Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?

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Offline Terminus

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #25 am: 21. Februar 2021, 06:04:28 »
Zitat
Er hat das Ziel, zu beweisen, dass man auf dem Mars fliegen kann.

 ???

Was gibt es da zu beweisen?!

Das ist Luft. Mit bekannter Zusammensetzung, Temperatur, Druck, Schwerebeschläunigung ... . Physikalisch wird das Fliegen.
WIE gut es fliegt (schwebt, landet, steuert..) ist da eher die Frage.

Najaa, man möchte wohl wirklich erstmal vor Ort bisserl testen, wie es sich dort WIRKLICH fliegt. Ob es nicht Effekte zweiter oder dritter Ordnung gibt, die man noch nicht ganz einschätzen kann oder noch gar nicht kennt. Man dachte ja auch, man wüsste, wie man sich 5 Meter in den Boden hämmert, alles nur Physik, alles bekannt, alles wunderbar auf der Erde zu testen... tja, denkste.

Zitat
PS:
Und trotzdem ist Ingenuity natürlich KEIN Spielzeug. Sondern ein aufwändiges Testvehicle.
(nur hatte jemand anscheinend nicht genug Mut gehabt den Heli richtig auszurüsten und zu einem wissenschaftlichen Forschungsträger zu Deklarieren. Oder es wäre zu teuer geworden.)

Ja genau, ich sehe Ingenuity in der Tradition von "Mars Pathfinder". Das war ja der erste Testrover auf dem Mars in den 1990ern, in der Größe von ein oder zwei Schuhschachteln :) . Immerhin hatte der auch schon erste Instrumente mit an Bord.

Warum nicht Ingenuity? Ich denke, es geht außer dem rein physikalischen Aspekt auch um die Flugsteuerung. Fahrzeuge auf dem Mars kann man nun mal nicht in Echtzeit fernsteuern. Man muss ein Fahr- und Messprogramm übertragen, das die Roboter abarbeiten.

Und dann? Notwendigerweise treten dann immer lange Pausen auf, in denen die Fahrzeuge lange vor sich hin stehen müssen, bis die nächsten Befehle eintreffen. Bei einem Landfahrzeug ist das nicht weiter schwer, das bleibt dann eben stehen, braucht keine Energie mehr, bewegt sich nicht mehr und ist safe.

Ein Luftfahrzeug müsste entweder stunden- oder gar tagelang auf der Stelle schweben. Oder es müsste jedes Mal wieder landen, verbunden mit der Suche nach einem sicheren Landeplatz - und zwar notwendigerweise selbstständig, autonom. Da kann ich es schon verstehen, dass man erstmal ganz klein anfängt und das Demogerät noch nicht gleich mit Instrumenten belädt.

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Offline Therodon

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #26 am: 21. Februar 2021, 06:58:06 »
Man investiert doch nicht 80 Mio $ um zu zeigen, dass die Physik auch auf dem Mars funktioniert.

Man weiß dass er auf dem Mars fliegen kann.

Dein Optimismus in allen Ehren aber bisher weiß man in der Richtung gar nix. Es ist durchaus möglich das als Ergebnis herauskommt, das man mit den momentanen technischen Möglichkeiten keine Chance hat Drohnen für den Mars zu bauen.

Ob die erhöhte Rotation ausreichend ist um da abzuheben oder überhaupt in der Praxis unter den Bedingungen funktioniert weiss man nicht. Man hat bisher maximal eine Computersimulation und betet für das beste.

Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #27 am: 21. Februar 2021, 07:48:10 »
Das Teil wurde in einer Vakuumkammer getestet die der Mars Atmosphäre nachgebildet wurde.  Man weiß dass es fliegen wird.

Die offenen Fragen betreffen eher die Flugsoftware als Flugphysik. Kommt die Software mit dem Gelände zurecht? Kann die Drone sicher landen etc...

tonthomas

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #28 am: 21. Februar 2021, 08:56:24 »
Der Ausgangspost für dieses Thema war folgender:

Interessante Sicht auf diese Mission:
https://www.golem.de/news/perseverance-diese-marsmission-hat-keinen-applaus-verdient-2102-154325.html

Zweischneidiges Schwert. Auch wenn die Wissenschaftler für die Tonne arbeiten (so laut Text), so kann man doch die ganze Arbeit nicht disqualifizieren.

Gruß   Pirx

tonthomas

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #29 am: 21. Februar 2021, 09:52:08 »
... /oder Goldrandlösungen
Ohne zu spezifizieren, ab wann was warum eine Goldrandlösung sei, bliebe solche eine Unterstellung eben bloß eine Unterstellung.

Das Gegenteil kann richtig Geld kosten. Erinnert sich noch jemand an faster, cheaper, better? Dabei einmal in der Marsatmosphäre verglüht, einmal auf dem Mars aufgeschlagen. (MCO, MPL).

CONTOUR - keine Tour, gesprengt durch eigenen Antrieb ...

Und was ist mit dem Zusammenhang von vermeintlichen Einsparungserfordernissen und ausgebliebenen Tests und Reviews vor dem Schiaparelli-Crash? 

Gruß   Pirx

tonthomas

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #30 am: 21. Februar 2021, 09:56:44 »
...

- Kommunikationsorbiter
...
Insbesondere dem MCO waren entsprechende Aufgaben zugedacht. Er - bzw. die ganze Mission und ihre Abwicklung - war aber "zu billig", um es in einen Marsorbit zu schaffen - siehe oben.

Gruß   Pirx

tonthomas

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #31 am: 21. Februar 2021, 10:09:03 »
...

Zitat
Perseverance nutzt die nur im Detail verbesserte Technik der Vorläufermission Mars Science Laboratory mit dem Rover Curiosity. Teilweise besteht Perseverance aus übrig gebliebenen Ersatzteilen. Obwohl die schwierige Entwicklungsarbeit längst getan war, kosten beide Missionen etwa 2,7 Milliarden US-Dollar, inklusive zehn Jahren Missionsbetreuung. Dabei wurde auf das nass-chemische Labor von Curiosity zur Analyse genommener Bodenproben verzichtet, genauso wie auf chemische Öfen und Massenspektrometer, um Geld zu sparen. Das waren die teuersten Instrumente.

Neu sind ein Bodenradar, ein verbessertes Spektrometer für den Mast, ein Frequenzverdoppler für den Infrarotlaser, wie er in jedem grünen Laserpointer benutzt wird, eine Röntgenröhre und ein kleiner UV-Laser im Arm, mit Spektrometer. Nichts davon rechtfertigt zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe, auch nicht die verbesserten Bordcomputer und die ergänzte Steuerungssoftware.


Das impliziert, dass "das Teure allein" einmalige Entwicklungsarbeiten seien. Ich höre zu Raumfahrtprojekten immer wieder, dass das Teure insbesondere die Personalkosten allgemein sind. Ob da ein Teil in einem Lager liegt, ist da quasi egal. (Wobei auch das konserviert und benutzbar verfügbar halten täglich Geld kostet.)

Ich weiß auch nicht, ob es mit neuen Teilen im System irgendwie angemessen wäre, auf bestimmte Systemtests (die natürlich Kosten produzieren) zu verzichten, weil man das so ähnlich ja schon mal gebaut hat. Ich sach´ nur: Ariane 501 ...

Ist ein Frequenzverdoppler im einem Laserpointer für eine irdische Büroumgebung noch benutzbar nach dem Aufenthalt von mehreren Wochen im Weltraum und wird er einigermaßen lange unter den Bedingungen auf der Marsoberfläche funktionieren (ohne zu versagen, ohne andere Komponenten in Mitleidenschaft zu ziehen?)? (Oder hat nach dem Start im Vakuum ein Luftposter unter einem Chip denselben von der Platine, auf die er gelötet war, gesprengt ...)

Gruß   Pirx

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Offline Schillrich

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #32 am: 21. Februar 2021, 12:41:52 »
Ich bin da ganz bei Pirx,

einfach zu sagen, das ginge alles doch billiger ... das ist selbst billig. Wer in wissenschaftlichen Raumfahrtprojekten die tatsächlichen Aufwände kennt, um Einzelentwicklungen zu qualifizieren, schaut auf Kosten ganz anders, v.a. was ein angemessener Maßstab ist. Lässt man Tests (die sind teuer) samt notwendiger Modelle aus, steigt das Risiko. Bei „einmal“-Missionen mit hoher wissenschaftlicher Bedeutung ist das programmatisch meist nicht akzeptabel, da es keine direkt zweite Chance gibt. Und mit öffentlichen Geldern im Sinne von Risikokapital Fehlschläge zu bezahlen, um dann platt zu sagen: „aber wir lernen dabei“ ... wie will man das politisch rechtfertigen?

Was konkret sollen wir in einem Projekt denn anders machen?
- welche Modelle können wir weglassen?
- welche Reviews können wir auslassen?
- welche Tests sind unnötig?
- welche Dokumentation brauchen wir nicht?

Jeder, der in einem Projekt so etwas mal entscheiden musste, weiß wie schwer es ist zu bewerten, wie sich das Risiko hier ändert und was man akzeptieren kann gegenüber den Sponsoren und Stakeholdern ...
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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Offline FlyRider

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #33 am: 21. Februar 2021, 16:57:03 »
Jeder, der in einem Projekt so etwas mal entscheiden musste, weiß wie schwer es ist zu bewerten, wie sich das Risiko hier ändert und was man akzeptieren kann gegenüber den Sponsoren und Stakeholdern ...

Im Detail ist das sicher nicht einfach - vor allem da viele Missionen ja "once in a lifetime" Geschichten sind und keiner was riskieren möchte bzw. sich nicht dem Vorwurf aussetzen möchte, schlampig gearbeitet zu haben.

Aber manchmal hab ich auch das Gefühl, die sitzen in einem sehr bequemen Elfenbeinturm und haben wirklich keinen Druck. Mein Lieblings - Negativ - Beispiel ist der ExoMars Rover. Was hat man da bei Airbus UK nicht alles gebaut: Einen "Mars" - Sandkasten, was weiß ich wie viele Prototypen, man war damit in der Wüste in Spanien, man hat Fahrversuche in der Schweiz (warum eigentlich?) gemacht usw. und so fort.

Das Projekt hat sich von anfänglich 2011 nun auf 2022 verschoben ... Reaktion ... keine! Es gibt keinen Aufschrei, keine öffentliche Empörung, da wird einfach nur Geld verbraten ohne sich irgendwie rechtfertigen zu müssen. Bei der letzten Verschiebung hat sich einer der Beteiligten sogar noch so geäußert (das original Zitat finde ich gerade nicht), dass es "gut wäre, weil man dann die Instrumente noch mal besser abstimmen können" (oder so ähnlich). Da hatte ich dann schon mal leicht erhöhten Blutdruck  >:(

Zur Strafe ist Airbus UK übrigens nun beim Mars Sample Return Rover dabei (war zumindest der Stand vor dem Brexit). Da fragt man sich schon. Wenn sowas Schule macht, warum sollen sich die Platzhirschen wie Boeing, LM, Airbus usw. überhaupt anstrengen.  :-\

aasgeir

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Re: Die Marsmission des Rover Perseverance (Mars 2020)
« Antwort #34 am: 21. Februar 2021, 16:58:45 »
Hier ein Link auf eine technische Veröffentlichung zur Entwicklung des Mars-Helikopters auf (unter) Perseverance:   "Mars Helicopter Technology Demonstrator"
https://rotorcraft.arc.nasa.gov/Publications/files/Balaram_AIAA2018_0023.pdf.
Empfohlen zur Lektüre auch für alle, die glauben, dass man solche Entwicklungen auch für gaanz kleines Geld machen kann - der Aufwand ist doch erheblich.

Ebenfalls interessant: Beschreibung der Entwicklung des MMRTG (Radioisotop-Thermoelektrischer Generator) von Perseverance:
https://www.powermag.com/the-nuclear-battery-aboard-perseverance-the-next-gen-mars-rover/.
Enthält 4,8 kg Plutoniumdioxid; die jährliche Produktionskapazität der USA für Pu-238 beträgt derzeit 400 g ...

tonthomas

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #35 am: 21. Februar 2021, 18:14:23 »
... ExoMars Rover. Was hat man da bei Airbus UK nicht alles gebaut: Einen "Mars" - Sandkasten, was weiß ich wie viele Prototypen, man war damit in der Wüste in Spanien, man hat Fahrversuche in der Schweiz ....
Zur Strafe ist Airbus UK übrigens nun beim Mars Sample Return Rover dabei ....
Du meinst also, Airbus gehöre irgendwie bestraft? Wenn ja, warum genau? Was exakt von den ExoMars-Programmverzögerungen geht Deiner Ansicht nach auf die Kappe von Airbus?

Gruß   Pirx

Re: Re: Die Marsmission des Rover Perseverance (Mars 2020)
« Antwort #36 am: 21. Februar 2021, 18:14:42 »
Hier ein Link auf eine technische Veröffentlichung zur Entwicklung des Mars-Helikopters auf (unter) Perseverance:   "Mars Helicopter Technology Demonstrator"
https://rotorcraft.arc.nasa.gov/Publications/files/Balaram_AIAA2018_0023.pdf.

Hier ein paar technische Daten daraus:
Mars Helicopter Technology

Gewicht: ca. 1700 g
Betriebszeitraum: 30 Sols
Flugreichweite: bis zu 300 m
Flughöhe: 3 bis 10 m

bis zu fünf Flüge erwartet
nominale Flugzeiten: um 11 Uhr (Ortszeit)
Flugdauer: zwischen 90 Sekunden und einigen Minuten

Rotoren und Motoren:
2 koaxiale, gegenläufige Rotoren mit 1,21 m Durchmesser / 1 starrer Rotor

46-poliger bürstenloser Motor mit magnetisch gewickelten Zähnen mit rechteckigem Kupferdraht
maximale Rotordrehzahl: 2800 U/min

Taumelscheiben mit kollektiver und zyklischer Steuerung
kollektiver Winkel: von -4,5 Grad bis 17,5 Grad
zyklischer Winkel: ±10 Grad

Höhen und Neigungungssteuerung der Taumelscheiben:
Drei bürstenbehaftete Maxon-Gleichstrommotoren (DCX10) über 4-stufiges Getriebe

Li-Ionen-Batteriesystem:

6 Sony SE US1865o VTC4 Li-Ionen-Zellen
Nennkapazität 2 Ah
maximale Entladerate: größer als 25 A
maximale Zellspannung: 4,25 V
Dauerbelastbarkeit: 480 W
Spitzenleistung: 510 W
Batteriespannung: 15 - 25,2 V
Gesamtmasse: 273 g
End-of-Life Batteriekapazität: 35,75 Wh

Solarpanel:

invertierte metamorphe (IMM4J) Zellen von SolAero Technologies
rechteckige Fläche mit 680 cm² (544 cm² aktive Zellfläche)

Aufladen der Batterie durch Solarpanel: 

ein bis mehrere Sols (Marstage)

Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #37 am: 21. Februar 2021, 18:35:35 »
ExoMars ist in seiner Ganzheit sicher kein Paradebeispiel für ein super laufendes Projekt. Einiges ist schief gegangen, zum Teil außerhalb ESAs Kontrolle (NASA und mit ihr der Skycrane zieht sich zurück), teilweise wacklige Finanzierung weil nicht Teil des verpflichtenden Budgets der Mitgliedsstaaten und auch zum Teil technische Probleme. Aber deine Argumente finde ich jetzt wirklich nicht überzeugend


Aber manchmal hab ich auch das Gefühl, die sitzen in einem sehr bequemen Elfenbeinturm und haben wirklich keinen Druck. Mein Lieblings - Negativ - Beispiel ist der ExoMars Rover. Was hat man da bei Airbus UK nicht alles gebaut: Einen "Mars" - Sandkasten, was weiß ich wie viele Prototypen, man war damit in der Wüste in Spanien, man hat Fahrversuche in der Schweiz (warum eigentlich?) gemacht usw. und so fort.
Soll man ungetestet zu Mars fliegen? Ein selbstgebauter Sandkasten vor der eigenen Nase ist wichtig, um möglichst oft testen zu können, kann aber eine echte Wüste nur bedingt abbilden. Mehrere einfache Prototypen erlauben ein viel schnelleres testen eines Designs, man muss nicht darauf warten bis Dinge fertig sind, die vollkommen unwichtig für den Test sind nur um dann am vollständigen Modell festzustellen, dass man einen Fehler gemacht hat, wegen dem man nochmal zurück zum Anfang muss. Übrigens bestanden die Prototypen teilweise einfach nur aus Alu-Profilen, ist jetzt nicht so als würde das extrem Geld verbrennen.


Das Projekt hat sich von anfänglich 2011 nun auf 2022 verschoben ... Reaktion ... keine! Es gibt keinen Aufschrei, keine öffentliche Empörung, da wird einfach nur Geld verbraten ohne sich irgendwie rechtfertigen zu müssen. Bei der letzten Verschiebung hat sich einer der Beteiligten sogar noch so geäußert (das original Zitat finde ich gerade nicht), dass es "gut wäre, weil man dann die Instrumente noch mal besser abstimmen können" (oder so ähnlich). Da hatte ich dann schon mal leicht erhöhten Blutdruck  >:(
Keine Reaktion?! Es ist doch eher das Gegenteil der Fall.
Und gerade wissenschaftliche Experimente sind nie fertig, es gibt immer noch Möglichkeiten, sie zu verbessern. Wenn man jetzt die Zeit hat, wäre es besser, sie einfach rumliegen zu lassen?


Zur Strafe ist Airbus UK übrigens nun beim Mars Sample Return Rover dabei (war zumindest der Stand vor dem Brexit). Da fragt man sich schon. Wenn sowas Schule macht, warum sollen sich die Platzhirschen wie Boeing, LM, Airbus usw. überhaupt anstrengen.  :-\
Wäre es besser, alle Lessons Learned wegzuschmeißen und zu einer anderen Firma zu gehen, die noch nie einen Rover gebaut hat?


Und man macht es sich doch extrem einfach, wenn man sagt, dass man bei Beagle2 oder Schiaparelli einfach nur Pech hatte. In Tests hat das Entfalten immer geklappt und die Oszillationen waren stärker als in den Modellen vorhergesagt. Aber worin die NASA (bzw das JPL) verdammt gut ist, ist sich im Vorfeld zu überlegen, was passiert, wenn das Entfalten nicht funktioniert? Kann unser Design damit umgehen? Was passiert, wenn unsere Sensoren in Sättigung gehen?
So zu arbeiten kostet natürlich Geld, weil 90% der Arbeit für Dinge draufgehen, die nie gebraucht werden. Aber wenn man aufhört, das zu machen, betreibt man Glücksspiel. Und das hat auch die NASA am Mars erfahren.
Die Frage darf nicht nur sein, ob man es für 500Mio statt 2.7 Mrd machen kann, sondern ob man für diese Ersparnis bereit ist, bei Misserfolg 10 Jahre auf die nächste Gelegenheit zu warten.
"Dragon 2 is designed to be able to land anywhere in the solar system. Red Dragon Mars mission is the first test flight." - Elon Musk

Offline FlyRider

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #38 am: 21. Februar 2021, 18:40:11 »
... ExoMars Rover. Was hat man da bei Airbus UK nicht alles gebaut: Einen "Mars" - Sandkasten, was weiß ich wie viele Prototypen, man war damit in der Wüste in Spanien, man hat Fahrversuche in der Schweiz ....
Zur Strafe ist Airbus UK übrigens nun beim Mars Sample Return Rover dabei ....
Du meinst also, Airbus gehöre irgendwie bestraft? Wenn ja, warum genau? Was exakt von den ExoMars-Programmverzögerungen geht Deiner Ansicht nach auf die Kappe von Airbus?

Gruß   Pirx

Bestraft? Natürlich nicht. Was genau wer wann und wo und wie falsch gemacht hat, Airbus, andere oder auf Seiten von Roskosmos ... tja, Schwer zu sagen, weil: Transparenz Fehlanzeige. Versuch mal rauszufinden, wie viel Geld bislang genau in den Rover geflossen ist, nicht so einfach, weil man den Trace Gas Orbiter und den Rover als ein Projekt betrachtet und die Russen ja auch noch im Boot sind.

Zitat von hier:

https://www.esa.int/Science_Exploration/Human_and_Robotic_Exploration/Exploration/ExoMars/ExoMars_frequently_asked_questions

"The European cost of the ExoMars programme is €1.3 billion (under economic conditions of 2008), assuming launches in 2016 and 2020."   

Tja, 2020 ist rum. Die Kostenschätzung darf man auch anzweifeln, die gibt es so nämlich schon seit ein paar Jahren, offensichlich kosten die Verzögerungen also kein Geld  ???

Es geht hier nicht um bestrafen, es geht mir darum, dass man wenig erfährt, es kaum bis keinerlei Kritik gibt (Politik, wo?), die Kosten unklar sind und "zur Strafe" (und so hab ich das gemeint) bekommt Airbus UK den Aftrag für die Sample Return Studie (und meiner Meinung nach wahrscheinlich auch den Auftrag).

https://www.airbus.com/newsroom/press-releases/en/2020/06/airbus-wins-next-study-contract-for-martian-sample-fetch-rover.html

Warum? Wegen besondere Leistung oder weil es schlicht Wurst ist und das Geld eh fließt und wenn man sich um 2,3,5,7 ... sagen wir 10 Jahre verschätzt, und? Egal!

Offline FlyRider

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #39 am: 21. Februar 2021, 18:43:18 »
Wäre es besser, alle Lessons Learned wegzuschmeißen und zu einer anderen Firma zu gehen, die noch nie einen Rover gebaut hat?

Aber genau so funktioniert es. Wenn Airbus UK dann auch den Sample Rover baut, dann gibt es halt noch mehr Gründe, ihnen auch den nächsten Rover anzuvertrauen ...

Konkurrenz oder Wettbewerb? Strukturbedingt nicht möglich!

EDIT: Nur um das klar zu stellen: mir geht es hier nicht darum, auf Airbus UK rumzuhacken. Der letzte Punkt vom Text oben ist mir wichtig: bei der aktuellen Vergabestrategie habe ich das Gefühl, dass gilt: Einmal Sieger = immer Sieger. Die Amis haben es mir den ganzen "commercial" Programmen (COTS und Co.) ja vorgemacht: Lieber mal mehrere Firmen fördern (kostet natürlich auch Geld, erstmal eher mehr) und dann nach Leistung entscheiden. Der entstehende Wettbewerb wird langfristig zu einer Kostensenkung führen, siehe SpaceX als Besipiel.

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Online tomtom

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #40 am: 21. Februar 2021, 21:44:54 »
Wir haben gesehen, dass Trägerraketen nicht teuer sein müssen. Wir haben gesehen, dass Raumfrachter nicht teuer sein müssen. Wir haben gesehen, dass Raumschiffe komplett für 3 Milliarden US-Dollar entwickelt, getestet und mehrfach geflogen werden können - während andere 4,5 Milliarden Dollar bekommen und dann nicht mal eine vollständige Softwaresimulation des ersten Fluges machen. Jeder kennt noch mehr Beispiele und di noch größeren Klopse hab ich gar nicht erst erwähnt JWST,  Artemis (Orion, SLS), Ariane 6 ... sucht es euch aus. Keiner kann sich raus reden. Die Geldverschwendung ist enorm. 50% Verschwendung ist als Schätzung viel zu niedrig angesetzt.

Ich hatte Mars Perseverance bisher gar nicht als so außerhalb von Budget und Zeitplan gesehen. Ok, ganz am Anfang sollten Flagship-Projekte nicht mehr als 1 Mrd kosten und dann sollte Curiosity 2.0 mit 1,5 Mrd an den Start gehen und 2016 waren es 2,3 Mrd Life-cycle costs und jetzt sind es 2,7 Mrd. Das GAO-Dokument von April 2020 liefert hier ein paar Informationen zu Kostensteigerungen.

Was etwas kosten darf, ob 2,7 Mrd. viel sind oder 1,5 Mrd ein Schnäppchen, ist ja schwer zu beurteilen. Sowas geht ja meist durch wissenschaftliche Gremien mit Priorisierungen.

Hier ein Test und da ein Dokument wegzulassen um Kosten zu sparen, ist wohl nicht die Lösung. Die Kritik scheint mir eher fokusiert auf Prozesse und Führung, zumindestens wenn sie einen Zeitraum überschreitet. Ein Projekt, dass 10 Jahre dauert, ist eigentlich nicht kalkulierbar.
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

tonthomas

  • Gast
Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #41 am: 22. Februar 2021, 07:42:21 »
...
Hier ein Test und da ein Dokument wegzulassen um Kosten zu sparen, ist wohl nicht die Lösung. Die Kritik scheint mir eher fokusiert auf Prozesse und Führung, zumindestens wenn sie einen Zeitraum überschreitet. Ein Projekt, dass 10 Jahre dauert, ist eigentlich nicht kalkulierbar.
Möglicherweise (!) wäre etwas zu gewinnen, wenn Schönrechnungen im Projektverlauf auf jeden Fall ausblieben. In Projektmanagement-Theorie hörte ich mal was von einzuplanenden Puffern und Reserven, in der (IT)-Praxis waren diese regelmäßig kaum oder nicht durchzusetzen. Ich für meinen Teil hatte jeweils regelmäßig durchaus eine Vorstellung von Gründen dafür, wenn etwas "überraschender" Weise länger gedauert hat.

Aber für mehr Ehrlichkeit im Management zu plädieren ist ... wie war das mit den Windmühlen? Insgesamt scheint mir das absolut kein raumfahrt-spezifiesches Kulturproblem.

Gruß   Pirx

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Offline Schillrich

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #42 am: 22. Februar 2021, 09:39:11 »
Die Diskrepanz ist tatsächlich häufig in Planung und Abrechnung ...

Wissenschaftliche Missionen sind häufig Selbstkosten-Erstattungspreise, keine Festpreise. Tatsächlich durchgeführte Arbeiten werden nachgewiesen und abgerechnet. Hier kann man zwar "kreativ rechnen", aber nicht grundlos riesige Mehrkosten abrechnen. Wenn damit das geplante Budget gerissen wird, hat man bei der Planung/Kostenschätzung in den frühen Phasen etwas falsch gemacht ... u.a. einige Kosten rausgelassen, Puffer nicht eingeplant, etc ...

Wie kommen Kosten in einem Raumfahrtprojekt eigentlich zustande?:
  • In den frühen Phasen werden ein Funktionsbaum und ein Produktbaum entwickelt. Der Eine definiert alle Funktionen, die das System schaffen muss. Der Zweite definiert alle notwendige Hard- und Software, um diese Funktionen zu realisieren.
  • Zum Produktbaum definiert man Arbeitspakete und einen Projektstrukturplan, welche Arbeiten notwendig sind, wie lang und wann, um die ganzen Elemente des Produktbaums zu realisieren, von Analyse, über Spezifkation, Design, Bau, Test, Integration ...
  • Jedem Arbeitspaket werden "personelle Ressourcen" aus dem Projekt zugeordnet. Das definiert einen großen Teil der Kostenplanung.*
  • Die erfüllten Arbeitspakete mit ihrem tatsächlichen Ressourcenansatz werden dann abgerechnet.
Höhere Kosten in der Abrechnung entstehen also durch "längere, intensivere Arbeitspakete". Die saugen später häufig das geplante Budget leer. Richtig teuer sind Tests, in denen etwas (am fast finalen Produkt) schief geht und man dann analysieren, reparieren, aufarbeiten, re-testen muss. Frühere Entwicklungstests an Entwicklungsmodellen, die man ggf. gespart hat, weil man die technologische Reife zu optimistisch einschätzt, wären meist billiger gewesen. Früh lernen und korrigieren, ist immer billiger. Ganz umsonst gibt's eben keinen Erfolg ...


*Die direkten Kosten entstehen also schon durch "Personalkosten". Diese sind aber an die geplante Hardware/Software gekoppelt. Also jedes weitere Modell, jede weitere Hardware, kostet damit auch mehr, wenn auch nicht auf Bauteileebene so viel. Insofern kann man sich das am Anfang des Projekts durch Reduktion schön "schön rechnen".
\\   //    Grüße
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aasgeir

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Re: Ist Raumfahrt aktuell zu teuer?
« Antwort #43 am: 22. Februar 2021, 12:42:42 »
Ein weiterer Aspekt bei der "Entwicklungsdynamik" von Projektkosten ist ja die eingebaute Versuchung, die Kosten zu Anfang zu gering anzusetzen - zB um dem Kunden bzw dem Geldgeber die Sache schmackhafter zu machen bzw ihn nicht zu verprellen, oder um konkurrierende Angebote zu unterbieten. Man vertraut dann darauf, dass dann, wenn das Projekt entsprechend fortgeschritten ist, die dann auftauchenden notwendigen Kostensteigerungen in Richtung "wahre Kosten" eher hingenommen werden als zu Beginn eines Projekts. So kommt es zu "Kostensteigerungen", obwohl nicht unbedingt erhöhter Aufwand oder zusätzliche Probleme aufgetreten sind.