Also man macht das etwa so. Man sitzt auf einem drehbaren Hocker und hält ein Rad mit Achse von einem Fahrrad über seinen Kopf. Die Drehachse zeigt senkrecht nach oben. Anstelle des Gummireifens befinden sich Bleistücke, die fest mit dem Rad verbunden sind.
In Phase 1 versetzt man das ziemlich schwere Rad in Rotation. Dabei hat man die Beine noch unten, sonst würde man sich ja in die entgegengesetzte Richtung drehen (Drehimpulserhaltungssatz). Im All müssten hier zur Stabilisierung die Triebwerke eingesetzt werden.
Danach (Phase 2) nimmt man die Beine nach oben auf die dafür vorgesehenen Fußstützen des Hockers. Wenn man jetzt den Radkreisel aus der Senkrechten auslenkt, beginnt der Schemel sich zu drehen. Wenn man den Kreisel wieder nach oben richtet, dann hört auch die Rotation des Schemels auf.
Wenn Kreiselachse und Schemelachse übereinstimmen, wird kein Drehmoment übertragen. Wenn die Kreiselachse in einem Winkel größer als Null zur Schemelachse steht, wird ein Drehmoment vom Rad auf den Schemel übertragen. Die Energie des Gesamtsystems ändert sich dabei nicht (außer durch Reibung natürlich). Wenn der Kreisel wieder senkrecht ist, dann rotiert er (theoretisch) auch wieder mit derselben Winkelgeschwindigkeit. Gäbe es keine Reibungsverluste, könnte ein solches System ewig funktionieren.
Im Prinzip sieht man das an der Erde. Aber auch hier gibt es Reibung (der Ozean schwappt hin und her, Kontinente heben und senken sich), verursacht durch den Mond (und in geringerem Maße die Sonne). Deshalb rotiert die Erde im Laufe der Jahrmilliarden immer langsamer.
Die Lage der ISS wird in drei Dimensionen geregelt, was die Sache viel komplizierter macht. Und natürlich gibt es Reibung. Deshalb müssen die Räder immer wieder angetrieben werden. Das überträgt ein Drehmoment auf die Station, was wieder durch die Kreisel ausgeglichen wird. Irgendwann funktioniert der Ausgleich aber nicht mehr und dann muss das System in seinen Anfangsszustand zurück versetzt werden. Die dabei auftretenden Lageänderungen der Station werden mit Triebwerken korrigiert. Das wird wohl das sein, was die NASA-Techniker mit "Entladen" meinen.
GG