Optimaler Minumalradius für rotierende Raumstation für künstliche Gravitation

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MHN

  • Gast
Wurde eigentlich schon einmal biologisch untersucht, was der optimale minimale Radius für eine rotierende Raumstation zwecks einer künstlichen Gravitation ist?
Und würde aus biologischen Gesichtspunkten nicht auch schon eine geringere Gravitation als 1 g ausreichen?

Rein von der Physik kann man da ja schon einiges ausrechnen, aber die berücksichtigt meiner Meinung nach nicht die biologische Komponente.
Insofern frage ich mich, ob es diesbezüglich schon ein reales Experiment im Weltraum gab?

Könnte man bspw. nicht einfach zwei Raumfahrzeuge an ein langes Drahtseil binden und diese um dessen Mittelpunkt rotieren lassen?
Damit könnte man das ganze gut biologisch in aller Ruhe ein paar Tage lang untersuchen und hätte sogar noch die Möglichkeit den Abstand und die Rotationsgeschwindigkeit beliebig einzustellen.

Für die Sicherheit wäre auch gesorgt, da beide Raumfahrzeuge autarke Einheiten wären und diese die Besatzungen sicher zur Erde zurückbringen könnten falls bspw. das Seil reißt.
Das ganze würde zwar zwei Raketenstarts inkl. Rendezvous im Orbit bedeuten, aber das ist dennoch günstiger als sonstige komplexere Bauten.
 

GG

  • Gast
Ich finde den Ausdruck künstliche Gravitation ungünstig. Er suggeriert, wir wären in der Lage, Gravitation durch irgendein Gerät zu erzeugen, etwa wie wir Magnetfelder durch Spulen hervorrufen können.

Wollen wir nicht von Schwerkraftersatz durch Fliehkraft sprechen?

Irgendwo hatte ich (vor nicht allzu langer Zeit) schon einmal gelesen, dass man eine Fliehkraftbeschleunigung deutlich unter einem g zunächst für ausreichend hält. Vermutlich im Zusammenhang mit BO-Projekten.

Könnte man bspw. nicht einfach zwei Raumfahrzeuge an ein langes Drahtseil binden und diese um dessen Mittelpunkt rotieren lassen?

Das wurde ja schon mehrfach vorgeschlagen (u.a. bei Mars Direct oder TEMPO³) und wurde sogar schon vor über 50 Jahren mit einem ca. 30m langen Kabel bei Gemini 11 demonstriert, auch wenn dort nur ein eher marginaler g-Wert erreicht wurde (0,00015g).


Quelle: Astronautix

Ich finde den Ausdruck künstliche Gravitation ungünstig. Er suggeriert, wir wären in der Lage, Gravitation durch irgendein Gerät zu erzeugen, etwa wie wir Magnetfelder durch Spulen hervorrufen können.

Geht mir auch so, aber ich weiß nicht ob es sinnvoll ist im Deutschen ein geeigneteres Wort zu finden, wenn in englischsprachigen Publikationen zum Thema auch weiterhin von "artificial gravity" die Rede ist.
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

Ich finde den Ausdruck künstliche Gravitation ungünstig. Er suggeriert, wir wären in der Lage, Gravitation durch irgendein Gerät zu erzeugen, etwa wie wir Magnetfelder durch Spulen hervorrufen können.

Gemäß Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gibt es aber keinerlei Unterschied zwischen Schwerkraft durch Gravitation und Schwerkraft durch Beschleunigung.

Offline Ldf

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Hier wurden einige Aspekte diskutiert. https://www.quora.com/Why-doesnt-the-International-Space-Station-have-a-rotating-element-to-produce-artificial-gravity-for-its-occupants

Man muß die Corioliskraft gering halten und man muß vermeiden, daß der Fliehkraftunterschied am Kopf und an den Füßen bzw. Unterleib nicht alzu groß wird.  Das läßt sich abschätzen, wie hier getan: https://www.leifiphysik.de/mechanik/kreisbewegung/ausblick/kuenstliche-gravitation

Ein Mensch - sein Mittelohr - würde nicht etwa die Senkrechte auf einer Sekanten als senkrecht empfinden, sondern die resultierende Richtung aus Coriolis- und Zentrifugalkraft. Bei kleinen Durchmessern wäre das ganz schön schizophren, besonders wenn man eine Kehrtwendung vin der Drehebene macht.

Dort kommt man bei 2 U/min, eine Frequenz, bei der Coriolis keine praktische Rolle mehr spielen sollte, auf 7000 Meter Durchmesser, wenn man 1g am Außenrand haben will. Jetzt braucht man Langzeitversuche mit reduzierter Beschleunigung, womit man sich dann an Beschleunigungen, machbare Durchmesser und Winkelgeschwindigkeiten herantastet, um die Biologie und das subjektive Wohlbefinden dahinter zu erforschen. Das könnte dann den Durchmesser zwar reduzieren, ihn aber nicht in heute machbare Größenordnungen bringen.  Villeicht sind auch 100% Erdbeschleunigung nicht notwendig, und man kommt mit 70% - 85% aus?

   
Zur Festlegung des optimalen Durchmessers kommen noch andere Probleme dazu:

1 Zuverlössiges Abdichten der Stellen zwischen rotierenden und starren Teilen, oder man läßt die ganze Station rotieren.  - Siehe auch 4.
2 Antriebsenergie für das Rotieren
3 Manövrieren mit rotierenden Teilen,die sich ja bekannterweise wie ein Gyroskop verhalten.
4 Eine Raumstation im Orbit eines Himmelskörpers (Erde) wird wahrscheinlich auf diesen ausgereichtet sein. Der rotierende Teil verlangt aber nach einer stabilen Lage im Raum. Das wäre dann eine Station auf GEO-Bahn, was die Erderkundung schwieriger macht und nach Strahlenschutz verlangt.




 

« Letzte Änderung: 09. April 2018, 14:10:50 von Ldf »

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Offline Sensei

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Ich finde deine Quelle nicht besonders gut.
Das ist eine einfache, mathematische Übung und hat gerade nichts mit dem menschlichen Körper zu tun.

Wo liegen denn die Grenzen des Wohlbefindens? Sollten 5% Zentrifugalbeschleunigung noch ertragbar sein dann hätte die Station auf ein mal  nur noch einen 35m Radius.
Zumal die erste Quelle auch einfach so 50ft/15m als möglichen Radius bzw einen Torus mit 10m und einer Zentrifugalbeschleunigung von 0.08g in den Raum wirft.

Ich finde den Ausdruck künstliche Gravitation ungünstig. Er suggeriert, wir wären in der Lage, Gravitation durch irgendein Gerät zu erzeugen, etwa wie wir Magnetfelder durch Spulen hervorrufen können.

Gemäß Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gibt es aber keinerlei Unterschied zwischen Schwerkraft durch Gravitation und Schwerkraft durch Beschleunigung.

Und wie sie das tut!

Zum einen gilt die obige Aussage nur für das Innen- nicht für das Außensystem.
Zum anderen gilt die Aussage nur für gleichmäßige, lineare Beschleunigungen - und das hat man bei einer Kreisbeschleunigung gerade nicht ;)

Eine einfache Lösung wurde ja bereits oben mit dem Gemini Bild Aufgezeigt.

Vor allem für Marsflüge wäre es eine gute Lösung zwei getrennte Schiffe mit einem langen Theter zu verbinden und so zu beschleunigen, dass 1g herscht. In den Schiffen hätte man Decks die im Fluge wie auf dem Mars gleich ausgerichtet sind.

Beim Mars wird die Landestufe im richtigen Moment der retrograden Bewegung ausgeklinkt und überträgt dabei Energie auf die im Orbit verbleibende Stufe somit wird weniger Energie für die Abbremsung benötigt.

Offline Ldf

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Ich finde deine Quelle nicht besonders gut.
Das ist eine einfache, mathematische Übung und hat gerade nichts mit dem menschlichen Körper zu tun.

Die Quelle zeigt zunöchst nur, wie man so was rechnet. Für den Physiker oder einen Ingineur ist das banal.

Die Auswirkungen von Schwerkraft, erzeugt durch Kreisbeschleunigung, als Dauerwirkung und in den Maßstäben, wie sie eventuell eine Raumstation oder ein  Tiefraum-Raumfahrzeug haben könnten, sind völlig unbekannt. Da kann man sich nur über heute machbare Versuche unter Laborbedingungen herantasten. Viel Bedarf besteht derzeit nicht. Das ISS-Zentrifugenmodul wurde gestrichen und das Nautilus-Rad wird auch niemand an der ISS testen:

 
 

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Offline Sensei

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Eine einfache Lösung wurde ja bereits oben mit dem Gemini Bild Aufgezeigt.

Vor allem für Marsflüge wäre es eine gute Lösung zwei getrennte Schiffe mit einem langen Theter zu verbinden und so zu beschleunigen, dass 1g herrscht. In den Schiffen hätte man Decks die im Fluge wie auf dem Mars gleich ausgerichtet sind.

Man muss sich da aber einfach bewusst machen dass man dadurch ordentlich zusätzlich Komplexität ins System bringt und das nach Möglichkeit vermeiden wird.

MidFlight Korrekturen werden dadurch fast unmöglich. Außerdem ist die Schwerelosigkeit zwar nicht angenehm, aber anscheinend kein Deal-Breaker (so wie manche noch früher gedacht hätten).

Außerdem ist die Schwerelosigkeit zwar nicht angenehm, aber anscheinend kein Deal-Breaker (so wie manche noch früher gedacht hätten).
Problem ist halt immer, daß man nach der Landung erstmal wie ein platter Fisch herumliegt, wenn man von einer Langzeitmission kommt und plötzlich wieder Schwerkraft herrscht. Scott Kelly sollte doch nach seiner ISS-Mission nach der Landung auf der Erde versuchen, selbstständig die Sojus-Luke zu öffnen und war kräftemässig nicht in der Lage dazu. Eine Mannschaft, die als erste auf dem Mars landet, ist dann eventuell erstmal ein paar Stunden nur sehr beschränkt handlungsfähig. Allerdings könnte das bei einem Drittel-G auf dem Mars vielleicht nicht so wild sein.

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Offline MpunktApunkt

  • Raumcontref­f 2023
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Eine Mannschaft, die als erste auf dem Mars landet, ist dann eventuell erstmal ein paar Stunden nur sehr beschränkt handlungsfähig. Allerdings könnte das bei einem Drittel-G auf dem Mars vielleicht nicht so wild sein.

Da eine bemannte Marsmission ja nicht wie Apollo nur ein paar Stunden auf dem Mars vorsieht, sondern mehrere Monate, sollten sogar ein paar Tage "Gravitationsrelaxen" in der Marsstation eigentlich kein Problem darstellen.
Wenn Du heute morgen schon sechs unmögliche Dinge getan hast, warum dann nicht als siebentes zum Frühstück ins Milliways, das Restaurant am Ende des Universums?

Offline Ldf

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Eine einfache Lösung wurde ja bereits oben mit dem Gemini Bild Aufgezeigt.

Vor allem für Marsflüge wäre es eine gute Lösung zwei getrennte Schiffe mit einem langen Theter zu verbinden und so zu beschleunigen, dass 1g herrscht. In den Schiffen hätte man Decks die im Fluge wie auf dem Mars gleich ausgerichtet sind.
....
MidFlight Korrekturen werden dadurch fast unmöglich...

Bei zwei bis drei Korrekturen könnte man das Lösen, indem man die Hälften für die Zeit des Antriebs zusammenkurbelt.

Gemäß Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gibt es aber keinerlei Unterschied zwischen Schwerkraft durch Gravitation und Schwerkraft durch Beschleunigung.

Und wie sie das tut!

Zum einen gilt die obige Aussage nur für das Innen- nicht für das Außensystem.
Zum anderen gilt die Aussage nur für gleichmäßige, lineare Beschleunigungen - und das hat man bei einer Kreisbeschleunigung gerade nicht ;)

Sorry, es gibt keinen Unterschied zwischen träger und schwerer Masse. Der einzige Unterschied ist nur, dass im Fall der schweren Masse die Raumzeit gekrümmt ist, was sie im Fall gleichmäßiger Beschleunigung nicht ist. Und dabei ist es vollkommen egal, ob es sich um eine linear beschleunigte Bewegung handelt, oder ob auch Fliehkräfte dabei eine Rolle spielen.

FLL_IntoOrbit_HB

  • Gast
Hallo,

"wir" haben einen Beitrag zum Thema "Künstliche Schwerkraft".

"Wir" sind ein Team das bei der "First Lego League" mitmacht. Das Ziel von FLL ist es, Kinder frühzeitig die Themen Technik (insbesondere Robotern), Teamarbeit und nicht zuletzt auch wissenschaftliches Arbeiten nahezubringen. Die Kinder (10-12 Jahre alt, die meisten sind 10) treten dabei als Team in Wettbewerben an, die weltweit ausgetragen werden (mittlerweile gibt es ca. 50000 FLL Teams weltweit).
Siehe auch:
https://www.first-lego-league.org/de/allgemeines/was-ist-fll.html
 
Dieses Jahr ist das Themengebiet des Forschungsauftrags „Reisen durch und Leben im Weltall“). Die Kinder müssen sich ein Problem aus diesem Gebiet suchen, dazu recherchieren, Experten suchen die ihnen Input geben, dann eine möglichst innovative Lösung erarbeiten, und nicht zuletzt ihre Arbeit veröffentlichen.
Unser Team hat seit ca. März die Jahreschroniken von Eugen Reichl (2017, 2018) gewälzt, und viele andere Quellen angeschaut.

Das Thema wurde letztlich "Künstliche Schwerkraft". Da die FLL erwartet dass wir unsere Ergebnisse mit anderen "Peers" teilen, möchten wir dieses Forum dafür nutzen. Da es Kinder sind, ist der Beitrag erwartungsgemäß nicht so innovativ wie vielleicht von DLR, NASA oder ESA  ;)

Bzgl. Größe, Radius und Bauart, und der Wirkung auf Menschen, haben wir Folgendes:
(a) einige Studien und Informationen
(b) selbst einen Vorschlag

Wir hoffen auf Feedback, hoffentlich auch positives.

Viele Grüße !

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In allen Fällen gehen wir davon aus, dass der Abbau von Knochen, Muskeln, Veränderungen am Gehirn und viele weitere Probleme vermieden werden, und das ohne ein schwieriges zweistündiges Training in einer Kurzarmzentrifuge.

(a) Recherche: Studien und Informationen
Die aus unserer Sicht neuste Studie, die wiederum auch viele andere Studien erwähnt findet sich hier:
http://space.nss.org/media/NSS-JOURNAL-Space-Settlement-Population-Rotation-Tolerance.pdf

Die beste Studie für den Bau solcher "Habitate" haben wir hier gefunden:
https://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/20070023306.pdf

(b) Unsere Idee
Da es zwar haufenweise Konzepte und Studien gibt, aber (außer Gemini 11) keine Versuche im All, vor allem keine langfristigen (bspw. 1 Jahr oder länger), schlagen wir vor einen langfristigen Versuch im All zu machen.
Dazu sollte ein Konstrukt (Doppelarm oder Doppelhammer, "Fire Batton") wie in der oben genannten Studie der Nasa in die Erdumlaufbahn gebracht werden. Allerdings sollten Drehgeschwindigkeit und Radius in gewissen Grenzen einstellbar sein. Bspw. sagen die Studien, dass bei 4 Umdrehungen pro Minute der Radius 56 Meter sein muss. Ebenso ist zu herauszulesen, dass mehr als 4 Umdrehungen nicht mehr wirklich gesund zu sein scheinen. Mehr als bspw. 100 Meter Radius werden schwierig umzusetzen sein, so dass die Größe von 50-100 oder 120 Meter Radius einstellbar sein sollte. Die Habitate sollten relativ autonom sein und für Astronauten entsprechend lange bewohnbar. Man kann sich vorstellen dass dort auch Soyus Kapseln andocken könnten.
Vorteil eines solchen Aufbaus:
- man kann Gravitation wie auf der Erde, dem Mars oder dem Mond "einstellen"
- man kann die verschiedenen Drehgeschwindigkeiten und Radien langfristig testen
Die Erkenntnisse können für Reisen zum Mars oder Mond helfen, und ebenso für langfristige Habitate (wie Stanford Torus) Erkenntnisse bringen.


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Offline Pham

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Gemäß Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gibt es aber keinerlei Unterschied zwischen Schwerkraft durch Gravitation und Schwerkraft durch Beschleunigung.

Und wie sie das tut!

Zum einen gilt die obige Aussage nur für das Innen- nicht für das Außensystem.
Zum anderen gilt die Aussage nur für gleichmäßige, lineare Beschleunigungen - und das hat man bei einer Kreisbeschleunigung gerade nicht ;)

Sorry, es gibt keinen Unterschied zwischen träger und schwerer Masse. Der einzige Unterschied ist nur, dass im Fall der schweren Masse die Raumzeit gekrümmt ist, was sie im Fall gleichmäßiger Beschleunigung nicht ist. Und dabei ist es vollkommen egal, ob es sich um eine linear beschleunigte Bewegung handelt, oder ob auch Fliehkräfte dabei eine Rolle spielen.
Speziell dann gibt es unter der Betrachtung der allgemeinen Relativitätstheorie aber durchaus einen Unterschied. Im Fall der linearen Beschleunigung ist es nur für einen inerten Beobachter nicht unterscheidbar.
Müssten wir allein dem gesunden Menschenverstand vertrauen, so wäre die Welt noch immer eine Scheibe.

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Offline Pham

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  • 1141
BTW: Ist das Thema nicht eher etwas für "Konzepte und Perspektiven"
Hätte ich ansonsten nicht unter "bemannte Raumfahrt" gesucht.
Müssten wir allein dem gesunden Menschenverstand vertrauen, so wäre die Welt noch immer eine Scheibe.

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Offline Schillrich

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Eher etwas für den "Fragen&Antworten"-Bereich ... ich verschiebe
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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