Da Roskosmos in einem Rückfall in alte Zeiten kaum Inhalte kommuniziert hat waren wir auf Gerüchte und Nachrichten im Forum von Novosti Kosmonavtiki angwiesen. Ich fasse das für die, die weder des Englischen noch des Russischen mächtig sind, zusammen. Der Text enthält Vereinfachungen, man lese den kompletten Kommentar bei NASA-Spaceflight:
Sofort nach dem Start gab es Kommunikationsprobleme mit dem Modul. Die Entfaltung der Kurs-Antenne und das Schalten anderer Bordsysteme erfolgte erst nach Intervention durch die Bodenkontrolle. Danach kam es zu den grundsätzlich bekannten Problemen mit dem Antriebs- und Lageregelungssystemen des Moduls, deren Ursachen uns unbekannt sind.
In einer glänzenden Leistung der Bodenkontrolle wurde letzendlich das Perigäum von 190 km angehoben und es gelang in einem Not-Programm die Bahnanhebungen auszuführen. Das war ein Wettlauf mit der Zeit, denn einb Perigäum von 190 km ist nicht lange zu halten. (Man erinnere sich an Phobos-Grunt, als die Zeit davonlief).
Dabei war in der Regel nur ein Triebwerk verfügbar. Der Schub erfolgte also asysmmetrisch zum Schwerpunkt, was durch die Lageregelung auszugleichen war. (Man stelle sich ein festgefahrenes Auto vor, dessen Räder auf einer Seite durchdrehen.) Die lapidaren kurze Meldungen von Roskosmos, daß man die vorausberechnete Bahn erreicht habe stimmten, sagten aber nicht wie.
Danach gabe es zwischenzeitlich erneut Probleme mit Kurs.
Ursprünglich war geplant, MLM-U am Nadir-Port,
erdwärts zeigend, anzudocken. Das bedeutet, daß MLM-U bei der Annäherung eine Radilakomponente der Geschwindigkeit auszusteuern hat. Aufgrund der desolaten Situation des Moduls wurde davon abgewichen, und die ISS um 90 Grad gedreht (ein einmaliger Vorgang), um der russischen Bodenkontrolle des MLM-U das Leben leichter zu machen und das Modul überhaupt zu retten.
Eine Stunde vor geplanter Kopplung stellte man erneut eine substanzielle Abweichung vom Kurs des Moduls fest, welche durch TORU ausgeglichen wurde.
Drei Stunden nach Ankopplung, die wohl automatisch stattfand, beim Vorbereiten des Öffnens der Luken, begann die Software des MLM-U erneut die Triebwerke anzusteuern. Offensichtlich wußte das Modul nicht, wo es sich befand, bzw. wie es ausgerichtet war. Das könnte darauf zurückzuführen sein, daß die Anflugprozedur geändert wurde und Teile der Software dies nicht korrekt interpretierten.
Zeitweise wurde die Ausrichtung der ISS um 45 Grad gedreht. Progress MS-17 steuerte dagegen und es begann ein "Wettbewerb" der beiden. Nachdem das Antriebssystem und Lageregelungssystem des MLM-U dann abgeschaltet war, beruhigte sich die Lage wieder. Man kann aber davon ausgehen, daß diese nicht geplanten Kräfte und Momente die nie reparierten Risse (das ist im Weltall unmöglich) in der Sarja-Übergangssektion nicht positiv beeinflußt haben.
Die NASA hatte zwischenzeitlich einen Kommunikations-Notstand ausgerufen, bei dem alle TRDS-Ressourcen Housten und der ISS zugeordnet werden.
Was im Einzelnen und warum geschah, welche Auswirkungen es auf die Einbindung von MLM-U in die operative Lageregelung der ISS haben wird, muß die Zeit zeigen. Kurzfristig ist der Start des Boe-OFT-2-Fluges vertagt wurden, weil die ISS sich in einer ungeplanten Bahn befindet.
Hier der Link, den ich sehr empfehle, zum Nachlesen:
https://www.nasaspaceflight.com/2021/07/nauka-docking/Es ist bemerkenswert, daß die Russen immer wieder Softwareprobleme mit ihren Raumflugkörpern haben.
- Bekanntester Fall: Phobos-Grunt
- Der Start der 14A14-1B von 2017 von Wostotschny, dem die Geokordinaten von Baikonur zu Grunde lagen.
- Der berühmte Unfall mit dem Auslösen des SAS Minuten nach dem Startabbruch, als das SAS die Erdrotation "vergaß" zu berücksichtigen; und andere mehr (muß mal nachschlagen, wann das war).
Die Russen scheinen Probleme zu haben, alle möglichen Flugzustände zu erfassen und zu beschreiben. Das kann man kaum den Programmierern anlasten, sondern ist ein Problem des Managements, welchem es nicht gelingt, die Technologen, die Ballistiker und die Programmierer aufeinander abzustimmen. Im Falle MLM-U hatte man dafür mehr als 14 Jahre Zeit.