Hallo,
es stimmt zwar, dass der Mars früher über eine dichtere Atmosphäre verfügte, welche in Kombination mit höheren Temperaturen das Vorhandensein von flüssigen Wasser ermöglicht haben muss. Mittlerweile wurden genügend Mineralien gefunden, welche sich zumindestens auf der Erde nur unter dem Einfluss von Wasser bilden. Aber im Zusammenhang mit den spiralförmigen Canyons am Nordpol ist dies irrelevant, denn die "feuchte Phase" des Mars und damit auch die Zeit einer dichteren Atmosphäre liegt bereits mehrere Milliarden von Jahre zurück.
Auf dem Mars existieren, grob eingeteilt, zwei verschiedene Typen von Flusstälern : Kleine, weit verzweigte Tal-Netzwerke sowie riesige Canyons und Täler, die sogenannten "Outflow Channels", welche kaum verzweigt sind und zudem auch keine eindeutigen "Quellgebiete" aufweisen.
Das geologische Alter der verzweigten Flussläufe und Deltas wurde planetenweit auf mindestens 3,7 Milliarden Jahre bestimmt. Lediglich etwas nördlich des Valles Marineris entdeckte man Flusssedimente und Fließspuren, welche eventuell erst vor etwas mehr als drei Milliarden Jahren entstanden sind. Diese Strukturen dürften in der Frühzeit des Mars über längere Zeiträume durch "richtige" Flüsse, so wie wir sie von der Erde kennen, geschaffen worden sein. Anschließend verlor der Mars aus bisher nicht gesicherten Gründen einen nicht unbedeutenden Teil seiner Atmosphäre und die "feuchte Epoche" des Mars, so wie sie mit den uns von der Erde her bekannten Verhältnissen vergleichbar ist, war beendet. Die Entschlüsselung der Verlustursachen der Marsatmosphäre ist übrigens eines der Hauptziele der
MAVEN-Mission, welche irgendwann zum Jahreswechsel 2013/ 2014 zum Mars aufbrechen wird. Die von Sylvester genannten Gründe sind meines Wissens nach auch die am verbreitetsten Ansichten bezüglich des Atmosphärenverlustes.
Bei den gigantischen Outflow Channels sieht die Sache etwas anders aus. Diese Ausflusstäler ( z.B.
Ares Vallis, Tiu Vallis, Shalbatana Vallis oder
Kasei Valles ) erinnern optisch sehr stark an irdische Flussläufe. Sie sind aber sehr wahrscheinlich nicht durch über Tausende oder gar Millionen von Jahren strömendes Wasser gebildet worden, sondern durch plötzlich auftretende und nur relativ kurze Zeit andauernde, dafür aber umso katastrophalere Überflutungen. Um diese gigantischen Täler zu formen, müssen sich unvorstellbare Wassermassen durch sie hindurch bewegt haben. Wären diese Wassermassen dauerhaft durch die Ausflußtäler geströmt, so hätte es auf dem Mars einst viel mehr Wasser geben müssen als heute auf der Erde vorhanden ist.
Ein weiteres Indiz gegen ein dauerhaftes Führen von Wasser ist das Fehlen von Quellgebieten. Diese gigantischen Täler entspringen praktisch aus dem Nichts des marsianischen Hochlandes und weisen auch keine nennenswerten "Nebenflüsse" auf. Diese aber wären notwendig, wenn hier großflächige Gebiete entwässert worden wären. Für die Entstehung der Outflow Channels wird vielmehr eine vulkanische Aktivität verantwortlich gemacht, welche mit den sogenannten
Jökulhlaups auf der Erde vergleichbar ist.
Dabei bedeckt ein Gletscher aus Wassereis einen Vulkan, welcher dann irgendwann ausbricht. Die dabei freigesetzte Wärmeenergie bringt einen Teil des Eises zum Schmelzen, welches sich als flüssiges Wasser in einem See sammelt. Sobald das Wasser die umgebende Barriere aus Eis durchbricht, entleert sich der See innerhalb kürzester Zeit in einer gigantischen Flutwelle. Im Fall des Mars wurden dabei aber wahrscheinlich keine Gletscher an der Planetenoberfläche aufgeschmolzen, sondern vielmehr unter der Oberfläche befindliche Eis-Lagerstätten und Permafrostböden. Es ist nicht auszuschließen, dass bei diesem Prozess auch Kohlendioxid freigesetzt wurde, welches den Wassermassen noch zusätzliche Kraft verliehen hätte.
Ein solcher Prozess ist selbst in einer bereits ausgedünnten Marsatmosphäre denkbar. Die Wassermassen reißen ganz automatisch auch große Mengen an Gestein und Erdreich mit sich. Der Schlammstrom gefriert an seiner Oberfläche blitzschnell zu und verhindert so, dass das enthaltene Wasser in die Atmosphäre sublimieren kann. Gleichzeitig bewegt sich der Strom, angetrieben durch die enorme Bewegungsenergie, unter dieser Kruste weiter. Theoretisch könnte ein "richtig platzierter" Vulkanausbruch auch in der Gegenwart noch eine solche gigantische Flutwelle auslösen und ein neues Ausflusstal schaffen. Allerdings wird das Alter der derzeit auf dem Mars befindlichen "Outflow Channels" auf etwa drei Milliarden Jahre datiert.
Die spiralförmigen Strukturen am Nordpol haben sich dagegen laut der im "Nature" veröffentlichen Studie innerhalb der letzten paar hunderttausend bis Millionen von Jahren gebildet. Da hatte der Mars bereits schon lange seine ursprünglich dichte Atmosphäre verloren.
Schöne Grüße aus Hamburg - Mirko