Moin,
das wirklich Ärgerliche sind meines Erachtens nicht die kleinen "Patzer", die einem nicht wirklich sachkundigen Journalisten mal passieren können, sondern die Fälle, in denen entweder schlecht recherchiert wurde (die harmlosere Variante) - oder in der falsche Klischees absichtlich weitergetragen werden (die gar nicht harmlose Variante, die manchmal schon an bewusste Desinformation reicht).
Das gilt jetzt nicht nur für die Raumfahrt, sonder allgemein für alle journalistischen Bereiche, von Politik über Umweltthemen, Gesundheit, Sport usw. - und ganz besonders bei technischen oder naturwissenschaftlichen Themen, weil da besonders viele Journalisten Bildungslücken im Grand-Canyon-Format haben.
Mal ein relativ aktuelles Beispiel, aus dem "Spiegel"-Artikel "Die Eroberung des Himmels", aus Nr. 39/2007, Anlass war das 50-jährige Jubiläum des Starts von Sputnik I.
Als Beispiels eines harmlosen "Schnitzers" war das Foto auf Seite 183 oben, das einen Astronauten vor einer Mondlandefähre und einen Lunar Rover zeigt - Text: "US-Astronaut Aldrin auf dem Mond (am 20. Juli 1969)". Natürlich kann das Bild nicht Aldrin auf den Mond zeigen, da bei Apollo 11 noch gar kein "Mondauto" dabei war. Aber es parkt so vor der Mondfähre, dass es bei einem flüchtigen Blick auf ein Thumbnail in der Hektik des Redaktionsbetriebs übersehen werden kann.
Nun ein Beispiel für einen Fehler der zweiten Art, aus dem selben Artikel:
Und während die Amerikaner einen Hightech-Raumanzug entwarfen, glich das sowjetische Modell einer altmodischen Taucherausrüstung
Das Beispiel sollte den Unterschied in den Vorgehensweisen der USA und der UdSSR illustrieren: hier (überfeinerter) Perfektionismus, dort Pragmatimus. Man denke an die "Urban Legend", dass die Amerikaner Millionen ausgegeben haben sollen, um einem Kugelschreiber zu bauen, der in der Schwerelosigkeit schreibt - während die Russen einen einfachen Bleistift nahmen. (In Wirklichkeit wurde der "Space Pen" von einem privaten Unternehmen auf eigene Rechnung entwickelt worden, dass er dann der NASA zur Verfügung gestellt wurde und bei Apollo-Flügen benutzt wurde, war eher eine raffinierte Form der Schleichwerbung als technische Notwendigkeit - sonst hätte auch die NASA Bleistifte oder Filzschreiber mitgenommen: alles, was mit der Spitze nach oben schreibt, schreibt auch bei Null G.)
Immerhin betont der Artikel richtigerweise, dass die sowjetischen Konstrukteure nicht aufgrund irgend einer "russischen Mentalität" so handelten, sondern, weil ihnen aufgrund des politischen Erfolgsdrucks in der ersten Phase des "Space Race" nichts anderes übrig blieb, als "quick & dirty" zu arbeiten. (Was damals übrigens auch bei den Amerikaner öfter mal vorkam.) Später, z . B. beim Sojus-Raumschiff, konnten die russischen Konstrukteure zeigen, was sie konnten.
Zurück zu den Raumanzügen. Die Wikipedia (
http://en.wikipedia.org/wiki/Space_Suit ) zeigt: Der im Mercury-Projekt verwendete Navy-Mark V (
http://en.wikipedia.org/wiki/Navy_Mark_V ) war einfach ein Druckanzug, wie er in hoch fliegenden Jets verwendet wurde, der für den Raumflug angepasst wurde. Der im sowjetischen Wostok-Programm verwendete SK-1
http://en.wikipedia.org/wiki/SK-1 war ebenfalls ein für dem Raumflug adaptierter Druckanzug für Jet-Piloten.
Der Unterschied im Aussehen resultiert daher, dass die "Mercury"-Anzüge aus Gründe der Temperaturkontrolle (Reflexion von Strahlungswärme) eine Außenschicht aus mit Aluminum beschichtetem Nylon hatten, während die SK-1, ähnlich den heute im Space Shuttle verwendeten ACES, eine zusätzliche Außenhülle aus signalorangem Stoff hatte - der Grund: die Wostok-Kosmonauten landeten nicht in ihrer Kapsel, sondern katapultierten sich vor dem Aufschlag mit dem Schleudersitz heraus und landeten am Fallschirm. Die Signalfarbe erleichterte den Suchmannschaften die Arbeit.
Tatsächlich wirkten die silbernen US-Anzüge fast wie Requisiten aus einem Science-Fiction-Film, während die sowjetischen durch ihre locker sitzende Außenhüllen plump aussahen.
Auch ein Fehler der zweiten Art kann "mal vorkommen" - in diesem Fall hatte ich aber den Eindruck, dass es weniger am fehlendem Wissen lag, als an Vorurteilen des Autors.
Gut, das war ein harmloses Beispiel. Aber wenn z. B. die ISS nur von Unfällen und Pannen geplagtes "Milliardengrab im Weltall" wahrgenommen wird, dann ist es diesen Mechanismen geschuldet:
- fehlende oder schlechte Recherche
- fehlendes naturwissenschaftlich-technisches Verständnis
- das Sensationspresse-Prinzip: "nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht"
- und - besonders ärgerlich: Gesinnungs-Jounalismus. Das heißt, ein Artikel wird auf die Agenda der Redaktion "hingebogen" und die Trennung von Nachricht und Kommentar missachtet. Ist ein Journalist also der Meinung, es würde viel zu viel Geld für die ISS ausgegeben, betont er den geringen Nutzen und die "vielen Pannen" - allerdings so, dass es nicht sofort als Meinungsäußerung auffällt.
MartinM