Wernher von Braun

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Offline KSC

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #50 am: 11. Januar 2013, 08:55:58 »
Die Diskussion hier ist ja mit Wernher von Braun überschrieben, aber man darf diese Thematik natürlich nicht ausschließlich auf ihn konzentrieren.
Es  gab sehr viel Wissenschaftler und Ingenieure, die direkt mit ihm zusammengearbeitet haben und ebenfalls ganz klar wussten, dass KZ-Insassen Zwangsarbeit an dem Projekt leisten mussten.
Sowohl die USA als auch die Sowjetunion haben sich dieser Leute “bedient“ .
Die Frage von US Präsident  Eisenhower auf den Sputnik 1 Start war  "How did the Russians get there first?"  die Antwort : "Their Germans are better than our Germans".
Das bringt es eigentlich ganz gut auf den Punkt.

Sowohl die amerikanische, als auch die Russische Raumfahrt haben Wurzeln in Nazi Deutschland.
 
Gruß,
KSC

Offline Hiegus

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #51 am: 11. Januar 2013, 09:48:10 »
WvB würde heute vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeklagt werden.....
"Ich glaube noch immer mit voller Innbrunst und Überzeugung an das Unternehmen." HAL 9000

Wilga35

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #52 am: 11. Januar 2013, 11:24:56 »
WvB würde heute vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeklagt werden.....

Die heutigen Moral- und Wertevorstellungen sind aber - zum Glück - auch ganz andere als zur damaligen Zeit. Während man heute bei zivilen Opfern in der Kriegsführung verschämt von Kollateralschäden spricht, standen damals zivile Ziele - auf allen Seiten - ausdrücklich auf den Angriffslisten und wurden ohne Rücksicht auf zivile Opfer bombardiert. Beispiele sind neben Warschau, Coventry und London auch Hamburg und Dresden.

Gruß Wilga35

Offline Kelvin

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #53 am: 11. Januar 2013, 12:20:52 »
Liebe Leute,

ich beobachte das jetzt schon einige Zeit und halte mich (mit einer Ausnahme) lieber zurück, weil ich mich als ein Aussenstehender empfinde, bei diesem sehr "deutschen" Problem. Jetzt sage ich aber doch noch etwas: Dem Problem ist mit Argumenten und Rechthaberei nicht beizukommen. Wenn ich W.v.B. richtig einschätze, dann wird er schon gewußt haben, wo er besser anders gehandelt hätte. Und sicher wird ihn das auch belastet haben. Und er wird gewußt haben, daß diese Gedanken in allen Köpfen sind, wenn sie seinen Namen hören. Das sollte reichen. Mir reicht es jedenfalls.

Das Wort "Aufarbeiten" kann ich nicht leiden, es wird bei solchen Diskussionen nichts "aufgearbeitet", nur polarisiert und um des kaisers Bart gestritten . Trauer und "selbstgeschärftes Bewußtsein" ist meiner Überzeugung nach das einzige adequate Mittel, mit diesen Dingen umzugehen. Jeder nicht total verblödete beschäftigt sich mit diesem Thema selber, da kann man von Außen nichts beitragen. Alles bis zum Kleinsten auszuargumentieren ist aus meiner Sicht ein sehr deutsches Phänomen, und leider auch ein Teil des Problems. Wenn man nur lange genug  nach der "Wahrheit" gesucht hat, denkt man leicht, im Namen dieser unumstößlichen Wahrheit jederzeit (durchaus auch mit Nachdruck) handeln zu dürfen. Ihr solltet etwas lockerer sein ;)

Schönen Tag noch, "Kelvin"  (der jetzt wieder lieber schweigen wird. ;) )

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Offline noidea

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #54 am: 11. Januar 2013, 13:02:47 »
Wieso schweigen, es ist doch toll wenn du deine Meinung sagst. Wir leben immerhin in einem Land mit Meinungsfreiheit.  ;D
MfG
sf4ever

Kommt doch auch mal in den Chat

Offline Kelvin

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #55 am: 11. Januar 2013, 13:33:26 »
Zitat
Wieso schweigen, es ist doch toll wenn du deine Meinung sagst. Wir leben immerhin in einem Land mit Meinungsfreiheit.  ;D

Meinungsfreiheit bedeutet doch, daß man reden darf, nicht daß man muß ;-)

Aber im Ernst: Ich glaube nicht, daß man zu dem Thema noch irgend etwas vernünftiges beitragen kann. Ich fühle mich auch nicht berechtigt, über andere öffentlich zu richten, die sich nicht wehren können. Man muß auch nicht das Andenken an Leute zerstören, nur weil sie in einer Zeit gelebt haben, die anders war. Die sicher auch Fehler gemacht haben, vermutlich auch Schuld auf sich geladen haben. Dieses "wenn du mit einem Finger..." nehme ich ausnahmsweise ziemlich ernst.

Man wird sicher eines Tages auch auf die heutige Zeit zurückschauen und sich sehr wundern, wie man nur so bescheuert sein konnte. Ich will die Meinungsfreiheit aber lieber nicht überstrapazieren ;)

Gruß Kelvin

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Offline Helix

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #56 am: 12. Januar 2013, 00:26:09 »
Man muß auch nicht das Andenken an Leute zerstören, ...

"Andenken zerstören"???
Ist das Problem jetzt, dass Leute wie ich über die "andere Seite" des genialen Raketenbauers reden?

Offline Kelvin

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #57 am: 12. Januar 2013, 14:14:32 »
Zitat
Ist das Problem jetzt, dass Leute wie ich über die "andere Seite" des genialen Raketenbauers reden?

Naja, es impliziert für mich schon, daß man der Meinung ist, man hätte es deutlich besser hinbekommen.

Heute kritisiert einfach jeder alles, auch wenn es überhaupt nicht mehr aktuell ist. Und das hat langfristig zur Folge, daß in den Augen der Leute alles wertlos wird. Außerdem wird dadurch die Beziehung zur eigenen Kultur zerstört, die ist dann eben "böse". Nur fremde Kulturen darf man nicht kritisieren, weil es sind ja fremde Kulturen sind, und man muß "kultursensibel" sein. Meine Meinung dazu, wir haben ja Meinungsfreiheit ;)

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Offline Helix

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #58 am: 12. Januar 2013, 22:09:46 »
Naja, es impliziert für mich schon, daß man der Meinung ist, man hätte es deutlich besser hinbekommen.

Heute kritisiert einfach jeder alles, auch wenn es überhaupt nicht mehr aktuell ist. Und das hat langfristig zur Folge, daß in den Augen der Leute alles wertlos wird. Außerdem wird dadurch die Beziehung zur eigenen Kultur zerstört, die ist dann eben "böse". Nur fremde Kulturen darf man nicht kritisieren, weil es sind ja fremde Kulturen sind, und man muß "kultursensibel" sein. Meine Meinung dazu, wir haben ja Meinungsfreiheit ;)

"besser hinbekommen"? Was denn?
Wernher von Brauns Verhalten in der NS-Zeit? Geht nicht, das ist Geschichte.
Oder das Reden über die unschönen Stellen in Wernher von Brauns Biographie, die von manchen gerne übersehen und verschwiegen werden?

"kultursensibel" könnte auch sein, dass man Tausende von im KZ gefangenen Menschen, die z.B. in Dora-Mittelbau für den Raketenbau elendig verreckten, nicht einfach dem Vergessen durch Verschweigen preisgibt, nur weil es nicht zur Helden-"Kultur" um Wernher von Braun passt.

Man kann aus Geschichte lernen. Man kann, man muss nicht. Aber wenn man daraus lernen will, dann muss man sich auch damit befassen.

Offline Kelvin

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #59 am: 12. Januar 2013, 23:52:07 »
Zitat
besser hinbekommen"? Was denn
Wass denn? Mit einigermaßen sauberer Weste und gutem Gewissen heil aus Situationen herauszukommen, die wir beide auch entfernt nicht erlebt haben.
Zitat
Wernher von Brauns Verhalten in der NS-Zeit? Geht nicht, das ist Geschichte.
Man kann durchaus der Meinung sein, daß man etwas besser hinbekommen hätte, auch wenn es sich um Geschichte handelt. Gerade wenn es sich um Geschichte handelt, denn bei zukünftigen (Un-)Taten gibt es ja noch keine Möglichkeit sich darauf zu beziehen. Und für die aktuellen wird man selten schnell genug sein ;-)
Zitat
Oder das Reden über die unschönen Stellen in Wernher von Brauns Biographie, die von manchen gerne übersehen und verschwiegen werden?
Jedem der hier mitliest sind diese unschönen Seiten bekannt. Auch die, die hier nicht Deiner Meinung waren, haben das klar zum Ausdruck gebracht. Wenn man aber zu intensiv auf Leuten herumtrampelt, die sich nicht wehren können, dann bekommt das für mich eben ein "G'schmäckle". Ich bitte um Verzeihung, aber mir fällt dabei sofort der Impulserhaltungssatz ein - man springt um so höher, je stärker man nach unten tritt.
Zitat
"kultursensibel" könnte auch sein, dass man Tausende von im KZ gefangenen Menschen, die z.B. in Dora-Mittelbau für den Raketenbau elendig verreckten, nicht einfach dem Vergessen durch Verschweigen preisgibt ...
Das passiert nicht. Und wenn, dann nur dadurch, daß man diese "Vergangenheitsbewältigung" ritualisiert und hartnäckig einfordert. Einsicht muß im stillen wachsen, sie kann nicht in die Köpfe gehämmert werden.

 Die Deutschen sind aus meiner Sicht einfach Perfektionisten, sie müssen alles übertreiben. In welcher Richtung auch immer. Wenn man die Schaukel aber zu stark in einer Richtung auslenkt, dann erfolgt eben eine ebenso starker Rückschwung. Ich wäre dafür, den Ball flach zu halten.
Zitat
..nur weil es nicht zur Helden-"Kultur" um Wernher von Braun passt.
Du bist wirklich der Meinung, daß wenn ich von "eigener Kultur" schreibe, daß ich _diese_ Unkultur meine? Ich sprach von diesem von mir beobachteten inneren Zwang, z.B. den Hitler mit jedem Tag immer stärker zu bekämpfen. Man kann das nicht nachholen, er ist schon tot und seine Ideen glücklicherweise auch.

 Die Deutschen sind aus meiner Sicht einfach Perfektionisten, sie müssen alles übertreiben. In welcher Richtung auch immer. Wenn man die Schaukel aber zu stark in einer Richtung auslenkt, dann erfolgt eben eine ebenso starker Rückschwung. Ich wäre dafür, den "Ball flach zu halten".
Zitat
Man kann aus Geschichte lernen. Man kann, man muss nicht. Aber wenn man daraus lernen will, dann muss man sich auch damit befassen.
Ja, aber nicht in dieser Weise. Gut zu informieren ist eine Sache, eine ständige Berieselung erzeugt aber nur Gegenreaktionen. Ist Dir das wirklich nicht klar?

Ich muß wohl auch etwas privates schreiben. Mein Vater war auch kurz in Dora-Mittelbau, unterwegs aus einem Arbeitslager bei Auschwitz nach dessen Evakuierung in ein Aussenlager im Harz zum Stollenbau. Als Häftling natürlich. Ich brauche also keinen Nachhilfeunterricht.

Suche nach den Stichworten "Max Schmidt", Wollenberg und Ahrensbök, wenn es Dich interessiert. Sein großes Anliegen nach dem Krieg war, gut zu differenzieren. Zwischen denen, die sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten menschlich verhalten haben, und den Sadisten, die es natürlich auch gab. Wenn es die Ersteren relativ häufig nicht gegeben hätte, wäre auch ich heute nicht da. Es gab natürlich beide Sorten, und wo ich W.v.B sehe, sollte klar sein.

Und noch ein Anlegen hatte er: Die "junge Generation" in Deutschland, die keine Schuld trifft, soll nicht traumatisiert werden. Schrieb er in einem Brief an ein Amt, am Anfang der siebziger Jahre. Es ist leider passiert, und ich befürchte, es wird Folgen (gehabt) haben. Da sind wir wieder bei der Schaukel.

Bitte, denke mal darüber wirklich nach.



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Offline Helix

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #60 am: 13. Januar 2013, 00:42:39 »
- Werner von Braun war im Gefängnis und sollte hingerichtet werden nachdem er in Nazi-Deutschland erwähnte er wolle mit einer Rakete ins All. Puttkamer hat eine ganz andere Meinung zur angeblich so bedenklichen Vergangenheit von Herrn Braun. Er sagt, von Braun hatte einerseits keine Wahl wenn er an seinem Leben hing, andererseits wollte er an Raketen forschen. Wo konnte er sonst. Diese Einschätzung muss man nicht teilen, finde aber interessant mal eine gehört zu haben von jemanden der von Braun auch wirklich kannte -> Nicht nur aus dem Geschichtsbuch.

Ich wäre dafür, den Ball flach zu halten.

Jesco von Puttkamers Ball ist mir zu flach. Das war der Startpunkt für diesen Thread.

Offline Kelvin

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #61 am: 13. Januar 2013, 03:02:36 »
Zitat
Er (Jesco von Puttkammer) sagt, von Braun hatte einerseits keine Wahl wenn er an seinem Leben hing, andererseits wollte er an Raketen forschen.
Zitat
Jesco von Puttkamers Ball ist mir zu flach
Es ist unmöglich einen Zeitablauf von mehreren Jahren in einem Satz zusammenzufassen. Ich kenne seinen Lebenslauf nur grob, es ist aber meiner Meinung nach offensichtlich. Der klassische Fall eines vom Forschertrieb Besessenen, der nach und nach einen Pakt mit dem Teufel eingeht. In der Hoffnung, daß der Teufel schon nicht so teuflisch sein wird. Oder sich ein anderer Ausweg findet.
 
 Meinen Vater hätte es auch nicht treffen müssen, wenn er weniger optimitisch und gewesen wäre. Diese Entwicklung konnte man aber eigentlich kaum vorhersagen, sie war ja überhaupt nicht rational. Man hat Hitler, glaube ich, oft entweder als Marionette, Spinner oder Schauspieler eingeschätzt. Das sich keiner findet, der dem Spuk irgendwann ein Ende setzt, war möglicherweise nicht zu erwarten. Noch weniger, wenn der eigene Lebenstraum daran hängt. Und eines Tages sitzt man in der Falle.
 
 Das drückt der Satz doch sehr stark verkürzt aus. "Bedenklich" finde ich allerdings W.v.B's Lebenslauf schon. Man sollte solches bedenken, ohne allerdings grundsätzlich zum Bedenkenträger zu werden. Im Prinzip kann aber so manches auch in die Hose gehen, was zunächst ganz harmlos aussieht. Und umgekehrt, es gibt immer Wirkungen und Nebenwirkungen. Die Forschung wird man durch die eigene Abstinenz auch nicht stoppen können, möglicherweise war ja auch das ein Hintergedanke von W.v.B. Wenn man dabei ist, hat man Einfluss, kann man sich zur Entlastung denken.
 
Zitat
Die Sehnsucht nach makellosen Helden ist ja verständlich, aber eben auch naiv. Mir können "perfekte" Helden gestohlen bleiben, Menschen sind mir lieber - einfach deswegen, weil sie glaubwürdiger sind.

Ich kenne diese Sehnsucht auch nicht, sie ist mir total fremd. W.v.B ist schon zweimal kein makelloser Held, nur eben ein "begnadeter Ingenieur". Wenn ich Mozart für einen tollen Komponisten halte, dann bedeutet das ja auch nicht, daß ich von seiner moralischen Integrität überzeugt bin.

Kennst Du eigentlich einen seriösen Text über W.v.B, in dem seine Schattenseiten nicht angesprochen wären, in dem er also zum "makellosen Helden" stilisiert wird? Ein Link wäre nett. Wenn es geht einen deutschen, mein Englisch ist leider unterirdisch. 

Gute Nacht, Kelvin


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Offline MX87

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #62 am: 13. Januar 2013, 03:32:08 »
Bin ich doof oder überlese ich woanders immer, dass WvB im dritten Reich im Gefängnis saß? Lese das in der Biografien im Internet nirgends was wie Puttkamer auf eine Inhaftierung durch die Nazis (zu welchem Zeitpunkt auch immer) schließen lässt.

Vielleicht spät aber ich gebe meinen Senf auch mal dazu: Was viele vergessen ist die Zeit in von Brauns Leben vor 1933. Er war im Verein für Raumschifffahrt, der Institution für Raketenentwicklung in der Weimarer Republik. Allerdings waren die Finanzen des Vereins nie auch annähernd  so groß dass man die Ambitionen der genialen Köpfe (u.a. Max Valier, Hermann Oberth) dort in die Wirklichkeit umsetzen konnte. Man suchte immer nach Geldgebern. 1932 kam die Reichswehr als Interessent und Finanzier und schließlich förderte man die Raketenforscher. Man zog dann nach Kummersdorf um (später im 3. Reich nach Peenemünde). Einzelne wie Rudolf Nebel weigerten sich gegenüber einer Mitarbeit des Militärs und stiegen aus, andere wie WvB blieben an Bord. Die Militarisierung der deutschen Raketenforscher kam schon vor der Machergreifung der Nazis zu stande. Diese lösten 1934 übrigens den Verein für Raumschifffahrt auf. WvB mag kein Engel sein, aber geradezu blutrünstig gewesen zu sein werde ich ihm posthum nicht vorwerfen. Wieso? Weil über die Jahre immer weiter in die Maschinerie der Nazis hereingezogen wurde, ich glaube dieser psychologische Faktor wird von den meisten unterschätzt. Es heißt ja von Zeitzeugen dass er Opportunist gewesen sei, das mag auch stimmen. Wieso er sich später nicht wehrte kann man nur vermuten, aber wehrten sich andere geniale deutsche Konstrukteure wie Ernst Heinkel, Claude Dornier, Ferdinand Porsche oder Willy Messerschmitt?
Ich würde auch darüber mal nachdenken. Ich sehe WvB selber kritisch, aber seine Ingenieursleistung durch die moralisch verwerflichen Momente aufzuheben ist etwas vermessen. Wer ist von euch alles Porsche-Fan? Schmälern seine moralischen Verwerfungen seine Konstrukteursleistungen?

Zum Nachlesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Porsche#Porsches_Rolle_im_Dritten_Reich

Viele Messen je nach Person mit zweierlei Maß. So ziemlich jeder Konstrukteur, Wirtschaftsboss oder jedes Unternehmen im dritten Reich hatte Dreck anstecken. Die Auflistungen zur Daimler Benz AG, BMW, Varta und vielen anderen würden hier den Rahmen sprengen und völlig gen OT gehen.
"Whoopie! Man, that may have been a small one for Neil, but that's a long one for me."

Wilga35

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #63 am: 13. Januar 2013, 11:08:23 »
Bin ich doof oder überlese ich woanders immer, dass WvB im dritten Reich im Gefängnis saß? Lese das in der Biografien im Internet nirgends was wie Puttkamer auf eine Inhaftierung durch die Nazis (zu welchem Zeitpunkt auch immer) schließen lässt.

Im Buch "Die Rakete und das Reich" von Michael J. Neufeld (Brandenburgisches Verlagshaus, 1997) wird auf den Seiten 260 - 265 detailliert auf die Verhaftung Wernher von Brauns und anderer führender Köpfe des Raketenrüstungsprogramms eingegangen. Ob im Internet irgendwo entsprechende Hinweise zu finden sind, entzieht sich meiner Kenntnis.

Gruß Wilga35

Re: Wernher von Braun
« Antwort #64 am: 13. Januar 2013, 12:45:41 »
Die Welt wird niemals perfekt sein.
Aus Unrecht wird niemals Recht. Wernher von Braun kam so durch, weil er zu wertvoll war.
Ob du Politiker bist, Wissenschaftler usw. Hier wird halt mit zweier Maß gemessen.

Das ist nicht nur bei der Raumfahrt so.
Z.B. war vor ein paar Wochen am TV, dass Unternehmer, der die Landungsboote, welche bei Operation Oberlord genutzt wurden ein gesuchter Mafioso war - Er war halt der Einzige, welcher in kurzer Zeit eine solch große Anzahl an Booten produzieren konnte.
Die Unterdrückung der Neger im US-Militär war zu dieser Zeit auch der größte Mist.
- Gott lässt durch den amerikanischen Präsidenten sprechen http://www.focus.de/politik/ausland/gott-spricht-durch-mich_aid_100097.html
- Unser Finanzminister hat während der CDU-Spendenaffäre 100.000 Mark "vergessen"
Wie gesagt, unsere Welt ist nicht vollkommen und wird es auch nie sein. Damit muss man leben.

Offline Kelvin

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #65 am: 13. Januar 2013, 14:03:56 »
Zitat
Aus Unrecht wird niemals Recht.
Das stimmt so natürlich, aber welches Recht meinst Du da jeweils? Justitiables Recht oder moralisches? Oder jeweils eines davon, und dann in welcher Reihenfolge? Mir ist das zu verschwommen, hört sich wie ein etwas abgedroschenes Schlagwort an, auch wenn es toll klingt ;-)  (Sagen das nicht etwa auch die Vertriebenen so?)

Zitat
Wernher von Braun kam so durch, weil er zu wertvoll war.
Konnte man ihm irgendwelche Straftaten vorwerfen? Oder ist das "nur" moralisch gemeint?

Ich stimme dir im Prinzip schon zu, bin mir nur nicht so sicher, ob das indiesem Fall so paßt. Zwischen Moral (oder dem was der Einzelne dafür hält) und den konkreten Gesetzen ist schon eine Lücke - aber das geht wohl nicht anders und es ist wohl auch besser so. Schon wegen "im Zweifel für den Angeklagten".

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Offline Helix

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #66 am: 13. Januar 2013, 22:04:20 »
Kennst Du eigentlich einen seriösen Text über W.v.B, in dem seine Schattenseiten nicht angesprochen wären, in dem er also zum "makellosen Helden" stilisiert wird? Ein Link wäre nett. Wenn es geht einen deutschen, mein Englisch ist leider unterirdisch. 

Das mit dem "seriösen Text" ist schon ziemlich schwierig. Nicht jeder Text, der Wernher von Braun erwähnt, muss auch auf dessen Schattenseiten eingehen. Mein Eindruck ist, dass deutsche und amerikanische Autoren dieses Thema gern unerwähnt lassen.
Aber ich muss da selbst mal genauer darauf achten, wer der Autor eines Textes oder einer Doku über Wernher von Braun ist, bzw. wo über ihn gesprochen wird.

GZ-Corsa

  • Gast
Re: Wernher von Braun
« Antwort #67 am: 13. Januar 2013, 22:35:03 »
Dazu fällt mir spontan ein Satz meiner alten Geschichtslehrerin ein.
"Die Geschichtsbücher werden immer von den Siegern geschrieben!"
Sie bezog das hauptsächlich auf die Darstellung von Kriegen in Geschichtsbüchern.

Dachte nur das sollte man hier, im übertragenen Sinn, vielleicht mal im Hinterkopf behalten.

xwing2002

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #68 am: 14. Januar 2013, 15:46:24 »
Mittlerweile dürfte eine differenzierte Betrachtung auch in den deutschen Geschichtsunterricht Einzug gehalten haben... im übrigen gehört Amerika zu den Siegern und hatte/hat kein Interesse daran seine Rolle bei der Übernahme von Technik und Technikern aus dem dritten Reich (ebenso wie Russland auch) zur Schau zu stellen.
Die "Siegerdeutung" dürfte nicht zutreffen.

Ich probe gerade eine Uraufführung über Paul Grüninger. Der Polizeikommandant gewährte, entgegen Weisung und Gesetz 2000 Juden Einreise in die sichere Schweiz. Er wurde inhaftiert, verurteilt, schlug sich anschließend mit knapp einem Dutzend Jobs durch, verlor seinen soliden Pensionsanspruch und es brauchte sechs Anläufe ihn zu rehabilitieren, spät... so spät, dass er es nicht mehr erlebte.
WvB war wissentlich in die Vernichtung tausender Zwangsarbeiter verwickelt, wurde niemals angeklagt, behielt seinen Job und stieg auf, überstand die Befragung und erfuhr Wertschätzung und Bezahlung bis an sein Lebensende.
Gewissen kann so ein Karrierehemmer sein.

Menschen treffen ihre Wahl und Entscheidungen. Sie nach Erfolg zu beurteilen wird ihnen nicht gerecht. Die Geschichtsschreibung muss alle Aspekte einschließen und keine vergessen. Um nicht mehr und nichts weniger geht es.


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Offline Helix

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #69 am: 10. Februar 2013, 20:27:23 »
die ich ohne deutlich weitergehende Literatur / Recherche nicht beurteilen mag.

Z.B. "Wernher von Braun: Visionär des Weltraums - Ingenieur des Krieges - Biographie" von Michael J. Neufeld

Hier gibt es einen Artikel aus der  FASZ dazu: www.raketenspezialisten.de/pdf/doktor_faustus.pdf

Mittlerweile habe ich das in der Rezension besprochene Buch gelesen und kann es nur weiterempfehlen. Der Autor hat exzellent recherchiert und liefert Informationen zu Wernher von Braun und seinem Umfeld/seiner Arbeit, die sonst wohl nicht in der Dichte - wenn überhaupt - nachzulesen sind. Manche der zahlreichen Anmerkungen liefern höchst interessante Zusatzinformationen. Leider sind die Anmerkungen nicht als Fußnoten auf der Seite zu finden, sondern gesammelt in einem Anhang. Eine kleine Warnung noch zum Schluss: Es ist wirklich viel Text!

Offline Kelvin

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #70 am: 10. Februar 2013, 21:35:28 »
Zitat
WvB war wissentlich in die Vernichtung tausender Zwangsarbeiter verwickelt, ...
Zwangsarbeiter waren in der Regel die, die noch Hoffnung haben konnten, daß sie dem Wahnsinn entkommen werden. Wenn man kein Zwangsarbeiter mehr sein konnte, aus welchen Gründen auch immer, wurde es wesentlich gefährlicher. Dieses zu wissen würde ich WvB zugute halten.

Zitat
Menschen treffen ihre Wahl und Entscheidungen. Sie nach Erfolg zu beurteilen wird ihnen nicht gerecht. Die Geschichtsschreibung...
Absolute Zustimmung. Man muß allerdings auch versuchen, sich in die Zeit und die Lage der Menschen hineinzuversetzen. Einen Normalo an einem Helden zu messen ist nicht gerecht, wer kann von sich schon sagen, daß er selber ein Held gewesen wäre. Und genau das sagt man damit implizit, meiner Meinung nach.

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Offline MR

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #71 am: 02. März 2013, 20:28:02 »
Ich empfehle allen, die mehr über dieses Thema wissen wollen, das Buch: "Peenemünde: Die Geschichte der V-Waffen" von Walter Dornberger. Dort bekommt man Informationen aus erster Hand, wie es damals wirklich war. Die ursprüngliche Entwicklung hatte das Heer begonnen. Aufgrund der Beschränkungen durch die Verträge nach dem ersten Weltkrieg bestand beim Heer der Bedarf einer Langstreckenrakete als Ersatz für die verbotene schwere Artellerie. Die Entwicklung begann 1932. Nachdem die Entwicklung jahrelang mit geringer Finanzierung gelaufen war, bekam sie durch den nahenden Krieg Priorität. Allerdings hielt Hitler absolut nichts von einer Rakete als Waffe. So wurden der Entwicklung zahlreiche Steine in den Weg gelegt. Als sich dann doch langsam Erfolge einstellten, trat die SS auf dem Plan. Es gab zahlreiche Versuche, das Programm unter die Kontrolle der SS zu bekommen. Trotz der Proteste des Heeres, das jahrelang die Entwicklung finanziert hatte, bekam die SS in den Jahren 1943 - 1944 immer mehr Einfluss auf das Programm. Es gab für das Heer und die Wissenschaftler aber kaum eine Möglichkeit, dagegen anzukämpfen. Die Fertigung der Raketen in Dora stand komplett unter dem Kommando der SS. Abgesehen von technischen Änderungen gab es für Peenemünde keine Möglichkeit der Einflussnahme. Zudem war der Einsatz von Zwangsarbeitern und Häftlingen unter menschenunwürdigen Umständen in der Kriegswirtschaft weitverbreitet, besonders in der Rüstungsproduktion und der Landwirtschaft.

Die an der Entwicklung beteiligten Wissenschaftler und Militärs waren überhaupt nicht begeistert, dass die SS das Kommando übernehmen wollte. Die Verhaftung von WvB und anderen war unter anderem auch ein Warnschuss an die Projektleitung. Nur die Bedeutung für das Programm bewahrte WvB vor ersthaften Konsequenzen. Wer wie ich in einem Unrechtsstaat wie der DDR aufgewachsen ist, dem fällt es wesentlich leichter, zu erkennen, das WvB damals tatsächlich keinerlei Mittel und Möglichkeiten hatte, etwas gegen die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dora zu unternehmen. Er war zwar für das V2 Programm sehr wichtig, aber nicht unersetzlich. Er stand schon wegen seiner Äußerung, er beteilige sich nur wegen der Raumfahrt und nicht wegen des Krieges an der Entwicklung der V2, unter genauer Beobachtung der Gestapo, jede weitere Abweichung wäre verhängnisvoll gewesen und hätte leicht mit einem Todesurteil enden können. Aus Sicht der heutigen BRD mit Meinungsfreiheit und Grundgesetz urteilt es sich sehr leicht darüber, aber damals sah es anders aus. Schon in der DDR musste man immer darauf achten, was man wem gegenüber erzählt. Bereits ein einzelner Satz hätte verhängnisvoll sein können. Im Krieg unter Hitler ist es aber noch 1000mal schlimmer gewesen. Man kann WvB zwar durchaus vorwerfen, sich bewusst mit dem Militär eingelassen zu haben (was damals sogar Familientradition war), aber schon die Mitgliedschaft in der SS war alles andere als freiwillig. Die NSDAP- Mitgliedschaft war in seiner Position ebenfalls Pflicht (genau wie in der DDR für alle, die studieren wollten, die SED-Mitgliedschaft verpflichtend war). Nachdem das V2 Programm unter dem Einfluss der SS stand, war ein Rückzug aus dem Programm für WvB praktisch unmöglich. Was die SS einmal in den Krallen hatte, das ließ sie nicht mehr los. Nur durch Glück schaffte es die Kerngruppe der Peenemünder Wissenschaftler, sich kurz vor Kriegsende vor der SS zu retten. Eigentlich sollten die Wissenschaftler beseitigt werden, damit sie nicht in die Hände der Amerikaner fielen.

Von daher sollte man sich wertende Kommentare über WvB aus heutiger Sicht verkneifen. Wie würden wohl die hier an der Diskussion beteiligten Forumsmitglieder handeln, wenn sie in derselben Situation wie WvB damals wären? Würden sie lauthals gegen die Bedingungen in Dora protestieren und riskieren, selbst in Dora oder an der Ostfront zu landen oder nicht doch lieber versuchen, irgendwie den Hals zu retten nachdem ringsum alles zusammenbrach?

GG

  • Gast
Re: Wernher von Braun
« Antwort #72 am: 03. März 2013, 00:07:07 »
... genau wie in der DDR für alle, die studieren wollten, die SED-Mitgliedschaft verpflichtend war ...

Das ist Quatsch. In meiner Seminargruppe waren 2 von 16 in der SED.

Offline orion

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #73 am: 03. März 2013, 16:50:29 »
Es gibt da eine Pfarrerstochter (die jeder, aber auch jeder kennt), die durfte in der DDR Physik studieren...
Etwas, was selbst SED-Kinder nicht durften.

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Offline Helix

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Re: Wernher von Braun
« Antwort #74 am: 05. März 2013, 03:41:23 »
Ich empfehle allen, die mehr über dieses Thema wissen wollen, das Buch: "Peenemünde: Die Geschichte der V-Waffen" von Walter Dornberger. Dort bekommt man Informationen aus erster Hand
...

Von daher sollte man sich wertende Kommentare über WvB aus heutiger Sicht verkneifen.
...

Walter Dornbergers Buch liefert sicher eine Menge Informationen über die damalige Zeit, ist aber eben auch die durchaus beschönigend-rechtfertigende Darstellung eines Hauptbeteiligten. Genau deshalb ist - aus meiner Sicht - dieses Buch ungeeignet für Argumentationen in die eine oder andere Richtung. Hier halte ich Michael J. Neufeld http://en.wikipedia.org/wiki/Michael_J._Neufeld für unvoreingenommen, zumindest aber unvorbelastet (geb. 1951). Er zeigt in seinem Buch "Wernher von Braun: Visionär des Weltraums - Ingenieur des Krieges - Biographie" auch Aussagen Dornbergers auf, die nicht den Tatsachen entsprechen. Ich glaube, man bekommt ein korrekteres Bild über Wernher von Braun vermittelt, wenn man beiderlei Sorten polarisierender Literatur über WvB mit großem Misstrauen beäugt.

Apropos: Wenn wir die Vergangenheit nicht bewerten, wie sollen wir etwas für die Zukunft daraus lernen?