Japan: Erdbeben 11. März 2011

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xwing2002

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #550 am: 25. März 2011, 12:03:51 »
@Kami
Europäer tun sich schwer die Körpersprache von Japanern zu interpretieren, da sie formal gefärbt ist und anderen Parametern unterliegt. Während wir Blickkontakt als ehrlich empfinden gilt er beispielsweise in Japan immer als unhöflich und wird generell vermieden. ;)
Inhaltlich würde ich Dir aber zustimmen was die Pressekonferenz betrifft und die Entwicklung der Anlagensituation.

@Ruhri
Ich habe gestern einen Link gepostet in dem diese Abdeckung als zu preferierende Lösung angesehen wurde, schon länger.
Allerdings habe ich gelesen (ich weiß nicht mehr wo und zitiere aus dem Kopf!), dass die Temperaturen so heiß sind, dass Sand beispielsweise verglasen würde. Darauf würden dann andere Materialien schwer halten. Man muss daher sehr genau die Schichtung der Bedeckung abstimmen.

EDIT: Zusätzlich muss man über Barrieren von unten nachdenken... Fukushima steht auf einer Felsschicht, d.h. man kann nicht, wie in Tschernobyl, unterirdisch einen Zugang graben um eine Kühlungsanlage zu installieren.

Offline Ruhri

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #551 am: 25. März 2011, 12:12:49 »
Das ist, was mich an dem ganzen Schlamassel so nervt. Tschernobyl ist 25 Jahre her, und anscheinend hat sich niemand wirklich Gedanken gemacht, wie man sich überhitzende Reaktoren und Abklingbecken möglichst effektiv daran hindert, Radionuklide freizusetzen. Das sprichwörtliche Kind liegt im Brunnen, die Japaner müssen die freigesetzte Strahlung jetzt aushalten. Man muss jetzt aber zusehen, dass die weitere Freisetzung möglichst schnell zu einem Ende kommt.

Apropos freisetzen: Wie sieht es mit anderen Radionukliden als den oben erwähnten aus? Hat man irgendwo im Wasser, im Boden oder in der Luft andere Stoffe nachweisen können, wie etwa 90Sr?

xwing2002

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #552 am: 25. März 2011, 13:24:30 »
Falls ich das mit Reaktor 3 falsch verstanden habe, dann bitte ich um Korrektur.
Ich gebe jetzt mal wieder, was NHK dazu sagt (ich setz' das mal ausdrücklich dazu, weil Niederschreibung von gehörtem Englisch): im verstrahlten Wasser befindet sich ein hoher Jodanteil, was nahelegt, dass das radioaktive Material aus dem Containment kommt, da dieses Jod ein Abfallprodukt von Fusion ist.  Das macht es unwahrscheinlich, dass der Ursprung dieser Verstrahlung aus dem Abklingbecken kommt. Aufgrund der Halbwertzeit wird ausserdem angenommen, dass der hohe Jodanteil auf ein zeitnahes Austreten zurückzuführen ist.
Nicht abschließend geklärt ist ob das Containment selbst leckt oder zu- und abführende Leitungen beschädigt sind, die das Austreten des verstrahlten Wassers aus dem Containment erlauben.

websquid

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #553 am: 25. März 2011, 13:25:27 »
da dieses Jod ein Abfallprodukt von Fusion ist
Fission, nicht Fusion ;)

xwing2002

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #554 am: 25. März 2011, 13:37:00 »
Gut möglich... in englisch klingt das so ähnlich, dass ich das falsch gehört haben kann, danke Dir.

EDIT: jep, nuclear fission = Kernspaltung
(http://de.wikipedia.org/wiki/Kernspaltung)
akustisch zu verwechseln mit:
nuclear fusion = Kernfusion
(http://de.wikipedia.org/wiki/Kernfusion)

In Ergänzung: http://www3.nhk.or.jp/daily/english/25_29.html

*

Offline KSC

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #555 am: 25. März 2011, 13:51:57 »
Wie erwartet, sind auf dem Schauinsland bei Freiburg inzwischen sowohl radioaktives Edlegas (Xenon-133) als auch Partikel (Jod 131) aus Japan nachgewiesen worden:
http://www.bfs.de/de/bfs/presse/pr11/pm03.html

Gruß,
KSC

Kreuzberga

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #556 am: 25. März 2011, 13:54:35 »
Dabei handelt es sich wie erwartet um wirklich nur um geringste Spuren der radioaktiven Stoffe. Die natürliche Radioaktivität liegt um Größenordnungen höher.

xwing2002

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #557 am: 25. März 2011, 14:31:08 »
Zitat
12.54 Uhr: Erneut erschüttert ein starkes Nachbeben den Nordosten Japans. Der Erdstoß am Freitagabend (Ortszeit) vor der Küste der Katastrophenprovinzen Miyagi und Iwate hat eine Stärke von 6,2, wie der Fernsehsender NHK meldet. (Welt online)
Eine Tsunamiwarnung wurde nicht ausgegeben. Berichte über Schäden liegen derzeit nicht vor. Hochhäuser in Tokio schwankten.

xwing2002

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #558 am: 25. März 2011, 16:39:41 »
http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/hoechste_ines_stufe_7_fuer_atomunfaelle_gilt_fuer_fukushima/

Die INES-Skala: (http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Bewertungsskala_f%C3%BCr_nukleare_Ereignisse)

EDIT: Die japanische Atombehörde erwägt bisher nur eine Anhebung von Stufe 5 auf Stufe 6. Würde die Anhebung auf die maximale Stufe 7 vollzogen, dann könnte Japan vielleicht auch beginnen, ohne sein Gesicht wegen der Aufgabe zu verlieren, über eine Zuschüttung der Reaktoren nachzudenken.

HAL2.0

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #559 am: 25. März 2011, 23:23:49 »
Da kommt man eben heim, und liest nun sowas... :o
Danke für den Link, xwing (die Links...aber die INES-Scala bei Wikipedia war schon seit Tagen immer wieder offen bei mir). Wenn man bei Greenpeace ein wenig zwischen den Zeilen liest, könnte man herauslesen, das dieses Atomunglück eher eine "Acht" auf der siebenstelligen Scala darstellen könnte/dürfte....
*Räusper* Dennoch, die Lage in Fukushima ist stabil.

Eine Frage: ist es korrekt, das sich momentan gar niemand mehr auf dem Kraftwerksgelände aufhält?

xwing2002

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #560 am: 25. März 2011, 23:46:23 »
Ich hab' gerade einige Webseiten nachgesehen, aber ganz aktuell finde ich nichts darüber, ob Arbeiten an der Anlage stattfinden können.
Jedenfalls ist die dunkle Zahl des Tages 10.000... heute überstieg die Opferzahl des Erdbebens und der Tsunamiwelle die 10.000, in Reaktor 3 wurde eine 10.000fach erhöhte Strahlung im in der Anlage gesammelten Wasser gemessen und schließlich wurde auch von Reaktor 1 eine 10.000fach erhöhte Strahlung im dortigen Wasser gemeldet. Und überall bedeutet sie das gleiche: viel zu viel.

HAL2.0

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #561 am: 26. März 2011, 00:23:47 »
Wenn man im Greenpeace-Link unten weiterklickt:
PDF INES Rating Fukushima
http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/atomkraft/HH_INES_Rating_Fukushima_23_03_2011.pdf
...und die dortigen Schätzungen zur Menge der freigesetzten Radionuklide in Iod-131-Bequerel-Äquivalenten liest, wird schon recht klar, wie es zur Einordnung "3 mal je INES Stufe 7 = gesamt INES-STUFE 7, weil Maximum der Skala" kommt.
Für die Menschen [in Japan] mag es ja scheinbar ein Glück sein, das die Nuklide zum großen Teil aufs Meer getragen werden. Für die Meeresbewohner eher weniger. Und letztlich wandern die Nuklide eben die Nahrungskette weiter nach oben - und somit doch wieder zurück zum Menschen...nicht unbedingt das Iod-131, das kann man "aussitzen", aber das ist ja hier nur als Referenz eingesetzt. Zahllose andere Spaltprodukte sind da schon langlebiger.

Meinen Optimismus hab ich mittlerweile verloren, was diesen GAU angeht. Da ist einfach nichts mehr unter Kontrolle zu bringen -- ich denke, die 3 bis 5 Reaktoren dort werden über die kommenden Monate stetig noch mehr Spaltprodukte freisetzen, und ich sehe nicht, wie man das noch eindämmen könnte.
Is schon richtig: der Vergleich mit Tschernobyl hinkt - gewaltig sogar.  :'(

Offline Ruhri

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #562 am: 26. März 2011, 01:04:36 »
Die Hoffnung ist, dass die flüchtigen Stoffe jetzt alle weg sind, und das der Rest genau dort bleibt, wo er jetzt ist. Wenn ich das recht verstanden habe, sind Stoffe wie 131I und 137Cs die langlebigsten leichtflüchtigen Radionuklide bei bestimmten Spaltreaktionen von 235U und entstehen aufgrund der kurzen Halbwertszeiten der Vorgängerprodukte nur innerhalb von Minuten bis Stunden nach erfolgter Spaltung. Da die Hoffnung besteht, dass es seit zwei Wochen keine Kernspaltung mehr gibt, sollte sich also die Menge dieser beiden Stoffe nicht mehr erhöhen. Das ausgetretene Jod müsste also schon recht gut zu 131Xe (stabil) zerfallen sein. Das Cäsium bleibt den Japanern natürlich noch lange erhalten, wie wir hier in Deutschland vor kurzem noch einmal hören mussten.

Aber trotzdem: Katastrophe bleibt Katastrophe, und die Einstufung ist mit Sicherheit zu niedrig. Im ZDF-Mittagsmagazin fragte die Moderatorin gestern einen Wissenschaftler, ob sich gerade ein GAU oder ein Teil-Gau ereignen würde. So ein Unsinn!  >:( Der Super-GAU ist doch schon längst eingetreten. Die Anlage Fukushima Daiichi ist Bedingungen ausgesetzt worden, für sie nicht ausgelegt war, und der Austritt großer Mengen an Radionukliden war nicht zu verhindern. Auch das ist eine Tatsache. Es geht doch schon seit fast zwei Wochen nur noch um Schadensbegrenzung...  :'(

HAL2.0

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #563 am: 26. März 2011, 02:21:10 »
Pfft....ist so schon anstrengend genug, die ganze "Sekundär-Katastrophe" um Fukushima Daiichi 1. Daher mal was zu den Halbwertszeiten....
Oft wird das flüchtige Iod-131 als Referenz für die biologisch wirksame Strahlenbelastung gewählt.
-Warum? Nun, da es vom Körper gut verstoffwechselt, aufgenommen und verarbeitet wird. Insbesondere in der Schilddrüse. Bei Iod handelt es sich um eines der lebenswichtigen Spurenelemente - der Körper "giert" geradezu danach, es aufzunehmen. (...weiteres: Wiki: Schilddrüse,etc....)
-Besonders gefährlich macht es seine kurze (!) Halbwertszeit. Kurze Halbwertszeit bedeutet nämlich, das in kurzer Zeit viel Strahlung (Dosisleistung) abgegeben wird. Das ist dann bedenklich, wenn sich das I-131 im Körper befindet.
-Andererseits klingt die Dosisleistung, bzw die Zerfälle pro Zeit (Bequerel) recht schnell ab, was ein Vorteil sein kann, so man sich das Iod-131 begrenzte Zeit vom Leibe halten kann. Als Notfallmittel sind für gefährdete Personen (nicht für uns in Mitteleuropa !!!, nichtmal für Amerikaner) Iodpräparate denkbar: man führt dem Körper so viel Iod zu, das er nur noch begrenzt das 131er mit aufnimmt und verbaut - zwecks "Überangebot". Dauerhaft kann aber niemand solche Iod-Pillen schlucken, das wäre wiederum schlicht giftig. Nochmals: hierzulande hat das keiner nötig!
-Bei einer Halbwertszeit von 8,02 Tagen für Iod-131 hat man nach 10 Halbwertszeiten nur noch etwa ein Tausendstel der Ursprungsmenge vorliegen. Genau: 0,9766 Tausendstel (Taschenrechner!) der Ursprungsmenge nach jeweils 80,2 Tagen.
Bedauerlicherweise wird in Fukushima aber kontinuierlich Spaltstoff freigesetzt. Daher kann man nicht einfach ab Tag X "runterrechnen", auch, wenn natürlich speziell das besagte Iod-Isotop nicht mehr weiter durch Kernspaltung nachgebildet wird. (Wer sagt denn, das schon alles entwichen ist.)

Und das war nun wirklich einfach. Es gibt zahlreiche andere Isotope, die nicht so schnell verschwinden wie dies, aber dafür biologisch fester an den Körper gebunden bleiben. Dadurch ergibt sich bei geringerer Strahlungsintensität (= Zerfälle pro Zeit(und Masse)=Bequerel), aber längerer Verweildauer im Organismus trotzdem eine hohe Dosisleistung. Bekannt sind Cäsium und Strontium, Uran als schwerlösliches Schwermetall etc.

Das Thema ist recht komplex, wie gesagt. Hoffentlich hab ich dem ein oder anderen etwas weiterhelfen können.

EDIT:
Ein Vergleich noch zu Strahlungsintensität (Bequerel) und biologischer Dosisleistung (Sievert, Millisievert, Mikrosievert....):
Einen winzig kleinen Augenblick kann jeder schadlos in die Sonne blicken. Die Strahlungsintensität [Vergleich: Bequerel] ist enorm, aber wenn man schnell wieder wegsieht, hat man nur ne Minute einen "Falschfarbenfleck" im Zentrum des Blickfeldes. Davon erholen sich die Augen ohne Nachwirkung, denn die "Dosisleistung" [Vergleich: Sievert] war zu gering, um die Lichtrezeptoren zu verbrennen.
Würde man nun einfach so länger direkt in die Sonne blicken, wäre deren Strahlung zwar immer noch gleich intensiv, aber es käme mehr "Dosisleistung" an der Augennetzhaut an - was sie zerstören würde.
Die Intensität war beide Male gleich hoch - nur war zuletzt die Auswirkung höher (Blindheit...).

EDIT2, zu EDIT: aber nur für Physiker: ja natürlich spielt auch die Entfernung zur Strahlungsquelle eine Rolle, aber das war das schöne am Vergleich mit der Sonne: die ist nahezu konstant weit weg, daher konnte ich auch die Bequerel annähernd der Strahlungsintensität gleich setzen. Ist so schon kompliziert genug. Was solls, übel is mir trotzdem.
« Letzte Änderung: 26. März 2011, 03:54:00 von HAL2.0 »

HAL2.0

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #564 am: 26. März 2011, 06:24:27 »
Ach übrigens....
da war doch noch was. Japan hat keine nennenswerten Ressourcen, aber eine mächtige Industrie - ob der Kernkraft. Was genau passiert denn, wenn man die Kernkraft dort abschaltet? Eine nicht uninteressante Frage, die bald noch dringender wird - abwarten.

Offline Reihnold

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #565 am: 26. März 2011, 09:07:35 »
-Bei einer Halbwertszeit von 8,02 Tagen für Iod-131 hat man nach 10 Halbwertszeiten nur noch etwa ein Tausendstel der Ursprungsmenge vorliegen. Genau: 0,9766 Tausendstel (Taschenrechner!) der Ursprungsmenge nach jeweils 80,2 Tagen.
Bedauerlicherweise wird in Fukushima aber kontinuierlich Spaltstoff freigesetzt. Daher kann man nicht einfach ab Tag X "runterrechnen", auch, wenn natürlich speziell das besagte Iod-Isotop nicht mehr weiter durch Kernspaltung nachgebildet wird. (Wer sagt denn, das schon alles entwichen ist.)
Weiß zufällig jemand, wo Iod-131 auf der Zerfallskette liegt? Wenn es ein direktes Produkt der Kernspaltung ist, dürfte es ja jetzt nicht mehr gebildet werden, wenn es aber irgendwo in der Zerfallskette liegt, dürfte es nach wie vor in gewissen Mengen neu entstehen.

Offline Matjes

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #566 am: 26. März 2011, 09:47:30 »
Hallo Reihnold

Jod 131 entsteht bei der Kernspaltung und nicht als Teil einer Zerfallskette. Es ist ein Beta Minus Strahler und zerfällt zum stabilen Edelgas Xenon 131 mit einer Halbwertszeit von 8.04 Tagen.

Ein Gruß von der Nuklidkarte und Matjes

Offline Ruhri

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #567 am: 26. März 2011, 13:51:58 »
Bedauerlicherweise wird in Fukushima aber kontinuierlich Spaltstoff freigesetzt. Daher kann man nicht einfach ab Tag X "runterrechnen", auch, wenn natürlich speziell das besagte Iod-Isotop nicht mehr weiter durch Kernspaltung nachgebildet wird. (Wer sagt denn, das schon alles entwichen ist.)


Das sagt niemand, aber hoffen kann man es natürlich. Logischerweise zerfällt das 131I auch im Reaktorinneren, und seit der Schnellabschaltung sind etwa zwei komplette Halbwertszeiten abgelaufen. Gegen das 137Cs hilft das natürlich leider nicht - nicht bei einer Halbwertszeit von 30 Jahren. Andererseits strahlt dieses Isotop natürlich auch viel schwächer.

HAL2.0

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #568 am: 26. März 2011, 13:52:17 »
Lieber Reihnold!
An sich steht es ja schon drin in der zitiereten Textpassage, aber nochmals: Iod-131 wird direkt durch Spaltprozesse erzeugt. Dennoch: auch bei der verhältnismässig kurzen Halbwertszeit von 8,02 (oder 8,04) Tagen ist immer noch recht viel davon vorhanden. Die kontrollierte Kernspaltung in den aktiven Reaktoren wurde ja erst am 11.3. beendet. Rechnet man nun hoch, ist noch eine tüchtige Portion vorhanden.
Aus "aufgebrochenen" Brennstoffstäben ist es wohl schon völlig entwichen, da es recht leicht flüchtig ist ( Siedepunkt: 184,3 Grad Celsius). Nur - in anderen Brennstäben ist es noch (!) eingeschlossen. Wer kann jetzt schon prognostizieren, ob und wieviele Brennstabumhüllungen noch kaputt gehen werden?
Und nochmal, da sehr wichtig: das Iod allein ist nicht das Maß aller Dinge. Viele andere Zerfallsprodukte sind letztlich gefährlicher. Vor dem Iod kann man sich kurzfristig relativ gut schützen, aber andere Substanzen reichern sich dafür später im Körper an.

[Kennt ihr übrigens die Geschichte von der Zivilisation 20.000 Jahre nach uns? Die eigentlich nur Salz in einem Bergwerk abbauen wollte, aber ganz plötzlich seltsame Dinge im Salzstock fand...? Was zum Nachdenken....]

Offline Ruhri

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Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #569 am: 26. März 2011, 14:11:22 »
Apropos Salz: Wie passt das eigentlich zusammen, dass das Salz aus dem zur Kühlung verwendeten Meerwasser sich auf den Brennstäben abgelagert haben könnte und dadurch keine effektive Kühlung mehr möglich sei? Wenn ich mich nicht irre, schmelzen die Brennstäbe (und auch ihre Umhüllung) bei erheblich höheren Temperaturen als die Salze. Wenn es also zu einer Kernschmelze kommt, sollte die Salzkruste doch schon längst wieder weggeschmolzen sein, oder? ???

HAL2.0

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #570 am: 26. März 2011, 14:33:53 »
Nun - Natriumchlorid, also Kochsalz, schmilzt bei rund 800 Grad Celsius. Sicher befinden sich im Meerwasser auch zahlreiche andere Salze, aber letztlich ist Natriumchlorid der Hauptbestandteil.
Man könnte also sagen, das es ab 800 Grad einfach "abtaut" und runtertropft....aber 800 Grad heisse Brennstäbe wären ned wirklich gut. Was ich grad nicht recherchiert habe: bei welcher Temperatur schmelzen eigentlich die Hüllrohre der Brennelemente?
Ist etwas knifflig, da ich die Legierung nicht kenne. Meines Wissens nach ist das eine Aluminiumlegierung (mit Zirkon,etc.) - und die verträgt nicht wirklich so hohe Temperaturen. Dafür leitet sie die Wärme sehr gut, was ja auch beabsichtigt ist. Die Brennelemente geben ihre Energie ja in Form von Hitze ab, und die soll im Normalbetrieb natürlich optimal an das Transfermedium Wasser abgegeben werden.

Nochmal zu den 800 Grad Celsius: Salzfreies "Trinkwasser" auf derart erhitzte Brennstäbe zu kippen erscheint mir auch ned so gut.....ist aber eh pure Theorie, da man sowieso kein salzfreies Kühlwasser zur Verfügung hat.

[Sollte übrigens zwischendrin der Eindruck eines gewissen Galgenhumors entstehen: ja, den hab ich. Was bleibt denn noch übrig...?]

EDIT: Wie konnte ich DAS vergessen...?
"Die Lage in Fukushima ist stabil."

HAL2.0

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #571 am: 26. März 2011, 15:03:19 »
Deutlich erzürnter Nachtrag:
15 Tage nach dem Hauptbeben gibt es keine Süßwasserleitung zum Atomkraftwerk Fukushima Daiichi 1. Ich habe Verständnis dafür, das man angesichts einer grässlichen Katastrophe wie dieser etwas in Not gerät, was den Handlungsspielraum angeht. Ist ja nur natürlich....und menschlich.
Aber in 2 Wochen könnte man ne Wasserleitung bis Tokio bauen................ganz im Ernst, das ginge (sinnvoll wärs hier natürlich nicht. war nur ein Vergleich.)

Ich möchte ganz ausdrücklich nicht einer der Sesselsitzer sein, die im Nachhinein alles besser wissen wollen! Aber, um Himmels Willen, wer trifft denn dort Entscheidungen...?!?!?

Noch ein Nachtrag: nebenher läuft n-tv. Da wurde eben erwähnt, das man nun doch Süßwasser zur Kühlung heranschafft. Angesichts der Quelle warte ich mal bis morgen, ob das nun stimmt oder nicht.

xwing2002

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #572 am: 26. März 2011, 15:27:44 »
Einerseits zapft man wohl einen naheliegenden Stausee an, andererseits will man die Unterstützung des US-Militärs annehmen, welches Süßwasser via Schiff vor Ort bringen will.
Die Motoren der Frachtschiffe der Kriegsmarine hingegen werden mit Meerwasser gekühlt, welches in dem Areal bekanntlich eine akute erhebliche Verstrahlung aufweist. Ergebnis: ein bißchen Wasser und verstrahlte Rohrleitungen der Marine.

EDIT: Da es als unwahrscheinlich angesehen werden kann, dass diese Anlage jemals wieder Normalbetrieb erfahren wird und man sie ohnehin wird versiegeln müssen, wäre es vermutlich dringend an der Zeit einen Strategiewechsel zu vollziehen... TEPCO hat ja bereits vor Tagen laut über diese Variante nachgedacht, scheint nun aber entschlossen keine Aufgabe zuzulassen.
Greenpeace hat ein eigenes kleines Team vor Ort gebracht, das Messungen in der Kraftwerksumgebung vornehmen will. Es wird interessant sein da einen Datenabgleich vorzunehmen.

HAL2.0

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #573 am: 26. März 2011, 16:18:07 »
Also in manchen Augenblicken stehst da, und "Glangtst dir hilflos ans Hirn."
(Deutsch:Man greift sich hilflos an den Kopf)
Die USA verschiffen (!) nun Süßwasser zur Kühlung nach Fukushima.
Das alleine ist....bemerkenswert.
Und worum macht man sich dabei Gedanken? Richtig, um die Entsorgung des belasteten Wassers....alles technisch korrekt.
Technisch gesehen ist das eine korrekte Überlegung - praktisch gesehen läuft die Plörre ins Meer.

Das übergrosse 3-D-Realsatire-Theater läuft weiter....
Die Lage in Fukushima ist stabil.

Im Grunde wäre das tatsächlich lustig - ist es aber gar nicht.

xwing2002

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #574 am: 26. März 2011, 17:11:37 »
Es macht auch deswegen nur begrenzt Sinn weil wieder große Mengen Süßwasser benötigt werden die amerikanischen Kriegsschiffe zu dekontaminieren.