Bemannte Raumfahrt und Gesundheit

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Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« am: 25. November 2014, 08:07:22 »
Hier ein netter Artikel, der sich mit den Unterschieden (!) in den Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf Männlein und Weiblein beschäftigt:
http://earthsky.org/space/men-and-women-adapt-differently-to-spaceflight



Am überraschendsten für mich ist die Tatsache, dass das Phänomen der teilweise sogar nach der Landung anhaltenden Sehbeeinträchtigung (aktuelle NASA-Ergebnisse deuten ja auf einen gestiegenen Hindruck hin) bei Frauen gar nicht aufzutreten scheint... :o.
Frauen besitzen also durchschnittlich den besten Durchblick im All... 8)

Edit: Nanu, wieso befindet sich dieser Thread in der Astronomie?? Und was den Threadtitel angeht: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, oder?
« Letzte Änderung: 28. Oktober 2016, 09:57:32 von Nitro »
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #1 am: 10. Juli 2016, 15:42:34 »
Michael Barrat, ehemaliger Leiter des NASA Programms HRP (Human research Program) bezeichnet das erst seit ca. 10 Jahren richtig bekannte Phänomen VIIP (Visual impairment due to intracranial pressure) gegenwärtig als zweitschädlichste Auswirkung (direkt nach der Strahlung) eines längeren Weltraumaufenthalts. Das heißt, das Finden einer Lösung dieses Problems ist in seinen Augen sogar dringlicher als Lösungen zur Minimierung des Muskel- und Knochenabbaus?
Zitat
It’s a medical issue, which is arguably our number two risk in human spaceflight right now

Aus: https://www.washingtonpost.com/national/health-science/the-mysterious-syndrome-impairing-astronauts-eyesight/2016/07/09/f20fb9a6-41f1-11e6-88d0-6adee48be8bc_story.html

Zitat
Before a human trip to Mars - a journey of six-to-nine months that NASA says it wants to achieve by the 2030s — researchers agree that VIIP must be understood much better
Das kommt etwas wie ein Showstopper rüber, was ich doch leicht übertrieben fände.
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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #2 am: 26. Oktober 2016, 08:26:56 »
Hallo liebe Mit-Foristen,
der Umstand, dass es keinen zentralen Thread für alte und neue Erkenntnisse bzgl. der Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper gibt, ist in meinen Augen schon länger ein Schönheitsfehler dieses Forums (oder ich bin einfach blind und habe einen entsprechenden Thread übersehen...)  :)
Einmal mehr möchte ich gerne von neuen Erkenntnissen der NASA berichten und weiß einfach nicht wohin damit.
Stattdessen werden Meldungen zu medizinischen Untersuchungen/Erperimenten in den Missionsthreads der ISS-Crews gepostet bzw. verteilen sich über viele einzelne Threads.

Beispiele: Alle medizinischen Themen hier zu verheiraten, ist sicherlich ein Ding der Unmöglichkeit, dessen bin ich mir schon bewusst, aber wenn nichts dagegen spricht, könnte man ja hier zukünftig zumindest Meldungen zu neuesten Erkenntnissen der Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper zusammentragen. Ich persönlich finde das Thema sehr spannend, kann damit aber eventuell auch alleine dastehen. Wenn dieser Thread also begrüßt wird, bitte ich unsere Mods die Meldungen 23 und 24 von mir im Thread "Einfluss vom Weltraum auf Organismen" hierher zu verschieben, da ich bisher mangels eines entsprechenden Threads dort gepostet habe, die Meldungen aber eigentlich hier hinein gehören.

Aktuell wollte ich eigentlich nur auf neueste Erkenntnisse der NASA bzgl. der Veränderung der Muskulatur im Wirbelsäulenbereich hinweisen:
http://www.techtimes.com/articles/183749/20161025/space-travel-shrinks-weakens-spinal-muscles-of-astronauts-causing-back-pain-and-injury.htm
http://journals.lww.com/spinejournal/Documents/NASA-SPINE152831.pdf

Dass dieses Thema bei Raumfahrern derart heftig ist, war mir bisher so nicht bewusst:
Zitat
Back problems are a common affliction for astronauts, with around 70% suffering from discomfort during their first few days in space, half experiencing severe spine pain on return and slipped discs being four times more likely than for the rest of the population.
Das sind schon recht beeindruckende Zahlen.
Offensichtlich wächst der Raumfahrer im All um durchschnittlich 5 cm, der Querschnitt der Muskelstränge entlang der Wirbelsäule verringert sich während des Aufenthalts um ca. 19% und es findet innerhalb der ersten sechs Wochen nach Rückkehr zur Erde nur eine 68%ige (also knapp 2/3) Erholung der Muskulatur statt.
Zitat
Recovery of 68% of the post-flight loss occurred over the next 6 weeks, still leaving a significantly lower lean muscle fractional content compared to pre-flight values
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McPhönix

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #3 am: 26. Oktober 2016, 12:25:12 »
Ja, man denkt ja sonst kaum drüber nach, was die Bandscheiben bei 1g abfangen müssen + gelegentlicher Zusatzspitzen. Eigentlich klar, daß die Kraft frei wird. Mich wundert da, daß die Nervenstränge die Dehnung einigermaßen unbeschädigt mitmachen...

Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #4 am: 26. Oktober 2016, 13:12:29 »
Das verwundert in der Tat und echt heftig erscheint auch noch das vierfach erhöhte Risiko eines Bandscheibenvorfalls (slipped disc) bei (Ex-)Astronauten.

Man mag sich fragen, wieso man davon dann aber so wenig hört, wenn bereits statistisch betrachtet der eine oder andere Ex-Astronaut durchaus schlecht zu Fuß sein dürfte.
Die Antwort dürfte sein, dass man bei den ehemaligen russischen und amerikanischen Langzeitastronauten im Falle derartiger Rückenprobleme heute wohl einfach nicht genau sagen könnte, ob die Probleme nun erblich bedingt sind, am vorgerückten Alter liegen oder schlicht von ihrem Raumaufenthalt her rühren.....vom Lebenswandel ganz zu schweigen (z.B. Überlastung).
   
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Offline Mim

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #5 am: 26. Oktober 2016, 14:05:22 »
Hallo Doc Hoschi,

ein gutes Thema! Ich habe mir über solche Sachen auch schon oft Fragen gestellt.

Zufällig hat eumel aktuell einen Beitrag gepostet, den ich hierher kopiere, weil er hier gut reinpaßt:

Neues Licht für die ISS
Credit: NASA
Neue LED-Leuchte in einer Schlafkoje

Im Inneren der ISS wird die Beleuchtung ausgewechselt.
Leuchtstoff-Lampen werden durch MultiLEDs ersetzt.
Das alte Licht ist ungesund und stört die "innere Uhr".
LED-Licht soll Sehschärfe, Schlaf, Aufmerksamkeit und Leistung verbessern.
LED-Licht soll zirkadianen Rhythmus ("innere Uhr") resetten.
LED-Leuchten brauchen weniger Platz und Strom,
erzeugen weniger Wärme und halten länger.
Expedition 49 begann mit dem Austausch der Leuchten.

Mike Fincke brachte bereits einen Prototypen zur Station:
Credit: NASA 

Die Raumfahrer in der ISS leben ständig im künstlichen Licht.
Ungewöhnlichen Licht- und Dunkelzyklen des erdumkreisenden Raumfahrzeugs mit gelegentlichen Nachtschichten, verlängerten Arbeitszeiten und dem Stress der Raumfahrt kann zu schlechter Schlafqualität und Quantität für die Raumfahrer führen.
Der zirkadiane Rhythmus - oder die "innere Uhr" gerät durcheinander.
Das beeinträchtigt die Wachsamkeit, Reaktionszeit und Kognition, wodurch das Unfallrisiko erhöht wird.
Durchschnittlich schlafen die Raumfahrer nur sechs Stunden täglich und kompensieren oft mit Schlafmitteln und Koffein.

Licht spielt eine bedeutende Rolle bei der Synchronisation unserer "inneren Uhr".
Die neuen MultiLEDs sind in Helligkeit und Lichtfarbe variabel.
Ein höherer Blauanteil im Licht verbessert die Sehschärfe, Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit.
Ein niedriger Blauanteil fördert Ausgeglichenheit und Schläfrigkeit.

Wenn in drei Wochen die Biochemikerin Peggy Whitson (Expedition 50) an Bord ist,
wird sie das Experiment Lighting Effects durchführen, um die Auswirkungen zu dokumentieren.

Quelle

Offline MarsMCT

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #6 am: 26. Oktober 2016, 14:14:05 »
Immer wenn man solche Meldungen hört, muß man sich fragen, ob das noch aktuell ist. Gezielte Übungen gegen auftretende Probleme sind möglich und sind in den letzten Jahren stark forciert worden. Bis zu dem Punkt wo der Verantwortliche der NASA für bemannte Raumfahrt, William Gerstenmeyer, sagt, daß manche Astronauten fitter zurückkomen, als sie hochgeflogen sind. Gerade für die Muskeln an der Wirbelsäule gibt es geeignete Übungen, die auch in Schwerelosigkeit leicht durchgeführt werden können. Die sind nicht intuitiv, aber jeder Physiotherapeut sollte sie kennen. Sie sind Bestandteil jedes Übungsprogramms für die Stärkung von Rücken und Wirbelsäule. Man braucht nicht einmal Übungsgeräte dafür.

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Offline tomtom

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #7 am: 17. November 2016, 00:07:20 »
Interview mit dem Raumfahrtmediziner Ulrich Limper:
http://www.deutschlandfunk.de/ueberleben-auf-dem-mars-mediziner-untersuchen-die.709.de.html?dram:article_id=371545

Den Aspekt unterschiedlicher Druck- und Sauerstoffverhältnisse find ich interessant.
Was mir fehlt ist die Beurteilung, ob 6-monatige Erfahrung nicht zunächst auf 3 Jahre im BEO auszudehnen wären, bevor man darüber urteilen kann.
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #8 am: 31. Januar 2017, 09:07:43 »
Ein sehr interessanter Artikel zum VIIP-Problem: http://www.space.com/35492-astronaut-vision-problems-microgravity-pressure.html

Offensichtlich gibt es nun aufgrund von Parabelflügen erhaltene Hinweise, dass das teilweise irreversible und somit ernsthafte Problem durch einen fehlenden Tag-/Nacht-Zyklus im Hirndruck des Astronauten hervorgerufen wird. Mit Tag-/Nacht-Zyklus ist eigentlich vielmehr der unterschiedliche Hirndruck gemeint wenn wir stehen/sitzen (geringer als im All) im Vergleich zum nächtlichen Liegen (höher als im All).

Alles deutet somit darauf hin, dass gerade der konstant bleibende Hirndruck in der Schwerelosigkeit ein massives Problem für das menschliche Auge darstellt, so als würde man ständig liegen. Durch spezielle Unterdruckkleidung hofft man bei der NASA dem Problem beizukommen.

Zitat
The idea is that the astronauts would wear negative-pressure clothing or a negative-pressure device while they sleep

Müsste das VIIP-Problem dann nicht auch auf der Erde bei Patienten nach mehrmonatigem Koma zu beobachten sein? Sicher, diese werden bewegt, schon um Dekubitus vorzubeugen, befinden sich aber fast permanent in ständiger Horizontallage bzw. haben einen entsprechend ständig hohen Hirndruck.
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Offline Axel_F

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #9 am: 31. Januar 2017, 11:48:22 »
Es gibt auch neue Erkenntnisse aus der Zwillingsstudie der Kelly-Brüder. Scott hatte 2015/16 ein volles Jahr auf der Raumstation ISS verbracht, während sein Zwillingsbruder (ebenfalls Astronaut) auf der Erde verblieben ist.
http://newatlas.com/nasa-twin-study/47635/

Dabei wurde zur Überraschung der Forscher beobachtet, dass die Telomere von Scott sich während des Aufenthalts auf der ISS verlängert haben. Doch bei der Landung schrumpften sie wieder auf die Ausgangsgröße zurück. Man hätte eher erwartet, dass die Telomere im All schrumpfen.
"Denn ein Schiff erschaffen heißt nicht die Segel hissen, die Nägel schmieden, die Sterne lesen, sondern die Freude am Meer wachrufen." (Antoine de Saint-Exupéry)

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Offline Terminus

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #10 am: 31. Januar 2017, 20:37:09 »
Dabei wurde zur Überraschung der Forscher beobachtet, dass die Telomere von Scott sich während des Aufenthalts auf der ISS verlängert haben. [...]

Verlängert?? Ich dachte immer, das wäre biologisch nicht möglich, sondern dass Telomere von Teilung zu Teilung entweder immer nur gleich lang bleiben oder schrumpfen können?

Offline wulf 21

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #11 am: 01. Februar 2017, 09:27:53 »
Dabei wurde zur Überraschung der Forscher beobachtet, dass die Telomere von Scott sich während des Aufenthalts auf der ISS verlängert haben. [...]

Verlängert?? Ich dachte immer, das wäre biologisch nicht möglich, sondern dass Telomere von Teilung zu Teilung entweder immer nur gleich lang bleiben oder schrumpfen können?

Das ist im Prinzip schon möglich... ich war mal in einer Gentechnik-Vorlesung, das hab ich noch so grob in Erinnerung:

Es gibt ein Enzym (Telomerase), dass neue Telomer-Abschnitte zusammenbaut. Dies ist aber normalerweise in seiner Aktivität so beschränkt, dass in der Summe nach jeder Zellteilung die Telomere kürzer sind und die Zelle sich am Ende nicht weiter teilt. Wenn durch einen Defekt in der DNA einer Zelle diese Beschränkung aufgehoben ist, führt dies zu unbeschränkter Zellteilung (sprich: Krebs).

Was da wohl in der Mikrogravitation passiert? Vielleicht ist das Enzym dort leicht aktiver... oder die Zellteilung ist gehemmt.

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Offline Gertrud

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #12 am: 06. Juni 2017, 11:51:52 »
Hallo Zusammen,

Kollateraler Schaden durch kosmische Strahlen erhöht das Krebsrisiko für Mars-Astronauten

Neues prädiktives Modell zeigt, das die kosmischen Strahlen zu sonst gesunden "Bystander" Zellen schädigen und effektiv das Krebsrisiko verdoppeln.

Das Krebsrisiko für eine menschliche Mission zum Mars hat sich nach einer UNLV-Studie, die eine dramatische Zunahme der Erkrankung für Astronauten, die auf den roten Planeten oder auf anderen langfristigen Missionen außerhalb des Schutzes des Erdmagnetfeldes reisen, erhärtet.
Die Ergebnisse erschienen in der Mai-Ausgabe von wissenschaftlichen Berichten und wurden von UNLV Wissenschaftler Francis Cucinotta , ein führender Wissenschaftler für Strahlung und Raumphysik präsentiert.
Frühere Studien haben gezeigt, dass die gesundheitlichen Risiken aus der galaktischen kosmischen Strahlenexposition bei  Astronauten Krebs, zentrale Nervensystemeffekte, Katarakte, Kreislauferkrankungen und akute Strahlungssyndrome beinhalten.   Kosmische Strahlen, wie Eisen- und Titanatome, schädigen die Zellen, die sie aufgrund ihrer sehr hohen Ionisationsraten durchqueren.
Herkömmliche Risikomodelle, die von der NASA und anderen verwendet werden, nehmen an, dass DNA-Schäden und Mutationen die Ursache von Strahlenkarzinomen sind. Dies beruht auf Studien in hohen Dosen, bei denen alle Zellen von schweren Ionen ein- oder mehrmals in kürzeren Zeiträumen durchlaufen werden, als sie bei Raumfahrtmissionen auftreten werden.
 Die Erforschung des Mars erfordert Missionen von 900 Tagen oder länger und umfasst mehr als ein Jahr im Weltraum, wo die Exposition gegenüber allen Energien der galaktischen kosmischen Strahlung schwere Ionen unvermeidbar sind.  Derzeitige Strahlungsabschirmung würde die Expositionsrisiken nur wenig mindern.
In diesen neuen Erkenntnissen wird gezeigt, dass ein nicht zielgerichtetes Effektmodell, bei denen Krebsrisiken bei  Zellen in der Nähe schwer beschädigter Zellen auftreten,  im Vergleich zum herkömmlichen Risikomodell für eine Mars-Mission zu einem zweifachen oder stärkeren Anstieg des Krebsrisikos führt.
Galaktische kosmische Strahlenbelastung kann einen Zellkern zerstören und Mutationen verursachen, die zu Krebs führen können. Die Forscher haben gelernt, dass die beschädigten Zellen Signale an die umgebenden, nicht betroffenen Zellen senden und wahrscheinlich die Mikroumgebungen des Gewebe verändern. Diese Signale führen anscheinend dazu, dass die gesunden Zellen mutieren, wodurch zusätzliche Tumore oder Krebs verursacht werden.
Der Forscher Cucinotta sagte, die Ergebnisse zeigen eine enorme Notwendigkeit für zusätzliche Studien, konzentrierten sich auf kosmische Strahlenbelastungen auf Gewebe, die menschliche Krebsrisiken dominieren, und dass diese vor langjährigen Weltraummissionen außerhalb der Erdgeomagnetischen Sphäre beginnen sollten.
Er erkannte auch die Notwendigkeit, eine moralisches Regel anzusprechen.
Die Erhöhung der akzeptablen Risikostufen wirft ernsthafte ethische Fragen auf, wenn die wahre Natur der Risiken nicht hinreichend verstanden wird.

https://www.unlv.edu/news/release/study-significant-collateral-damage-cosmic-rays-increases-cancer-risks-mars-astronauts

http://www.nature.com/articles/s41598-017-02087-3

Mit den besten Grüßen
Gertrud
die Erklärung zu meinem Avatar:
http://de.wikipedia.org/wiki/NGC_2442
http://antwrp.gsfc.nasa.gov/apod/ap070315.html
***
Die Gabe des Staunens lässt uns die Welt aufgeschlossener sehen und ihre Wunder würdigen. (Richard Henry Lee)

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Offline tomtom

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #13 am: 26. Juli 2017, 23:01:03 »
Von einer OP ist abzuraten.

Interessanter Artikel über die Herausforderungen an Raumfahrtmedizin jenseits der üblichen Knochen/Muskelschwund-Artikel.

https://www.wired.de/collection/science/nasa-weltraum-esa-medizin-ketamin-chirurgie
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

McPhönix

  • Gast
Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #14 am: 26. Juli 2017, 23:35:52 »
Es ist halt was dran - schon die Erste Reise muß eine Vielzahl von Leuten mit Mehrfach-Ausbildung  umfassen und Riesen Material- und Gerätemengen dabei haben. Am besten auch ein Raumschiff, was mal außer der Reihe 0,1 g erzeugen kann, weil man genug Treibstoff hat. Und einen Computer, der das dann wieder zurückrechnet für den neuen Kurs. Und Und.....

Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #15 am: 29. August 2017, 23:11:44 »
Russische und kanadische Wissenschaftler haben herausgefunden dass das Immunsystem von Raumfahrern auf Schwerelosigkeit wie auf eine Krankheit reagiert:

http://gerhardkowalski.com/?p=14559

LG, Zellaktivator.

Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #16 am: 05. November 2017, 12:01:41 »
http://www.thebritishjournal.com/science/long-term-spaceflight-squeezes-brain-finds-new-research-1668-2017/

Laut einer am Donnerstag im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie ändert sich die Position des Gehirns in der Schwerelosigkeit. Genauer verringert sich der Abstand zwischen Schädeldecke und Gehirn. Dazu wurden 16 Kurzzeitastronauten (mehrere Wochen im All) und 18 Langzeitastronauten (mehrere Monate im All) vor und nach ihrem Flug via MRI untersucht. Dabei kam es offensichtlich zu alarmierenden Ergebnissen.
Die genauen Auswirkungen des Effekts seien aber leider noch nicht verstanden.

Zitat
Roberts’ findings concluded that “significant changes in brain structure occur during long-duration space flight.” But more importantly the “parts of the brain that are most affected – the frontal and parietal lobes – control movement of the body and higher executive function.” The longer spent in space the worse the effects would be.
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Offline Lumpi

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #17 am: 06. Dezember 2017, 17:31:21 »
Die Körpertemperatur steigt bei Raumfahrern nach 2,5 Monaten im All auf 38°, also 1° über den irdischen Normalwert, an. Beim täglichen Trainingsprogramm gegen den Muskelschwund kann dann die Körpertemperatur schnell auf gesundheitsgefährdende 40° ansteigen. Für längere Flüge, wie vielleicht eines Tages zum Mars, ist das keine gute Nachricht, weil eine dauerhafte erhöhte Körpertemperatur u.a. auch die geistige Leistungsfähigkeit einschränken kann.
http://www.sueddeutsche.de/wissen/raumfahrt-astronauten-haben-staendiges-weltraumfieber-1.3777236
Das Bekannte ist endlich, das Unbekannte unendlich.

Wilga35

  • Gast
Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #18 am: 07. Dezember 2017, 09:39:51 »
Erstaunlich, dass man das erst jetzt herausgefunden hat. Raumflüge von mehreren Monaten Dauer gibt es immerhin schon seit vier Jahrzehnten, und die Messung der Körpertemperatur beim Menschen ist eine vergleichsweise simple Angelegenheit.
Interessant wäre dabei zu erfahren, ob die Raumfahrer selbst während ihres Aufenthaltes im All auch das Empfinden haben, dass ihre Temperatur erhöht ist, oder ob sie selbst ihre Körpertemperatur als völlig normal empfinden?

Gruß, Wilga35

Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #19 am: 24. Februar 2018, 21:13:41 »
Durchaus interessante Veröffentlichung aus Russland mit einer erstaunlich hohen Zahl an Co-Autoren... :)
Darin geht es, um potentielle biomedizinische bzw. biotechnische Methoden zur Erhöhung der Strahlungsresistenz bei zukünftigen Raumfahrern: http://www.oncotarget.com/index.php?journal=oncotarget&page=article&op=view&path%5B%5D=24461&path%5B%5D=76813

Diskutiert werden die Punkte:

- Erhöhte individuelle Strahlungsresistenz bei Menschen
- Erhöhte Strahlungsresistenz hypothermischer Zell- und Gewebeproben
- Radioprotektoren (Medikamente, die gegen die negativen Effekte hochenergetischer Strahlung helfen)
- Zell- und Gentherapie
- AI-Methoden zur Diagnose von strahlungsbedingten Schäden und für die weitere medizinische Forschung

Auch wenn in dieser Veröffentlichung keine bzw. nur sehr wenige quantifizierte Ergebnisse dargestellt werden, bietet Sie einen umfangreichen Überblick über unterschiedliche Forschungsgebiete, die sich beim Thema Raumfahrt/Strahlung/Mensch auftun und nicht wie üblich die technologischen Gegenmaßnahmen in der Raumfahrt betreffen.
Sozusagen eine Empfehlung wohin die zukünftige Forschung (den menschlichen Körper betreffend) bei diesem immer noch problematischen Thema gehen sollte. Der menschliche Körper ist eben hochkomplex und gerade in dieser Sache wohl auch nicht über einen Kamm zu scheren (siehe individuelle Strahlungsresistenz).


Quelle: https://phys.org/news/2018-02-team-publishes-roadmap-radioresistance-space.html

Das heißt natürlich nicht, dass technische Gegenmaßnahmen im Strahlungsschutz dadurch obsolet werden könnten, aber dass es zukünftig (eher mittel bis langfristig) durchaus auf eine Kombination beider Schutztechniken (technisch und biomedizinisch) herauslaufen könnte.
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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #20 am: 13. März 2018, 20:35:10 »
Einem neuesten Bericht zufolge scheinen laut der NASA 7% (!) von Scott Kellys DNS nach seinen 340 Tagen im LEO permanent verändert zu sein. Das hat nicht nur Kelly selbst überrascht.

http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-5494589/Astronaut-Scott-Kellys-DNA-permanently-changed-space.html

Zitat
Nasa found that while 93 per cent of Kelly's genes returned to normal shortly after returning home, seven per cent were permanently altered.
These long-term changes hit genes related to the immune system, DNA repair, bone formation and the ways his tissues take up oxygen and carbon dioxide.

Alles wohlgemerkt noch innerhalb des Einzugsbereichs der Magnetosphäre der Erde. Zusätzlich war Kelly über all die 340 Tage hinweg stets (allerdings in der genauen Betrachtung abhängig von der Körperausrichtung innerhalb der ISS) von einer Seite komplett durch die massive Erde abgeschirmt. Raumfahrer zum Mars werden gerade von der hochenergetischen kosmischen Strahlung mehr oder weniger von allen Seiten getroffen.

Dieser Umstand wird so richtig deutlich, wenn man sich die (logarithmisch) dargestellten geschätzten Strahlungsdosen in Millisievert zwischen 6 Monate ISS (ca. 75 mSv) und 6 Monaten Marstrip (ca. 230 mSv) betrachtet. Kelly hat sich über die 340 Tage im All also etwas unter 150 mSv eingefangen. Marsreisende bekämen also auf der Hinreise ohne besondere Schutzmaßnahmen mehr Strahlung ab wie Kelly und das über den halben Zeitraum hinweg (was den Körper zusätzlich belasten dürfte).
Ich denke die genetischen Auswirkungen von Hinreise/Aufenthalt/Rückreise wird man erst dann genauer studieren können, wenn dies die ersten gemacht haben. Da dürften aber direkt nach der Rückkehr mehr als die 7% der DNS betroffen sein. 


Quelle: Wiki
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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #21 am: 13. März 2018, 21:06:33 »
So richtig beunruhigt mich das, da Kelly seine Familienplanung altersbedingt abgeschlossen hat, zukünftige Marskolonisten hingegen sicherlich nicht, die Auswirkungen einer solchen permanent geschädigten DNS auf die Fortpflanzung jedoch vollkommen im Dunkeln liegt.

Das Thema Strahlung und Raumfahrt ist und bleibt letztlich hochkomplex.

Wenn Kelly in 20 Jahren nun plötzlich Krebs bekommen sollte, kann sicherlich niemand genau sagen, ob dies nun von einer Aussetzung krebserregender Stoffe herrührt (Stichwort Lebenswandel), erblich bedingt sein könnte oder eben letztlich durch genetische Mutationen hervorgerufen sein könnte, die er sich bei seiner Mission eingefangen hat.

Für eine klarere Aussage bedürfte es einer massiv breiteren statistischen Basis, die es bei den paar Raumfahrern eben einfach nicht gibt und das zu ändern wird sehr viel Zeit benötigen.
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Offline Terminus

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #22 am: 13. März 2018, 23:56:31 »
Ich habe das so verstanden, dass es weniger um Kellys potenziellen Nachwuchs oder um seine Zukunft in 20 Jahren ging, sondern um die aktuelle, alltägliche Tätigkeit der betroffenen Gene in seinem Körper. Es entstehen ja täglich neue Zellen, die jetzt je nach Organ etwas anders funktionieren als vorher (oder auch gar nicht mehr). Reicht eine Änderung von 7% wohl aus, dass man das sofort spürt, oder ist es nur marginal? Klingt wirklich beunruhigend. :-\

jakda

  • Gast
Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #23 am: 14. März 2018, 07:37:05 »
Sehr interessantes Thema.
Ich muss dabei sofort an die Raumfahrttage 2015 in MoRö denken:

...
Es kam die Frage nach der Anpassungszeit nach Rückkehr auf die Erde.
Michael Kornijenko , als Langzeitflieger, gab zu, dass der Körper nicht wieder ganz so "hergestellt" wird, wie vor dem Flug.
Etwas bleibt immer zurück. Dies wurde auch von Hans Schlegel bestätigt.
...


Er meinte dabei nicht Muskelschwund, Veränderungen Calciumhaushalt,... - sondern Veränderungen, z.B.  in der Wahrnehmung der Umgebung oder Gefühle in einer bestimmten Situation, die sich auch nicht wieder nach einer gewissen Zeit von selbst korrigieren, sondern auf dauer bleiben.

Offline rok

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Re: Bemannte Raumfahrt und Gesundheit
« Antwort #24 am: 14. März 2018, 09:45:24 »
Aus dem Diagramm von Doc Hoschi kann man die Strahlenexposition für einen Marsflug mit ca. 1 Sievert annehmen (Hinflug/500 Tage/Rückflug). Das bedeutet eine Erhöhung des Risikos im Laufe des Lebens an Krebs zu erkranken um etwa 5 %, ist also vergleichbar mit dem Risiko von Industriearbeitern an den Folgen ihres Jobs zu sterben.

Die Gefahr, durch eine Mutation des Erbgutes Schäden bei den zukünftigen eigenen Kindern zu erzeugen, lässt sich durch geeignete Maßnahmen (vorheriges Einfrieren von Sperma/Eizellen, Verhütung, Homosexualität) minimieren.

Das Hauptproblem sind die "leichteren" Gesundheitsschäden. Die betreffen oft das Immunsystem, d. h. die Anfälligkeit für Infektionen ist deutlich erhöht, es gibt "gutartige" Wucherungen und in letzter Zeit werden zunehmend Schäden an nicht durchbluteten Geweben (z. B. Knochen, Knorpel) untersucht.

Beispiel: Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) hat im letzten Jahr die maximale Belastung der Augenlinse von 150 auf 20 mSievert/Jahr gesenkt, um das zusätzliche Risiko, an einem grauen Star zu erkranken, auf wenige Prozent zu verringern.

https://doris.bfs.de/jspui/handle/urn:nbn:de:0221-2017112214449

Es gibt offensichtlich noch einen erheblichen Forschungsbedarf und ich möchte mal vermuten, dass Institutionen, die mit der Raumfahrt zu tun haben, lieber positive Forschungsergebnisse sehen  und fördern statt negative Veröffentlichungen zu riskieren, vergleichbar mit der Autoindustrie und vielen weiteren Bereichen der Wirtschaft.

Robert