Sojus Montage Details

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McPhönix

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Sojus Montage Details
« am: 22. April 2020, 15:26:47 »
Ich wollt ja keinen extra Thread aufmachen, aber ich habe keinen gefunden, wo es nur um die Sojus als reines Arbeitsobjekt geht.

Deshalb hier mal zwei unspektakuläre Fragen:
1)
Ist das eigentlich immernoch so, daß als Kranfahrer bevorzugt Frauen eingesetzt werden, weil sie feinfühliger und vorausschauender sind beim Steuern? Oder wird heute generell "von unten" gesteuert?
Nebenfrage - gab es schon mal Fälle, wo man mit den Pendelseilen wirklich Schaden verhüten konnte?

2)
Immer wenn ich diese beeindruckenden Montagetürme sehe, frage ich mich -
wozu diese vielen Bühnen, gibts denn überhaupt soviel an der stehenden Sojus zu befummeln ?
( sollte / dürfte ja eigentlich nicht sein, denke ich )
Soviel Luken / Kontakte / Schläuche etc. gibts doch da nicht mehr ?

Hatte das früher einen Sinn? Ok, es gab ja früher Größenunterschiede, aber in dem Ausmaß ?

~~~~~~~~~~

Vlt noch eine nicht ganz ernste Frage :)

Könnten alle amerikanischen Raketen, was Temperaturdifferenzen, Ausdehnungskoeffizienten etc. betrifft einfach so  cum praesto auch in Russland starten ?





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Offline HausD

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #1 am: 22. April 2020, 22:53:34 »
Ich wollt ja keinen extra Thread aufmachen, aber ich habe keinen gefunden, wo es nur um die Sojus als reines Arbeitsobjekt geht.
...soll heißen: Die Sojus von Anfang bis Ende?
Da bezweifle ich, dass das gehen wird ...

Versuchen wir es mal mit den hier gestellten Fragen:
Deshalb hier mal zwei unspektakuläre Fragen:
1)
Ist das eigentlich immernoch so, daß als Kranfahrer bevorzugt Frauen eingesetzt werden, weil sie feinfühliger und vorausschauender sind beim Steuern?
Offenbar ja ...
Oder wird heute generell "von unten" gesteuert?
Die Hallenkräne können nach Bauart sowohl nur per Fernsteuerung als auch , wenn mit Kabine versehen (wie im Technikkomplex MIK-RN) von der Kabine aus direkt und im Bedarfsfall per Fernsteuerung vom Hallenboden aus gesteuert werden.
In Baikonur gibt es beide Arten Kräne, mit und ohne Kabine.
Nebenfrage - gab es schon mal Fälle, wo man mit den Pendelseilen wirklich Schaden verhüten konnte?
Nebenantwort dazu, lange an einem Anschlagpunkt gehängte Objekte haben schon seit Urzeiten in der Praxis Führungsseile erhalten, was allemal besser ist als eine Hallenkonstruktion mit Allem und Jedem das drin ist zu demolieren.

2)
Immer wenn ich diese beeindruckenden Montagetürme sehe, frage ich mich -
wozu diese vielen Bühnen, gibts denn überhaupt soviel an der stehenden Sojus zu befummeln ?
( sollte / dürfte ja eigentlich nicht sein, denke ich )
Zunächst: Dort fummelt niemand - das ist nicht lustig...
Die Frage nach den Bühnen kannst du dir selbst beantworten, wenn du dir ansiehst, wieviele Zuleitungen für alle Treibstoffe, alle Gase, alle Elektroenergie und Kommunikationsverbindungen (du kennst doch Avionik recht genau...) sowie Be- und Entlüftungen an den jeweiligen Arbeitsplattformen an und um die Rakete während der Startvorbereitung und dem Start geführt werden müssen. Nebenbei: es muss auch für die Sicherheit der Arbeiter auf den einzelnen Etagen gesorgt sein.


3 Etagen im "Keller", 1 ebenerdig, 1 Etage auf der Tulpe, 8 Etagen auf den Serviceturmhälften

Soviel Luken / Kontakte / Schläuche etc. gibts doch da nicht mehr ?
Oh, da gibt es genügend, rote Bänder, rote Deckel, rote Halterungen ... das alles muss bearbeitet, verbunden, entfernt usw, werden und jede Aktion dazu muss dokumentiert sein.
Es sind halt keine Sylvesterraketchen ...


 Im  "Keller" und  rote Bänder, rote Deckel, rote Halterungen

Hatte das früher einen Sinn? Ok, es gab ja früher Größenunterschiede, aber in dem Ausmaß ?
Angefangen hat es so, wie mir mein Prof. für Regelungstechnik mal sagte: Auf dem Startplatz waren die Bunker 10x stärker als im Zielgebiet. Auch so ist die Infrastruktur der Startanlagen gewachsen und ist sicherer für die Startvorbereiter geworden.

Wenn du noch etwas zu der Sojus 2  wissen möchtest, kann ich das im Netz verfügbare Handbuch empfehlen: Soyuz-Users-Manual-March-2012.pdf (von der ESA, in der Ausführung für Kourou).

Zum Startplatz der Sojus 2 habe ich im Forum vor Jahren einmal eine Reihe von Grundrissen und Schnitten des Bauwerks vom Pl. 31 / Starteinrichtung 6 (also bis auf kleine Änderungen der aktuellen Anlage) gezeigt und beschrieben...

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Vlt noch eine nicht ganz ernste Frage :)
Könnten alle amerikanischen Raketen, was Temperaturdifferenzen, Ausdehnungskoeffizienten etc. betrifft einfach so  cum praesto auch in Russland starten ?
cum praesto sagt es, quae est conditio ...

Salute, ... et flexibilitas, HausD

Offline Ijon

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #2 am: 22. April 2020, 23:40:34 »
Die Türme sind ja auch nicht ganz so neu, vielleicht brauchte man vor 20 oder 40 Jahren mehr Plattformen als Heute. Sagt aber, lieber eine Plattform mehr die ich nicht brauche, als das eine fehlt.
Nebenfrage: wie lange dauert es,  bis die Rampe nach einem Start wieder benutzt werden kann?
Sie können sich noch so beeilen – es wird nicht früher.
Prof Lesch in alpha Centauri: Was macht die Zeit wenn sie vergeht?

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Offline HausD

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #3 am: 23. April 2020, 07:51:02 »
Erster Serviceturm auf Schienen

Die ersten Versionen von Arbeitsplattformen für die R-7 waren fahrbar und aufschwenkbar, einem (Auto-)Kran mit einem Korb ähnlich.

Als für Baikonur der Startplatz mit Bahnbetrieb geplant wurde, kam ein entsprechender Bahnwagen auf, der das Arbeiten an der bald kompliziert werdenden Nutzlast und der darunterliegenden Trägerrakete (Betankung mit LOX, Avionik) ermöglichte.


Skizze des schienengebundenen Servicewagen mit Arbeitsbühne (1)       Grafik: Archiv HausD

Gruß, bleibt gesund und locker, aber auch diszipliniert, HausD

Re: Sojus Montage Details
« Antwort #4 am: 23. April 2020, 09:22:55 »
Nebenfrage: wie lange dauert es,  bis die Rampe nach einem Start wieder benutzt werden kann?

Das ist 1961 schon demonstriert worden (auf Rampe PU-6, der Rampe, die heute noch benutzt wird und den (wahrscheinlich, es gibt wiedersprüchliche Angaben und Fotonachweise mit den Startsternen) 400 Start mit der Sojus-MS 16 erlebte.
Der erste Start war morgens um 04:00 Uhr (UT) und der zweite am selben Tag dann 20:20 Uhr (auch UT), also nach 16 Stunden. Es waren militärische R-7, mit Sprengkopf(attrappe). Kontrollstarts der 60er Produktionsmuster der 8K74, Nummern L2-4 und L2-2.
Ein Rekord, der so wohl für ewig Bestand haben wird (für eine solch große Rakete).
Ich glaube, diese Nummer wurde später nochmals wiederholt, müsste das Datum aber suchen...
"Die Gedanken sind frei" -Hoffmann von Fallersleben, 1842-

McPhönix

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #5 am: 23. April 2020, 11:35:27 »
@@@ Danke für die Infos

@HausD -
Zitat
...soll heißen: Die Sojus von Anfang bis Ende?
Wie kommst Du darauf? So unbescheiden bin ich nicht.

Zitat
Nebenantwort dazu, lange an einem Anschlagpunkt gehängte Objekte haben schon seit Urzeiten in der Praxis Führungsseile erhalten, was allemal besser ist als eine Hallenkonstruktion mit Allem und Jedem das drin ist zu demolieren.
Das ist mir doch klar, ich dachte nur es gäbe mal zufällig eine Erwähnung, wo so ein Seil eine Rolle spielt.

Das Bild mit dem vielen Rot und auch andere mit solchen Details hatte ich noch nicht gesehen. Oder nicht gefunden, es ist verdammt schwer bei den vielen Threads. Aber daß da so sehr Vieles zu tun bleibt hätte ich nicht gedacht, im Vergleich mit anderen Raketen, wenn sie stehen.

Was das fummeln betrifft, ich kann Dir versichern , daß das nicht abwertend gemeint ist. Notfalls lasse ich das notariell beglaubigen ;)
Aber aus meinen anderen Beiträgen zu russ. Raketen sollte das auch so klar sein, daß ich da nix abwerte.

Danke für die Info zu dem Handbuch. Mal reinschaun...

Das historische Bild ist ja interessant. Aber die jetzigen klappbaren Arbeitsbühnen werden wohl so bleiben bis Ultimo. Auch wenn man in Kourou wieder einen mobilen Startturm verwendet, ist es ja eine Frage von Aufwand und Nutzen. Never touch....

@Ijon @8k8 - 16 Stunden, das ist schon erstaunlich. Ok, man kann das freilich nicht mit heute vergleichen. Da ist ja doch eine viel größere Komplexität vorhanden. Aber als Info mal interessant und ausreichend.

Offline Ijon

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #6 am: 23. April 2020, 13:45:23 »
16 Stunden; da kann ich nur sagen mächtig gewaltig, und tief den Hut ziehen. So einfach ist das wohl bestimmt nicht. Auch wenn es so gemacht wird/wurde.
Sie können sich noch so beeilen – es wird nicht früher.
Prof Lesch in alpha Centauri: Was macht die Zeit wenn sie vergeht?

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Offline HausD

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #7 am: 23. April 2020, 14:01:53 »
@@@ Danke für die Infos
Aber gerne, auch wenn das Suchen unbezahlbar ist ...  :)
Die Frage ...soll heißen: Die Sojus von Anfang bis Ende?... war "eben auch nur ne Frage" ... Um so besser, dass du bescheiden bist.
Das Bild mit dem vielen Rot und auch andere mit solchen Details hatte ich noch nicht gesehen. Oder nicht gefunden, es ist verdammt schwer bei den vielen Threads. Aber daß da so sehr Vieles zu tun bleibt hätte ich nicht gedacht, im Vergleich mit anderen Raketen, wenn sie stehen.
Diese und ähnliche Arbeiten werden bei einer Groß-Rakete mit Flüssigtreibstoffen und mit Druckgasen wohl immer gemacht werden müssen. Es braucht aber nicht zeitlich und örtlich genauso ablaufen wie bei der Sojus-Familie.

Zum ... fummeln ... ich habe schlicht und einfach etwas gegen den Begriff bei einer ernsthaften Arbeit, auch wenn er nicht abwertend gemeint war. Dabei geht es mir nicht um eine besondere Gruppe oder Völkerschaft, ...
Nur an einer Stelle brauche ich es gerne - ein zartes, zerbrechliches Gebäck aus der Region, das heute noch mit viel Geschick hergestellt wird - der Meissner Fummel ... :D

Das historische Bild ist ja interessant. ... Auch wenn man in Kourou wieder einen mobilen Startturm verwendet, ist es ja eine Frage von Aufwand und Nutzen. Never touch...
Die Sojus in Wostotschny haben auch einen  mobilen Serviceturm, der aber in beiden Fällen beim Start weggefahren wird, da er nur der Startvorbereitung dient.
Es wird also für die Sojus, -1, -2 ev. auch für die -5 und 6  bei einer ähnlichen Konfiguration der Starteinrichtungen bleiben.

 Auch an @Ijon  und @8k8...(Rakete54) - hier noch ein Bild aus meinem Archiv:

Das ist die Starteinrichtung mit Tulpe, E- und Tankmast sowie Service"Kran" auf Pl.31      Bild: Archiv HausD

Auf diesem Bild erkennt man schön die damals zu erreichenden überirdischen Stellen an der R-7 als Vorläufer der Molnja und Sojus-Raketen.

Grüße, bleibt gesund und locker, aber auch diszipliniert, HausD

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Offline max-q

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #8 am: 24. April 2020, 11:32:41 »
@HausD:
Weißt Du, wie lange dieser mobile Servicewagen mit dem Zugang für die Oberstufe/Nutzlastverkleidung im Einsatz war? Es gibt ja nur sehr wenige Fotos aus der Frühzeit von Baikonur. Dein Archivfoto kannte ich auch noch nicht und die Zeichnung nur in schlechter Qualität. Den schienengebundenen Serviceturm habe ich bisher nur auf einer Handvoll Foto der Woschod gesehen. Davor und danach nicht. Dann müsste mit der Sojus auch die heutige Konstruktion eingeführt worden sein. Vlt. lässt sich das ja mit einer Rekonstruktionsperiode der beiden Startkomplexe in Übereinstimmung bringen?
Geschichte und Geschichten aus sechseinhalb Jahrzehnten Raumfahrt:
http://www.raumfahrtkalender.de

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Offline HausD

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #9 am: 24. April 2020, 14:24:44 »
Hallo maxq,
Weißt Du, wie lange dieser mobile Servicewagen mit dem Zugang für die Oberstufe/Nutzlastverkleidung im Einsatz war? ...
Leider gar nicht ... das einzige, was ich den wenigen Bildern entnehmen konnte, war nur, dass die KfZ-Service"kran"wagen auf dem Versuchsgelände von Kapustin Jar in Anwendung waren.           

Beste Grüße , bleib gesund und diszipliniert, HausD                                                             

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Online roger50

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #10 am: 24. April 2020, 21:25:14 »
Danke, HausD, für das obige Foto, kannte ich auch noch nicht.

Eines aber irritiert mich ein wenig:
Wenn ich mir den Abstand zwischen Boden und Tulpen ansehe und ihn mit dem darüber liegenden Abstand zwischen Tulpen und dem Serviceturm vergleiche, dann wirkt letzterer sehr viel kürzer und zu kurz, für z.B. eine Wostok oder die R-7 mit Blok-E Oberstufe.

Könnte dieser Service Kran noch für die R-7 ICBM gebaut worden sein?

Fragend
roger50

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Offline HausD

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #11 am: 28. April 2020, 22:06:16 »
R7 und Molnja-Versionen der Service-Türme

...Könnte dieser Service Kran noch für die R-7 ICBM gebaut worden sein?
Fragend   roger50
Ein kleines Bild mit einer R7 auf dem Startplatz bei der Betankung habe ich auch noch gefunden.
Es stammt aus einer Zeitung, man kann das Druckraster noch auf dem Bild erkennen, aber es sind auch die Tulpen -Arme und die beiden Servicegerüstteile mit den Arbeitsplattformen erkennbar.


Betankung der R7                  Bild: Archiv HausD

Auf dem folgenden Bild sieht man die Version mit dem Serviceturm für die Oberstufe und Nutzlast, auf dem auch der Aufzug für Personen enthalten ist. Dessen Abspannung kann man links vom Turmgerüst auch erkennen.

Darunter sind noch zwei Servicetürme, einer links von der Rakete und der zweite von der Rakete weitestgehend verdeckt, zu sehen. Sie tragen die Arbeitsplattformen für den Service an der 3. Stufe.

Die Arme der Tulpe zeigen, wo die Rakete eingehängt sind.


 
Eine (wahrscheinlich) Molnja-Version der Rakete auf dem Startplatz    Bild: Archiv HausD

Grüße, bleibt gesund und locker, aber auch diszipliniert, HausD

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Offline -eumel-

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Re: Sojus Montage Details
« Antwort #12 am: 05. Januar 2021, 01:58:11 »
Beiträge zur 3D Animation Sojus Startrampe wurden in den Modellbau Bereich verschoben:

https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=18423.0