Russische Raumfahrt

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tobi

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3950 am: 28. Mai 2017, 11:42:48 »
Da gibts sicher industriepolitische Gründe für. Wenn die Angara zuviel macht, bleibt zuwenig Arbeit für  andere Unternehmen in Russland.

Offline Ldf

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3951 am: 28. Mai 2017, 15:31:55 »
Wahrscheinlich eine ganze Menge von Gründen:

1 Erstarken der kasachischen Wirtschaft und
2 das Verständnis, daß man mit Erpressungsmanövern weniger verdient, als mit Kooperation
3 Der weiter niedrige Ölpreis und Rußlands Selbstgewählte Abhängigkeit von Rohstoffexporten.
4 Das dadurch dramatisch werdende Staatsdefizit
5 Die Entscheidungsträger und Nutznießer der regen Bautätigkeiten haben das Interesse verloren.

Über letzteres läßt sich ohne Recherchen nur spekulieren: Zu geringe Gewinnmargen, Kuchen zu klein geworden?, andere Prioritäten und Betätigungsfelder?
Auch Tobi könnte Recht haben: Haben sich in der Industrie Kräfteverhältnisse verändert?

Warten wir es ab. 

jakda

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3952 am: 29. Mai 2017, 08:33:40 »
Um mal hier etwas gegen "Kaffeesatz-Leserei" zu tun....

Die "Quellen"-Nachricht bei TASS bezieht sich auf das Interview vom 29.April mit Vladimir Solntsev, Chef von ENERGIJA.
Dort sagt er:
Wenn „FEDERAZIJA“ auf „Angar 5P“ startet, sind die Kosten ziemlich hoch und die Kosten für einen Astronauten werden nicht weniger, als das mit der SOJUS-Kapsel ist. In diesem Fall werden beim Wechsel von der SOJUS zusätzliche Mittel notwendig.
ENERGIJA schlägt vor, als Startfahrzeug „Phoenix“ zu verwenden, die technische und wirtschaftliche Vorteile gegenüber der Raketen „Zenit“ und „Falcon“ hat. Mit diesem Startfahrzeug wären die Kosten der Mission „FEDERAZIJA“ in etwa gleich sein, wie die Kosten einer SOJUS-Mission . Da die „FEDERAZIJA“ zur ISS vier Personen liefern kann (wenn nötig auch sechs Personen), ist es offensichtlich, dass der Ersatz des Sojus-Raumschiff durch die „FEDERAZIJA“ (nach den Flugtests der Fertigstellung des neuen Schiffs) angemessen wäre.

Quelle: http://tass.ru/opinions/interviews/4210322
________________________________________________________________________________________
Für Solntsev wird hier bestimmt noch ein weiterer Aspekt wichtig sein: Sein ENERGIJA-Konzern wäre wahrscheinlich Haupthersteller,
im Gegensatz zur ANGARA, die von CHRUNITSCHEV gebaut wird.
Nun ja - die ANGARA 5 ist für LEO-Missionen wirklich etwas überdimensioniert....

Offline Ldf

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3953 am: 29. Mai 2017, 12:58:30 »
bluemchen zitierte TASS vom 27.05.2017:  Interview mit Herrn Solntsew: http://tass.ru/kosmos/4287423.
Der von jakda zitierte TASS -Artikel ist einen Monat älter und wurde hier bereits früher zitiert, allerdings nicht im TASS-Artikel vom 27.05.2017.

Plausibel ist, daß Energija natürllich sein neues Trägerprojekt "Feniks", welches sich in fortgeschrittenem Stadium befinden soll präferiert. Weshalb kommt die Erkenntnis, daß Federatsia auf Angara für LEO überdimensioniert sei, erst jetzt?     

Zum weiterführenden Lesen gibt es hier eine Analyse "Всем спасибо, все свободны. Почему космодром Восточный оказался не нужен России"  - https://lenta.ru/articles/2017/04/28/roscosmos/ ("Danke, alle können gehen. Warum Rußland das Kosmodrom Wostotschny nicht braucht"). Dort findet man auch einen Teil der Antwort auf die Fragen, die TASS am 27.05.2017 offen läßt.

Norbert Brügge hat auf seiner Web-Seite akribisch Daten zu Trägern zusammengetragen. Hier kann man die Liste der begonnenen und aufgegebenen russischen Trägerprojekte gut nachvollziehen. Feniks ist nicht das erste oder letzte dieser Art, in Norbert Brügges Liste allerdings mangels Masse noch nicht enthalten.

Es gibt die Informationen, daß Feniks ab 2018 bis 2025 entwickelt werden soll. Zu einem Budget von 30 Mrd. Rubel. Es gibt auch schon ein basic design.
Bekannt ist u.a., daß Feniks auf dem Design der ukrainischen Zenit basieren soll und daß Feniks von Baikonur, nicht jedoch von Wostotschny (sic!) starten soll.

 


Alle drei Artikel bringen mehr Unklarheit, als Klarheit. Ich bin auf A. Zaks Kommentare gespannt.   
« Letzte Änderung: 29. Mai 2017, 14:33:02 von Ldf »

Offline bluemchen

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3954 am: 30. Mai 2017, 10:35:37 »
Die Verwirrung wird nicht kleiner: Tass gestern -  http://tass.ru/kosmos/4290076
 
- nachdem der neue Träger lt. Entscheidung im Rak-Zentrum Progress in Samara "SOJUS-5" heißen solle, aber eben noch gebaut werden müsse und für einen unbemannten Start für 2021 zur Verfügung stehen solle. Hmmm.
Ich glaube, irgendwie brennt hier die Luft und man verordnet sich erneut ein Zeit-Leibchen, das -siehe früher mit Hintergrund Kalter Krieg - nie gut war. Heute vielleicht ein durchaus realer ökonomischer Dissens?

Bezeichnender Weise äußerte sich GK Roskosmos (noch) nicht dazu  ::)
R.
(A. Zak hat´s wahrscheinlich auch erschlagen)

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Offline HausD

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3955 am: 30. Mai 2017, 12:07:09 »
Mark Serow kommentiert Stornierung der A5P

Mark Serow ist der Leiter der Entwicklungs- und Erprobungsgruppe des RKK ENERGIA - Roskosmos, und er schreibt hier in seinem Blog:

So! Nun sind die Entscheidungen getroffen: ...
1. "Angara“ A5P wird nicht das Start-Mittel für das PTK
2. Objektive und subjektive Schwierigkeiten verzögerten die bemannten Version der "Angara"
3. Aufbau des SK und TK für die "Angara" erfordert gewaltige Mittelzuweisungen
4. Die Fristen für den Flugtestbeginn vom PTK und der "Angara" (Wostotschny) sind zu hart,
    können zu Verzögerungen im Programm führen
5. Auf dem Kosmodrom Baikonur steht und funtioniert die Infrastruktur, die bemannte Starts absichert
-Die Idee ist, die "Zenit" zu verwenden...-

... und nach Abwägung aller "Vor- und Nachteile" nun die Entscheidung :

1. Erstellen eines Startkomplexes für unbemannte Flüge der "Angara" auf Wostotschny, 2021 beginnend
2. In Zusammenarbeit mit Kasachstan unter Beteiligung außerbudgetären Quellen des KRK auf der Basis von
   Technologien der "Zenit" und "Energia" und mit einem unbemannten PTK 2022 zu starten.
   Das Konzept der Rakete soll, so heisst es, in diesem Jahr veröffentlicht werden.
   Das Tempo der Arbeit am PTK wird nicht reduziert, sondern mit mehr Sicherheit und zentraler fortgeführt.
   Die Verschiebung um das Jahr ist offensichtlich der Wunsch, die beiden großen Starts aufzuteilen in
   - die Trägerrakete "Angara" von Wostotschny und
   - die Flugtests vom PTK.

Im Blog findet man noch einige Bilder (und Bildchen) sowie den Schlusssatz :
    Niemand sprach über die Absage der bemannten Starts vom Kosmodrom "Wostotschny"!
    Also vielen Dank für Ihr Interesse, es gibt keinen Grund für Mutlosigkeit!
    In dieser Situation ist es eher eine positive Veränderung in die richtige Richtung.


Gruß, HausD 

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Offline HausD

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3956 am: 11. Juni 2017, 07:14:05 »
Etwas anderer Besuch im Sternenstädtchen...


...Scharfe Kosmos-Reportage mit Alla Michejewa
Offene Bewerbung als Kosmonaut "... da kann doch jeder mal vorbeischauen!?!"   ;D

Gruß, HausD

Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3957 am: 21. Juni 2017, 23:09:04 »
Es gibt einen neuen kommerziellen russischen Startanbieter. Er nennt sich "Glawkosmos Puskowije Uslugi" oder auf englisch GK Launch Services.
Glawkosmos Puskowije Uslugi wurde von Roskosmos und Kosmotras gegründet.
Es wird die Sojus-2 vermarktet.
In Samara wird seit letztem Jahr an einer neuen Sojus-Version Sojus-2LK gearbeitet. Bei dieser Variante wird auf Block-I als dritte Stufe verzichtet. Der Block-I wird
durch die Fregat ersetzt.
Neben der Sojus-2 erwägt Glawkosmos Puskowije Uslugi, die Dnepr von Baikonur aus anzubieten.
Wie soll das ohne ukrainische Beteiligung gehen ?

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Offline RonB

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3958 am: 22. Juni 2017, 17:37:17 »
Die Russen planen schon für die Zeit in der die Sitze ihrer Sojus Kapseln nicht mehr von den Amerikanern gebraucht werden. Der Glavkosmos-Direktor hat verlauten lassen, dass in der Zukunft die Sojus Kapsel mit einem Kosmonauten und zwei engagierten Weltraumtouristen besetzt sein könnten. Das Engagement der Raumfahrer wird wahrscheinlich finanzieller Art sein. Dabei besteht wohl auch die Möglichkeit eines Aufenthalts in der ISS.

http://spacenews.com/russia-studying-dedicated-space-tourism-missions-using-its-soyuz-spacecraft/
Es recht zu machen Jedermann ist eine Kunst die keiner kann.

jakda

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3959 am: 23. Juni 2017, 08:07:37 »
Hm - es ist immer kompliziert, über die russische Raumfahrt mit "amerikanischen" Quellen zu reden...

Nach der Entwicklung und dem Einsatzbeginn der 2 FEDERAZIJA-Typen soll die "alte" SOJUS-Kapsel weiterfliegen.
Gesprochen wird aber weniger von der ISS (da laufen ja im Moment einige Gespräche), sondern von touristischen Flügen um den Mond...

Offline Axel_F

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3960 am: 23. Juni 2017, 09:22:12 »
Gesprochen wird aber weniger von der ISS (da laufen ja im Moment einige Gespräche), sondern von touristischen Flügen um den Mond...
Geben dann die Quellen her wie sie dann den Flug um den Mond bewerkstelligen wollen? Es müssten doch bestimmt zwei Flüge durchgeführt werden - um dann einen Flug um den Mond zu ermöglichen. Oder?
"Denn ein Schiff erschaffen heißt nicht die Segel hissen, die Nägel schmieden, die Sterne lesen, sondern die Freude am Meer wachrufen." (Antoine de Saint-Exupéry)

McPhönix

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3961 am: 23. Juni 2017, 09:28:33 »
4 Tage in der Sojus ? Also in der Federazia könnt ich mir das ja vorstellen...
Oder kann man die 2 Räume der Sojus durch Rauswerfen aller nicht benötigten Dinge und Einbau von anderer Lebenserhaltung und Toiletten zu einem erträglichen Habitat machen ?

Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3962 am: 23. Juni 2017, 10:56:29 »
Tja, das Raumfahrerdasein hat eben auch seine unschönen Seiten.
Frag mal Frank Borman und James Lovell wie es ihnen 14 Tage lang (Gemini 7) in einer Gemini-Kapsel gefallen hat.
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

Offline proton01

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3963 am: 23. Juni 2017, 12:58:42 »
4 Tage in der Sojus ? Also in der Federazia könnt ich mir das ja vorstellen...
Oder kann man die 2 Räume der Sojus durch Rauswerfen aller nicht benötigten Dinge und Einbau von anderer Lebenserhaltung und Toiletten zu einem erträglichen Habitat machen ?

Der längste Soloflug mit Sojus war meiner Erinnerung nach Soyuz 9, bereits 1970, über 17 Tage und 17 Stunden. Die Kapsel war dazu aber nicht ausgeräumt, sondern beinhaltete die übliche Einbauten für Lebenserhaltung usw.

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Offline RonB

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3964 am: 23. Juni 2017, 13:37:32 »
Vom Flug einer Sojus Kapsel um den Mond habe ich auch gelesen. Allerdings halte ich diese 'russische' Quelle für nicht besonders vertrauenswürdig. Unmöglich wäre eine Umfliegung des Mondes mit Sojus sicherlich nicht. Ob die Kapsel für den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre mit einer so hohen Geschwindigkeit ausgelegt ist kann ich nicht einschätzen. Der Transport von Weltraumtouristen zur ISS hat ja bereits schon mehrmals stattgefunden. In welchem Umfang diese Art von Tourismus auf einer für wissenschaftliche Zwecke gebauten Raumstation zumutbar und wünschenswert ist müssen die Betreiber aushandeln. Möglicherweise kann man ja in Zukunft den Anbau eines Touristenhotels planen ;). Fragen Sie doch mal Herrn Bigelow ;D.
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jakda

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3965 am: 23. Juni 2017, 13:58:43 »
Mir ist schon klar, dass amerikanische Quellen viel vertrauenswürdiger sind...
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Die SOJUS ist mal für den Mondflug entwickelt worden. Sie hat zwar jetzt kaum noch etwas (technisch) mit der "Damaligen" zu tun...
Auch das Hitzeschild für diese Belastung existiert. Etwas mehr Platz wird es auch geben, da die "Gepäckverschnürungen" (für ISS) nicht so groß ausfallen werden. Die SOJUS hat mit Orbitalteil 10,5 qm Raum (hermetisch) - DRAGON V2 10 qm - oder? Na gut, dass ist alles ohne "Einrichtung".
Und warum soll man Bigelow fragen? Das TM - трансформируемый модуль - steht z.Z. für 2021 im Startkalender.

McPhönix

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3966 am: 23. Juni 2017, 14:34:31 »
Das ist mir schon klar, daß Astronaten hart im Nehmen sind. Allerdings werden Heutige auch nicht mehr mitspielen bei 17 Tagen Gemini. Weil man weiß, es ist gibt Besseres und ist in Arbeit. Aber hier gehts doch um Touristen. Es wird da auch so sein, daß man eine gewisse Härte in Kauf nimmt. Aber wenn hinterher erzählt wird "Ich wußte, daß es es schwer sein würde. Aber es war grauenhaft!" - ob dann noch weitere Anmeldungen für Sojus kommen ? Wie gesagt - Touristen.


Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3967 am: 23. Juni 2017, 14:42:56 »
Hallo,

Deinen erster Satz im vorherigen Post, jakda, hätte ich mir auch nicht verkneifen können, ein Dankeschön von mir.
Die Entwicklung der Sojus zielte definitiv Richtung Mondflug, und das vor 50 Jahren schon. Es sind schon einige verschiedene Möglichkeiten der Realisierung angegangen worden und definitiv möglich. Also etwas mehr Technikvertrauen, es gibt auch pfiffige Russen! Aber heute steht die Welt mehr auf Verschwörungstheorien... :)
"Die Gedanken sind frei" -Hoffmann von Fallersleben, 1842-

Offline Ldf

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3968 am: 23. Juni 2017, 23:33:10 »
Die Sojus 7K-L1 zum Mondumfliegen gab es bereits. Sie hatte, um mit der Proton gestartet werden zu können, keine Orbitalsektion, keine Reservefallschirme und wäre, falls Sie bemannt geflogen wäre, zweisitzig gewesen.

Einen Träger gibt es heute nicht dafür, da die damals verwendete 8K82K Proton K nicht für bemannte Starts zertifiziert (man rated) war. Vorgesehen war das einmal für die TKS-VA, wurde aber nie gemacht, weil die Proton dafür hätte modifiziert werden müssen. Dafür gab es keinen Grund, denn man hatte ja das Sojus-System. Die Proton-M wurde nie für bemannte Starts in Erwägung gezogen.

Das Konkurrenzmuster, LOK, ebenfalls für zwei Mann Besatzung, hatte eine Orbitalsektion und eine vergrößerte Gerätesektion. Dafür war die N1 erforderlich. Heute stände dafür kein Träger zur Verfügung.

Ein gegenüber der 7K-OK verstärktes Hitzeschild gab es für beide Mondflugvarianten. Es wurde sogar getestet im Sond-Programm. Vielleicht kann man das heute leichter bauen, als vor 50 Jahren, aber eine Freimasse für das TM kommt da nicht bei raus.

Begonnen hatte alles mit der Variante 7K-9K-11K, einer Sojus, einem Booster und drei Tankern. Das Ganze ist auch als Sojus A , B und W bekannt, wofür man fünf Sojus-Träger-Starts gebraucht hätte. Dieses Projekt kam über eine Studie nicht hinaus.

Fazit:
Die Sojus bekäme man modifiziert also irgendwie zum und um den Mond, denn dafür war sie ursprünglich gedacht, wenngleich auch alle Verbesserungen von den Mondflugvarianten wegführten, wie Jakda andeutet, denn der Mond stand nicht mehr auf dem Programm.  Es steht heute die selbe Frage wie damals: Mit welchem Träger?

Ich kann mir nicht vorstellen, daß die klammen Russen Geld in ein kommerzielles Mondprogramm mit Sojus stecken; als Mitnahmeeffekt ist das denkbar, es gibt aber das eigentliche Programm dazu nicht. Der Kreis, der das privat bezahlen kann und will ist um ein Vielfaches kleiner, als der für eine ISS-Touristenreise.  Der Touri-Flug zur ISS oder Mir war ein klassischer Mitnahmeeffekt, denn es gab ALLES, was man dazu braucht. Für den Flug um den Mond ist das nicht der Fall.

Ein kommerzieller Mondflug mit Sojus entfällt also und ein Roskosmos-Flug mit Sojus um den Mond macht keinen Sinn.
« Letzte Änderung: 24. Juni 2017, 00:56:53 von Ldf »

Offline Xerron

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3969 am: 24. Juni 2017, 10:13:34 »
Ich habe jetzt leider keine Quelle, aber ich meine mal gelesen zu haben, dass die Russen es wie folgt planen:

- 2 Touristen, die zwischen 120 -140 Millionen US$ / Kopf bezahlen (angeblich hat ein gewisser Regisseur schon gebucht und bezahlt)
- Start der Sojus von Baikonur in der Mondkonfiguration
- Start einer Proton mit einer zusätzlichen Beschleunigungsstufe
- Kopplung im Orbit von Sojus und der Beschleunigungsstufe
- Beschleunigung der Kapsel auf eine Freiflugbahn um den Mond
- Rückkehr und Landung

Ob sich das Rechnet (Startkosten usw.) kann ich nicht sagen. In Anbetracht der Wirtschaftssanktionen würde ich den Faktor Devisen nicht außen vor lassen, zumal die benötigte Technik in Rubel bezahlt wird und die Touristen in "harter" Währung zahlen.


Gruß Xerron

Offline Ldf

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3970 am: 24. Juni 2017, 10:59:57 »
Dann würden sich die Vorarbeiten wie folgt lesen:

Entwicklung der Sojus-Mondversion
Anpassung einer vorhandenen Beschleunigungsstufe (Block I?)
3 Testflüge

Bei Erfolg folgt die Vermarktung. Wieviel Bezahlte Flüge braucht man, damit sich das rechnet?

Offline Xerron

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3971 am: 25. Juni 2017, 13:26:12 »
Anpassung einer vorhandenen Beschleunigungsstufe (Block I?)

Soll wohl Block DM sein.

https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=3412.125

Der Link aus dem Forum, wo das schon mal diskutiert wurde. Es handelt sich wohl auch um ein Volumen von 300 mio US$

Gruß Xerron

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Offline HausD

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3972 am: 05. Juli 2017, 13:47:13 »

Offline dksk

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Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3973 am: 11. Juli 2017, 13:32:36 »
Russische Raumfahrt – Blick auf Raumfahrtindustrie durch einen allgemeinen Blick auf die arbeitende Bevölkerung und die Gesellschaft.

Gestern habe ich auf BR alpha ein Interview mit Wladimir Kaminer gesehen, wo es am Beispiel seiner Person um den Transformationsprozess ab dem Zusammenbruch der Sowjetunion ging.
U.a. hat er zum Schluss der Sendung eine Metapher über die Geheimnisse des russischen Kühlschranks benutzt, um von der alten Sowjetzeit in die aktuelle russische Gesellschaft zu springen.
Das hat mich an einen Artikel erinnert, den ich vor ein paar Wochen gelesen habe.

T. Wojewodina – Das Kind des Niedergangs

http://vineyardsaker.de/2017/06/13/t-wojewodina-das-kind-des-niedergangs/

Beim oder nach dem Lesen der ersten Zeilen könnte schnell der Verdacht aufkommen, dass das OT bezüglich russische Raumfahrt ist – ABER ca. in der Mitte des Textes wird darauf schon Bezug genommen.

Zitat:
„Ein Angestellter der Weltraumbranche gab vor kurzem zu: es ist nicht klar, was passieren soll, wenn die Alten sterben, welche noch etwas konnten.“

Dieser Satz bringt in vielerlei Hinsicht die Sache auf den Punkt. Der Text davor und danach zeichnet entsprechend einen Rahmen in dem das Thema eingebettet ist.
Worauf basiert denn die jetzige russische Raumfahrt?
Auf einer intellektuell – materiellen Basis, die in den 70er/80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gelegt wurde und die nun immer mehr ausgesogen wird. Natürlich gibt es zahlreiche NEUE PROJEKTE und ENTWICKLUNGEN. Aber die stellen nicht die tragende Säule, der Substanz dar, die jetzt in den letzten Zügen ausgesogen wird.
Wenn man von einer durchschnittlichen industriellen Lebensarbeitszeit von ca. 40 Jahren ausgeht, so wird klar, dass aktuell die letzte Generation des vorgenannten Zeitraumes im Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess begriffen ist und die junge Generation aus den 90ern  - nun in der Blüte des Arbeitslebens stehend – nachrückt. Das wäre ja eine ausgesprochen normale Situation. Nur, aus dieser 90er Generation haben sehr sehr viele Spezialisten das Land verlassen oder eine grundsätzlich andere insbesondere nichtindustrielle berufliche Laufbahn eingeschlagen, womit sie dem Fortbestand des Spezialistentums nicht zur Verfügung standen bzw. stehen.
Zur Raumfahrt gehört ja auch eine entsprechend breite industrielle Basis, die ich hier gleich mal um die Luftfahrtbranche und die allgemeine Hochtechnologie erweitern will.
Damit ist dann auch eine zugehörige kontinuierliche theoretisch-praktische (Aus)Bildung und Einbindung der neuen Generation gegeben. Interdisziplinäre Durchmischung, Querein- und Ausstieg mit Erfahrungstransfer etc. – also alles was eine ordentliche industrielle Basis ausmacht.
Daraus folgen dann ja erwartungsgemäß auch Produkte, die verkaufbar sind und zu denen es eine entsprechende Nachfrage gibt. Das bezieht sich auf einen allgemeinen Markt.
Die Raumfahrtbranche ist aber kein allgemeiner Markt. Sowohl in Angebot als auch Nachfrage kommen hier starke (nationale oder politische) Monopolisierungen zum Tragen (was natürlich auch nichtrussische Raumfahrt betrifft).
Damit kann der „alte“ Bestand an Spezialisten noch in Lohn und Brot gehalten werden und verliert seine Fähigkeiten nicht zu schnell. 
--
Es gab und gibt ja auch auf anderen Gebieten immer mal wieder Strukturwandel/Deindustrialisierung etc. und das auch in anderen Ländern. Unmittelbar geht da natürlich viel verloren. Erfolg haben regelmäßig Regionen oder Gesellschaften, die das intellektuell/industrielle Potential frühzeitig und vor allem kontinuierlich in Alternativen bringen. D.h. die Leute nicht nur persönlich für ihr Schicksal verantwortlich machen und motivieren jetzt ihr neues Glück zu suchen, sondern wo durchaus „von oben“ Strukturen geschaffen werden, da etwas zu kompensieren. Über den nicht so hohen Wirkungsgrad solcher Aktionen bin ich mir auch im Klaren. Aber damit wird erst mal eine Richtung vorgegeben und so mancher zum Glück gezwungen.
Die russische Raumfahrt befindet sich aus meiner Sicht in einem sehr starken Strukturwandel auf allen Ebenen. Bisher ist da noch was bei rausgekommen – aber die Luft bezüglich Projektrealisierbarkeit wird dünner.
Bei der Gesamtbetrachtung und z.B. Bewertung der aktuellen und zukünftigen Projektrealisierungsfähigkeiten sollte man auch die „relative Schwäche“ der ESA und Nasa sehen.
Wie meine ich das? Zum Beispiel: Russland ist ja z.Z. Hauptauftragnehmer für Personentransporte ins All und zurück. Diese Situation hat sich durch eine „relative Schwäche“ der westlichen Vertragspartner ergeben. Die relative Schwäche ist an dieser Stelle natürlich auch durch die westliche Überlegung und Option, diese Leistung outsourcen zu können und damit aus ihrer Sicht Vorteile zu generieren, gefördert worden. Diese Betrachtung ergibt sich u.a. auch aus dem Vergleich der geplanten Projekte und „Zukunft“ von ESA und Nasa aus dem wie o.g. Vergleichszeitraum der 80er Jahre. D.h. theoretisch könnten die das natürlich – es gibt aber praktische Gründe warum sie das nicht machen („Fertigungstiefe“).
Das Ganze kann man auch am Aufbau und Betrieb der ISS sehen.
Als vor 2-3 Jahren sehr konkrete Diskussionen über das Ende des Weiterbetriebs der ISS bzw. russische Alternativen (eigene Station) anfingen, wurde damit auch offensichtlich, dass es da aus meiner Sicht keine realistische Planung gibt. Ich meine das im Sinne einer Generalstrategie, die dann Top – Down in Einzelprojekte runtergebrochen wird. Raumschiffe, Module, Unterstützungssatelliten und nicht zuletzt Trägerraketen und ihre Startplätze.
Natürlich ist auf jedem dieser Einzelgebiete was im Gange. Aber die Verschieberittis ist da auch am Wachsen. Träger wechseln bzw. deren Nutzlasten. Hersteller oder Verantwortlichkeiten sind parallel vergeben oder nicht so richtig…
Wollte man nun warten, bis sich ein klares Bild ergibt, wäre der Zug endgültig abgefahren. So werden immer mal kleine und große Aufträge vergeben um grundsätzlich in die Zukunft zu arbeiten. Das ist auch wichtig, denn damit komme ich wieder auf die intellektuell/materielle Basis zurück: sonst würde da noch mehr verloren gehen.
Weiter lässt sich der Bogen auch zur Mond- und Planetenforschung spannen. Ohne nennenswerte westliche Kooperation gibt es da denke ich gar keine Projekte mehr.
In den nächsten 10 Jahren müsste dann ein vollständiger Generationswechsel von industriellem und Betriebspersonal, Träger (R7, Proton), Raumschiffen und Startplätzen erfolgen. Das kann Dimensionen annehmen, die einem kompletten Neuaufbau der russischen Raumfahrt entsprechen.
Und das kostet Geld, Zeit und menschliche Anstrengungen.  Und das Ganze unter den aktuell gegebenen gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen! (Die Flankierung durch die beiden ökonomischen Randbedingungen Ölpreis und Korruption nenne ich hiermit, gehe aber nicht weiter darauf ein.)
Frage: Kennt jemand eine russische Person oder Gruppe, die hier als Visionär oder Führungskraft das vorantreiben sollen? Mir fällt Niemand ein.
Ein nationale Vision oder Aufbauwerk, mit der Einzelinteressen kanalisiert und auf eine gemeinsame Hauptrichtung gebracht werden können sind nicht mehr zu erwarten.
Damit ziehe ich eine nicht gerade positive Bilanz – entspricht aber meiner aktuellen Sichtweise und der o.g. Artikel setzt das in einen aktuellen gesellschaftlichen Zusammenhang.

dksk

Wilga35

  • Gast
Re: Russische Raumfahrt
« Antwort #3974 am: 31. Juli 2017, 10:17:18 »
Bei Gerhard Kowalski finden sich Neuigkeiten zu Baikonur, Wostotschny und dem Federazija-Raumschiff:

http://www.gerhardkowalski.com/?p=14362

Danach geht der bisherige Zenit-Startplatz 45L zum 01. Januar 2018 in kasachischen Besitz über. Der Startplatz soll in der Folge im Rahmen des Baiterek-Projekts für die neue russische Mittelklasseträgerrakete Sojus-5 umgebaut werden, mit der dann ab dem Jahre 2022 die neuen Federazija-Raumschiffe gestartet werden sollen.
In Wostotschny soll nach dem Willen Putins ab Ende der 2020er Jahre eine neue Superrakete für Mond- und Marsmissionen abheben, für die eine neue Mehrzweckrampe errichtet wird. Von dieser Startrampe könnte dann auch der Sojus-5-Träger mit dem Federazija-Raumschiff starten, mit dem sich vier Kosmonauten zum Mond und bis zu sechs Kosmonauten in einen erdnahen Orbit transportieren lassen.
Sehr ehrgeizige Ziele also. Mal sehen, was davon dann tatsächlich verwirklicht wird. Alles wird wohl davon abhängen, inwieweit sich diese Pläne auch finanziell verwirklichen lassen!