Warum so lange vom Start bis Andocken an die ISS? Im Oktober hat die russische Sojus Rakete dafür nur 3 Stunde gebraucht.
Es gibt drei wichtige Parameter zum erreichen der ISS.
(1) Die Inklination der ISS. Sie ist um 51,6° zum Äquator verschoben. Das heiß, die ISS "Pendelt" um den Äquator bis genau 51,6 Grad Nord und bis 51,6 Grad Süd. Möchte man zur ISS fliegen, braucht man ganz genau die gleiche Inklination. Liegt man nur 1 Grad daneben verfehlt man die ISS um knapp 100 Kilometer. Die Inklination wird im Normalfall mit Richtung der Rakete erreicht. Also wenn die Rakete startet, dann fliegt sie nach Nord-Osten, so dass sie genau 51,16° Inklination erreicht. Das Raumschiff kann hier nichts mehr dran ändern.
--> Damit ist die Richtung, in welche die Rakete startet fest vorgegeben.
(2) Den RAAN. Die Erde dreht sich unter der ISS weg. Das heißt, die ISS überfliegt mit jeder Umdrehung eine andere Position auf der Erde. Eine Definition des Punktes hierzu wird RAAN genannt, ich nenne das ganz zur Vereinfachung nur RAAN. Stelle Dir vor, die ISS ist gerade über Europa, während die Dragon gerade über Afrika ist. Beide können mit der gleichen Inklination fliegen, würden aber versetzt um die Erde pendeln. Der RAAN ist unterschiedlich. Dann würde man die ISS auch niemals erreichen. Da die Erde sich in 23 Stunden und 56 Minuten und 4 Sekunden einmal um sich selbst dreht (nicht 24,00 Stunden), kann man ca. 1 mal am Tag starten. Man muss dann aber ganz genau und auf die Sekunde perfekt Starten. Startet man nur 5 Minuten früher oder später, ist der RAAN unterschiedlich und man ist schon wieder rund 100 km weit weg von der ISS und kann sie nicht erreichen. Somit ist hiermit die Uhrzeit auf die Sekunde genau festgelegt.
--> Jetzt ist alles, was den Start der Rakete betrifft, festgelegt.
--> Die Uhrzeit steht fest und die Richtung in die man fliegt steht fest.
--> Aber was ist, wenn die ISS jetzt gar nicht da ist, sondern auf der anderen Seite der Erde?
(3) Die Position der ISS auf ihrer Bahn ist der dritte Parameter. Wenn man mit der Dragon in die Bahn der ISS fliegt, und die ISS ist genau da wo die Dragon ist, hat man sie erreicht. Wenn sie aber auf der anderen Seite der Erde ist, nutzt man ein physikalisches Phänomen aus: Man bleibt im Orbit niedriger als die ISS. Jetzt fliegt man schneller als die ISS und verringert den Abstand. Und das kostet Zeit. Daher ist der Anflug zur ISS langsam.
--> Möchte man den Anflug beschleunigen gibt es einige wichtige Punkte zu beachten.
(4) Man kann die Position der ISS beeinflussen. Die ISS ist jeden Tag wo anders auf der Bahn. Man muss sich als Vorbereitung einen Tag aussuchen, an dem die ISS fast perfekt positioniert ist. Wenn man jetzt 2 bis 3 Wochen vor dem Raketenstart die Geschwindigkeit der ISS verändert, kann man die Position der ISS auf ihrer Bahn um ca. 5% bis 10% anpassen. Wenn jetzt die Position der ISS perfekt zur Position der Dragon passt, dann muss die Dragon keine unnötigen Pausen im Flug einlegen.
5) Bahnphysik. Wenn man im Apogäum die Geschwindigkeit ändert, verändert man das Perigäum. Und anders herum. Somit kann man nicht einfach so schnell den Orbit ändern. Sondern man muss warten bis man an der Richtigen Position ist. Und zwar immer 45 Minuten. Möchte man die Triebwerke z.B. 6 mal zünden, sind alleine das schon 4,5 Stunden.
6) Und Bahngenauigkeit. Das ist das größte Problem, wenn man die Zeit reduzieren möchte. Man muss genau wissen, wo man wann ist. Da reicht GPS nicht für aus. Ein einzelnes Radar auch nicht. Denn erst, wenn man weiß, wo man ganz genau ist, kann man berechnen, wie man die Triebwerke genau zünden muss. Hat man hierfür nur 1 Radar auf der Erde, könnte man nur alle 1,5 Stunden die Position messen. Das ist viel zu wenig, wenn man schnell bei der ISS sein möchte. Russland hat dafür Radaranlagen auf der ganzen Erde verteilt. Die Genauigkeit ist absolut unvorstellbar.