Was wir früher oder später ganz sicher in der chinesischen Raumfahrt bewundern dürfen, ist das XS-1-Analog, also ein wiederverwendbarer Raumgleiter mit wiederverwendbarer, im Gleitflug horizontal landender Trägerstufe. Und zwar aus zwei Gründen:
1. Der Fördertopf
Es ist extrem schwierig, in den Kreis der
nationalen wissenschaftlich-technischen Großprojekte aufgenommen zu werden. Aus diesem Topf werden nur Dinge gefördert, denen Expertenkommissionen eine für die Entwicklung des Landes strategische Bedeutung zumessen. Dafür stehen dann aber de facto unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Kein Scherz. Es kostet, was es kostet, es dauert, so lange es dauert. Zur Einordnung: die Changzheng 9 wird aus diesem Topf gefördert, die bemannte Mondrakete
Changzheng 10 wird dagegen von der Herstellerfirma aus Eigenmitteln vorfinanziert.
2. Das Wetter
Bis
2033 wird die Chinesische Raumstation noch mit einer Besatzung von drei Personen betrieben, die mit Shenzhou-Raumschiffen vom
Kosmodrom Jiuquan aus anreisen. Dort ist auch immer eine
Rettungsrakete stationiert, die innerhalb von 9 Tagen startklar gemacht werden kann. Da das Kosmodrom im trockenen Westen Chinas liegt und man von dort an 300 Tagen im Jahr starten kann, sind das meistens auch real 9 Tage, die Raumfahrer bei einer Beschädigung ihres eigenen Schiffs in der Station ausharren müssen, bis Rettung kommt.
Nach derzeitigem Stand 2034 ist die Station dann für sechs Personen ausgebaut, die als feste Gruppe mit dem
Bemannten Raumschiff der neuen Generation anreisen. Das kann wegen des Durchmessers der Trägerrakete (5 m) nur von Hainan aus starten, wo man während der sommerlichen Taifunsaison schon mal ein bis zwei Wochen warten muss, bis ein {Rettungs)Flug möglich ist. Die Rakete muss ja nicht nur starten, sondern auch senkrecht zur Rampe gefahren und betankt werden. Du erinnerst Dich sicher an die Startverzögerungen bei Artemis 1.
Der für 10 Personen gedachte Raumgleiter startet dagegen vom Kosmodrom Jiuquan. Die Trägerstufe landet auf dem 250 km entfernten
Regionalflughafen Badain Jaran, der Gleiter selbst 800 km westlich vom Kosmodrom auf dem
Kernwaffentestgelände Lop Nor. Damit wäre erstens das Rettungsproblem gelöst, zweitens wird von der Firma gesagt, dass das Ding primär zur Versorgung der Raumstation gedacht ist; Weltraumtourismus und militärische Anwendungen sind Kollateralnutzen. Wenn die Entwicklung des Raumgleiters weiter so gut läuft wie bisher, wird die einst angekündigte boosterlose Version der Mondrakete für Flüge zur Raumstation möglicherweise nie gebaut.
Bei der senkrecht landenden Changzheng 8R ist die Situation komplizierter. Zur Veranschaulichung hier nochmal die Karte des zukünftigen Kosmodroms Wenchang:
Das kommerzielle Startgelände entspricht der Beschreibung der Betreiberfirma vom 20. März dieses Jahres, nur dass dort bei 0:33 zusätzlich zu den beiden Starttürmen für Flüssigkeitsraketen (Changzheng 8 etc.) nun von "zwei Startflächen für Feststoffraketen" (2个固体发射工位) die Rede ist:
Das sind dann wohl die beiden runden Flächen ganz oben, die letzes Jahr noch als Landeflächen bezeichnet wurden. Mit der senkrechten Landung kann es also noch dauern. Ich persönlich denke, dass man an der Technik sicher noch weiter arbeiten arbeiten wird, allein schon wegen der Landung von schweren Lasten auf fremden Himmelskörpern. Nur scheint das keine Priorität zu haben. Die
Chinesische Akademie für Trägerraketentechnologie kommt bei einer ehrlichen Rechnung mit routinemäßiger Auswechslung von Komponenten, die nicht problemlos geprüft werden können, bei der Changzheng 8R auf Startkosten, die bei 80 % der Wegwerfversion liegen. 20 % Ersparnis ist nicht wenig, aber auch nicht besonders viel.