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  • 04:38 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03: 02. Juli 2013

3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03

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Offline -eumel-

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #150 am: 08. Juli 2013, 12:09:23 »
Wenn ich das so lese, fällt mir wieder ein:
Als ich das Startvideo gesehen habe, hatte ich gleich zum Anfang den Eindruck,
dass diese Proton zu langsam aufstieg - irgendwie gequält und kraftlos.
Normaler Weise geht die Proton recht schnell ab - diese aber nicht.

Offline Kryo

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #151 am: 08. Juli 2013, 12:11:29 »
Anknüpfend an die Halteklammer/Arme vs. frei stehend Diskussion auf den vorigen Seiten:

Wenn es möglich ist, dass die Rakete schon abhebt, bevor der volle Brennkammerdruck erreicht ist, dann muss es doch irgend etwas geben, was die Rakete im Normalfall festhält, bis der volle Brennkammerdruck erreicht ist, oder nicht?

oder sie hätte zu dem Zeitpunkt schon nominalen BK-Druck haben sollen, hatte es aber aufgrund eines anderen Fehlers nicht

Martin

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #152 am: 08. Juli 2013, 12:32:01 »
Im NovKos-Forum nimmt ANIK noch einmal Bezug auf einen Beitrag von 1TV.RU:
http://www.1tv.ru/news/techno/236839
Darin ist beim "Frühstart" 0,4 Sekungen der Brennkammerdruck erst bei 90 statt der nominalen 150 Atmosphären.
Die PROTON geht sofort in den Sicherheitsmodus: Rakete weg vom Startplatz.

Ein Schelm könnte jetzt sagen: In diesem Modus hat die PROTON richtig funktioniert...

So ist das auch seit 2 Tagen bei russianspaceweb beschrieben. Allerdings habe ich nun nochmal bei Crunitschew nachgelesen, das klingt da aber etwas anders.

Dort steht das bei -1.6sec die Triebwerke gestartet werden und ersteinmal bei 10% der niminellen Leistung laufen. Sieht alles gut aus, wird das Liftoff Kommando gesendet. Dann fahren die Triebwerke hoch und sobald der Schub das Eigengewicht der Rakete uebersteigt, geht es los.
Da steht nichts von einem zu erreichendem Sollwert fuer den Schub, bei dem die Rakete losgelassen wird, sondern einfach Triebwerke hochfahren bis die Physik uebernimmt.

Zitat
1.6 sec prior to sending the main liftoff command, the Stage 1 main engines are fired to run in a preburn mode (i.e., at 10 percent of the nominal thrust level). This stepwise thrust buildup makes it possible to verify that the six engines run normally so that a liftoff command can be sent. As soon as this command arrives the thrust starts to build up and as soon as it surpasses the LV weight the launch vehicle lifts off.

Jetzt kann man spekulieren, das der Schub zu langsam aufgebaut wurde. Man hat zwar die Schwelle uerbschritten, die zum abheben ausreicht, aber danach ging der Schubaufbau langsamer vonstatten als normal, was das Notprogramm ausgeloesst hat.


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Offline HausD

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #153 am: 08. Juli 2013, 14:17:29 »
... Allerdings habe ich nun nochmal bei Crunitschew nachgelesen, das klingt da aber etwas anders.

Dort steht das bei -1.6sec die Triebwerke gestartet werden und ersteinmal bei 10% der niminellen Leistung laufen. Sieht alles gut aus, wird das Liftoff Kommando gesendet. Dann fahren die Triebwerke hoch und sobald der Schub das Eigengewicht der Rakete uebersteigt, geht es los.  ...
Das deckt sich nahe zu mit dem...
... Bei T-1.6 (T-1.75 nach ILS ) haben die Triebwerke 10% (40%) Schub. Bis dahin ist eine Abschaltung und ein Abbruch noch möglich, nach der Treibstoff- und kurz darauf der Oxydator-Freigabe (Zerstören jeweils einer Membran) aber nicht mehr. Bei T-0.2 (T-0.15) sind die vom Onboard-Controller geforderten 100%  erreicht und die Rakete hebt bei T=0.00 ab, was der "Start ist erfolgt"-Kontakt meldet.
... wobei ich die Freigabe durch den Fixator auf dem Starttisch mit einschließe.
Der einzige Unterschied ist die Differenz zwischen Chrunitschew und ILS Zeiten. Doch auch die reicht für eine Erklärung der -0.4 s nicht, wenn man eine Programm-Verwechselung annimmt.

Es geistert aber noch eine Variante umher: Danach soll es in einem Triebwerk (nicht der Düse) eine viel zu hohe Temperatur gegen haben, die das Not-Programm ausgelöst habe.

Gruß, HausD

Martin

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #154 am: 08. Juli 2013, 14:21:08 »
Der Unterschied zwischen ILS und Crunitschew Angaben liegt vermutlich daran, dass ich jene fuer die Proton-K zitiert habe. Durch die unterschiedlichen Triebwerke koennte es also sein, das sich die Startsequenz leicht unterscheidet.

Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #155 am: 08. Juli 2013, 15:12:45 »

Mangelhafte Qualitätskontrolle als tiefergehende Ursache (was auch immer technisch genau schief lief) halte ich aber für eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit...

Zugleich würde es erklären, warum bei russischen Proton-Starts die Fehlerquote höher ist als bei westlichen: Wenn die Abnahme der jeweilige Auftraggeber macht und das Militär die schlampig durchgeführt hat, heißt das ja noch lange nicht, dass ILS diese Abnahme genau so schlampig gemacht hat...


Das ist eine sehr interessante Überlegung.
Es gibt also möglicherweise verschiedene Abnehmer (Abnahmeprozeduren ?) für die Proton, je nachdem ob der Kunde russisch ist oder ILS heisst.
Allerdings kann ich mich erinnern, daß in den 1990er Jahren Chrunitschew für den ILS-Bedarf beim  Militär Proton-Raketen "geborgt" hat. Zum Ausgleich wurde dann  ein neu
produziertes Exemplar in den Reservebestand der Weltraumtruppen übernommen. Diese vom Militär geborgten "Lagerraketen" scheinen nicht schlechter als direkt für
ILS produzierte Exemplare funktioniert zu haben.
Aber das waren die 1990er Jahre, vielleicht gibt es heute andere Verfahren.

websquid

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #156 am: 08. Juli 2013, 15:22:46 »
Es gibt also möglicherweise verschiedene Abnehmer (Abnahmeprozeduren ?) für die Proton, je nachdem ob der Kunde russisch ist oder ILS heisst.
Allerdings kann ich mich erinnern, daß in den 1990er Jahren Chrunitschew für den ILS-Bedarf beim  Militär Proton-Raketen "geborgt" hat. [...] Diese vom Militär geborgten "Lagerraketen" scheinen nicht schlechter als direkt für
ILS produzierte Exemplare funktioniert zu haben.
Wenn man annimmt, dass der Gedankengang tatsächlich zutrifft, dann hat ja möglicherweise ILS diese Raketen auch nochmal durchgecheckt nach eigenen Standards, so dass diese Exemplare quasi doppelt geprüft wurden? Gerade weil zu der Zeit ja Lockheed-Martin noch voll dabei war, halte ich das für nicht unwahrscheinlich.

Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #157 am: 08. Juli 2013, 18:10:19 »
Das hätte aber auch eine tragische Komponente: bei ILS erkennt man Fehler und korrigiert sie, aber man lernt nicht daraus, gibt das Wissen nicht weiter, trifft keine Vorbeugemaßnahmen in der gesamten Prozesskette.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

websquid

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #158 am: 08. Juli 2013, 18:13:03 »
Ja das wäre tragisch... würde aber auch zu dieser Wortwahl passen:

Die Rakete wurde im November 2011 zusammengebaut und dann nach Baikonur gebracht. Sie wurde noch zu der Zeit gebaut, "als das Militär schreckliche (orig.:погромлена) Abnahmen machte", so Rogosin.

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Offline F-D-R

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #159 am: 08. Juli 2013, 21:15:10 »
Hallo Freunde,
ich komme leider erst jetzt zum groben lesen.
Ihr habt ja wieder viele Infos zusammen getragen.
@HausD: In dem einem Video steht der Betrachter auf der Zufahrtsstraße mit der Straßenbeleuchtung (!)
Das ist doch die Zufahrtsstraße, die wir auch gefahren sind ?

Аварийный пуск ракетоносителя "Протон-М" с 3-мя космическими аппаратами Глонасс. 02.07.2013
Ja, das Video ist irgendwo vorne schon mal zu sehen....Ich hab es nochmal reingehangen.
Interessant auch der Abstand des Betrachters zum Aufschlagort. Zeitdifferenz zwischen "gesehenem" und "gehörten" Aufschlag. Ca. 5 Km ????
Jedenfalls ganz schön Nahe.
Bei G.Kowalski liest man das: Triebwerksabschaltung
http://www.gerhardkowalski.com/?p=6715
Also ich sehe hier keine Triebwerksabschaltung. Nur ein Auseinanderbrechen der Konstruktion nach gescheiterter Flugregelung.
Auch dachte ich immer, der rote Qualm ware von der Steuerung und sei "normal"

ProtonRocket.avi
In anderen Videos ist das noch besser zu sehen.

O.K. Habt Ihr bestimmt schon alles durchgenommen... Ich lese mal  ...  :)



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Offline HausD

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #160 am: 08. Juli 2013, 22:09:32 »
Hallo F-D-R,
@HausD: In dem einem Video steht der Betrachter auf der Zufahrtsstraße mit der Straßenbeleuchtung (!)
Das ist doch die Zufahrtsstraße, die wir auch gefahren sind ? ...
Nein, dort waren wir nicht, der Platz 81 liegt nördlich vom Platz 200 ungefähr 5 km entfernt. Die Zufahrtsstraßen sehen wohl alle sehr ähnlich aus. Den Platz 81 haben wir aber in der Ferne sehen können, und nur wenn die Sonne drauf geschienen hat und kein Bunker den Horizont verdeckt hat (, Bernhard hat ihn ja "gesucht"  ;D ).

Interessant auch der Abstand des Betrachters zum Aufschlagort. Zeitdifferenz zwischen "gesehenem" und "gehörten" Aufschlag. Ca. 5 Km ????
Jedenfalls ganz schön Nahe. ...

Die Leute sind tatsächlich auch nocheinmal rund 5 km entfernt in NW-Richtung im Gebiet des Pl.90 bei den Videoaufnahmen gewesen. Doch die Rakete ist in Richtung Pl.200 geflogen, denn die Notabschaltung kann erst nach ca. sorok (40) Sekunden erfolgen, weil doch das havarierte Teil vom Startplatz und seinen Anlagen weg muss. Von unserem Standpunkt damals, ist die Rakete nördlich etwa 2,5 km entfernt aufgeschlagen und hat einen beachtlichen Krater hinterlassen.

Bei G.Kowalski liest man das: Triebwerksabschaltung ...
Also ich sehe hier keine Triebwerksabschaltung. ...

Das siehst du also richtig, wobei Gerhard Kowalski sich wohl eher auf das Abschalten des einen Triebwerks bezieht, es sind ja nunmal 6 Stück bei der Proton.

... O.K. Habt Ihr bestimmt schon alles durchgenommen... Ich lese mal  ...  :)

Aber, Vorsicht es ist auch vieles an Vermutungen dabei, insbesondere in anderen Foren ...
Die von mir dort als Fachleute ausgemachten Foristen haben insgesamt eine sehr zurückhaltende Position eingenommen.

Vielleicht hat Rogosin den Finger in die Wunde gelegt, für mich wäre es plausibel, (sonst hätte ich es nicht zitiert) !?

Beste Grüße, HausD


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Offline F-D-R

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #161 am: 08. Juli 2013, 22:23:53 »
Gerhard Kowalski hat (nur) direkt Roscosmos zitiert ...  .
Also die "offizielle" Version.
Ansonsten merke ich, ich muß mal wieder bei google-map nachschauen, wo wir wirklich waren.
Vieleicht war es auch nur ein Traum .....    ;)

An den Blick in richtung Norden, wo die beiden anderen Proton-Anlagen waren, kann ich mich erinnern.
Da waren doch unsere "Aufpasser" zu fuchtig, dass man nicht (!) in diese Richtung fotografieren darf.
Die Rampe südlich von uns sah aus, als ob sie gleich verschrottet werden würde. Nu - langsam kommt die Erinnerung zurück.

Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #162 am: 08. Juli 2013, 23:00:14 »
Hier mal ein kleiner Blick in die Geschichte:
insgesamt sechsmal seit 1966 hat die erste Stufe einer Proton versagt.
Am ähnlichsten mit dem Absturz vom 2.7.2013 waren die Fehlstarts vom 2.4.1969 und 23.7.1982.
Am 2.April 1969 startete die Proton-K Nr.233-01 mit der Marssonde M69 Nr.522 an Bord. Sie benutzt die gleiche Rampe
wie die Proton-M vom 2.7.1969 (Rampe PU-24, damals noch 81P genannt). Schon 0,02 Sekunden nach dem Start fiel ein
RD-253 aus. Beobachter sahen schwarzen Rauch aus dem Triebwerk kommen, dann kippte sie auch schon ab und schlug dicht neben der Rampe auf (viel dichter als diesmal, vielleicht gab es damals das Notprogramm zum Wegfliegen im Havariefall noch nicht).
Am 23.Juli 1982 fiel ein RD-253 bei der Proton-K Nr. 307-02 mit dem Satelliten Ekran Nr.23L (Rampe 200P/ PU-40)
8 Sekunden nach dem Abheben aus. Es ist nicht bekannt, ob hier ein Notprogramm die Rakete vom Startkomplex weggetragen hat.
Am Kuriosesten war der Fehlstart vom 28.September 1967. Damals startete von Rampe 81L (PU-23) die
Proton-K Nr.229-01 mit dem Sond-Raumschiff Nr.4 zum Mond. Obwohl eines der sechs RD-253 nicht zündete, hob die Rakete
ab. Sie blieb 61 Sekunden auf dem Aufstiegspfad und wich erst dann soweit von der geplanten Bahn ab, das 98 Sekunden nach dem Start das Rettungssystem der Sond aktiviert wurde. Die Reste der Rakete Nr.229-01 fielen 65 Kilometer vom Startplatz entfernt herunter. Es überrascht aus heutiger Sicht, daß die Rakete damals mit fünf Triebwerken noch so weit fliegen konnte.
Am 5.8.1977 fiel der Antrieb von Proton-K Nr.293-01 (mit 2 WA-Kapseln aus dem Almas-Programm) nach 54 Sekunden aus
(genaue Ursachen unbekannt) und am 27.5.1978 versagte bei Proton-K Nr.294-02 das Steuersystem durch die plötzliche Abschaltung eines RD-253 120 Sekunden nach dem Abheben.

Und noch eine andere Statistik:
die bislang längste erfolgreiche Serie von Proton-Starts gab es vom 2.3.1983 bis 18.11.1986 mit insgesamt 43 erfolgreichen Proton-Starts in Folge. Das ist eine ordentliche Serie und durchaus mit Ariane und Atlas vergleichbar. Qualitätskontrolle und
Arbeit der Startmannschaften müssen damals sehr ordentlich gewesen sein.

Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #163 am: 08. Juli 2013, 23:15:10 »
Noch mal zum rotbraunen Rauch aus dem Heck der Rakete.
Hiermal ein Beispielfoto, das auch die Dnepr diesen rotbraunen Rauch ausstösst (Stickstofftetroxid).
Das müsste Abgas aus der Turbopumpe sein. Erscheint mir jedenfalls als die plausibelste Erklärung.
Man sieht ihn aber immer nur kurz nach dem Start, danach bleiben die Triebwerksabgase "klar".
« Letzte Änderung: 10. Mai 2024, 09:38:41 von m.hecht »

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Offline -eumel-

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #164 am: 09. Juli 2013, 01:23:02 »
Ich weiß es nicht, aber Abgas aus den Turbopumpen erscheint mir überhaupt nicht plausibel.
Das sind Hochleistungspumpen, die die ganze Zeit über ihre Leistung bringen müssen.
Da muss das Mischungsverhältnis zwischen Treibstoff und Oxidator exakt stimmen.
Wenn ich das richtig verstanden habe, hat jedes Triebwerk seine eigene Pumpe - also sechs.
Die rotbraune Wolke tritt aber nur an einer Stelle und nur für wenige Sekunden auf.
Bei welchem Pumpen-Betriebszustand sollte denn sowas Außergewöhnliches auftreten und warum nur an einer Stelle?

Ich könnte mir eher ein Überdruckventil des Treibstofftanks vorstellen.
Weiß zwar nicht, wie der Tank unter Druck gesetzt und geregelt wird,
aber ein Überdruck wäre gefährlich und müsste abgelassen werden.
Das wäre dann eine Wolke reiner Treibstoff ohne Oxidator, die möglicher Weise im feurigen Abgasstrahl der Triebwerke rotbraun erscheint.

Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #165 am: 09. Juli 2013, 02:38:34 »
Abgas von Turbopumpen kann es gar nicht sein, da RD-253/RD-275 Triebwerke keinen Auspuff haben. Sie verfügen über einen sog. geschlossenen Kreislauf mit zweistufiger Verbrennung (staged-combustion cycle). D.h. in einem Vorbrenner wird mit relativ wenig Treibstoff (UDMH) und mit relativ viel Oxidator (N2O4) ein oxidatorreiches warmes Gas erzeugt, das eine Turbine antreibt, die wiederum Treibstoff- und Oxidatorpumpe antreibt. Danach strömt das Gas unter hohem Druck direkt weiter zur Brennkammer, wo die richtige Menge Treibstoff eingespritzt wird um eine optimale Verbrennung für maximale Leistung zu erreichen.

Ich denke auch, dass der bei jedem Proton-Start zu sehende Rauch von einem Ueberdruckventil stammt. Aufgrund der Farbe und der Austrittsstelle denke ich aber, dass er wohl nicht von den sechs Treibstofftanks, sondern eher vom zentralen Oxidatortank stammt. Bei genauem Hinsehen sieht man auf diversen Proton Start-Videos, dass der Rauch zwischen zweien der Treibstofftanks vom zentralen Tank austritt und zwar immer nur an einer Stelle. (Der Eindruck, dass beim aktuellen, schiefgegangenen Start der Rauch nacheinander an verschiedenen Stellen austritt, täuscht, weil die Rakete um die Längsachse rotiert.)
Die Druckbeaufschlagung der Tanks erfolgt übrigens über zwei separate Gasgeneratoren: Der eine erzeugt treibstoffreiches warmes Gas für den UDMH-Tank, der andere oxidatorreiches warmes Gas für den N2O4-Tank.
Pojechali!

Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #166 am: 09. Juli 2013, 07:22:37 »
Hier mal ein schönes Beispiel einer rauchenden Proton (Glonass-Start im Jahr 2002).
Gehen wir also von einem Überdruckventil aus. Erscheint mir auch plausibel.
« Letzte Änderung: 10. Mai 2024, 09:39:13 von m.hecht »

Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #167 am: 09. Juli 2013, 07:27:20 »
Proton28Feb2009
Proton28Feb2009

Das Bild ist, glaube ich, noch besser. Der Rauch scheint tatsächlich aus einem Überdruckventil am Heck der Rakete zu kommen.

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Offline F-D-R

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #168 am: 09. Juli 2013, 07:28:24 »
Tolles Bild!
Auf irgendeinem HD-Video bei youtube ist das ganz genau auch in Bewegtbildern zu sehnen.... Ich habe das blos noch nicht das Richtige wieder gefunden....

[Proton] Launch of SES-6 on ILS Proton-M from Baikonur

jok

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #169 am: 09. Juli 2013, 18:58:49 »
Hallo Hartmut,
ein Video hab ich nicht, aber hier mal der Auszug aus der "Startbeschreibung" (auch Bezug auf das "Arme"-Bild):

Пусковой стол (рис. 9) имеет двухлотковый газоотводной канал. Ракета опирается хвостовой частью непосредственно на поворотные опоры пускового стола. В момент старта и в первые мгновения полета шесть поворотных опор стола отслеживают движение носителя до высоты примерно 100..150 мм, а затем убираются в индивидуальные ниши и закрываются защитными створками. Механизм стыковки разъемов, так же как и опоры, поднимается, отслеживая движение ракеты, а затем отбрасывается пневмоускорителем вниз, герметично закрываясь специальной стальной бронекрышкой, образующей рассекатель газовой струи.

Hallo,

es gibt da ein Video in dem die Startanlage der Proton genauer gezeigt wird.
Dabei auch eine Sequenz in der das Einfahren eines Fixators gezeigt wird.


https://www.youtube.com/watch?v=MVXsRP9D8rw

...mal bei 2min schauen.

gruß jok

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Offline HausD

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #170 am: 09. Juli 2013, 19:36:01 »
Hallo jok,
über die Halterung - stehend und den Fixator - seitlich hatte ich die weiter oben gepostete Zeichnung aus meinem Archiv ausgegraben - und damit war der Unterschied zwischen beiden auch geklärt. Der Fixator wird nur während der Abhebephase im Gleichgewichtsfall um T=0.0s herum gebraucht.
Auch die beiden "Mächtigen Proton" habe ich mir nochmal angesehen, die hatte ich schon so lange, dass ich sie schon wieder vergessen hatte.

Doch ich habe mich heute auf meiner Heimfahrt mit dem Triebwerksaufbau der Proton  beschäftigt und dieses Bild (roh, Papier u. Tinte, in der Strbhn.) übersetzt. Doch das etwas kleinere Bild schon einmal vorab hier:



Das Bild  werde ich aber erst frühestens morgen übersetzt einstellen können, ich mache manchmal noch was anderes...  ;D

Danke und Beste Nachurlaubsgrüße, jok, von HausD


 

Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #171 am: 10. Juli 2013, 00:11:07 »
Ach ja, zur Kontroverse über die Arme, Fixatoren, Halterungen usw. wollte ich ja auch noch was schreiben.
Jakda's Posting auf Seite 8 dieses Threads ist korrekt: Vor dem Start ruht das ganze Gewicht der Proton tatsächlich nur auf den sechs Armen im Startschacht, die die Rakete halten. Fünf der Arme sind mit Treibstoffleitungen und -kupplungen versehen, einer nicht. Alle sechs verfügen über je eine Auflageplatte und einen Fixator. Diese sind ca. ein halber Meter unter den Kupplungen.
Weitere Tragvorrichtungen, Auflagen oder Halterungen gibt es nicht: Der grosse "Topf" in der Mitte des Schachtes enthält die elektrischen Steckanschlüsse, trägt aber nicht das Gewicht der Rakete. Ebensowenig die "keilförmigen Bolzen" am oberen Rand des Schachtes, die hausd ebenfalls auf Seite 8 erwähnt: Sie können die Rakete gar nicht tragen, weil sie zu weit aussen liegen und somit zu weit von der im Startschacht stehenden Rakete entfernt sind.

Noch eine Bemerkung zur Triebwerksnotabschaltung beim Start: Diese ist in den ersten rund 40 Sekunden nach dem Start gesperrt, weil man nicht will, dass die Rakete in der Nähe des Starttisches einschlägt. Das hat mir ein Ingenieur von TsENKI mal so erklärt, der Firma, die für Bau, Unterhalt und Betrieb der Startanlagen zuständig ist.
Warum bei diesem Start trotzdem versucht worden sein soll, bereits nach 17 Sekunden die Triebwerke abzustellen, weiss ich nicht. Von einer möglichen Übersteuerung, um die Sperre notfalls umgehen zu können, hat der TsENKI-Ingenieur jedenfalls nichts gesagt.
Pojechali!

tonthomas

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #172 am: 10. Juli 2013, 07:36:40 »
... Warum bei diesem Start trotzdem versucht worden sein soll, bereits nach 17 Sekunden die Triebwerke abzustellen, weiss ich nicht. Von einer möglichen Übersteuerung, um die Sperre notfalls umgehen zu können, hat der TsENKI-Ingenieur jedenfalls nichts gesagt.
Das muss ja nicht falsch sein. Man gibt das Brennschlusskommando, wenn man meint dass es erforderlich ist, weil etwas schief läuft. Kommt es sehr früh, greift halt die Verzögerung.

Man könnte das Brennschlusskommando auch später geben, und sich gut anschauen, was die Rakete macht ... aber dort hat man sicher eine Art Policy, die konkret vorgibt, wie die Abläufe sein sollen.

--

Bein NSF wird ein Artikel der Nachrichtenagentur Interfax zitiert, wo es heißt, Sensoren zu Messung von Winkelgeschwindigkeiten seien verpolt angeschlossen gewesen und die Ursache für die Orientierungsprobleme der Rakete.

Gruß   Pirx

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Offline HausD

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #173 am: 10. Juli 2013, 09:49:23 »
... Warum bei diesem Start trotzdem versucht worden sein soll, bereits nach 17 Sekunden die Triebwerke abzustellen, weiss ich nicht. ...
Versuchen hätte man es können, doch die Sperre von ca. 40 s ist dagegen. Das Ziel heißt: Weg vom Tisch!
Das muss ja nicht falsch sein. Man gibt das Brennschlusskommando, wenn man meint dass es erforderlich ist, weil etwas schief läuft. Kommt es sehr früh, greift halt die Verzögerung....
Da die Rakete mit den Vorgängern gewichtsmäßig gleich schwer ist, wird auch die notwendige Zeit zum Verlassen des Starttisch- und -Anlagenbereich nicht anders sein, und das sind wieder die 40 s.
Nach 17 s ist für meine Begriffe das Umschwenken von einer relativ steilen Bahn im Normalfall in eine flachere Fluchtbahn geschehen. Denn sonst bekommt man die Rakete auch nicht weit genug von den Anlagen weg.

Man könnte das Brennschlusskommando auch später geben, und sich gut anschauen, was die Rakete macht ... aber dort hat man sicher eine Art Policy, die konkret vorgibt, wie die Abläufe sein sollen. ...
Später wird die Rakete immer weniger "nominal" funktionieren und der Schaden kann dann viel weniger eingegrenzt werden, weil nichts mehr vorhersehbar wird.
Man hat dort ganz sicher eine Art "Policy", denn die ungezählten "Versager der ersten Stunden" sind die "Lehrmeister" gewesen. Ein Professor für Regelungstechnik, der in Russland am Raketenprogramm mitgearbeitet hatte, sagte einmal, dass die Bunker im Startgebiet 10-mal stärker waren als die im Zielgebiet.

Bein NSF wird ein Artikel der Nachrichtenagentur Interfax zitiert, wo es heißt, Sensoren zu Messung von Winkelgeschwindigkeiten seien verpolt angeschlossen gewesen und die Ursache für die Orientierungsprobleme der Rakete. ...

Inzwischen ist Rogosin dabei, eine überbetriebliche Arbeitsgruppe von Spezialisten der unterschiedlichen Technologie-Bereiche ins Leben zu rufen, um die altrussische Mentalität -'S wird schon...- zu überwinden.

Gruß, HausD

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Offline HausD

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Re: 3x Glonass-M auf Proton-M/DM-03
« Antwort #174 am: 10. Juli 2013, 11:05:49 »
Triebwerksschema RD-253

Gestern abend habe ich das Bild aus der Vorschau, das die Zeichnung der Pyrotechnischen Ventil- und Membran-Steuerung zeigt, zur besseren Veranschaulichung farbig nach (von mir) unterscheidbaren Bereichen markiert. Da es auch ein Abbild des hydraulischen Schemas ist, sind von mir auch die wesentlichen Leitungen und Geräte markiert sowie die Beschriftungen nach meinem Verständnis ins Deutsche übertragen.

Triebwerksschema:

rot     - Pyropatronen
grün  - Geber, Sensoren
mag  - Membranen, Drosseln, Ventile
viol   - Druckerhöhung der Tanks

Beschriftung (Bild):


Beschriftung:
 1 - Melder für Geschwindigkeit (des Durchsatzes ?)
 2 - Drucksensor (zum Bordrechner)
 3 - Brennkammer
 4 - Knoten-Membran (zur Druckerhöhung des Treibstofftanks)
 5 - Gasgenerator zur Druckerhöhung
 6 - Berst-Scheibe
 7 - Zerstäuberdüse, Lochdüse
 8 - Drainventil (für die Spülung nach dem Ausschalten des Triebwerks)
 9 - Ventil
10 - Antrieb 8L647 (zum System SOB - Sicherungssystem)
11 - Drossel SOB
12 - Turbopumpe Oxidator
13 - Turbopumpe 1. Stufe Treibstoff
14 - Turbopumpe 2. Stufe Treibstoff
15 - Membran (zur Fluglagesteuerung)
16 - Pyromembran-Ventil Treibstoff (aus dem Tr.-Tank)
17 - Membran
18 - Pyromembran-Ventil Oxidator (aus dem OX-Tank)
19 - Zufluss vor der Turbopumpe
20 - Knoten-Membran (zur Druckerhöhung des Oxidatortanks)
21 - Mischer
22 - Antrieb 15L44 (zum Bordrechner)
23 - Regulator für den Durchsatz
24 - Zerstäuberdüse, Lochdüse
25 - Zerstäuberdüse, Lochdüse
26 - Pyroventil
27 - Gasgenerator
28 - Pyroventil
29 - Pyropatrone
30 - Turbine
31 - Zerstäuberdüse, Lochdüse
32 - Zerstäuberdüse, Lochdüse
33 - Stufenweises Verstellventil
34 - Vorstau
35 - Ventil der Vorstufe

A - Ablauf aus dem Hauptzulauf (Treibstoff-Seite)
B - Drain aus der Turbopumpe (Treibstoff-Seite)
C - Drain aus der Turbopumpe (Oxidator-Seite)
D - Ablauf aus dem Rohrinnenraum (Treibstoff-Seite)
E - Ablauf aus dem Hauptzulauf (Oxidator-Seite)
F - Ablauf aus dem Rohrinnenraum (Oxidator-Seite)
G - Ablauf aus dem Hauptzulauf (Oxidator-Seite)
(die Buchstaben auf dem Bild habe ich ergänzt, weil man ja das Original "nicht lesen" kann)

Gerade bei den vielen Ausläufen und Drainagen wundere ich mich nicht mehr über die rot-braunen Wölkchen, die immer wieder mal bei einem Proton-Start zu sehen sind.

Soweit das was ich herausbekommen habe, falls es bessere oder treffendere Übersetzungen oder Beschreibungen zu den Baugruppen bzw. deren Funktion gibt, ich bin offen für jeden Hinweis.

Gruß, HausD

Danke Sternfahrer, natürlich RD253, steht auch auf meinem Bild drauf!
« Letzte Änderung: 11. Juli 2013, 05:58:44 von HausD »