Theorien: für und wider / Sonnentod

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H.J.Kemm

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Theorien: für und wider / Sonnentod
« am: 17. Mai 2010, 11:01:39 »
Moin,

der Arbeitskreis der *Astronomis* hat auf dem Treff beschlossen, dass wir über *Theorien: für und wider* diskutieren wollen. (Falls die Bennnung des Titels anders lauten soll, dann macht doch bitte andere Vorschläge - mir ist nichts besseres eingefallen - bin wohl noch etwas stressgeschädigt).

Im Besonderen geht es darum, dass wir uns mit den bekannten Theorien bzw. Gegentheorien beschäftigen.

Hier schon einmal der Anfang:

Der Referent, unser Mitglied Olli, hat in seinem tollen Vortrag gesagt: wenn die Sonne stirbt, dann wird sie sich ausdehnen und dabei zumindest den Planeten *Merkur* vernichten.

Im Nachhinein ist mir eingefallen, dass ich eine andere Theorie kenne: Beim Aufblähen verliert die Sonne  fast 30 % ihrer Masse durch abfliessenden Sonnenwind. Durch die dann geringere Gravitation sinkt die Anziehungskraft auf die Planeten, so dass deren Bahnradien um fast 40 % zunehmen, sich also *aus dem Staube machen*.

Jerry
« Letzte Änderung: 23. Juni 2010, 05:32:52 von H.J.Kemm »

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Offline Olli

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #1 am: 17. Mai 2010, 13:06:41 »
Im Nachhinein ist mir eingefallen, dass ich eine andere Theorie kenne: Beim Aufblähen verliert die Sonne  fast 30 % ihrer Masse durch abfliessenden Sonnenwind. Durch die dann geringere Gravitation sinkt die Anziehungskraft auf die Planeten, so dass deren Bahnradien um fast 40 % zunehmen, sich also *aus dem Staube machen*.

Jerry

Interessante Theorie! Wegen des Massenverlustes durch den Sonnenwind verringert sich die Gravitationskraft. Die Frage ist nun, um wieviel sich die Bahnenradien der Planeten nach außen verlagern. Ist dies mehr als die Radiusvergrößerung der Sonne, bleibt Merkur verschont, ist es jedoch kleiner, wird's auf Merkur irgendwann sehr heiß.

Das müsste doch mit Newton zu berechnen sein, oder?

Grüße,
Olli
« Letzte Änderung: 17. Mai 2010, 13:38:47 von Olli »
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Offline Olli

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #2 am: 17. Mai 2010, 14:11:21 »
mhh...ich hab den Hernn Newton mal um Rat gefragt. Er teilte mir allerdings ein ganz anderes Resultat mit - nämlich eine Verkleinerung des Bahnradius!

Betrachten wir zwei Situationen:
1. Die Sonne im Jetztzustand
2. Die Sonne als roter Riese mit 30% kleinerer Masse.

Die Planeten bewegen sich auf sogenanten Äquipotentialflächen um die Sonne herum. Auf diesen Äquipotentialfläche ist die Graviationskraft immer konnstant. Gehen wir näher an die Sonne heran, nimmt die Kraft nach dem Newtonschen Gesetz [tex]F = -G \frac{M m}{r^2}[/tex] zu, gehen wir weiter weg, nimmt sie ab.
Da ein Planet eine feste Bahn um die Sonne hat, bleibt die Gravitationskraft in unserem Modell konstant.

Setzen wir die Werte M (= Masse der Sonne), m (= Masse des Planeten) und r (= den Bahnradius des Planeten) alle auf 1, um einfacher rechnen zu können.

Dann ergibt sich für Fall 1:  F1 = 1
Für Fall 2 ergibt sich: F2 = 0,7.

Um das Kräftegleichgewicht zu bewahren und die Bahn"anpassung" vorzunehmen, setzen wir F2 =! F1. Dann ergibt sich für den Radius mit M=1 und m=1:
[tex]F1 = \frac{0,7}{r^2}[/tex] und damit für den Radius [tex]r = \sqrt{\frac{0,7}{F1}} = \sqrt{\frac{0,7}{1}} = 0,83[/tex].

Das Ergebnis finde ich erstaunlich. Es ist nämlich kleiner als 1 und damit kleiner als der ursprüngliche Radius ohne Massenverlust der Sonne.

Hab ich da irgendwo einen Denkfehler?

Olli
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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #3 am: 17. Mai 2010, 14:29:51 »
Hallo Olli,

ich denke der Ansatz ist falsch. Warum soll die Kraft zwischen beiden Fällen konstant sein?

Die Kraft ist nicht die Erhaltungsgröße, sondern der Drehimpuls
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TillP

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #4 am: 17. Mai 2010, 14:36:56 »
Ja, du hast einen Denkfehler:

Du berechnest, welche Bahnhöhe nötig ist, um die gleiche Kraft zu erhalten.

Ich bin zwar kein Experte für Bahnmechanik, aber ich glaube, du vergisst das Prinzip der Energieerhaltung. ;)

Der Planet wird durch das Gleichgewicht aus Zentrifugalkraft und Gravitation in der Bahn gehalten.
Wenn nun die Masse der Sonne kleiner wird, sinkt erstmal die Gravitationskraft. Da aber der Planet noch seine alte Geschwindigkeit hat (Masseträgheit ...) fängt er dann an, ein Bahnmanöver auf eine höhere Bahn auszuführen, bis er weit genug abgebremst ist, dass wieder ein Kräftegleichgewicht herrscht.

Genau rechnen ist mir jetzt zu kompliziert, aber das ist denke ich mal der Denkfehler.

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Offline Olli

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #5 am: 17. Mai 2010, 15:38:49 »
ja, da dürfte der Hund begraben liegen ;)
Wie blöd von mir, aber die Impulserhaltung sollte natürlich nicht außer Kraft gesetzt werden.

Also nochmal: Für den Drehimpuls [tex]\vec{L}[/tex] gilt: [tex]\vec{L}= \vec{r} \times m \vec{v}[/tex]. Die Größe [tex]\vec{L}[/tex] bleibt nun für den Rest der Rechnung konstant, da sie eine Erhaltungsgröße ist.

Ersten wir nun die Masse m durch 0,7 M (die Masse der Sonne nach 30% Massenverlust) und schreiben das Kreuzprodukt in Winkelabhängigkeit (um einfacher rechnen zu können) ergibt sich als neuer Radius das 1,42-fache des ursprünglichen Radius.

Rechnung:
[tex]\vec{L}=\vec{r} \times 0,7M \cdot \vec{v}[/tex] wird zu [tex]L = r \cdot 0,7M \cdot v \cdot sin \theta[/tex], wobei der Winkel [tex]\theta[/tex] aus bahnmechanischen Gründen des Wert 90° annimmt. Nach Umstellung der Gleichung folgt:

[tex]\frac{r}{0,7} = 1,42 r = \frac{M \cdot v}{L}[/tex].

Bleibt nur zu klären, wie weit sich die Sonne aufbläht, wenn sie zum roten Riesen wird? Weiß das jemand?

Grüße
Olli
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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #6 am: 17. Mai 2010, 15:55:22 »
Das passt auch nicht, Olli.

[tex]\vec{L}= \vec{r}\times m\vec{v}[/tex] ist eine reine Beschreibung aus Sicht der rotierenden Masse. m ist da auch die Masse dieses Körpers und nicht eines Zentralkörpers, der bei uns Masse verliert. In der Gleichung fehlen noch alle kinematischen Zusammenhänge bzgl. Gravitation und Zentralkörper.

Ich bin gerade daran die kinematischen Differnzielgleichungen aufzustellen. Das ist leider nicht mehr so ganz trivial, wenn sich plötzlich die Gravitation ändern soll, da dann mehr variabel ist als "sonst."
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klausd

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #7 am: 17. Mai 2010, 15:57:32 »
Bleibt nur zu klären, wie weit sich die Sonne aufbläht, wenn sie zum roten Riesen wird? Weiß das jemand?

In der wiki steht was von

Zitat
In der Endphase dieser Entwicklung erreicht die Sonne eine Leuchtkraft von 2300 L0 und einen Radius von 166 R0.

weiterhin scheinst Du nahe dran zu sein. Es steht was von 38% Erhöhung des Bahnradius.

Gruß, Klaus

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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #8 am: 17. Mai 2010, 18:25:56 »
Ich habe für die kinematischen Gleichungen einer Rotation unter Zentralkraft eine qualitative Analyse der zugehörigen Differentialgleichungen für unseren Fall gemacht.

Es gilt:
[tex]\mu[/tex] Gravitationsparameter [tex]GM[/tex]
[tex]r[/tex] Bahnradius
[tex]\omega[/tex] Winkelgeschwindigkeit

Die kinematischen Gleichungen einer rotierende Masse in Polarkoordinaten sind (schon etwas umgestellt):

in radialer Richtung:
[tex]\ddot{r}r^{^2}-r^{^3}\omega^{^2} = -\mu[/tex]


in tangentialer Richtung:
[tex]L=\mu r^{^2} \omega[/tex] (Drehimpuls)


Zu Analyse habe ich die totalen Differentiale der beiden Gleichungen gebildet:

Totales Differential aus Gleichung 1:

[tex]r^{^2}\cdot d\ddot{r}+2r\ddot{r}\cdot dr-3r^{^2}\omega^{^2}\cdot dr-2r^{^3}\omega \cdot d\omega=-d\mu[/tex]

Das beschreibt jetzt auf der linken Seite die Veränderung des Radius ([tex]dr[/tex]), Radialbeschleunigung ([tex]d\ddot{r}[/tex]) und Winkelgeschwindigkeit ([tex]d\omega[/tex]), wenn sich der Gravitationsparameter auf der rechten Seite ändert ([tex]dr[/tex]).
Hier kann man vereinfachen. Unter der Anname, dass die radiale Beschleunigung [tex]\ddot{r}[/tex] und deren Änderung [tex]d\ddot{r}[/tex] sehr klein im Vergleich zum Rest sind, entfallen die ersten beiden Terme links. Den Rest kann man nach der Änderung der Winkelgeschwindigkeit [tex]d\omega[/tex] auflösen:
[tex]d\omega=\frac{1}{2r}\[\frac{d\mu}{r^{^2} \omega}-3\omega\cdot dr\][/tex]

Das ist die Änderung der Winkelgeschwindigkeit ([tex]d\omega[/tex]), wenn sich Gravitationsparameter und Radius ändern ([tex]dr,d\mu[/tex])

Totales Differential aus Gleichung 2:

[tex]dL=r^{^2}\omega\cdot d\mu+2\mu r \omega \cdot dr+\mu r^{^2}\cdot d\omega\stackrel{!}{=}0[/tex]

Da diese Gleichung die Änderung des Drehimpuls [tex]L[/tex] beschreibt, muss sie gleich Null sein.

Wenn man jetzt das Ergebnis aus Gleichung 1 in das aus 2 einsetzt, hat man die Änderung der Winkelgeschwindigkeit [tex]d\omega[/tex] eliminiert und bekommt eine Gleichung mit nur noch 2 Differentialen, die dann die Änderung des Radius [tex]dr[/tex] in Abhängigkeit von der Änderung des Gravitationsparameters [tex]d\mu[/tex] beschreibt:

[tex]dr = - \[\frac{2r}{\mu}+\frac{1}{(r\omega)^{^2}}\]\cdot d\mu[/tex]



Und was sagt diese Gleichung jetzt aus? ;)

Wenn auf der rechten Seite eine Verringerung der Masse und damit des Gravitationsparameters des Zentralsterns steht ([tex]d\mu<0[/tex]), dann erhöht sich der Radius ([tex]dr>0[/tex]).



Ich bin mir noch unsicher zu den Annahmen meiner Vereinfachung. Normalerweise ändert sich die Gravitation halt nicht und dann sind die Gleichungen einfacher, da mehrere Terme zu Null werden. So musste ich etwas tricksen, um nur noch zwei Variablen in zwei Gleichungen zu haben.
« Letzte Änderung: 17. Mai 2010, 21:38:21 von Schillrich »
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A1942D

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #9 am: 18. Mai 2010, 11:05:22 »
Hallo, unabhängig von eurer wissenschaftlichen Berechnung kenne ich noch eine Theorie. Bei dem aufblähen zum roten Riesen entstehen doch gewaltige Sternwinde und diese drücken doch die Planeten nach außen. So entgehen sie doch der direkten Geafhr verschluckt zu werden. A.D.

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Offline Olli

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #10 am: 18. Mai 2010, 21:18:58 »
[...] So entgehen sie doch der direkten Geafhr verschluckt zu werden. A.D.

Genau das glaube ich nämlich nicht. Dass die Bahnradien größer werden, hat Schillrich mit seiner Rechnung schön gezeigt. Danke dir! :)

Die Schlussfolgerung, dass die Planeten verschont werden trifft aber nur dann zu, wenn sie die Bahnen weiter nach außen verschieben, als sich die Sonne ausdehnt.

Ich denke aber eher, dass sich die Sonne, obwohl sie aufgrund des Sonnenwinds einen deutlichen Massenverlust erleidet, womit die Verringerung der Gravitationskraft einher geht, sich deutlich mehr an Volumen zulegen wird, also einen größeren Radius bekommen wird, als die Bahnradien der inneren Planeten.

Die Wikipedia gibt
In der wiki steht was von
Zitat
In der Endphase dieser Entwicklung erreicht die Sonne eine Leuchtkraft von 2300 L0 und einen Radius von 166 R0.

Die Sonne hat, grob gerundet, etwas eine Radius von 700.000 km. Also roter Riese dann also 166 * 700.000 km = 116,2 Millionen km. Das sind immerhin etwas mehr als 2/3 einer astronomischen Einheit.

Merkur kreist zur Zeit auf einer Bahn, die im Mittel einen Radius von etwa 58 Millionen km hat. Seine Bahn müsste sich also mindestens um das doppelten radial nach Außen verlagern, damit er von der sichtbaren Oberfläche der Sonne, der Photosphäre nicht verschluckt würde. Und selbst dort ist es alles andere als gemütlich. ;)

Wenn wir nun ein paar Daten mehr hätten, könnten wir herausfinden, ob Daniels Gleichung
Zitat
[tex]dr = - \[\frac{2r}{\mu}+\frac{1}{(r\omega)^{^2}}\]\cdot d\mu[/tex]
uns mindestens einen Faktor 2 liefert - oder eben nicht.

Ich finde allerdings keine Daten über den Massenverlust der Sonne durch den Sonnenwind bzw. den möglichen zukünftigen Massenverlust in der Phase des roten Riesen.
Weiß da einer von euch etwas? Oder kennt eine Quelle?

Ich geb dennoch mal einen Tipp ab. Der Wert um den sich dr ändern wird, ist kleiner 2. Wer hält dagegen? ;)

Grüße,
Olli
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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #11 am: 18. Mai 2010, 21:25:03 »
Hallo Olli,

die Formel hilf uns leider noch nicht, wenn ein echtes (quantifizierbares) Ergebnis gesucht wird. Abgesehen von der Unsicherheit bzgl. meiner Vereinfachungen, müsste man die Differentialgleichung lösen, und das sehe ich bei der Gleichung noch nicht ... Wäre schön, wenn es eine separable Differentialgleichung wäre. Dann könnte man sie mit simplem Integrieren beider Seiten lösen. Nur wie bekommen wir hier r und mu getrennt auf jeweils eine Seite?
\\   //    Grüße
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Offline Olli

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #12 am: 18. Mai 2010, 22:10:00 »
Jap, das Lösen der Gleichung habe ich klamm heimlich ausgeklammert ;)

Ich greif morgen mal in die Software-Trickkiste.
Mal sehen, was sie daher zaubern kann.

Grüße,
Olli
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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #13 am: 21. Mai 2010, 14:28:04 »
Gelöst ;).

Ich habe die vollständigen Differentialgleichungen (also ohne die vorherigen Vereinfachungen) für den Fall einer variablen Gravitation numerisch gelöst* und eine Parameterstudie durchgeführt.

Annahmen:
  • ein merkurähnlicher Planet umkreist die Sonne auf einem Orbit ohne Exzentrizität
  • nach 20 Merkurjahren beginnt ein linearer Massenverlust der Sonne bis zu Merkurjahr 60
  • die Impulswirkung der "davonfliegenden Masse" auf Merkur ist nicht enthalten

Dabei ergeben sich folgende Lösungen für unterschiedliche Massenverluste ([tex]\frac{\Delta m}{m}[/tex]) :



Die gezeigten Werte für Sonnenmasse, Radius und Winkelgeschwindigkeit sind jeweils auf ihre Startwerte normiert. In allen Fällen nimmt der Radius zu und damit die Winkelgeschwindigkeit ab. Gleichzeitig erhalten alle Bahnen eine Exzentrizität. Die rote Kurve für [tex]\frac{\Delta m}{m}=0,5[/tex] deutet schon an, was kurz darauf passiert. Im Bereich von 0,6 fliegt Merkur für immer davon ...

Ich bezweifel, dass die Zeiträume "realistisch" sind, aber mein Computer sollte mit seiner Arbeit noch fertig werden, daher die kurze Zeiten im Modell.


*lösen lassen ... vom persönlichen Rechenknecht ;)
« Letzte Änderung: 21. Mai 2010, 16:05:17 von Schillrich »
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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #14 am: 21. Mai 2010, 15:00:50 »
Ahhh, das ist interessant :)  Tolle Simu, Daniel!!!

Unklar ist mir allerdings, wieso Merkus auf und davon ist, wenn die Sonne mehr als 50% ihrer Masse verliert? Die Winkelgeschwindigkeit nimmt zwar ab, aber wird sie auch so klein, dass sich der Planet von seinem Zentralkörper löst?

Wie das jedoch mit Antworten auf Fragen ist, produzieren sie weitere Fragen ;)

Offen ist nämlich noch, wie groß die Volumenzunahme (=Radiusvergrößerung) der Sonne in der gleichen Zeit ist? Ich recherchiere mal danach...


Übrigens gut, dass keiner auf meine Wette eingangen ist - zumindest für mich ;)

Grüße,
Olli
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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #15 am: 21. Mai 2010, 15:01:18 »
Und so sieht das in kartesischen Koordinaten aus:



Auch hier ist wieder alles auf den Ausgangsorbit normiert. Im Inneren tummelt sich noch die enge schwarze Spirale, während rot weite Kreise zieht.
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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #16 am: 21. Mai 2010, 15:47:11 »
Zu der Frage, warum Merkur bei einem Massenverlust der Sonn von mehr als 0,5 "verschwinden" würden, erst mal die kurze Antwort mit Überschlag:

Wenn die Sonne schlagartig nur noch 50% ihrer Ausgangsmasse hätte, ergäbe sich folgender Zustand:

Anfangszustand 1:
Gravitationsparameter:
[tex]\mu=\mu_{_1}[/tex]

Kreisbahngeschwindigkeit für einen Planeten:
[tex]v_{_{K1}}=\sqrt{\frac{\mu_{_1}}{r}}[/tex]


Endzustand 2:
Gravitationsparameter:
[tex]\mu=\mu_{_2}=\frac{1}{2}\mu_{_1}[/tex]

Fluchtgeschwindigkeit für einen Planeten:
[tex]v_{_{F2}}=\sqrt{\frac{2\mu_{_2}}{r}}[/tex]

Einsetzen von [tex]\mu_{_2}[/tex] ergibt dann:
[tex]v_{_{F2}}=\sqrt{\frac{2\frac{1}{2}\mu_{_1}}{r}}=\sqrt{\frac{\mu_{_1}}{r}}=v_{_{K1}}[/tex]

Bei 50% Verlust entspricht damit die alte Bahngeschwindigkeit genau der parabolen Fluchtgeschwindigkeit des neuen Sterns. Damit verlöre er alle Planeten ...

In Realität ist das natürlich nicht schlagartig, so dass die Argumentation nicht 1 zu 1 funktioniert. Für eine graduelle Beschreibung müsste man sich auf die Erhaltungsgrößen Drehimpuls und Energie stützen, um zu zeigen, dass die Orbitalenergie im Anfangzustand ausreicht, um im Endzustand davon zu fliegen.

PS:
Wobei, die Formeln für die kosmischen Geschwindigkeiten kommen bereits aus energetischen (Erhaltungs-)Betrachtungen. Damit ist in ihnen die Energieerhaltung schon mit drin ... quasi q.e.d ;)
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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #17 am: 24. Mai 2010, 10:41:34 »
Oh mei ... ich habe einen (sehr dummen) Fehler gemacht und bin dabei ihn zu korrigieren. Beim Anschauen der Gleichungen und dem Errechneten verhalten ist mir ein Term und ein Verhalten aufgefallen, welche physikalisch keinen Sinn ergeben. Ich hatte einen Term in den Gleichungen, wodurch bei Änderung der Gravitation sich der Drehimpuls geändert hat (*sich an die Stirn klatsch*).

Qualitativ ändert sich nichts, aber quantitativ ...

Damit hier kein Mist steht, liefer ich die ordentlichen Ergebnisse später nach.
\\   //    Grüße
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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #18 am: 24. Mai 2010, 11:40:58 »
Korrektur 1: totale Differentiale

...

Die kinematischen Gleichungen einer rotierende Masse in Polarkoordinaten sind (schon etwas umgestellt):

in radialer Richtung:
[tex]\ddot{r}r^{^2}-r^{^3}\omega^{^2} = -\mu[/tex]


in tangentialer Richtung:
[tex]L=\mu r^{^2} \omega[/tex] (Drehimpuls)

In der zweiten Gleichung steht natürlich nicht der Gravitationsparameter [tex]\mu[/tex], sondern nur die Masse [tex]m[/tex] des Planeten selbst für den Drehimpuls auf dessen Bahn:
[tex]L = mr^{^2} \omega[/tex]

Daraus kann man den spezifischen (massenunabhängigen) Drehimpuls machen:
[tex]l=\frac{L}{m}=r^{^2} \omega[/tex]


Zitat
Totales Differential aus Gleichung 2:
[tex]dL=r^{^2}\omega\cdot d\mu+2\mu r \omega \cdot dr+\mu r^{^2}\cdot d\omega\stackrel{!}{=}0[/tex]

Das totale Differential der zweiten Gleichung ist dann:
[tex]dl=2r\omega\cdot dr+r^{^2}\cdot d\omega\stackrel{!}{=}0[/tex]

Wenn man jetzt beide Differentiale so ineinander einsetzt, dass sich [tex]d\omega[/tex] eliminiert, kommt am Ende heraus:

[tex]dr=-\frac{1}{(r\omega)^{^2}}\cdot d\mu[/tex]

Die qualitative Aussage ist erhalten geblieben. Wenn die Gravitation abnimmt ([tex]d\mu<0[/tex]) steigt der Radius des Orbits ([tex]dr>0[/tex])
\\   //    Grüße
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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #19 am: 24. Mai 2010, 13:44:05 »
Korrektur 2: Differentialgleichungen samt Lösung

Die beiden vollständigen gekoppelten Differentialgleichungen lauten, mit variablem Gravitationsparameter [tex]\mu[/tex]:

[tex]\ddot{r}=r\omega^{^2}-\frac{\mu}{r^{^2}}[/tex]
[tex]\dot{\omega}=-\frac{2\omega\dot{r}}{r}[/tex]

Mit unterschiedlichen Massenabnahmen ergeben dann folgende Ergebnisse für Radius und Winkelgeschwindigkeit, jeweils wieder bezogen auf ihre Anfangswerte:


Die grundlegenden Ergebnisse sind ähnlich denen aus der vorherigen Simulation mit zwei Unterschieden:
  • Die Orbiterweiterung fällt deutlich geringer aus (da jetzt ein beschleunigender Term weniger im Modell ist ::))
  • Auch bei einer Massenabnahme vom mehr als 50% bleibt der Orbit stabil.
Der letzte Punkt widerspricht den vorangestellten einfachen energetischen Betrachtungen. Hintergrund ist die Geschwindigkeit der Massenabnahme, so dass man nicht einfach die Endpunkte (Anfangszustand-Endzustand) betrachten kann, sondern die Entwicklung über die Zeit. Dazu kommen später noch Grafiken ...
\\   //    Grüße
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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #20 am: 24. Mai 2010, 20:00:40 »
Hier haben ich 3 Fälle von instantanem Massenverlust ([tex]Delta t = 1s[/tex]) unterschieden.



Die unteren Kurven geben für alle 3 Fälle an, wie hoch die aktuelle Geschwindigkeit (durchgezogenen Linie) im Vergleich zur Fluchtgeschwindigkeit an der aktuellen Position (gestrichelte Linie) ist.
Für den Fall 49% sieht man, dass der Orbit eine Ellipse wird und die Bahngeschwindigkeit kleiner als die Fluchtgeschwindigkeit bleibt. Im (Grenz-)Fall 50% fallen beide Geschwindigkeiten quasi zusammen und der Planet entschwindet "langsam". Im Fall 60% überschreitet die Bahngeschwindigkeit klar die Fluchtgeschwindigkeit und der Planet fliegt schneller davon.
\\   //    Grüße
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Offline Schillrich

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #21 am: 24. Mai 2010, 20:24:08 »
So, und nun zuletzt ....

Wenn der lineare 60%-Verlust in 70 Tagen geschieht, sieht der Fall schon anders aus und aus der sicheren Flucht wird nichts mehr:


Die Fluchtgeschwindigkeit fällt langsamer, während der Planet schon beginnt schrittweise nach außen zu steigen und selbst langsamer zu werden. Die beiden Kurven schneiden sich nicht und der Planet bleibt gefangen. Seine Bahngeschwindigkeit bleibt zu allen Zeiten unter der jeweiligen lokalen Fluchtgeschwindigkeit.


So ... das soll's gewesen sein ...
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klausd

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Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #22 am: 25. Mai 2010, 20:31:35 »
Danke Daniel für deine Mühen! Richtig cool simuliert.

Wenn Du jetzt noch den Zeitunterschied bezüglich Erde Sonnenoberfläche pro Tag berechnest geb ich Dir beim nächsten raumcon-Treff einen aus!  :D

Gruß, Klaus

Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #23 am: 26. Mai 2010, 22:31:46 »
Hat eigentlich schon mal jemand den Gezeiteneffekt bedacht ?

Die Sonne hat eine (jetzige) Eigenrotation von ungefähr 28 Tagen. Durch die Planeten entstehen Flutberge auf der Sonne. Da sie sich schneller bewegt als die Planeten, müßten die Flutberge die Planeten mitziehen.

So habe ich es in einer Doku über die Zukunft der Erde gehört. (Naked Science, Nat Geo HD , "Der Untergang des Planeten Erde")

Dort wird aber behauptet , daß durch diesen Effekt die Erde und alle weiter innen gelegenen Planeten von der Sonne verschluckt werden.

Ich bin bezüglich dieses Ergebnisses etwas Ratlos  :-\ .

Hat da jemand eine Idee ?

*

Offline Schillrich

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  • 19601
Re: Theorien: für und wider / Sonnentod
« Antwort #24 am: 26. Mai 2010, 22:37:41 »
Die Sonne hat eine (jetzige) Eigenrotation von ungefähr 28 Tagen. Durch die Planeten entstehen Flutberge auf der Sonne. Da sie sich schneller bewegt als die Planeten, müßten die Flutberge die Planeten mitziehen.
...
Dort wird aber behauptet , daß durch diesen Effekt die Erde und alle weiter innen gelegenen Planeten von der Sonne verschluckt werden.

Das passt aber nicht zusammen. Die Planeten würden durch die vorauseilenden Flutberg beschleunigt werden und ihre Bahn erweitern.

Wir haben die beiden Ausprägungen dieses Gezeiteneffekts ja beim Erdmond und bei Phobos:
  • Der Erdmond kreist um die Erde langsamer als diese selbst rotiert. Der so vorauseilende Flutberg in den Erdmeeren beschleunigt den Mond (und bremst die Erdrotation). Der Mond entfernt sich dadurch von der Erde.
  • Phobos kreist schneller um den Mars als dieser um sich selbst rotiert. Der (minimale) "Flutberg" in der Marskruste hängt damit immer hinter Phobos. Phobos wird so gebremst und der Mars minimal beschleunigt. Dadurch sinkt die Umlaufbahn von Phobos immer weiter.
Dies auf Flutberge auf der Sonne angewandt, würde bedeuteten, dass die Umlaufgeschwindigkeiten der Planeten durch Gezeiteneffekte in der Sonne zunehmen.


Zu klären bleibt aber, wie groß Gezeiteneffekte der kleinen inneren Planeten auf die Oberfläche der Sonne überhaupt wären ...
\\   //    Grüße
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