Das das sowjetische Marsprogramm ein Desaster war? Zweifellos - wer wollte das bestreiten? Nur dieses Desaster anhand eines Vergleiches mit dem amerikanischen Marsprogramm aufzuzeigen - wie du das getan hast - ist aus genau den Gründen unlogisch die ich genannt habe.
Logisch ist es dagegen die Ursachen des Scheiterns gemessen an den Anforderungen der Missionen zu beurteilen - genau wie ich es im letzten Absatz getan habe: unzuverlässige Träger, misserable Microelektronik - und bestimmt noch einige andere Details. Auf dieser Grundlage kann man dann die heutigen Chancen eines russischen Marsprogramms bewerten. Der Vergleich den du angestrengt hast ist dagegen dazu nicht in der Lage.
Wir können den Vergleich auch gerne anders machen:
Marsmissionen der 60er, 70er und 80er Jahre:
18 russische Missionen, davon ledigleich eine erfolgreich. 8 amerikanische Missionen, davon 6 erfolgreich. Sieht nicht viel besser aus.
Grundsätzlich gilt es zu bedenken: Die Vorraussetzungen sind für alle gleich. In den 60ern hatten die USA genau so mit unzuverlässigen Trägern zu kämpfen wie die Russen (3 von 10 Mariner Sonden scheiterten beim Start, 3 von 9 Ranger Sonden gingen beim Start verloren, 4 von 4 Pioneer P Sonden scheiterten beim Start). Auch elektronische Defekte waren zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich (3 Ranger Sonden scheiterten deswegen). Von daher sehe ich keine Probleme dabei, das russische und das amerikanische Marsprogramm direkt zu vergleichen.
Das die sowjetischen Sonden den US Sonden unterlegen waren, war nicht Ursache ihres Scheiterns. Die elektronishe Ausrüstung war nicht nur relativ zur USA schlechter - was alleine ja noch nichts darüber aussagt ob sie ausreichend gut ist - sondern auch relativ zur Mission unzureichend, also nicht in der Lage die nötigen Aufgaben zuverlässig zu erfüllen. DAS und nicht irgendein Schwanzvergleich zwischen kalten Kriegern ist Ursache des Scheiterns gewesen.
Sehen wir doch mal genau nach: Mars 4 bis Mars 7, ein sehr ambitioniertes Programm mit 2 Orbitern und 2 Landern, scheiterte, weil die Elektronik ausfiel. Ursache war Korrosion von Kontakten. Es war aber schon 4 Monate vor dem Start bekannt, das die Chance, das die Sonden den Mars erreichen würden, bei nur 50:50 lagen. Anstatt den Start zu verschieben und neue, einwandfreie Bauteile einzubauen, wurden die Sonden dennoch gestartet. Der Grund war einzig und allein, das man damit hoffte, dem amerikanischen Viking Programm zuvorzukommen (das im nächsten Startfenster, also 2 jahre später starten sollte). Man hat also das ganze Programm mit Absicht gegen die Wand gefahren, nur wegen der dünnen Hoffnung, Viking zuvor zu kommen. Wenn das kein Schwanzvergleich zwischen kalten Kriegern war...
Bestärkt werde ich in meinem Optimismus durch die Tatsache das das ganze Raumfahrtprogramm Russlands vor Kontinuität nur so strotzt. Da ist kaum ein Satellit, kaum eine Sonde, eine Rakete, ein Raumschiff dessen Entwicklung man nicht zu den Anfängen der Raumfahrt selbst zurück verfolgen kann. Fobus-Grunt zum Beispiel ist der direkte Nachfolger von Fobos 1 und Fobos 2 aus den 80ern sowie der gescheiterten Mars96 Mission. Die Ähnlichkeiten sind frapierend!
Sorry, aber da hab ich irgendwie das Gefühl, du hast dich nie ernsthaft mit der russischen Raumfahrt befasst. Besonders in den 60er Jahren gab es keine Kontinuität, da war die russische Raumfahrt ausschließlich auf Erstleistungen ausgerichtet. Kaum war die Erstleistung erbracht, wurden die Projekte eingestellt (Woschod, Bilder der Mondrückeite, weiche Mondlandung) und neue Projekte für weitere Erstleistungen gestartet. Eine evolutionäre Weiterentwicklung der Sonden gab es lediglich bei den Venusmissionen sowie bei bei den Mondmissionen nach 69 sowie den Marsmissionen nach 75. Nachrichtensatelliten oder Forschungssatelliten wurden in den 60ern von russischer Seite kaum gestartet, die gesamte Raumfahrt diente zu dieser zeit ausschließlich politischen Zwecken und sollte die Überlegenheit des kommunistischen Systems demonstieren. Das änderte sich erst ab Mitte der 70er Jahre, wobei ab diesem Zeitpunkt die unbemannten Programme zugunsten der Salut Stationen stark zurückgefahren wurden.
Das man heute noch die alten Träger aus den 60er Jahren nutzt, ist in meinen Augen kein Zeichen von Kontinuität, sondern lediglich eine Notlösung aufgrund fehlender Mittel. Speziell die Proton mit ihren hochgiftigen Treibstoffen und ihrer nur mittelmäßigen Zuverlässigkeit sollte aus Umweltschutzgründen eigentlich längst obsolet sein. Sowohl Amerianer als auch Europäer haben ähnliche Träger (Titan 4, Ariane 4) längst außer Dienst gestellt, auch in Russland laufen die Entwicklungsarbeiten an der Angara, die die Proton ersetzen soll. Allerdings gehen diese Arbeiten langsamer vorran als es zu wünschen wäre, woran vor allem die fehlenden Mittel Schuld sind.