Es gab und gibt immer mal wieder Ankündigungen zu privaten Raumfahrtprojekten, bemannt und unbemannt. Dabei gab es auch immer wieder Diskussionen um die Umsetzbarkeit, die ich hier genauer diskutieren möchte, damit die einzelnen Projektthreads dadurch nicht ständig verstopft werden.
Kommen wir zum Thema...
Ich denke, dass diese groß angekündigten Projekte dem Bild der Raumfahrt durchaus Schaden können. Es werden immer wieder Projekte beschrieben, mit viel Lärm präsentiert und am Ende passiert nichts. Da kann es durchaus passieren, dass die Raumfahrt nicht mehr ernst genommen wird.
Vielmehr möchte ich den Personen hinter manchen Projekten unterstellen, dass es ihnen gar nicht um die Projekte an sich geht, sondern um Publicity, oder darum mit wichtigen Personen in Kontakt zu kommen. Wichtige Personen, an die sie sonst nie heran gekommen wären. Da geht es dann um ganz andere Projekte, solche mit Aussicht auf Erfolg, aber nur bedingt um Weltraumprojekte. Da muss ich sagen, das ist ja schön und nett, dass die Leute Geschäfte machen, nur mit Weltraum hat das am Ende dann nichts zu tun, und da verwende ich meine Freizeit lieber in dem ich andere Projekte verfolge.
Ich verstehe nicht ganz, warum insbesondere die jüngeren Junior-Mitglieder immer dermaßen kritisch bis hämisch jeglichem Ansatz gegenüberstehen, der die bemannte Raumfahrt aus der Agonie hervorbringen soll.
Auf Cocktail Parties lässt es sich leicht reden, wie man in 10 Jahren den Weltfrieden herstellt. Auch Powerpoint verleiht dem Benutzer magische Kräfte. Und in den Marketing und PR Abteilungen dieser Welt ist der Schein auch wichtiger als die Realität. Ich komme aus der technischen Ecke. Ich finde diverse Ankündigungen deren primäres Ziel es ist Aufmerksamkeit einzufangen, vor allem peinlich.
Ich möchte sagen, dass ich das Raumfahrer.net Forum gerade deshalb mag, weil es hier primär sachlich zugeht und Fakten diskutiert werden. Um so erstaunter bin ich, wenn dann einzelne unrealistische Visionen als realistisch gelobt werden.
Wenn man Raumfahrt-Fan ist
Ich sehe mich nicht als "Raumfahrt-Fan". "Interessierter Beobachter" trifft es wohl eher. Aber wenn ein Projekt auch nur den Hauch einer Chance hat, dann kann ich auch mal enthusiastisch werden.
Stattdessen trifft man hier immer wieder eine gewisse Lust am Niedergang.
Wenn ein Projekt wie Mars-One Beachtung bekommt, dann werden unrealistische Erwartungen in der Allgemeinbevölkerung gesetzt. Da will ich ganz ehrlich sein, ich hoffe nur, dieses Projekt geht möglichst schnell Schiffbruch, zumindest von der Medienpräsenz.
Hier nochmals meine Bewertugnen im Schnelldurchlauf, beginnend mit der schlechtesten Bewertung, danach aufsteigend.
Mars One:
Mit 6 Milliarden Euro wird eine Marskolonie gebaut. Finanziert wird das ganz durch.... man halte sich gut fest.... Werbeeinnahmen. Der Plan: Bei der Mondlandung haben mehr Zuschauer zugeschaut als bei jedem anderen Ereignis. Die Olympiade macht vor wie man Fehrnsehrechte für Großereignisse vermarktet. Man kombiniere Marskolonie und 1000 Kameras und fertig ist Mars-Brother.
Offensichtlich hat man nicht verstanden, was die Faszination der olympischen Spiele ausmacht. In Geschichte hat man auch nicht so aufgepasst, sonst wüsste man, wie viele Zuschauer es bei der zweiten, dritten, ... Mondlandung gab.
Ich hatte Mars-One schon damals vernichtend bewertet und das Bild scheint sich zu bestätigen. Das Konto von Mars-One konnte seit Bekanntgabe vor 9 Monaten etwa 55000 Euro Spendengelder einsammeln (siehe Homepage). Auch nur halbwegs vorzeigbare Partnerschaften konnten auch noch keine aufgebaut werden. Vertrauen sieht anders aus!
Ich gebe Mars-Brother das Einnahmenpotential von 100 Arte-Anktarktisdokumentationen. Und kurz danach werden die Teilnehmer gekündigt wegen schlechter Performance, die Lieferung von Essensrationen wird eingestellt. Wenn die Schiffbrüchigen Glück haben, dann spendiert die UNO oder China ein Bailout, natürlich zu Lasten der Steuerzahler. Vielleicht ist die Rückkehr zur Erde doch billiger, als die Leute weitere 50 Jahre durchzufüttern. Alles andere wäre zu peinlich in den Geschichtsbüchern.
Ich habe absolut kein Verständnis, wiso der Mars-One Thread in diesem Forum so lang wurde. Wenn BenutzerXY hier im Forum seinen persönlichen Plan zur Besiedlung des Sonnensystems niederschreiben würde, wäre der ähnlich realistisch..... möglicherweise sogar realistischer.
Inspiraton Mars:
Die Mission an sich ist toll, sie ist sogar irgendwie realistisch, aber mit einer wesentlichen Einschränkung. Bei dem Zeitplan kann ich einfach nur den Kopf schütteln. Warum peilt man nicht einen Start in der Mitte der 2020er Jahre an? Tito hat sicher ein paar Freunde, die noch ein paar Dollar beigeben werden. Nur wird es wohl eine Weile dauern, bis das Geld kommt. Man verschiebe das Zieldatum dieser Mission um etwa 10 Jahre, kümmere sich um weitere Sponsoren und ich würde es als sehr realistisch einschätzen. Dann hat man Zeit und Geld für die nötigen Tests und Forschungsarbeit. So kann ich aber nur mit den Schultern zucken und bin ratlos.
Deep Space Industies / Planetary Resources:
Es fällt mir schwer diese beiden Kandidaten zu bewerten, da beide mit Absicht keinen klaren Zeitplan genannt haben. DSI schreibt auch klar auf der Homepage, dass short-term erstmal wenig passieren wird. Planetary wiederum hat irgendwo auch mal gesagt, man will das ausprobieren und wenn sich die Annahmen als unrealistisch herausstellen, dann hört man eben wieder auf. Man sagt also nicht: Wir werden Asteoriden ausbeuten, sondern man sagt, wir schauen uns mal Asteoriden an, wir bauen einen Prototypen und danach rechnen wir mal, was da rauskommt.
Mein Pessimismus hier ist eher, dass das Ergebnis dieser Voruntersuchungen sein wird, dass man ein paar Jahrzehnte zu früh ist. Wenn ich mal meinen Taschenrechner anwerfe und ein paar Zahlen eingebe, dann kommen mir Zweifel. Ein tolles Projekt, aber ich fürchte die Zahlen stimmen einfach nicht.
Reaction Engines Limited:
Nicht zwingend ein bemanntes Projekt. Und Jahrzehnte vor seiner Fertigstellung. Ehrlich gesagt wünsche ich den Leuten dort das beste, denn es scheinen echt schlaue Menschen zu sein, die daran arbeiten. Aber natürlich ist im Moment nicht klar, welche Probleme noch auftauchen werden. Und falls es vorangeht, dann ist auch noch zu befürchten, dass andere Leute gerne sehen würden wie dieses Projekt scheitert. Das könnte politisch werden. Zusammengefasst ist das Risiko gigantisch, aber ich hier bringe ich gerne meinen ganzen Optimismus ein!
Golden Spike:
Der Laden sagt mir schon eher zu: Harter Zeitplan, aber mit 5 Jahren Verzögerung machbar. Die Liste der Führungspersonen ist beeindruckend, da sind einige dabei, die einen Namen zu verlieren habe. Ausserdem: Es wird 750 Millionen pro Ticket verlangt. Der Erstflug wird natürlich versteigert, da wird man sicher die Milliarde knacken. Und das ist auch ein wesentlicher Unterschied zu Inspiration Mars. Man will weniger erreichen mit einem höheren Ticketpreis und das auch noch 2 Jahre später. Ich habe erheblichsten Zweifel an einem Startdatum 2020, aber ich kann mir gut vorstellen, dass man eben später startet und dass es einen Start geben wird, bevor das Projekt zu einen Fall für den Papierkorb wird. Natürlich ist aber auch hier nicht auszuschliessen, dass man im geheimen eigentlich andere Pläne verfolgt.
Bigelow Aerospace:
Wolle man dort nicht mal ein Hotel bauen im LEO. Noch bevor 2020? Inzwischen ist man dort in der Realität angekommen und geht planvoller vor. Ein Modul will man an die ISS ankoppeln, alle Pläne danach sind unter Vorbehalt. Klingt gut und realistisch. Finde ich toll, um nicht zu sagen spannend. Endlich das erste aufblasbare Raumstationsmodul unter realen Bedingungen sehen. Ich fürchte nur die große Masse der Allgemeinheit wird nur bedingt beeindruckt sein. Trotzdem, ein Top Projekt nach aktuellem Stand und ein Meilenstein der menschlichen Ingenieurskunst.
Private Raumfahrtprojekte brauchen einen Businessplan. Inspration Mars wird sein Geld nicht über Kickstarter zusammen bekommen. Und wenn da nicht bei einem Superreichen nicht irgeneine Sicherung durchbrennt, dann ist dieses Projekt auch Pleite. Und wenn es keine Finanzierung gibt, dann ist Powerpoint alles was man zu sehen bekommt. Optimismus ist in keinem Land der Welt eine anerkannte Währung.
Zum anderen bin ich ein arbeitender Mensch und habe andere Projekte am laufen, also muss ich mich entscheiden welchem Projekt ich Beachtung schenke. Daher bevorzuge ich die Dinge zu diskutieren, die eine Chance haben über die Powerpointphase hinaus zu kommen.
Ich diskutiere auch geren Science Fiction und ferne Zukunftsvisionen. Da bin ich mit dabei. Aber ich sehe sie als das was sie sind. Ferne Zukunftsmusik ohne Chance auf Realisierung in meiner Lebenszeit.
Das jetzige Haushalts-Debakel in den USA sollte wohl jedem die letzte Illusion nehmen, die NASA könnte ein irgendwie vergleichbares Unterfangen auf die Beine stellen. Meine Erwartungen an die amerikanische Raumfahrtpolitik sind gleich Null.
Die NASA verbrät eine Menge Geld. Sehr viel Geld. Aber bis jetzt hat noch niemand beweisen, dass man das gleiche für weniger Geld schaffen könnte.
Meine Fragen wären nun an die Optimisten
- Wiso sollte man ein privates Projekt diskutieren, dessen Geschäftsmodel verbesserungswürdig, oder gar lächerlich ist?
- Wiso sollte man ein Projekt ernsthaft diskutieren, wenn der vorgeschlagene Zeit und Kostenrahmen alles bisher dagewesene unterbietet?
- Wiso sollte man keine kritische Fragen stellen, wenn der vorgelegte Projektplan bekannte Probleme des Weltraumfluges einfach ignoriert?
- Haben angekündigte und dann wieder abgebrochene Projekte einen Einfluss auf das Bild der Raumfahrt, und wenn ja, welchen?
- Was ist Eure Machbarkeitseinschätzung zu den bekannten privaten Raumfahrtprojekten? Welchen Projekten gebt ihr eine 50% oder bessere Chance auf Erfolg?
- Wann wird es das erste private Weltraumhotel im LEO geben?
- Welche Weltraumgeschäftsmodelle haben eine Chance in den nächsten 20 Jahren?
Dieser Thread darf gerne um weitere ketzerische Fragen und Aussagen erweitert werden.