@rok, Deinen Ausführungen stimme ich 100% zu. So schätze ich das auch ein.
Ich habe nun nochmal den langen Beitrag von MH-Space zu Brutreaktoren gelesen. Da ich nicht weiß, ob er momentan mitliest - auf die Sache mit der Zirkulation gab es ja auch keine Antwort mehr -, vielleicht hast auch du ja Hintergrundwissen, um das Folgende einzuschätzen:
Bevor ich wieder Fachbegriffe falsch verstehe und mir das vorgeworfen wird, bitte ich um Erklärungen - wie Mojschele schrieb, dies ist ein Raumfahrtforum, daher dürfte wohl kaum jemand direkt etwas damit anfangen können:
Dann bitte ich aber im Gegenzug auch dich, dich mit deinen doch sehr abwertenden Kommentaren gegenüber der Nukleartechnik zurückzuhalten, wenn du die Zusammenhänge bzw. nuklearen Prozesse noch nicht ganz verstehst. Ist ein Geben und Nehmen...
Ich stehe der Atomenergie kritisch gegenüber; das ist meine Meinung und die werde ich auch weiterhin äußern. Das ist nicht abwertend, nur kritisch. Wenn Du das persönlich nimmst, tut mir das leid. Aber das eine ist eine sachliche Ebene, das andere nicht. Bitte halte das auseinander.
Vielen Dank für die sehr ausführlichen Erklärungen zu Brutreaktoren. Das war schon deutlich mehr als ich ursprünglich wissen wollte, aber sehr interessant. Allerdings habe ich den Eindruck, wir reden etwas aneinander vorbei; ich wollte nur ein paar Verständnisprobleme hinterfragen, warum ein Brutreaktor gegenüber allen anderen Möglichkeiten in deinen Augen einen so großen Vorteil haben sollte, und das ist noch nicht so recht geklärt.
Ich gehe daher im Folgenden nochmal drauf ein und freue mich über Klarstellungen.
Transmutation - macht das ein Brutreaktor nicht sowieso?
Das ist seine Hauptaufgabe, also bestimmte Isotope wie U238 durch Neutronenbestrahlung im Brutmantel ....
Ok, dann meintest du offenbar mit "Möglichkeit zur Transmutation" eigentlich "Möglichkeit für spezielle Transmutationen über die ohnehin stattfindenden hinaus".
Aber ein Brutreaktor kann ... auch die Transmutation der langlebigen Spaltprodukte wie v.a. Cäsium137 und Strontium90 durch Neutronenbestrahlung zu letztlich stabilen und damit nicht mehr strahlenden Isotopen, die dann wieder der Wertstoffkreislauf einer Mondbasis zugeführt werden können. Und besonders eine Mondbasis muss einen sehr effektiven und geschlossenen Wertstoffkreislauf haben.
Meinem Verständnis nach ja. Aber aus dem strahlenden Gemisch, das so ein Reaktor erzeugt, hochreine nichtstrahlende "Wertstoffe" zur Verwendung
in der Basis zu gewinnen, erfordert einen immens hohen Aufwand an komplizierten Reinigungsschritten und großtechnische Anlagen. Das geht schon auf der Erde kaum und dürfte auf dem Mond auf Jahrzehnte hinaus unmöglich und wahrscheinlich auch völlig ineffizient sein. Ein Brutreaktor ist ja kein Replikator, der auf Zuruf eine verwendbare Substanz herstellt. Mit weit weniger Aufwand gewinnt man Rohstoffe auf anderem Wege, auch und gerade wenn man so viel Energie zur Verfügung hat.
Wie erzeuge ich mit einem Brutreaktor Düngemittel? Vor allem nichtstrahlende.
Nicht direkt mit dem Reaktor bzw. nicht in ihm sondern mit dem dabei effizient, günstig und jederzeit verfügbaren erzeugten Strom
Das ist nun aber kein prinzipieller Vorteil des Brutreaktors gegenüber anderen Reaktoren oder Solar. Ich dachte, darum ginge es dir.
Ich sehe auch auf absehbare Zeit keinen Bedarf an zusätzlich chemisch gewonnenen Düngemitteln auf dem Mond. Eben weil eine autarke Station alles recyceln muss, werden auch alle organische Stoffe wiederverwendet, und die ergeben billiger und einfacher Dünger. Dünger ist mehr als Sticksoff, und selbst den könnten Leguminosen und einige Bakterien ohnehin problemlos aus Luftstickstoff gewinnen. Haber-Bosch wird wohl kaum benötigt, aber selbst wenn, dafür wäre genug Energie da auch ohne Reaktor.
Was genau ist "klassisches Plasmarecycling von Abfällen"?
Beim klassischen Plasmarecycling bzw. genauer gesagt die Plasmavergasung werden Abfälle durch eine superheiße Flamme (bis zu 17.000 °C) in Synthesegas ... Die organischen Bestandteile zerfallen also vollständig und das Synthesegas (verschiedene Gasae) dient als Rohstoff für neue Produkte.
Also auch hier kein prinzipieller Vorteil eines Brutreaktors.
Und bedingt erneut eine großtechnische Anlage; im Prinzip eine ganze Raffinerie bzw. Chemiefabrik, die für eine Mondbasis sehr lange nicht in Reichweite sein dürfte.
Ist ja auch streng genommen kein Recycling, sondern radikales Downcycling bis zu einfachsten Molekülen, die dann erst wieder der Synthese zugeführt werden müssen. Extrem aufwendig.
Und warum kann das ein Brutreaktor besser als ein anderer Reaktortortyp oder eine ganz andere Energiequelle?
Ein Brutreaktor ist also nicht nur effizenter und hat geringere Gestehungskosten als herkömmliche Leichtwasserreaktoren sondern kann durch seine Fähigkeit zur Transmutation durch Neutronenbeschuss eben auch das Problem der Endlagerung beseitigen, eben weil es bei entsprechender Transmutation der langlebigen Spaltprodukte nicht mehr gibt, was man auf Grund seiner langen Halbwertszeit lange lagern müsste.
Ob er effizienter und billiger ist, erst recht als Mondreaktor, dürfte mangels Erfahrungswerten nicht raus sein, und ich würde es auch bezweifeln.
Auch die besten Transmutations-Ideen, die es für irdische Anwendungen gibt, sind nie völlig abfallfrei. Nichts davon ist bisher technisch demonstriert oder auch nur ansatzweise kurzfristig machbar. Die vorgeschlagenen Anlagen auf der Erde sind mWn alle mindestens in der Größe eines klassischen AKWs, alles andere als wartungsfrei und nicht ohne zig weitere externe Anlagen und hohen logistischen Aufwand zu betreiben. Wie soll man das in ein paar Container verpacken und zum Mond bekommen, vom Aufbau ganz abgesehen?
Als ultrakompakter Minireaktor für den Transport zum und Betrieb auf dem Mond ist sowas sicher noch über Jahrzehnte völlig illusorisch.
Letztlich bestätigt mich das nur darin, dass ein hypothetischer Brutreaktor auf dem Mond für eine der ersten Stationen wenig bis keine Vorteile besitzt, die nicht anders und mit deutlich weniger Aufwand erreicht werden könnten.
Wenn überhaupt: ein Schmelzsalzreaktor, der ist kompakt, wartungsfrei, ohne aktive Kühlung und druckfrei. Besser: gar kein Reaktor.
Noch besser, gar keiner, denn Kernkraft durch Spaltung ist nur "Dampfmaschine mit Radioaktivität". Ich hoffe, wir überwinden das.