Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?

  • 170 Antworten
  • 49610 Aufrufe

Führerschein

  • Gast
Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« am: 05. Juni 2012, 11:06:07 »
Meine leise Hoffnung bei einer erfolgreichen bemannten Raumfahrt Chinas ist die, dass dadurch die ESA anfängt endlich mal eine eigenständige bemannte Raumfahrt zu beginnen. Man könnte zum Beispiel das ATV zu einer bemannten Kapsel hochrüsten.

Schön, daß es noch einen Optimisten gibt, was die europäische Raumfahrt angeht.

Wenn überhaupt, könnte es vielleicht die USA anstacheln, tatsächlich wieder etwas zu machen, statt sich nur in Macht- und Einfluss-Spielchen im Kongress zu verzetteln.

Den guten Wünschen schließe ich mich an.


*

Offline -eumel-

  • Raumcon Moderator
  • *****
  • 15216
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #1 am: 05. Juni 2012, 11:22:18 »
Meine leise Hoffnung bei einer erfolgreichen bemannten Raumfahrt Chinas ist die, dass dadurch die ESA anfängt endlich mal eine eigenständige bemannte Raumfahrt zu beginnen. Man könnte zum Beispiel das ATV zu einer bemannten Kapsel hochrüsten.

Nein, da besteht überhaupt keine Gefahr, das die ESA ein bemanntes Raumschiff entwickelt.
Wir machen doch Kosteneffizienz!
Es ist einfach besser, wenn die Chinesen das machen. ;)
Deshalb haben wir ja auch schon große Teile unserer Industrie nach China ausgesourced.

EADS Astrium hatte zwar schon grobe Pläne für die Weiterentwicklung des ATV vorgelegt, aber die Ministerpräsidenten haben herausgefunden, dass das Geld kosten könnte. :o
Dafür könnten wir Israel eine kleine U-Boot Flotte spendieren! ;)

mic

  • Gast
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #2 am: 05. Juni 2012, 11:46:36 »
Wozu sollte die ESA einen eigenen bemannten Zugang besitzen? Ich glaube nicht, dass sie es schaffen würde billiger Menschen ins All zu bringen als ein Sitz bei den Russen, Chinesen oder Amerikaner kosten wird. Die ESA kann sich nicht noch so ein Phallussymbol leisten wie die Ariane, die mit 100 Mio/Jahr subventioniert werden muss. Es ist auch unmöglich effizient zu sein, wenn die Aufträge entsprechend der Höhe der "Mitgliedsbeiträge" der Länder vergeben werden und nicht danach welche Firma/Land es besser und billiger bauen kann.
Mit dem Geld kann die ESA andere Projekte verwirklichen, z.B. Mars-Rover oder noch besser eine Mond- oder Marslandefähre! Das brauchen die oben genannten Nationen noch dringend und man wäre bei einer historischen Mission egal mit wem auf jeden Fall dabei :).


Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #3 am: 05. Juni 2012, 12:02:34 »
Nein, da besteht überhaupt keine Gefahr, das die ESA ein bemanntes Raumschiff entwickelt. (...) EADS Astrium hatte zwar schon grobe Pläne für die Weiterentwicklung des ATV vorgelegt, ...

So sieht's leider aus. Am 2.4.2012 wurde von der ESA ja sogar der Ausstieg aus dem ATV-Programm nach dem geplanten fünften Flug im Jahr 2014 verkündet. Ruhe in Frieden, ATV... War's das wirklich, einfach so? Das für teures Geld gewonnene Know-How dürfte dann schnell dahin schwinden, und mit einem europäischen bemannten Raumschiff wird es auf lange Sicht nichts werden. Lernt man denn gar nichts von den Fehlern der anderen (Apollo, Space Shuttle)?

Wir müssen in der Raumfahrt einfach wegkommen von diesem reinen Projekt-Denken und brauchen statt dessen ein langfristig angelegtes Programm. Die einzigen, die so etwas derzeit haben, sind in der Tat die Chinesen. Man mag sich ja an der geringen Startrate stören, aber es geht dort langsam und stetig voran, während überall sonst eigentlich nur ohne klare Perspektive rumgewurstelt wird.

Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #4 am: 05. Juni 2012, 12:14:16 »
Wozu sollte die ESA einen eigenen bemannten Zugang besitzen? Ich glaube nicht, dass sie es schaffen würde billiger Menschen ins All zu bringen als ein Sitz bei den Russen, Chinesen oder Amerikaner kosten wird. Die ESA kann sich nicht noch so ein Phallussymbol leisten wie die Ariane, die mit 100 Mio/Jahr subventioniert werden muss. (...)

Nein, das sehe ich nicht so. Europa braucht eigene Kapazitäten in der Raumfahrt, auch wenn es sich rein kommerziell gesehen nicht "rechnet". Dazu gehört auch ein bemannter Zugang zum Orbit. Und sooo teuer wäre es auch nicht, Ariane 5 und ATV zu einem bemannten System weiter zu entwickeln. Wenn Deutschland allein mal eben 5 Milliarden Euro für eine Abwrackprämie verballern kann, so wie 2009 geschehen... Muss ich an das Fiasko mit der geplanten Kooperation mit der NASA in Sachen ExoMars erinnern? Es ist nie gut, vollständig von anderen abhängig zu sein. Wer sagt denn, dass die Russen, Amerikaner oder Chinesen gewillt sein werden, europäische Astronauten nach Bedarf mitfliegen zu lassen?

mic

  • Gast
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #5 am: 05. Juni 2012, 12:31:18 »
Warum "braucht" Europa einen eigenen Zugang?  ???

Zitat
Wer sagt denn, dass die Russen, Amerikaner oder Chinesen gewillt sein werden, europäische Astronauten nach Bedarf mitfliegen zu lassen?
Das liebe Geld! Bei 2-3 Anbietern sollte es kein Problem sein jemanden zu finden, zumahl SpaceX ein kommerzielles Unternehmen ist und daher per Definition für Geld alles macht ;).

Zitat
Muss ich an das Fiasko mit der geplanten Kooperation mit der NASA in Sachen ExoMars erinnern?
Ja, das bringen Kooperationen so mit sich :(. Trotzdem wird keine Nation darum herumkommen eine Kooperation einzugehen, wenn sie etwas von historischen Umfang erreichen möchte. Auf ein gewisses Datum kann man sich nicht verlassen. Aber sicher ist, dass die USA eine neue Schwerlastrakete (SLS) entwickelt, ohne an einen Lander zu denken. Was machen sie damit wenn die Rakete fertig ist?

Zitat
Wenn Deutschland allein mal eben 5 Milliarden Euro für eine Abwrackprämie verballern kann, so wie 2009 geschehen...
Der deutsche Beitrag an die Raumfahrt beziffert sich meines Wissens auf ca. 1 Mrd. Immerhin! Aber leider ist nicht mehr drin :(. Hintze wurde in den Medien verspottet, als er sich dafür stark machte, dass D einen Mondrover bauen sollte.

Offline Ruhri

  • *****
  • 4042
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #6 am: 05. Juni 2012, 12:31:34 »
Wer sagt denn, dass es sich die oben genannten durch die Bank leisten könnten, auf die Mitnahme von ESA-Astronauten zu verzichten?  ;)

Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #7 am: 05. Juni 2012, 12:34:22 »
Wir müssen in der Raumfahrt einfach wegkommen von diesem reinen Projekt-Denken und brauchen statt dessen ein langfristig angelegtes Programm. Die einzigen, die so etwas derzeit haben, sind in der Tat die Chinesen. Man mag sich ja an der geringen Startrate stören, aber es geht dort langsam und stetig voran, während überall sonst eigentlich nur ohne klare Perspektive rumgewurstelt wird.

Korrekt, sehe ich auch so. Woher soll aber die Motivation für ein Programm kommen, das mehrere Legislaturperioden überdauern kann? Mit Raumfahrt lässt sich zur Zeit keine Wahl gewinnen, eher im Gegenteil. Also brauchen wir eine Art Sputnik-Schock reloaded.

Dafür kommen m.E. nur die Chinesen infrage - womit wir wieder beim Threadthema wären. Shenzhou 9 sieht zwar 'nur' so aus, als ob es um die Entwicklung der nötigen Technologie für den Betrieb einer Raumstation ginge, natürlich ist es das auch, aber ich hoffe dass das Shenzhou Programm bemannt zum Mond führt. Die erste Frau in einem Mondorbit oder gar auf dem Mond wird eine Chinesin sein (doch man wird es bei einer solchen symbolischen Mond-Mission sicher nicht lassen, da kann man sicher noch den ein oder anderen Rohstoff einsammeln...).

Der Mond ist für mich eine Art zusätzlicher Kontinent und wir sollten ihn bewohnen. Shenzhou könnte uns dazu motivieren...
Life is but a dream...

Offline Ruhri

  • *****
  • 4042
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #8 am: 05. Juni 2012, 12:44:29 »
Korrekt, sehe ich auch so. Woher soll aber die Motivation für ein Programm kommen, das mehrere Legislaturperioden überdauern kann? Mit Raumfahrt lässt sich zur Zeit keine Wahl gewinnen, eher im Gegenteil. Also brauchen wir eine Art Sputnik-Schock reloaded.


Das könnte hinkommen.

Zitat
Dafür kommen m.E. nur die Chinesen infrage - womit wir wieder beim Threadthema wären. Shenzhou 9 sieht zwar 'nur' so aus, als ob es um die Entwicklung der nötigen Technologie für den Betrieb einer Raumstation ginge, natürlich ist es das auch, aber ich hoffe dass das Shenzhou Programm bemannt zum Mond führt. Die erste Frau in einem Mondorbit oder gar auf dem Mond wird eine Chinesin sein (doch man wird es bei einer solchen symbolischen Mond-Mission sicher nicht lassen, da kann man sicher noch den ein oder anderen Rohstoff einsammeln...).


Auch auf die Gefahr, hier die Spaßbremse/den Besserwisser zu geben: Welcher Rohstoff wäre denn deiner Meinung den Aufwand einer Raumfahrtmission wert, und dann noch gleich einer bemannten?

Zitat
Der Mond ist für mich eine Art zusätzlicher Kontinent und wir sollten ihn bewohnen. Shenzhou könnte uns dazu motivieren...

Die Antarktis ist auch ein "zusätzlicher" Kontinent, aber großartig wohnen will da keiner. Da gibt es halt nur Wissenschaftler und ein paar Menschen, die auf Geheiß ihrer Regierungen zukünftige Ansprüche an die Ausbeutung der Bodenschätze sichern sollen - vermutlich unter weitestgehender Zerstörung der Umwelt.  :'(

tobi

  • Gast
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #9 am: 05. Juni 2012, 12:54:15 »
Ein bemanntes ATV wäre ein sehr teures Konzept geworden. Ich habe da ein Konzept für 3 Personen gesehen. Für 3 Personen ne Ariane 5 und 20 Tonnen Raumschiff. Oder eine 1/3 so starke Sojusrakete mit 1/3 so schwerer Sojuskapsel und die kann auch 3 Personen. Und jetzt fragen wir uns mal, warum das nichts geworden ist.

Wenn überhaupt gibt es eine neue Chance auf einen europäischen bemannten Zugang mit der kleineren Ariane 6. Und auch nur dann, wenn CCiCap (das kommerzielle Crewtransportprogramm in den USA, wo gerade die Ausschreibung läuft) zeigt, dass ein bemannter Zugang in der Entwicklung nicht 10 Milliarden sondern vielleicht nur 2-3 Milliarden kostet.

Was die Chinesen machen, ist beim europäischen bemannten Programm erstmal weniger wichtig. Aufgrund der amerikanischen Exportgesetze (ITAR) kann sowieso effektiv keine technische Kooperation mit China stattfinden, denn in Europa sind fast überall US-Komponenten verbaut, die nicht mit China/Chinesen in Kontakt kommen dürfen. Eigentlich profitiert Europa sogar von den amerikanischen Exportbestimmungen insbesondere Arianespace und Thales Alenia Space sehen das bestimmt nicht so negativ. ;)

*

Offline tomtom

  • Raumcon Moderator
  • *****
  • 7974
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #10 am: 05. Juni 2012, 13:06:36 »
Beiträge aus dem Shenzhou 9 Thread, die vor allem um die Frage des eigenen, europäischen bemannten Zugangs thematisieren, wurden herausgelöst.
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

*

Offline tomtom

  • Raumcon Moderator
  • *****
  • 7974
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #11 am: 05. Juni 2012, 13:17:18 »
Eigentlich galt die Frage ja schon als beantwortet, weil man auf Amerikaner und Russen zurückgreifen konnte/wollte.

Leider scheint man die Option, die das Ariane 5 / ATV als technische Voraussetzung für ein solches Unterfangen bieten würde, nicht nutzen zu wollen.
 
Dennoch stellt sich die Frage neu, zum einen wegen der chinesischen Ambitionen und weil Europa hier evtl. hinter eine mittelständische Raumfahrtfirma SpaceX zurückfallen könnte.
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

Offline Ruhri

  • *****
  • 4042
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #12 am: 05. Juni 2012, 13:25:49 »
Welches "Europa" denn? Das politische oder das industrielle?

Falls du an das politische Europa gedacht haben solltest - nun, die USA drohen auch gerade, raumfahrttechnisch hinter eine "mittelständische Raumfahrtfirma" zurück zu fallen.

*

Offline vostei

  • *****
  • 864
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #13 am: 05. Juni 2012, 13:51:31 »
 8) Sorry und nur so nebenbei - im Mom muss man sich mehr Sorgen um Europa selbst machen, als um seinen bemannten Part bei der Raumfahrt.
Lieber fünf vor Zwölf, als keins nach Eins

Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #14 am: 05. Juni 2012, 16:34:01 »
Es kann nicht genug eigenständige Zugänge zur bemannten Raumfahrt geben, dies gilt auch für Europa - womit ich in erster Linie die ESA-Mitgliedsstaaten meine.

Natürlich ist Raumfahrt auch ein Wirtschaftsfaktor und in einem hochindustriellen Staatenverbund kann man damit mittelbar und unmittelbar viele Arbeitsplätze schaffen und so die Kaufkraft steigern. Wo man mit zig Milliarden Banken retten kann, die sich verzockt haben, sollte die Finanzierung in Realwirtschaft wie der Raumfahrt wohl kein Problem sein.

Natürlich muss man sich unabhängig von anderen Nationen machen und eigene Technologie aufbauen, um Menschen in den Weltraum zu bringen. Wie es für die ESA Sinn machte eine eigene Frachtkapazität für die ISS zu haben - und eigene Möglichkeiten Satelliten ins All zu schießen - so macht es auch Sinn

a) eine eigene unbemannte Rückkehrkapsel zu haben
b) eine eigene Kapazität für bemannte Raumfahrt aufzubauen.

Wir sehen das ja auch an der derzeitigen Situation:

Die USA haben ohne Not ihr Shuttle-Programm eingestellt, bevor sie über ein Ersatzsystem einsatzbereit verfügen, Menschen ins All zu bringen. Nun lasst mal - was wir niemandem Wünschen - einen tragischen Unfall bei den Russen passieren und wir haben erst einmal gar keine Mitfluggelegenheit. Das kann schneller gehen, als man meinen könnte.

Also: Auch die ESA braucht für ihre Astronauten ihren eigenständigen Zugang zur ISS (und natürlich darüber hinaus).
Life is but a dream...

mic

  • Gast
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #15 am: 05. Juni 2012, 17:10:14 »
@ KlausLange

Du sagst es macht Sinn für die Europäer einen eigenen Zugang zu haben, nennst aber nur einen konkreten (und wie ich finde schwachen) Grund dafür: Ausfall der Sojus. Die ESA braucht sicherlich länger als bis 2015 um das ATV entsprechend auszubauen. Bis dahin haben 3 Nationen die Möglichkeit bemannte Raumfahrt zu betreiben, sodass ein Ausfall kompensiert werden kann.

Also warum das Geld für einen eigenen Zugang verschwenden? Die ESA ist nun mal für die Europäer nicht so wichtig wie eine Bank und das wird sich auch nie ändern! Sie muss daher auch mit einem entsprechend kleinem Budget auskommen und dieses möglichst klug einsetzen, um möglichst viel Wissenschaft damit betreiben zu können.

Ich hoffe daher, dass die ESA nicht nur die Finger von der eigenen bemannten Raumfahrt lässt, sondern auch in naher Zukunft die Ariane einstampft und stattdessen auf günstigere Dienstleister zurückgreift (vielleicht SpaceX?). Dann wäre auch ExoMars gerettet.


Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #16 am: 05. Juni 2012, 18:19:44 »
@ KlausLange

Du sagst es macht Sinn für die Europäer einen eigenen Zugang zu haben, nennst aber nur einen konkreten (und wie ich finde schwachen) Grund dafür: Ausfall der Sojus. Die ESA braucht sicherlich länger als bis 2015 um das ATV entsprechend auszubauen. Bis dahin haben 3 Nationen die Möglichkeit bemannte Raumfahrt zu betreiben, sodass ein Ausfall kompensiert werden kann.

Also warum das Geld für einen eigenen Zugang verschwenden? Die ESA ist nun mal für die Europäer nicht so wichtig wie eine Bank und das wird sich auch nie ändern! Sie muss daher auch mit einem entsprechend kleinem Budget auskommen und dieses möglichst klug einsetzen, um möglichst viel Wissenschaft damit betreiben zu können.

Ich hoffe daher, dass die ESA nicht nur die Finger von der eigenen bemannten Raumfahrt lässt, sondern auch in naher Zukunft die Ariane einstampft und stattdessen auf günstigere Dienstleister zurückgreift (vielleicht SpaceX?). Dann wäre auch ExoMars gerettet.

SpaceX ist frühestens 2015 soweit, eher 2017 - bei aller Sympathie - um als Anbieter für Space-Taxi-Dienste ernsthaft eine Alternative zu sein (und auch hier wünsche ich mir - Konkurrenz belebt ja das Geschäft - eine europäischen Privatunternehmung, die das leistet, dann auch im Auftrag der ESA oder von einzelnen Staaten). China scheidet als Taxi-Unternehmer für ESA Staaten mittelfristig aus.

Für mich als Raumfahrtenthusiast ist es selbstverständlich einen eigenen bemannten Zugang zur ISS zu haben. Das hat für mich etwa den gleichen Stellenwert, wie es selbstverständlich ist Strom im eigenen Land zu erzeugen und sich nicht zu 100% von anderen Staaten abhängig zu machen. Warum? Raumfahrt ist für einen Industriestaat der außerordentliche Zugang zur Hochtechnologie.

Ferner sollte man auch nicht ein Projekt gegen das andere ausspielen. Natürlich ist ExoMars wichtig und richtig. hier sollte man mit den Russen zusammenarbeiten und vielleicht Indien mit ins Boot holen und zusätzlich einen europäischen (kommerziell oder/und staatlich) bemannten Zugang zu ISS und Mond angehen.

Woher die Motivation dazu kommt, habe ich schon zu skizzieren versucht. Natürlich würde eventuell ein SETI-Signal oder eindeutige Lebensspuren außerirdischer Mikroben in Meteoriten etc. die Weltraumfahrtsbegeisterung enorm auf die Sprünge helfen. Allein, so lange sollten wir nicht warten ...
Life is but a dream...

Offline Ruhri

  • *****
  • 4042
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #17 am: 05. Juni 2012, 23:15:47 »
Das ist aber schon ein recht chauvinistischer und womöglich sogar nationalistischer Ansatz. Muss immer jeder alles können? Das Spiel kann man weiter treiben: Jedes Land braucht also seine eigene Raumfahrt inklusive Startplatz, Trägerrakete und bemannten wie unbemannten Raumfahrzeugen, aber auch seine eigene Energierzeugung (z.B. Italien fast ausschließlich vom Ausland abhängig), seine eigene Stahlproduktion, Flugzeug, Lokomotiven - und Fahrzeugbau, chemische Industrie und, und, und...

Anders herum: Man stelle sich vor, dass wir Europäer uns vor einigen Jahren von der internationalen Kooperation in der Raumfahrt verabschiedet hätten, um jetzt alles selber zu machen. Wir würden jetzt wahrscheinlich wie gerade die Chinesen mühselig die amerikanischen und russischen Testflüge der 60er und 70er Jahre nachstellen. Stattdessen sind schon dutzende europäische Astronauten zu Missionen ins All gestartet, um dort unser Wissen zu mehren. Was ist jetzt besser?

Um auf die Frage dieses Threads zurück zu kommen: "Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?" Was soll das bedeuten? Muss Europa in der Lage sein, selbst die nötigen Gerätschaften zu bauen? Oder muss es in der Lage sein, ohne Mitsprache durch andere Missionen durchführen zu können? Das ließe sich schließlich auch mit der vielzitierten "kommerziellen Raumfahrt" erledigen, indem etwa die ESA die Technik außerhalb Europas bei einem entsprechenden Zulieferer einkauft.
« Letzte Änderung: 06. Juni 2012, 12:54:06 von Ruhri »

Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #18 am: 06. Juni 2012, 09:34:46 »
Nein, da ich ja vom ESA-Verbund sprach ist dieses Denken europäisch und nicht nationalistisch, aber ich möchte nicht zu sehr ins politische abgleiten.

Es geht um den Zugang zu Technologien und es ist nicht einzusehen, warum wir Europäer dies den Amerikanern und Asiaten überlassen sollten.

Zweitens ist Chinas Weg doch keinesfalls mühsam, sie erarbeiten sich halt die nötigen technologischen Fertigkeiten für eine bemannte Raumfahrt, da muss man schon mal die Ärmel hochkrempeln und den Ingenieurshelm selbst aufsetzen.

Internationale Kooperationen - also über dem europäischen Rahmen hinaus - würde es trotzdem geben. Nur mit mehr europäischer Technologiekompetenz.

Beispiel: Klar beteiligt sich Europa mit einem eigenen Labormodul an der ISS, aber dann wäre eine konsequente Raumfahrtpolitik eben auch dazu übergegangen parallel die ESA-Astronauten selbständig dorthin zu bringen und sogar dann noch andere internationale Partner mitzunehmen (oder gar zahlende Touristen, wie uns das die Russen sehr schön vormachen). Man muss da ja nicht unbedingt an ATV oder Hermes denken, da gibt es mehrere Möglichkeiten.

Was mir im europäischen Rahmen schlicht fehlt ist ein visionäres Denken. Raumfahrt ist da nur ein Hochtechnologiebereich wo wir hinterherhinken, aber schon aus wirtschaftlichen Gründen darf sich das Europa nicht erlauben (intelligente Stromnetze, Materialforschung etc. wären weitere Baustellen).
« Letzte Änderung: 06. Juni 2012, 13:25:07 von KlausLange »
Life is but a dream...

*

Offline vostei

  • *****
  • 864
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #19 am: 06. Juni 2012, 10:56:44 »
Moin
Das Visionäre hat aber viel mit Politik zu tun. Und die bewegt sich nur, wenn entsprechende Lobby-Arbeit geleistet wird UND öffentliches Interesse besteht.
Wenn man vergleicht, wie sich die NASA und die ESA präsentieren, sowie die Firmen - nunja - da ist schon ein kleiner Unterschied festzustellen.
Lieber fünf vor Zwölf, als keins nach Eins

Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #20 am: 06. Juni 2012, 12:01:28 »
Absolut! Da kann man noch viel lernen...
« Letzte Änderung: 06. Juni 2012, 13:25:30 von KlausLange »
Life is but a dream...

Offline Ruhri

  • *****
  • 4042
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #21 am: 06. Juni 2012, 13:19:16 »
Nein, da ich ja vom ESA-Verbund sprach ist dieses Denken europäisch und nicht nationalistisch, aber ich möchte nicht zu sehr ins politische abgleiten.

Nun, dir ist sicherlich aufgefallen, dass ich später auch von Europa gesprochen habe, oder?

Zitat
Es geht um den Zugang zu Technologien und es ist nicht einzusehen, warum wir Europäer dies den Amerikanern und Asiaten überlassen sollten.

Nun, das tun wir ja nicht. Es gibt genügend Dinge in Astronomie und Astronautik, die wir können, sogar einiges, was z.B. die Amerikaner eben nicht können oder zumindest nicht so gut. Aber noch einmal: Muss wirklich jeder alles können?

Zitat
Zweitens ist Chinas Weg doch keinesfalls mühsam, sie erarbeiten sich halt die nötigen technologischen Fertigkeiten für eine bemannte Raumfahrt, da muss man schon mal die Ärmel hochkrempeln und den Ingenieurshelm selbst aufsetzen.

Das ist nun wirklich ein Beispiel dafür, wie selektive Wahrnehmung funktioniert. Die Chinesen starten mit Kapseln, die etwa den Sojus entsprechen und aus diesen entwickelt wurden, und haben bislang weniger Menschen ins All bekommen als Deutschland. Von den Einsatzzeiten wollen wir gar nicht reden, denn da ist selbst die Gesamtaufenthaltsdauer eines Thomas Reiter um ein Vielfaches größer als die aller chinesischen Raumfahrer zuammen genommen.

Ihre erste Raumstation war noch niemals bemannt und ist kaum mehr als ein flugfähiges 1:1-Modell. So etwas haben die Amerikaner und Russen bereits in den 70er Jahren getestet.

Zitat
Internationale Kooperationen - also über dem europäischen Rahmen hinaus - würde es trotzdem geben. Nur mit mehr europäischer Technologiekompetenz.

Nun ja, wir haben aber eben ziemlich viel Technologiekompetenz. Warum fliegen praktisch auf jeder NASA-Sonde europäische Instrumente mit? Wieso fliegen die Amerikaner mit ihrer SOFIA-Boeing ein deutsches Teleskop durch die Weltgeschichte?

Zitat
Beispiel: Klar beteiligt sich Europa mit einem eigenen Labormodul an der ISS, aber dann wäre eine konsequente Raumfahrtpolitik eben auch dazu übergegangen parallel die ESA-Astronauten selbständig dorthin zu bringen und sogar dann noch andere internationale Partner mitzunehmen (oder gar zahlende Touristen, wie uns das die Russen sehr schön vormachen). Man muss da ja nicht unbedingt an ATV oder Hermes denken, da gibt es mehrere Möglichkeiten.

Europa hat aber nicht nur Columbus gebaut, sondenr auch die Knoten Harmony und Tranqility sowie die Beobachtungskanzel Cupola. Wo stehen die Chinesen jetzt im Vergleich zu den Europäern. Europa sorgt sogar, gerade zurzeit mit Edoardo Amaldi, für den Antrieb der ISS. Haben die Chinesen so etwas bereits auf die Beine gestellt?

Zitat
Was mir im europäischen Rahmen schlicht fehlt ist ein visionäres Denken. Raumfahrt ist da nur ein Hochtechnologiebereich wo wir hinterherhinken, aber schon aus wirtschaftlichen Gründen darf sich das Europa nicht erlauben (intelligente Stromnetze, Materialforschung etc. wären weitere Baustellen).

Visionen sind ja schön und gut, aber müssen es unbedingt Visionen der Vergangenheit anderer Staaten sein? Darüber ist Europa nun wirklich hinaus.

Wir machen bereits viel im Weltraum - die Chinesen probieren immer noch herum.

Wenn es schlecht laufen sollte und man uns aus weiteren Projekten ausschlösse, könnten wir immer noch etwas eigenes bauen. Aber sollten wir nicht lieber solange Dinge tun, die noch keiner vorher getan hat und die keiner so gut tun könnte wie wir?

Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #22 am: 06. Juni 2012, 13:34:00 »
Beides. Was andere können, sollten wir  - nur technologisch besser - nachvollziehen und gleichzeitig natürlich selbst neue Maßstäbe setzen. Übrigens reden wir in diesem Thread über bemannte Raumfahrt, nicht über unbemannte Sonden und Teleskope. Da ist Europa gut dabei, stimmt. In der bemannten Raumfahrt aber nicht. Es ist schon ein Unterschied, ob man bei anderen mitfliegt oder selbst ins All kann. Da sind die Chinesen der ESA meilenweit voraus, dass sie bekannte Technik - in diesem Fall der Russen - weiterentwickelten und gebrauchen spricht ja nicht gegen sie. Immerhin können sie unabhängig von anderen Leute in die Erdumlaufbahnl schicken. Die ESA kann das nicht. Schade...
Life is but a dream...

Offline Ruhri

  • *****
  • 4042
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #23 am: 06. Juni 2012, 15:22:05 »
Beides. Was andere können, sollten wir  - nur technologisch besser - nachvollziehen und gleichzeitig natürlich selbst neue Maßstäbe setzen. Übrigens reden wir in diesem Thread über bemannte Raumfahrt, nicht über unbemannte Sonden und Teleskope. Da ist Europa gut dabei, stimmt. In der bemannten Raumfahrt aber nicht. Es ist schon ein Unterschied, ob man bei anderen mitfliegt oder selbst ins All kann. Da sind die Chinesen der ESA meilenweit voraus, dass sie bekannte Technik - in diesem Fall der Russen - weiterentwickelten und gebrauchen spricht ja nicht gegen sie. Immerhin können sie unabhängig von anderen Leute in die Erdumlaufbahnl schicken. Die ESA kann das nicht. Schade...

Tja, und dafür können wir einen ganz autonomen halbbemannten Frachter und Raumstationsmodule bauen, in denen tatsächlich wertvolle Forschung stattfindet. Das können die Chinesen bislang noch nicht, denn die krebsen immer noch damit herum, überhaupt einmal ins All zu kommen.

Und wie gesagt: Wenn wir einen eigenen Zugang benötigen sollten, um Astronauten ins All zu schicken, dann würden wir entweder die bemannte Raumfahrt aufgeben oder uns ein eigenes System zulegen. Wir brauchen es aber nicht, also wäre es zumindest im Moment Geldverschwendung.
« Letzte Änderung: 07. Juni 2012, 00:39:28 von Ruhri »

mic

  • Gast
Re: Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang?
« Antwort #24 am: 06. Juni 2012, 17:08:21 »
Der springende Punkt ist doch:
Wenn man de-facto über beschränkte Geldmittel verfügt, ist es wirtschaftlich gesehen das sinnvollste, jeder macht das was er am besten (= am billigsten) kann. Dann betreibt man Handel (Kooperationen) mit anderen Nationen, um sich das zu holen was andere billiger herstellen können. Die Ökonomen nennen das Wohlfahrtsmaximierung. So kann jede Nation seine Ressourcen am effizientesten verwerten. Davon profitieren alle handelnden Parteien, deshalb ist unsere Wirtschaft weitestgehend so aufgebaut (Stichwort Globalisierung).

Da die Amerikaner die Chinesen auf der ISS nicht mitspielen lassen wollen, befindet sich China momentan in einer schlechteren Ausgangslage. Sie sind gezwungen den umständlichen Weg über eine eigene Raumstation zu gehen. Gerne würde das Reich der Mitte ein kleines Labor an die ISS andocken, wenn man sie nur ließe. Mit dem gesparten Geld könnten sie dann andere Ziele verfolgen, z.B. den Amis den Mond streitig machen :).

Wie mein Vorposter bereits an dem Vergleich China/Europa veranschaulicht hat, geht Europa effizienter mit seinen Geldmitteln um. Deshalb ist die ESA den Chinesen (noch) in vielem voraus. China ist gezwungen viel Geld in die Aufholjagd zu stecken oder ein langsameres Tempo zu gehen (das letztere ist in meinen Augen momentan der Fall).