Es wird wohl an der Zeit, dass man offiziell definiert, wann man welchen Status hat. Der Begriff "Astronaut" ist ja nicht wirklich geschützt. Ich halte die Ausbildung der beiden deutschen Kandidatinnen für noch nicht so weit gediegen, dass man sie als Astronautinnen bezeichnen dürfte. Zumindest die Grundausbildung sollten sie absolviert haben. Bevor es zur ISS geht, müssten doch auch noch einige Sicherheitsprozeduren geschult werden, oder? Ist das denn schon in irgendeiner Form durchlaufen worden? Sicherlich sind beide Kandidatinnen gut qualifiziert und als Astronautinnen geeignet. Von daher möchte ich beiden nicht die Qualifikation grundsätzlich absprechen.
Zur Aktion "Die Astronautin" als solches:
Meiner Meinung nach ist es schon richtig, dass junge Frauen/Mädchen Vorbilder brauchen. Ich denke, dass eine (deutsche) Astronautin somit einen Push für bestimmte Studiengänge bewirken könnte. Wenn es denn auch eine Astronautin ist, die ähnlich medienwirksam wie Alexander Gerst handelt. Das hätte für Deutschland positive Effekte. Solch ein Vorbild muss dann allerdings auch eine gewisse Echtheit aufweisen. So gut ich den grundsätzlichen Gedanken finde, eine deutsche Astronautin zu nominieren, so kritisch betrachte ich aber auch die Tatsache, dass dies nun mittels einer privaten Initiative geschehen soll, die sich ein Ticket erkauft. Ich stelle mir die Frage, welche Signalwirkung dies auf junge Frauen hat. "Du kannst alles schaffen, wenn Du jemanden findest, der Dir das bezahlst?"; "Du kannst das schaffen, aber nicht über den regulären Weg?"; "Du kannst das schaffen, auch wenn Du weniger zu bieten hast, als Deine männlichen Mitbewerber?"
Sicherlich haben die ausgewählten "Astronautinnen" das Zeug dazu, in den Weltraum zu fliegen. Dies hatten sicherlich aber alle letzten 100 Kandidaten im offiziellen Verfahren. Doch nur die allerbesten wurden genommen. Unter den letzten 20 befand sich zuletzt keine deutsche Frau mehr. Soll heißen, wenn die offiziellen Verfahren der ESA ausschließlich die besten Kandidaten und Kandidatinnen ermitteln wollen, wird es weiter sehr eng für deutsche Bewerberinnen bleiben. Ist das nun ungerecht? Nein, aus meiner Sicht nicht. Es ist aus meiner Sicht sehr gerecht, wenn es eine Frau nicht wird, weil ein männlicher Kandidat besser war. Oder umgekehrt: Warum will man einen männlichen Kandidaten benachteiligen, weil der keine Frau ist? Außerdem: Sind wir mal realistisch. Nur wenige Frauen haben ein Interesse an der Raumfahrt. Mal eine Zahl, die ich mir ausgedacht habe: Von den Raumfahrt-Interessierten sind gefühlt 20% weiblich, 80% männlich. Dementsprechend gehen Karrierewege auch andere Richtungen. Wenn am Ende nur wenige Frauen ihre Bewerbung in den Ring werfen auf einen Astronautinnen-Job, dann ist logisch, dass es auch nur sehr wenige gibt, die es schaffen.
Andererseits, und das habe ich weiter oben schon geschrieben, hätte eine deutsche Astronautin absolut Signalwirkung auf junge Frauen. Warum interessieren sich so wenige Frauen für Raumfahrt? Vielleicht liegt es eben an diesem Vorbild. Deshalb sehe ich das auch nicht als europäisches Problem an, sondern als deutsches. Wenn sich durch eine deutsche Astronautin mehr Frauen zur Wissenschaft berufen fühlten, wäre das ein wegweisendes Vorhaben. Auch wenn es wissenschaftlich egal sein sollte, ob nun eine Frau oder ein Mann die Arbeit auf der ISS ausführt, sehe ich einen Mehrwert für uns auf der Erde. Mir wäre allerdings viel wohler bei der Sache, wenn die erste deutsche Astronautin über ein offizielles Verfahren, ähnlich wie bei der NASA, ausgewählt würde. Die NASA schafft es ja auch, geeignete Kandidatinnen zu finden. Die Bewerber*innen-Situation wird in den USA ja nicht grundsätzlich anders sein, als in Deutschland (Vermutung). So wirkt doch alles sehr gekünstelt und sendet womöglich die falschen Signale.
Astronaut*in zu werden ist ein großes Privileg und verlangt wahnsinnig viele Opfer von den Beteiligten. Sie gehören zu den Besten der Besten. Hier geht es primär nicht um Gleichberechtigung der Geschlechter, sondern um Wissenschaft. Es geht um Durchhaltevermögen, Hingabe, Ehrgeiz, Perfektion. Ich mag mich täuschen und es soll jetzt bitte bitte nicht frauenfeindlich klingen: Dennoch entsteht, wenn man sich Deutschland und Astronautinnen anschaut, ganz oft der Eindruck, als würde es den Kandidatinnen an den für Astronaut*innen genannten Eigenschaften fehlen. Renate Brümmer und Heike Walpot, die ja fast die ersten deutschen Astronautinnen wurden (und damit wesentlich näher am Ziel waren, als unsere jetzigen Kandidatinnen), haben es vermutlich vorgemacht. Warum wurden denn die Männer bevorzugt? Ich gehe nicht von sexistischen Gründen aus, ich denke, es lag am Durchhaltevermögen, an der Einsatzbereitschaft (auch nur meine Vermutung!). Bei den jetzigen Kandidatinnen, so sehr sie sich vielleicht wünschen Astronautin zu werden, sehe ich das ähnlich. Es gehört einfach noch viel mehr dazu, als ein paar Trainings zu machen und auf eine Mitfluggelegenheit zu warten.