Moin,
Also, sowie ich verstehe und auch weiter oben geschrieben habe, muss ein andockende Raumfahrzeug natürlich mit einer gewissen Restgeschwindigkeit gegen die ISS stoßen, um den Dock-Mechanismus einrasten zu lassen. Der in meinen Augen entscheidende Punkt dabei ist aber, dass dieser kleine, kontrollierte Zusammenstoß zu einer Relativgeschwindigkeit 0 führt, und zwar in genau dieser Sekunde. Bremst das Raumschiff zu stark, rastet nichts ein, und das Schiff prallt quasi ab und muss einen neuen Anlauf starten. Schlimmer ist, wenn es zu wenig bremst, denn dann gibt einen Stoß, der zu Schäden führen kann (siehe Mir). Angesichts der größeren Masse (Impuls = Masse mal Geschwindigkeit!) eines ATV gegenüber den Progress hat man bekanntlich darauf geachtet, dass die Andockgeschwindigkeit möglichst gering ist.
Korrekt. Das entscheidende ist der Impuls. Und da die Masse des ATV ca.3x der Masse von Progress ist, muß die Relativgeschwindigkeit gegenüber der ISS ziemlich klein sein.
Kann der Stationsarm womöglich sogar bei einer Relativgeschwindigkeit ungleich 0 einrasten und die letzte Bremsung durchführen? Ich bitte um eine Antwort, falls jemand sie kennt.
Alle Fahrzeuge, die sich der ISS nähern, müssen imstande sein, ein nahezu perfektes Station Keeping (Relativgeschwindigkeit in allen Achsen praktisch Null) durchführen zu können.
Und das können sie auch alle, also auch Dragon, HTV oder Cygnus. Sonst hätten sie gar nicht die Genehmigung bekommen, die ISS anzufliegen. Alle Fahrzeuge haben entsprechende Beschleunigungssensoren und Triebwerke mit einem genügend geringem MIB (Minimum Impuls Bit), dies zu gewährleisten.
Auch der Stationsamt verlangt das, er kann nur Geschwindigkeitsabweichungen im mm/sec-Bereich verkraften. Das ist aber, wie gesagt, nicht das eigentliche Problem.
Es ist aber ein Unterschied, ob ich mich mit meinem Bezugspunkt (im Falle der Berthing-Fahrzeuge dem GF) in einem 10x10x10 m großen, imaginären Würfel befinden muß, oder ob mit meiner Nase einen Zielpunkt mit einer Genauigkeit von plus/minus 45 cm in y/z-Achse treffen muß. Und das auch noch mit sehr geringer Relativgeschwindigkeit.
Weitere Unterschiede zwischen Berthing/Docking sind auch die Datentransfers zwischen Versorger/ISS, und die Eingriffmöglichkeiten der ISS-Crew. Während beim Berthing praktisch alles über die Bodenstationen abgewickelt werden kann, muß beim Docking eines unbemannten Fahrzeugs die ISS-Crew jederzeit die Möglichkeit haben, den roten Knopf zu drücken und den Anflug abzubrechen. Das ankommende Fahrzeug muß innerhalb von Millisekunden reagieren und ein Retreat durchführen. Beim ATV besteht diese Möglichkeit bis zum "CHOP" (Crew Hand-Off Point), 1 m vor dem Dockingstutzen.
Bei einem bemannten Fahrzeug (wie später beim Drachen) muß/wird das die Besatzung machen.
Die Anforderungen beim Docking sind also in der Tat "qualitativ" sehr viel höher als beim Berthing.
Gruß
roger50