Hallo Anhaltiner,
die Rover benötigen pro Tag etwa 180 Wattstunden Energie für den Basisbetrieb ( Computersystem, Betrieb einer Heizung während der Marsnächte ect. ). Alles was dann darüber liegt, kann für den Betrieb der verschiedenen wissenschaftlichen Instrumente und für die Kommunikation mit der Erde verwendet werden. Wie DaBeste bereits geschrieben hat : Als Spirit vor ein paar Monaten noch über 800 Wattstunden pro Sol generierte, stand plötzlich sogar so viel Energie zur Verfügung, dass man die Panoramakamera während der Marsnächte betreiben konnte. Die dabei entstandenen Astro-Fotos des Sternenhimmels waren zwar nicht wirklich "der Hit", aber einen Versuch war es allemal wert...
Aber einmal etwas anderes : Einer der in meinen Augen ganz großen Raumfahrt-Visionäre der letzten Zeit war der leider viel zu früh verstorbene
Carl Sagan. Nach ihm wurde die
Carl Sagan Medal benannt. Dabei handelt es sich um eine Auszeichnung, welche die American Astronomical Society als Anerkennung für eine herausragende Öffentlichkeitsarbeit an Forscher verleiht, welche im Bereich der Planetologie tätig sind. Der diesjährige Gewinner dieser Auszeichnung ist Dr. Steve W. Squyres, welcher uns hier in erster Linie als der Leiter des wissenschaftlichen Teams der beiden Marsrover bekannt ist.
http://www.jpl.nasa.gov/news/features.cfm?feature=2330 ( engl. )
Warum wurde ausgerechnet ihm diese Auszeichnung verliehen?
Ganz am Anfang der Mission trafen er und Professor Jim Bell, als Principal Investigator verantwortlich für die Roverkameras, eine eigentlich ungewöhnliche Entscheidung. Sie beschlossen, die von den Rovern übermittelten Bilder so schnell wie nur irgend möglich der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ohne Einschränkungen oder zeitliche Embargos kann somit jeder Interessierte die an das JPL übermittelten Bilder unter der Internet-Adresse
http://www.exploratorium.edu/mars/raw_data.html einsehen. Beide, Bell und Squyres, hatte zuvor an Projekten gearbeitet, wo diese Vorgehensweise ganz bewusst nicht betrieben wurde. Steve Squyres vertritt jedoch die Position, dass es der Wissenschaft auf lange Frist gesehen schadet, wenn Wissenschaftler "ihre Daten" nicht mit der Öffentlichkeit teilen. Immerhin ist es diese Öffentlichkeit, welche mit ihren Steuergeldern die Missionen zu fremden Planeten finanziert. Da die Wissenschaftler somit über ein Privileg verfügen, haben sie die Pflicht als Gegenleistung sowohl die Erfolge als auch eventuelle Misserfolge der Missionen mit dieser Öffentlichkeit teilen.
Im Falle der MER-Mission geschieht dies, indem die Bilder nach dem Eingang am JPL aus den Funksignalen dekodiert werden. Umgehend generiert ein spezielles Computerprogramm daraus JPEG-Bilder und stellt diese auf der oben erwähnten Website automatisch online. An manchen Tagen, speziell in der Anfangsphase der Mission, verzeichnete diese Seite täglich Millionen von Zugriffen aus so ziemlich allen Gegenden der Welt. Manche Kollegen hielten Squyres und Bell deswegen schlichtweg für Idioten ( Zitat von Bell ), frei nach dem Motto "Ihr verschenkt doch Eure Daten...". Für die beiden stellte dies jedoch kein Problem dar. Sie konnten stattdessen miterleben, wie Leute, welche ansonsten nicht zur "Wissenschaftsgemeinde" gehören, mit Herz und Seele ein Teil dieser fantastischen und faszinierenden Mission wurden. Schüler und deren Lehrer, ganz normale Leute, Hobbyplanetologen und Weltraumenthusiasten wie wir hier, aber auch die für die Vergabe der Finanzmittel zuständigen Politiker waren plötzlich in der Lage, dieser Mission fast in Echtzeit zu folgen und dabei "mitzufiebern".
Daraus resultierte letztendlich auch die sehr großzügige Informationspolitik des JPL ( wöchentliche Updates zu den beiden Rovern und deren Aktivitäten und der Situation auf dem Mars und der Erde ) und die "Mitteilungsfreudigkeit" der Mitarbeiter der Mission ( um jetzt nur zwei der Roverdriver zu nennen : Scott Maxwell twittert regelmäßig über die aktuelle Lage und Paolo Bellutta versorgt die Öffentlichkeit via UMSF-Forum mit technischen Details ). Bei anderen Weltraum-Projekten wäre dies wahrscheinlich ein Grund für eine fristlose Kündigung.....
Die "Auswirkungen" dieser von Steve Squyres betriebenen Datenfreigabe könnt Ihr hier fast täglich sehen. Dank der Bilder wissen wir hier immer, was die beiden Rover gerade so anstellen. Wir wissen, wo sie sich befinden, was sie gerade unternehmen und was sie als nächstes machen werden. Ohne diese Daten des JPL wären z.B. die Karten von Eduardo Tesheimer nicht möglich. Und wie oft wurden hier bereits Panoramafotos vom Mars verlinkt, welche von "Amateuren" erstellt wurden und deren offiziellen Versionen erst Tage oder Wochen später vom JPL bzw. der NASA online gestellt wurden. Wir wüssten jetzt eventuell, dass Spirit in einem Sandloch feststeckt, aber wie groß das Problem wirklich ist und welche Anstrengungen unternommen werden, um sich daraus zu befreien, das wäre sehr wahrscheinlich im "Dunklen der Wissenschaftsgeschichte" verborgen geblieben. Und die Leute, die in diesem Thread regelmäßig die neuesten Infos verbreiten, wären so ziemlich aufgeschmissen. Zum Vergleich, kennt jemand die Anzahl der bisher von Mars Express absolvierten Orbits? Welches Gebiet hat die Sonde vor einer Woche abgebildet? Und was soll morgen beobachtet werden???
An dieser Stelle einmal mein ganz besonderer Dank an Steve Squyres für seine Arbeit und seine Einsellung dazu. Er hat diese Auszeichnung mehr als verdient und ich wünsche mir, dass noch viele, viele andere Missionsverantwortliche seinem Beispiel folgen mögen. Genügend spannende und wissenschaftlich interessante Missionen gibt es in der Zukunft ganz bestimmt. Und das nicht nur zum Mars!!!
Die genaue Begründung für seine Nominierung findet ihr hier :
http://www.planetary.org/blog/article/00002139/ ( engl. ) Thanks, Emily...
Schöne Grüße aus Hamburg - Mirko