Chinas Raumfahrt

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #825 am: 13. Juni 2023, 11:56:55 »
Der Wikipedia-Eintrag war veraltet, das habe ich inzwischen korrigiert. Danke für den Hinweis!

Ansonsten geht hier einiges durcheinander. Die ersten Raumfahrer wurden alle aus aktiven Kampfpiloten der Luftwaffe rekrutiert. Das Raumfahrerkorps als militärische Einheit unterstand jedoch nicht der Luftwaffe, sondern dem Hauptzeugamt der Volksbefreiungsarmee, das wegen seiner technischen Orientierung für die gesamte Raumfahrt zuständig war. Deswegen haben die ehemaligen Piloten dann ab ihrer Vereidigung am 5. Januar 1998 olivgrüne Uniformen getragen, und nicht mehr die blauen der Luftwaffe:


Bild: Zhu Jiutong / Kommunistischer Jugendverband Chinas

Als das Hauptzeugamt zum 1. Januar 2016 im Rahmen der Tiefgreifenden Reform der Landesverteidigung und des Militärs wegen unheilbarer Korruption aufgelöst und durch die Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission ersetzt wurde, wurde das Raumfahrerkorps zunächst von dieser Nachfolgeorganisation übernommen. Immer noch grüne Uniformen. Bei einer weiteren Umstrukturierung im 1. Halbjahr 2017 wanderte das Raumfahrerkorps schließlich zur Hauptabteilung Raumfahrt der Strategischen Kampfunterstützungstruppe, die etwa der amerikanischen Space Force entspricht. Das ist eine ganz reguläre Teilstreitkraft, Du erkennst sie an diesem Abzeichen auf der vom Betrachter aus gesehenen linken Brustseite:



Hier die aktuelle, immer noch grüne, Ausgehuniform (Liu Yang ist ebenfalls Großoberst):


Bild: CMSA

Die Bezeichnung "Oberst im Generalstab" ist nicht ganz falsch, solange Du im Hinterkopf behältst, dass der Großoberst bei der Truppe oft selbst Einheiten kommandiert. Beim Raumfahrerkorps sind diese Dienstgrade eher theoretischer Natur und beziehen sich nur auf den Sold. Wie zwischen 1965 und 1988 bei der ganzen Volksbefreiungsarmee werden beim Raumfahrerkorps am Arbeitsanzug und Dienstanzug keine Rangabzeichen getragen, sonder nur ein kleiner Stern auf der Brust für jede geflogene Mission. Erfahrung schlägt Dienstgrad.

Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #826 am: 13. Juni 2023, 12:10:16 »
"Aufgelöst wehen unheilbarer Korruption."
Das finde ich bemerkenswert, zeugt m.E. von Realitätsbezug der Entscheidenden, ohne falsche Rücksichtnahme, eine durchaus rare Eigenschaft.

Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #827 am: 13. Juni 2023, 17:48:16 »
Nun ja, die politische Führung entscheidet, was Korruption ist, bei der auch die Todesstrafe verhängt wird.
Wer illoyal zu hoch steigt wird oft mit dem Vorwurf der Korruption für immer kaltgestellt.

In einem englischen Link fand ich, dass Großoberste die Funktion eines stv. Divisionskommandeurs haben.
Im Raumfahrerkorps ist man aber nicht Vorgesetzter vieler Untergebener, sondern Vorgesetzter aufgrund besonderer Fähigkeiten. In angelsächsischen Armeen gibt es etwas ähnliches zwischen dem höchsten Unteroffiziers-Dienstgrad und dem untersten Offiziers-Dienstgrad: Warrant Officer. Das können Quereinsteiger sein, z.B. im IT-Bereich.
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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #828 am: 16. Juni 2023, 09:50:30 »
Man muss hier darauf achten, nicht in humanistische Denkmuster zu verfallen. Nur weil jemand hingerichtet wird, ist er noch lange kein anständiger Mensch, und was Korruption ist, entscheidet auch in China nicht die Politik, sondern das Gesetz: Vorteilsnahme im Amt.

Im Falle des Hauptzeugamts war das ganz unspektakulär. Der Mann an der Spitze war dieser freundliche Vietnam-Veteran, der unter anderem die Missionen Chang’e 3 und Shenzhou 10 betreut hat:


https://de.wikipedia.org/wiki/Zhang_Youxia

Der war so ehrlich zu sagen, dass die Mitarbeiter im Unterbau seines Hauses derart vernetzt waren, dass nur eine Radikalkur helfen würde. Also wurde die Behörde aufgelöst und die Leute wie bei einer normalen Standortschließung völlig unblutig entlassen. In Honorierung seiner Ehrlichkeit wurde Zhang Youxia dann auf dem 19. Parteitag der KPCh im Oktober 2017 ins Politbüro berufen. Er und andere Führungskräfte aus der Raumfahrt bilden innerhalb der Partei die sogenannte "Fakultät für Raumfahrttechnik" (航天系), eine informelle Gruppe von eindeutig bewährten Kräften (eine Rakete fliegt oder explodiert - da kann man nichts wegdiskutieren), die gerne zur Problemlösung an die Basis geschickt werden.

Das mit dem Großoberst würde ich nicht überbewerten. Das ist einfach ein Dienstgrad, durch den jeder General einmal durchmuss, egal ob beim Heer oder bei der Strategischen Kampfunterstützungstruppe. Bei letzterer hat es übrigens jetzt ein denkwürdiges Ereignis gegeben. Der ursprünglich rein militärische Relaissatellit Elsternbrücke wurde Anfang Juni für die Nutzung durch die NASA und andere Raumfahrtbehörden freigegeben:
https://www.ithome.com/0/700/151.htm

Man beachte:
Im Text heißt es tatsächlich "Luft- und Raumfahrtbehörden anderer Länder". Private Raumfahrtunternehmen wie ispace können den Satelliten nicht nutzen.

Ich persönlich denke, dass Länder, die schon Angst vor Huawei haben, das mit der Hauptabteilung Netzaktivitäten der Strategischen Kampfunterstützungstruppe absolut nichts zu tun hat, sich von den echten Soldaten eher fernhalten werden :D

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #829 am: 19. Juni 2023, 11:02:35 »
Eines der Länder, die keine Angst vor China haben, ist Malaysia. Azlikamil Napiah, der Direktor der malaysischen Raumfahrtbehörde MYSA, hat jetzt auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg das Interesse seines Landes an der Internationalen Mondforschungsstation bekundet. Napiah erklärte, das seine Behörde nicht kostenloser Mitfahrer sein wollte (wie das Muhammad-bin-Raschid-Raumfahrtzentrum mit dem Kleinrover Raschid 2), sondern zumindest mit Personal aktiv beitragen und damit China und Russland finanziell entlasten wollte:
https://cj.sina.com.cn/articles/view/1887344341/707e96d502001ds5c


Zwei Dinge, die hier zu ergänzen wären:

1. Viele Malaysier sind Nachkommen von Händlern und politischen Flüchtlingen der Ming-Dynastie. Heute wird dort - mit Unterstützung der Volksrepublik - modernes Chinesisch gesprochen, wenngleich man meistens noch Langzeichen wie in Hongkong benutzt. Die Verständigung dürfte kein Problem darstellen.

2. Anfang diesen Jahres hat das Labor für Tiefraumerkundung aktiv ausländisches Personal angeworben. Man durfte nicht zu alt sein und musste eine gewisse Zahl an Veröffentlichungen vorweisen, konnte dann aber, finanziert von China, eigene Forschungsprojekte durchziehen, solange sie in den generellen Plan zur Erkundung des Sonnensystems passten (also Mond, Mars, Jupiter, aber nicht Merkur).

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #830 am: 19. Juni 2023, 12:09:16 »
Weil wir gerade von Malaysia sprechen, am 24. Mai diesen Jahres hat die malaysische SP Satellites GmbH auf der Technologiemesse Lima '23 mit der China Great Wall Industry Corporation, dem Außenhandelsarm der China Aerospace Science and Technology Corporation, ein Rahmenabkommen über die Lieferung eines Kommunikationssatelliten für Breitband-Internet unterzeichnet:
https://baijiahao.baidu.com/s?id=1766788029709306777


Bild: CGWIC

Weil man Volkschinesen und Malaysier manchmal schlecht auseinanderhalten kann: der Mann mit dem offenen Hemd in der Mitte hinten ist der malaysische Premierminister Anwar Ibrahim, die Leute links davon gehören zu SP-Satellites, die rechts davon zu Great Wall. Der Mann mit der blauen Krawatte direkt neben dem Premierminister ist Hu Zhongmin, der Vorstandvorsitzende von CGWIC.

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #831 am: 19. Juni 2023, 22:21:54 »
China fordert zunehmend andere Länder auf an ihrem Mondbasis-Projekt teilzunehmen.
Bisher haben sich angeblich bereits Russland, Pakistan, die Vereinigten Arabischen Emirate (die auch Mitglied der Artemis Accords sind!) und die Asia-Pacific Space Cooperation Organization (APSCO) beteiligt und mehr als10 weitere haben ihr ernsthaftes Interesse bekundet (darunter Malaysia und Venezuela).
Damit ist ein Gegengewicht zu den Artemis Accords bzw. den internationalen Mond-Plänen der NASA entstanden.

https://spacenews.com/china-attracts-moon-base-partners-outlines-project-timelines

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #832 am: 20. Juni 2023, 08:45:21 »
China fordert zunehmend andere Länder auf an ihrem Mondbasis-Projekt teilzunehmen.  ...
China lockt Mondbasispartner an oder China wirbt Mondbasispartner
 So der Titel hier :
https://spacenews.com/china-attracts-moon-base-partners-outlines-project-timelines
Zwischen attacts  und attracts  ist ein kleiner Unterschied ...

Gruß, HausD

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #833 am: 20. Juni 2023, 09:02:54 »
Kleiner Hinweis zu diesem Bild aus dem Spacenews-Artikel:



Die "Umfassende Kommunikations-, Navigations- und Fernerkundungskonstellation Elsternbrücke" (鹊桥通导遥综合星座) ist real. Details zu den Orbits werden in der Fachpresse zwar diskutiert, sind aber noch nicht festgelegt. "Elsternbrücke"/鹊桥 schreibt sich in der offiziellen Pinyin-Umschrift "Queqiao", nicht "Qieqiao". Das legt den Verdacht nahe, daß es sich bei dem Bild um ein aus dem Zusammenhang gerissenes Artefakt handelt, wie sie zum Beispiel von China 'N Asia Spaceflight gerne verbeitet werden. Missionen zur Venus werden mittlerweile zwar diskutiert, sind aber kein offizieller Teil der chinesischen Planetenerkundung. Der Jupiter dagegen schon, weshalb die Elsternbrückenkonstellation bis 2040 bis zu diesem Planeten ausgebaut wird:
http://www.cnsa.gov.cn/n6758823/n6758838/c6842487/content.html

So soll übrigens die Relaisschicht zwischen Erde und Mars einmal aussehen:


Bild: NSSC

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #834 am: 20. Juni 2023, 10:06:15 »
Ein tolles und sicher auch dringend notwendiges Projekt!
Dies läßt wieder einmal erkennen, wie gut durchdacht die chinesischen Raumfahrtpläne sind.
Gibt es bei der NASA ähnlich weit entwickelte Pläne in diesem Maßstab? Hab bis jetzt zumindest nix davon gehört, von einigen wenigen Kommunikationssatelliten hinter dem Mond und im Marsorbit einmal angesehen!

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #835 am: 20. Juni 2023, 11:12:45 »
Was noch viel toller ist, die Elsternbrücken-Konstellation steht allen Staaten und Organisationen kostenlos zur Verfügung. Die Volksrepublik China hilft der NASA, zum Mond zu kommen. Soviel zum Begriff "Weltraumrennen" :D

Um noch einmal auf den Spacenews-Artikel zurückzukommen: dort haben wir es mit einem klassischen Stille-Post-Effekt zu tun. Um die chinesische Raumfahrt seiner amerikanischen Leserschaft verständlich zu machen, tendiert Andrew Jones dazu, Begriffe zu verwenden, mit denen der sonnengebräunte Landwirt aus dem Mittleren Westen etws anfangen kann. In Wahrheit ist das Nationale Netzwerk völlig anders als Starlink, die Internationale Mondforschungsstation ist völlig anders als das Artemis-Programm. Wenn man den englischen Text dann noch ins Deutsche übersetzt ... . Hier einige der missverständlichen Punkte:

1. Das Labor für Tiefraumerkundung hat am 24. April 2023 nicht angekündigt eine Internationale Mondforschungsstationskooperationsorganisation zu gründen, sondern hat die Gründung einer derartigen Orgnisation vorgeschlagen. Das 倡议 in der Überschrift hier:



2. Bei der Tiefraumwissenschaftsstadt (深空科学城) handelt es sich um ein geplantes Gewerbegebiet der Stadt Hefei, wo es neben Wissenschaft und Technik auch um die Nutzung von Ressourcen aus dem Raum von jenseits 80.000 km Abstand von der Erde geht (so ist der Begriff "Tiefraum" in China definiert), außerdem um Fragen der Flugsicherheit. Die ILRSCO ist dort momentan nicht eingeplant:
http://www.cnsa.gov.cn/n6758823/n6758838/c6842565/content.html

Hier der bereits in Betrieb genommene Teil des Tiefraum-Überwachungsradars mit Reichweite bis zum Mond (das ist ein echtes, aktiv pingendes Radar, keine Trackingstation):


Bild: Landratsamt Yunyang

Es ist richtig, dass China mit allen möglichen Staaten Kooperationsabkommen unterzeichnet, hier zum Beispiel am 8. Juni 2023 mit der ESA:


Bild: CNSA

Aber natürlich weis man auch in China, dass Vereinbarungen mit der ESA das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind (siehe ExoMars). Der wesentliche Punkt bei der Internationalen Mondforschungsstation und der fundamentale Unterschied zum Artemis-Programm ist, dass CNSA und CMSA von vornherein nicht davon ausgehen, dass sich jemand zuverlässig auch finanziell beteiligen wird. Das Konzept der Internationalen Mondforschungsstation wurde am 16. Juni 2021 veröffentlicht, jeder kann völlig frei mitmachen oder auch nicht. Eben diese Unverbindlichkeit ist es, die das Projekt für viele Staaten attraktiv macht. "Attracts" wie in "attraktiv", nicht "auffordern" wie die USA bei ihren Wertepartnern  :P

Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #836 am: 20. Juni 2023, 14:53:51 »
Indem China anderen sein Equipment und Knowhow zur Verfügung stellt, kann es diesen potentiellen Kunden die eigene Leistungsfähigkeit demonstrieren und damit leichter Kooperation erreichen. Zugleich ist das eine klare Ansage an die USA, die gerade gegenüber China Geheimhaltung wollten.
"Jetzt zeigen die auch noch der gesamten Welt, dass sie mehr drauf haben als wir!"
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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #837 am: 20. Juni 2023, 16:19:42 »
Da hast Du völlig recht. Die Internationale Mondforschungsstation ist natürlich auch so etwas wie die Hannover-Messe - eine Leistungsschau der Industrie. Die chinesische Regierung hat generelll Interesse an Hochtechnologie-Kunden - bei dem oben erwähnten Breitband-Satelliten ist mehr verdient als bei einem ganzen Container mit Rollenkoffern. Daher besteht man auch nicht auf einer finanziellen Beteiligung der Partnerländer (die diese in den meisten Fällen sowieso nicht leisten könnten). Der Gedankengang geht eher so: "Erst mal anlocken. Wenn sich daraus ein Geschäft ergibt, soll es uns recht sein. Wenn nicht, dann ist das auch kein Verlust; wir hätten das Radioteleskop auf dem Mond sowieso gebaut."

Das gilt übrigens nicht nur für China, sondern für alle Beteiligten. Die malaysische MYSA würde gerne mehr beitragen, um zu zeigen, dass Malaysia Raumfahrt kann und dann - neben schlichtem Nationalstolz - als Hochtechnologie-Standort auch für andere Firmen interessant zu werden. Bei Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist die Lage ähnlich (erstere sind wegen der Akademiker-Arbeitslosigkeit unter innenpolitischem Druck, letztere wegen dem gnadenlos zu Ende gehenden Öl). China bietet diesen Ländern über die ILRS eine gangbare Möglichkeit, im Wettbewerb um internationale Investoren Indien gegenüber Boden gutzumachen, ohne sich groß verausgaben zu müssen. Wie gesagt, die Internationale Mondforschungsstation ist hochgradig attraktiv.

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Online alepu

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #838 am: 21. Juli 2023, 16:23:20 »
Der geplante Erststarttermin des neuen bemannten Raumschiffes wurde erneut für 2027/28 bestätigt.

https://www.space.com/china-launch-new-astronaut-moon-spacecraft-2027

Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #839 am: 21. Juli 2023, 20:47:19 »
Bis dahin wären es noch etwa 10 Flüge der bisherigen Shenzhous, wahrscheinlich davon 5 mit einer weiteren Modifikation.
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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #840 am: 22. Juli 2023, 08:41:30 »
Es werden noch wesentlich mehr Shenzhou-Flüge. Von der laufenden Version sind derzeit 6 Stück bei der Herstellerfirma bestellt. Das letzte davon, Shenzhou 21, wird im Herbst 2025 starten. Da die Firma trotz Serienfertigung gut zwei Jahre Vorlauf für den Bau eines Raumschiffs benötigt, muss die nächste Bestellung spätestens im Februar 2024 erfolgen, entweder mehr von der bis dahin bewährten Serie, oder eine weiter verbesserte Version. Die Chefkonstrukteurin der Trägerrakete geht davon aus, dass die Shenzhou-Raumschiffe noch bis 2033 jedes Frühjahr und jeden Herbst zur Station fliegen:


Bild: CMSA

Ein im Internet häufig anzutreffendes Missverständnis ist, dass 2027 zuerst ein Probeflug der zweistufigen Variante der Changzheng 10 erfolgen wird, die dafür gedacht ist, das neue Raumschiff mit sechs Personen zu der erweiterten Raumstation zu bringen. Das wäre die ganz rechte Rakete hier:


Bild: CASC

Dem ist nicht so. Priorität hat die dreistufige Mondversion der Rakete und die Mondversion des Raumschiffs mit drei Sitzplätzen und ausreichend Platz für Nahrung (hin) und Gesteinsproben (zurück). Ein immer wieder bestätigter Fixpunkt ist der Erststart der Trägerrakete 2027. Man ist derzeit in derselben Situation wie mit der Changzheng 2F und dem Shenzhou-Raumschiff in den 90er Jahren. Unerprobte Rakete und unerprobtes Raumschiff. Hier kannst Du sehen, wie man das damals gemacht hat:
https://de.wikipedia.org/wiki/Shenzhou#Missionen

Man hat die erste Rakete mit einem innen weitgehend leeren Raumschiff hochgeschossen. Wenn die Rakete explodiert wäre, hätte man beim Raumschiff nicht allzuviel Investition verloren. Da die Rakete nicht explodiert ist, konnte man den Wiedereintritt in die Atmosphäre und die Fallschirme testen. Beim zweiten Raketentest waren dann schon mal die Lebenserhaltungssysteme ins Raumschiff eingebaut. Ein echtes Modell des endgültigen Raumschiffs kam erst beim vierten Raketentest zum Einsatz, der erste bemannte Flug erfolgte dann beim fünften Test.

Nun sind vom Bemannten Raumschiff der neuen Generation bereits zwei Prototypen geflogen, bei denen vor allem die Form der Kapsel (2016) und das Material des Hitzeschilds (2020) getestet wurden. Theoretisch könnte man einige unbemannte Testflüge einsparen. Die Dame oben hat aber letzte Woche noch einmal bestätigt, dass es mehrere unbemannte Testflüge der Trägerrakete geben wird:
https://www.bjnews.com.cn/detail/1689248583129864.html

Zur Erinnerung: die Chanzheng 5 ist erst beim zweiten Testflug explodiert.

In Hainan wird ein doppeltes Raumfahrzeugmontagegebäude mit zwei Startrampen für die Changzheng 10 gebaut:



Es ist also möglich zwei Mondraketen im Abstand von zehn Tagen zu starten. Die Herstellerfirma verfolgt - nicht nur bei bemannten Flügen - eine Null-Risiko-Politik, mit "Null" wie in "absolut gar nicht". Falls aber jeder Testflug ohne irgendwelche Beanstandungen erfolgt, wäre dies ein denkbarer Zeitablauf:

2027 unbemannte Mondumrundung mit Raumschiff
2028 Start einer unbemannten Landefähre
2028 zehn Tage später Start eines bemannten Raumschiffs
2028 fünf Tage später Koppelung von Raumschiff und Landefähre im Mondorbit, hin- und herklettern, unbemannte Mondlandung, bemannte Entladung des 10-m-Bohrkerns
2029 große Evaluationsversammlung, Verteilung der Verantwortung auf hundert Schultern
2030 bemannte Mondlandung

Wie gesagt, beim Shenzhou-Raumschiff waren es dann am Ende vier unbemannte Testflüge. Alles was schiefgehen kann, wird schiefgehen.

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #841 am: 25. Juli 2023, 09:49:52 »
Passend zum obigen Bild ein von der Internationalen Gesellschaft für kommerzielle Raumfahrtstarts mbH, Hainan am 20. Juli aufgenommenes Drohnenvideo vom Baufortschritt auf dem Kommerziellen Kosmodrom (auf der Karte "commercial launch complex"):



0:04 Startrampe 1 (auf dem Bild links oben, mit Flügeltüren, für Langer Marsch 7 und Langer Marsch 8)
0:19 Startrampe 2 (etwas rechts unterhalb, ohne Flügeltüren, für alle horizontal angefahrenen Raketen)
0:34 Betankungssystem
1:20 Montagehalle für Langer Marsch 8
1:26 Kontrollraum-Gebäude
1:34 Energieversorgungszentrum
1:40 Umspannstation

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Offline HausD

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #842 am: 28. Juli 2023, 12:53:26 »
Video



Nach Angaben der China Aerospace Science and Technology Corporation (CASC) hat China am Samstag einen neuen Testlauf für das Hauptraketentriebwerk seiner künftigen bemannten Mondmissionen abgeschlossen.

Gruß, HausD

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #843 am: 28. Juli 2023, 14:15:51 »
Hier einige technische Details zu dem in dem Video getesteten Triebwerk:
https://de.wikipedia.org/wiki/YF-100#YF-100K

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #844 am: 05. August 2023, 13:39:19 »
Das Triebwerk YF 100K der Long March 10, eine Weiterentwicklung des Long March 5 Triebwerkes, wurde erneut erfolgreich getestet.
(Siehe auch das obige Video von HausD!)
130 t Schub soll das Kerosin-Triebwerk gebracht haben. Bis ende des Jahres sollen jetzt noch einige "high-altitude simulation tests" (Vakuum Triebwerk?) folgen.
Die LM-10 soll ja um 2030 die ersten Chinesen zum Mond bringen.

https://www.space.com/china-moon-rocket-engine-test-fire

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #845 am: 05. August 2023, 14:47:13 »
Die Frage nach dem Vakuumtriebwerk habe ich mir auch gestellt. Für das Vakuum wird aber in der 2. Stufe der Changzheng 10 mit dem YF-100M ein völlig anderes Triebwerk mit doppelt so großer Düse verwendet. Hier siehst Du die beiden im gleichen Maßstab nebeneinander:


Bild: Norbert Brügge

Die "Simulation des Flugs in großer Höhe" betrifft wohl das YF-100K am Ende seiner Brenndauer. Was am 22. Juli auf der Basis 067 getestet wurde, war das Missionsprofil beim Start. Das Triebwerk kann zwischen 65 % und 105 % seiner Nominalleistung von 1250 kN geregelt werden (weswegen der Startschub der Changzheng 10 mit 26.780 kN mehr ist als 21 x 1250). Das Mondraumschiff sitzt nicht auf einem Nutzlasttraggestell, sondern ruht mit einem vorstehenden Ring auf der Raketenwand. Beim Abwerfen der Booster und Raketenstufen ruckelt es immer etwas. Das versucht man durch Triebwerksregelung auszugleichen, um die Belastung zu reduzieren.

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #846 am: 14. August 2023, 10:33:35 »
Gestern war Richtfest für die Startrampe 1 des Kommerziellen Kosmodroms Hainan, der letzte Stahlträger der Flügeltüren wurde eingehoben. Bei 0:21 in diesem Video kann man das glückbringende, an einer Ecke des Trägers baumelnde Feuerwerk sehen:



Bei den drei senkrechten Tanks rechts vom Startturm ganz am Anfang und bei 0:57 ist einer für 300 t Kühlwasser, die anderen beiden für die Pressluft, mit der das Wasser bei einem Start auf die Startfläche mit dem Flammenumlenkungskonus gesprüht wird:


Bild: HICAL

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #847 am: 10. September 2023, 08:31:54 »
Yang Mengfei, CAST-Manager im Unruhestand, hat mit Kollegen aus der Hauptentwicklungsabteilung in einem vom Labor für Tiefraumerkundung vorab verbreiteten Artikel in einer Firmenzeitschrift die Sonden aufgelistet, die die Firma nach - teilweise bereits erteilter - Genehmigung durch die Nationale Raumfahrtbehörde mit ihren technischen Möglichkeiten bauen könnte:
https://user.guancha.cn/main/content?id=1081837


Bild: Yang Mengfei

Erdnahe Planeten:
- 2028 Tianwen-3 (Probenrückführung vom Mars)
- 2035 Merkurumkreisung und Landung
- 2035 Venusumkreisung und Atmosphäreneintritt
- 2043 Nutzung von Ressourcen auf dem Mars

Riesenplaneten:
- 2029 Tianwen-4 (Jupitersystem und Vorbeiflug am Uranus)
- 2032 Neptunsystem
- 2039 Saturnsystem und Probenrückführung von einem Saturnmond

Asteroiden:
- 2025 Tianwen-2 (Probenrückführung von Kamoʻoalewa und Erkundung von 311P/PANSTARRS
- 2043 Bahnveränderung von Asteroiden und Asteroidenbergbau

Man beachte:
Die nulear-elektrisch angetriebenen Sonden zur Erkundung der Heliopause sind in dem Artikel nicht aufgelistet. Diese Sonden sollten ursprünglich von CAST gebaut werden - möglicherweise traut man ihnen die Nukleartechnik doch nicht zu. Bei dem Antrieb handelt es sich im Prinzip um einen U-Boot-Reaktor, das ist doch etwas anderes als die Triebwerke, mit denen man sonst dort umgeht.
« Letzte Änderung: 10. September 2023, 18:04:23 von Regnart »

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #848 am: 10. September 2023, 17:48:00 »
Ein Kommentar unter dem CNSA Watch Tweet hatt jemand geantwortet das es ein übersetzungsfehler gäbe und das mit der Sample return mission bei Saturn um eine Titan sample return mission handeln soll.

Ich kann es nicht bestätigen. Wollte diese information aber mal in den raum werfen weil es auf mich etwas logischer wirkte.

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Re: Chinas Raumfahrt
« Antwort #849 am: 10. September 2023, 18:56:35 »
Du hast recht, in der chinesischen Version wird tatsächlich von einer "Sample-Return-Mission von einem Saturnmond" (土卫采样返回) gesprochen. Ob das nun der Titan oder einer der anderen Monde ist, kann man nicht sagen. Prinzipiell gilt, dass eine Landung auf größeren Himmelskörpern, wo man gegen die Schwerkraft arbeiten kann, einfacher ist als auf kleinen Asteroiden. An letzterem Problem arbeitet das Labor für Weltraumerkundungstechnik des Zentrums für Projekte und Technologien zur Nutzung des Weltalls derzeit (für bemannte Missionen), aber man ist da noch am kämpfen. Titan mit seinen 5000 km Durchmesser, mehr als der Mond (3500 km) und fast soviel wie der Mars (6500 km) und seiner dichten Atmosphäre wäre da sicher einfacher als andere Saturnmonde. Der Rückstart der Rakete mit den Proben ist dann natürlich ein anderes Problem :D

Was an dem CNSA-Watcher-Tweet ganz fatal falsch ist, sind die Worte "CNSA’s deep space vision". Es handelt sich hier nicht um eine Vision der Nationalen Raumfahrtbehörde Chinas sondern um einen Zwischenbericht der Hauptentwicklungsabteilung der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie zu den Sonden, die sie bei Erteilung entsprechender Aufträge beim derzeitigen und absehbaren Stand der Technik bauen könnten. Mit der CNSA hat das insofern zu tun, als dieser Preprint eines Werkzeitungsartikels vom Labor für Tiefraumerkundung vorab verbreitet wurde, und beim Labor für Tiefraumerkundung sind der Posten des Vorstandsvorsitzenden und seines Stellvertreters satzungsgemäß mit Vertrtern der Nationalen Raumfahrtbehörde besetzt. Zhang Kejian, der Direktor der Nationalen Raumfahrtbehörde ist in Personalunion Vorstandsvorsitzender des Labors für Tiefraumerkundung. Man kann also davon ausgehen, dass das, was technisch machbar ist, früher oder später auch gemacht wird.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung hängt ziemlich eindeutig mit dem Vortrag von Wang Wei auf einer Tagung der Chinesischen Gesellschaft für Astronautik am 19. August zusammen. Die Gesellschaft für Astronautik ist so etwas wie der VDI für Raumfahrtingenieure, und da die Raumfahrt in China bei der China Aerospace Science and Technology Corporation angesiedelt ist, besteht der Verein im Prinzip aus der Firma - der Vorstandvorsitzende von CASC ist in Personalunion Vereinsvorsitzender.

Links unten hier kannst Du sehen, dass die Veranstaltung vom Qian-Xuesen-Labor für Weltraumtechnologie und von der Hauptentwicklungsabteilung der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie ausgerichtet wurde:


Bild: CASC

Das sind alles dieselben Leute, die treibende Kraft ist der Aufsichtsratsvorsitzende Bao Weimin. Im letzten Absatz hier findest Du eine Zusammenfassung der Pläne für die bemannte Tiefraumerkundung (bei der Grafik oben geht es um unbemannte Sonden):
https://de.wikipedia.org/wiki/Bao_Weimin#China_Aerospace_Science_and_Technology_Corporation