Ich mag auch Constellation, nur was ich bei Constellation fragwürdig finde ist nicht das Programm selber, sondern manche Lösungen die mehr durch die Politik als durch gesunden Ingenieursverstand bedingt sind. Mit Politik meine ich die Verwendung von Teilen aus dem Shuttle-Programm auf Gedeih und Verderb. Bei Ares V ist dies noch nachvollziehbar und durchaus sinnvoll. Bei Ares I gab es schon genug Diskussionen um den Vorteil/Nachteil eines bemannten Starts mit einem Feststoffbooster als Erststufe. Eine neue Rakete (evtl. von Delta oder Titan abgeleitet?) wäre technisch wohl weniger fragwürdig gewesen und vielen Dingen wären die Entwicklungsrisiken beherrschbarer gewesen. Ares I gefällt mir nun in Realität besser als auf den Computerbildern. Nur ob was schön ist auch gut fliegt sehen wir in weniger als 12 Stunden...
Ich befürworte Constellation, allerdings ist es die dahinter stehende Politik die mir oft nicht schmeckt.
SpaceX mit Cargolifter zu vergleichen ist auch sinnlos. Cargolifter brachte es nur zum Bau einer Halle und einem kleinen Heliumballon. vom richtigen Luftschiff wurde innerhalb von 10 Jahren keine Schraube gefertigt.
SpaceX wurde bei seiner Gründung schon verlacht. Die Kritiker meinten, dass man nicht einmal zu seinem Flug von Falcon 1 kommen wird, geschweige denn Falcon 9.
Wo stehen wir heute?
SpaceX hat eine beeindruckende Anzahl an Hardware entwickelt und gebaut und auch die Falcon 1 scheint endlich zu funktionieren. Bei F1 hat man zwar viel Lehrgeld durch (teils vermeidbare) Fehlstarts bezahlt, aber im Vergleich zu anderen (meist staatlichen) Projekten hat man weit weniger Fehlschläge zu verbuchen gehabt.
Gut die F9 und Dragon sind noch nicht geflogen, aber schon allein das bis jetzt erbrachte ist erstaunlich.
SpaceX fußt weitgehend auf erprobten Technologien. Das Merlin-Triebwerk basiert (verkleinert) auf einem aus dem Apollo-Programm und läuft bisher ungewöhnlich zuverlässig. Bei der ersten Stufe der F9 kommt es auf das Zusammenspiel aller neun Triebwerke, auf dem Teststand klappte es prima. Ob es auch in der Praxis funktioniert sehen wir bald...
Dragon ist eine Kapsel, die an sich stark von Apollo und Soyuz inspiriert ist (Bausweise, Prinzip). Die Draco-Thruster sind bereits gelaufen, der Hitzeschild hält die Temperaturen beim Wiedereintritt nachweisbar aus. Die statischen Test in Sachen Vibrationen und Akustik hat die Konstruktion ebenfalls bestanden. Andere kleinere Hardware wurde sogar bei den letzten Shuttleflügen erprobt.
Für ein Startup, dass nicht mal 10 Jahre im Geschäft ist eine beeindruckende Leistung. Nicht zu vergessen ist auch, dass bei der Firma keine Spinner hinter den Rechnern sitzen, sondern viele Ingenieure die früher bei Boeing, Lockheed und Northrop Grumman arbeiteten.
Die Firma kann rein prinzipiell auch diesen großen Firmen "gefährlich" werden. Ihre Personalstruktur ist um einiges schlanker und wirtschaftlicher. Abgesehen von Technik ist dies eine wirtschaftliche Grundvorausetzung (= Vorteil) um sich am Markt zu etablieren.
Auch nach zwei F9-Fehlstarts dürfte SpaceX noch weiter bestehen. Die Firma hat m. W. mehr als nur Elon Musk als Investor. Die F1-Fehlstarts hat das Unternehmen augenscheinlich locker wegstecken können. Über die genaue Finanzlage der Firma ist m.W. nichts bekannt, aber Musk meinte, dass es erst nach drei F9-Fehlstarts hintereinander in der Anfangszeit kritisch werden würde. Ein Polster scheint SpaceX also zu haben.
Zu möglichen F9-Fehlstarts: Ich denke der Erstflug der F9 dürfte mit einer Wahrscheinlichkeit von 30-40% Probleme (in welcher Größenordnung sei dahingestellt) haben. Diese werden meiner Einschätzung nach Dinge sein, die man am Boden nur unzureichend am Boden testen kann. Der erste Flug wird ein waschechter Test. Der zweite sollte dann klappen, da 1. viele Fehlerquellen durch die Erfahrung mit F1 ausgemerzt wurden (Treibwerke, Stufentrennung) und 2. die restlichen Fehler bei F9-Flight-1 erkannt wurden und (hoffentlich) behoben wurden.
Oder um es auf den Punkt zu bringen: SpaceX ist weiter gekommen als alle anderen Versuche einer privaten orbitalen Raumfahrt zuvor. Die Unkenrufe seit seiner Gründung konnten dem Unternehmen kaum etwas anhaben. Die Firma hat wirklich sehr großes Potential, die Probleme liegen in anderen Feldern.
Ich bin zwar Optimist, allerdings habe ich dennoch auch bei SpaceX meine Kritikpunkte. Zeitpläne und Ankündigungen nimmt die Firma ziemlich locker, das weis jeder. Das Marketing der Firma ist nun halt wenig seriös, hat aber mit der Ingenieursabteilung einer Firma wenig zu tun.
Allerdings muss man Marketing und Technik trennen. Das Marketing bei SpaceX ist mies, die technischen Entwicklungen wie erwähnt beachtlich. Hier gibt es eine große Diskrepanz und Nachholbedarf.
Außerdem muss SpaceX seinen Kundenservice massiv verbessern. Was man bisher (gerüchteweise) von potentiellen Kunden hörte klang alles andere als Gut. Die Führungsrolle von Arianespace auf dem Start-Markt hängt schließlich auch vom erstklassigen Kundenservice der Europäer zusammen. Eine zuverlässige günstige Rakete bauen ist nicht alles, ansonsten würden die Russen nicht nachkommen mit der Raketen-Produktion.
Dazu kommt noch Elon Musk. Er ist bekanntermaßen Exzentriker und wird von vielen mit Howard Hughes verglichen. Die private Eroberung des Weltraums ist für ihn auch eine Ego-Sache und seine persönliche große Vision (neben Elektro-Autos). Nach den Misserfolgen der ersten F1 scheint er aber auch zumindest einen Teil seines persönlichen Lehrgeldes gezahlt zu haben und sich etwas reifer zu verhalten.
Meine Meinung zu SpaceX hat nicht viel mit Vorschusslorbeeren zu tun. Vielmehr ziehe ich meinen Hut von den bereits erbrachten Leistungen, von denen bei Beginn von SpaceX selbst die Optimisten sich kaum mehr erhoffen konnten.
Wie bewerte ich SpaceX ingesamt?
Eine Firma mit ungeheuren Potential. Die bisherigen Leistungen können nicht abgestritten werden. Technisch gesehen hat die Firma durchaus das Potential sich einen Teil des Marktes zu sichern und sei es nur als einziger privat verfügbarer amerikanischer Satelliten-Starter.
Die Firma hat eher einen anderen Schwachpunkt. Diese sind die unseriöse Öffentlichkeitsarbeit, schlechter Kundenservice und ein Firmengründer der mit seiner Exzentrik mitunter etwas zu viel Druck auf seine Mitarbeiter ausübt. Allerdings sind die Probleme relativ einfach zu lösen, falls der Wille dazu besteht.
An einen Erfolg von Taurus/Cygnus glaube ich auch. Die technischen Vorrausetzungen sind jedenfalls handfest. Ich bin an diesem Projekt aber etwas weniger interessiert als an SpaceX, da Orbital Sciences seine Entwicklung wohl einzig für COTS und damit allein für die NASA nutzt. SpaceX wird Dragon aber auch außerhalb von COTS anbieten und DAS ist für mich der richtig spannende Teil des Programms. An DragonLab sind jedenfalls schon viele Firmen und Behörden (auch aus Europa!) interessiert.
In dem Zusammenhang sei auch genannt, dass am 29. Oktober 2009 in Haarlem in den Niederlanden eine DragonLab-User-Conference stattfindet. Vielleicht wird es dort ja die ein oder andere Aufsehen erregende Neuigkeit zu dem Projekt geben.