln, der die nötige Nutzlast hat und geradezu superbillig sein soll, daran zweifle ich.
Die preiswerteste westliche Rakete ist aktuell die Ariane 5 (russische und chinesische Träger lasse ich wegen des anderen Preis-Lohn Gefüges mal außen vor). Das wird erreicht durch effiziente Fertigung und vor allem mehrjährige Bestellungen (praktisch Produktion auf Halde anstatt auf Abruf). Damit kann Ariane die Preise relativ niedrig halten und zudem auch schnell zusätzliche Starts übernehmen, weil ja immer Raketen in der Produktion sind. Solange es genügend Aufträge gibt, funktioniert das wunderbar.
Das die US-Träger so teuer sind, liegt am System. Man hatte es ja mit dem EELV Projekt versucht (und zumindest die teure Titan ersetzen können) aber konnte sich dann doch nicht zu einer effizienten Entwicklung durchringen. Anstatt einen Träger zum Sieger zu erklären hat man praktisch beide genommen, so dass man jetzt 2 Träger hat, die um Nutzlasten kämpfen. Hätte man sich für einen Träger entschieden, so wären allein durch die höhere Stückzahl schon erhebliche Einsparungen möglich gewesen. Daneben hätte man auch gleich noch die Delta 2 ersetzen können. Eine CBC Grundstufe mit der alten Delta Oberstufe hätte die Nutzlast auf Delta 2 Heavy Niveau verringert. Man hätte dann für alle Nutzlasten ab Delta 2 die gleiche Grundstufe verwenden können und damit die Preise vermutlich so weit senken können, das man in den kommerziell interessanten Bereich hineinstößt und vermutlich auch dort noch einige Nutzlasten erhalten hätte. Mehrjährige Bestellungen im Voraus und mehr Planungssicherheit hätten die Kosten noch einmal senken können. Damit hätte man Preislich Ariane in jedem Fall Konkurrenz machen können.
Hier kommen dann allerdings wieder Erwägungen der nationalen Sicherheit (Abhängigkeit von einem Träger) und auch die Unfähigkeit, die politischen Genehmigungsverfahren zu ändern (aktuell steht praktisch jedes Projekt Jahr für Jahr neu auf dem Prüfstand, jahrelange Planungssicherheit wie bei der ESA gibt es nicht) ins Spiel. Hier nützen dann auch die tollsten Träger nichts, wenn sie nicht die Startraten erreichen, die für eine effiziente Produktion nötig sind.
Ehe man hoffnungslose Projekte wie das COTS anleiert, hätte man dort erst mal etwas ändern sollen.