Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben

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neo

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Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« am: 21. November 2005, 16:28:41 »
Moinsen Foren-User!

Ich wollt mal wieder ne kleine politische Diskussion anzetteln.

Bedauerlicherweise wird der Castor Transport gerade von der Schiene auf Tieflader verbracht um den Atommüllscheiß in unser Wendland zu kippen.
Nach Angaben des französischen Atomunternehmens Cogema beinhalten die Castoren 175 Tonnen hochradioaktive Spaltprodukte und 586 Tonnen Uran, die in Glas eingeschmolzen sind.
Dieser Mist wird in einer besseren Kartoffelscheune hier in Gorleben für ca. 40 Jahre gelagert. Wenn dann über die weiter Vorgehensweise mit den Behältern (wenn sie dann noch dicht sind) entschieden wird, sitzen die meisten von uns hier schon mit der Rente zuhause. Überlassen wir es mal ruhig den Kindern.

Hauptsächlich Müll aus den Süddeutschen Kraftwerken wird hier zwischengelagert. Ich persönlich werde gleich auf die Straße gehen und versuchen, den Transport so gut es geht zu blockieren, zu stören und teuer zu machen.

Sollen doch die Kernkraftwerke ihre alten Brennstäbe bis zum Abschalten (ich hoffe auf max. 25 Jahre) bei sich behalten. Und nicht durchs Land kutschieren.

So. Basta. Ich geh demonstrieren. Und Nein, ich bin nicht arbeitslos und keine Aggro-Spinner. Aber manchmal reichts einfach.

Neo (aus dem Wendland X)

Martin

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Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #1 am: 21. November 2005, 16:52:23 »
Hallo,

was sind Aggro-Spinner? In verschiedenen Foren haben ich mich schon an ähnlichen Diskussionen beteiligt, will erstmal sehen, ob und wie es sich entwickelt.
Nur mal soweit: Ich war vielleicht 8 oder 9, da hatte ich ein Technikbuch für Kinder in der Hand, da stand ungefähr eine halbe Seite über Kernenergie was drin. Dadurch war dies mein erstes technisch/wissenschaftliches Interessengebiet, noch bevor ich zur Astronomie/Raumfahrt und Geologie/Mineralogie.
Inzwischen war ich kurz mal für Maschinenbau/Kerntechnik eingeschrieben, habe zwei Kernkraftwerke besucht (Grafenrheinfeld und Greifswald), habe den Schacht Konrad und das Erkundungsbergwerk Gorleben befahren, war 7 Wochen Praktikant bei der Wismut GmbH NL Aue (Sanierungsbetrieb für die Uranbergwerke im Westerzgebirge), habe ein aktives Uranbergwerk in der Tschechischen Republik befahren und unzählige stillgelegte, war 7 Wochen Praktikant im ERA Morsleben, wirklich herrliche Zeit, fast jeden Tag unter Tage, und gehe nächstes Jahr nach Australien, wo ich unter Umständen auf Cu-Au-U Mineralisationen kartiere und auch ein Besuch von Olympic Dam, der größten Uranlagerstätte der Welt, vorgesehen ist.
Meinen Praktikumsbericht von Morsleben gibts hier, leider hatte ich aus damaligen Zeitmangel vergessen den letzten Text zu schreiben, vielleicht hole ich das noch nach: http://forum.terraforming.net/showthread.php?t=4368
Also wie meine Meinung zum Thema ist, dürfte jetzt klar sein, wenn ich mit sachdienlichen Hinweisen helfen kann, freue ich mich, will mich aber erstmal zurückhalten.

Martin

Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #2 am: 21. November 2005, 17:21:40 »
Ich gehe von einer anderen Seite an die Sache ran.
Kernenergie ist die mit Abstand günstigste Energie die man nahezu überall benutzen kann. Wir brauchen Energie in Form von Strom und haben nur schlechte Alternativen:
Solarzellen bringen nur sehr wenig Energie
Windenergie ist effektiver, aber könnte nie unseren Stromverbrauch decken - Windenergie von großen Anlagen im Meer mag zwar effektiv sein, aber die Schäden die im Wasser Lebenbenden Tiere betreffend werden wohl auch ziemlich hoch sein.
Erdgas ist okay, aber es entsteht wie bei allen fossilen Brennstoffen, also auch
Kohlekraftwerken, viel CO2 - wir machen die Erde so schneller kaputt als durch die radioaktiven Abfälle, die möglicherweise irgendwann unschädlich gemacht werden können.
Kraftwerke in Staudämmen erzeugen sehr viel Energie, zerstören aber weite Naturgebiete und können auch nicht überall errichtet werden. Außerdem kann, je nach größe, das Klima regional verändert werden.
Gezeitenkraftwerke können auch nicht überall errichtet werden, sind IIRC auch nur "mittelmäßig" produktiv.

Kernkraftwerke können einen GAU hervorrufen, deswegen müssen sie meiner Meinung nach unter staatlicher Kontrolle sein, weil nur so gewährleistet werden kann, dass die AKW auch wirklich regelmäßig gecheckt werden. Ein Internationaler Verband sollte dabei entscheiden, welche Länder "vertrauenswürdig genug" sind um AKW betreiben zu dürfen.

Die Lagerung des Restmülls ist wie schon erwähnt wurde das größte Problem, aber meiner Meinung nach ist das Problem mit der Nichtbeseitigung ein akzeptabler Preis für die Menge der Energie, die wir durch AKW bekommen. Jeder andere Brennstoff erzeugt zuviele Schadstoffe und würde noch schneller zu Problemen führen. Und solange unser Lagerplatz unter der Erde ausreicht, ist es doch akzeptabel. Wir haben doch auch Müll und Mülldeponien, es kann ja auch niemand sagen "wir wollen keine Mülldeponien, also schafft den Müll ab!"
Vom Atommüll unter der Erde merken wir nichts, da kommt keine Strahlung durch, wir verpesten kein Grundwasser und keine Tiere. Wir lagern den atomaren Abfall in Gebieten, die wir eigentlich überhaupt nicht brauchen und wahrscheinlich auch nicht in der Zukunft.
Vielleicht sagen Manche, meine Einstellung sei naiv, aber ich drücke es mal so aus: Atomenergie ist nicht perfekt, aber immernoch das geringste Übel für unseren massigen Stromverbrauch.

Zum Thema Streik bzw. Proteste enthalte ich mich weil ich noch zu keinem Entschluss gekommen bin ob und in wie weit es sich lohnt.
« Letzte Änderung: 21. November 2005, 20:15:01 von Tobias_Kolkmann »

Gero_Schmidt

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Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #3 am: 25. November 2005, 17:48:37 »
Zitat
ich bin nicht arbeitslos

Nein, du bist ahnungslos... ::)
« Letzte Änderung: 25. November 2005, 17:50:39 von Gero_Schmidt »

Lunik

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Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #4 am: 26. November 2005, 16:34:59 »
Kernenergie ist nicht gerade günstig, sie ist sehr teuer - aus offensichtlichen Gründen. Radioaktive Stoffe sind eben Gefahrgüter, die mit besonderer Sorgfalt behandelt werden müssen. Als sinnvolle Alternative zu unseren konventionellen Energieträgern sehe ich sie nicht. Der einfachste Weg heißt Energie sparen und die Subventionen, die in die Kernergie bis heute geflossen sind, würden alternativen Energiequellen einen großen Sprung nach vorn ermöglichen. Schon heute kann man z. B. mit relativ einfachen Mitteln den Warmwasserbedarf eines Hauses durch Sonnekollektoren decken, Wärmepumpen haben einen hohen Wirkungsgrad und sind robust, Brennstoffzellen bieten ebenfalls verblüffende Wirkungsgrade usw.
Das andere Problem liegt darin, dass ich so einigen Ländern auf dieser Welt ein Kernkraftwerk nicht verkaufen möchte, weil man damit ja auch so tolle Sachen wie atombombenfähiges Material herstellen kann. In sofern ist die Kernenergie auch keine Energiequelle für jeden Staat. Aber selbst wenn man politische Bedenken ausschließt, so gehe ich mal davon aus, dass der Betrieb viele Staaten dieser Welt überfordert. Allerdings halte ich den Wirbel im Wendland mal wieder für übertrieben, nein, ich rege mich mal wieder darüber auf.

@ neo:
Die Kraftwerke haben keine Lagerkapazität für den Müll von 25 Jahren. Mal ganz davon abgesehen, dass es schon sehr sinnvoll ist, den Müll nach dem Zwischenlagern im Abklingbecken so schnell wie möglich in Glas zu gießen. Warum sollte man ihn dann nicht nach diesem Schritt zentral lagern?

Crash(Guest)

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Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #5 am: 29. November 2005, 16:34:51 »
Ich komme aus Salzgitter. Der Schacht Konrad ist da mitten drin. Und hier schreibt einer wir würden Atommüll nur in Gebieten lagern, die eh keiner mehr braucht. Da sag ich einfach mal schönen Dank auch. Und das Kernkraft auch nur annähernd billig/günstig ist, ist ja wohl genau das, was man unter einer Milchmädchenrechnung versteht. Wenn mir kalt ist zünd ich einfach die Wohnung von meinen Nachbarn an. Das ist dann günstig. Leider nur für mich, meine Nachbarn sehen das sicher anders.
Ich möchte mal empfehlen sich das Atomgesetz genauer anzuschauen. Das ist eine knallharte Gewinn/Verlust kalkulation. Sicherheit der Bevölkerung wird da nur in dem Maße abverlangt, wie sich das noch rechnet. Können die Betreiber keine Sicherheit bieten, weil ihnen das zu teuer ist, geht das für den Staat in Ordnung, solange er ebenfalls keine Kostenbelastung erfährt. Und um eben diese Kostenrechnung geht es. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei all denen bedanken, die an AntiAKW-Demos und Castor Blockaden teilgenommen haben, wärend ich im Büro oder zu Hause vor dem PC gesessen habe. Ich bin mir inzwischen zu alt für solche Anstrengungen. Um so mehr bin ich für jeden dankbar, der sich noch Zeit nimmt, gegen diese tödlichen Geschäfte anzukämpfen.
Es gibt inzwischen einige Studien, die belegen, dass bestimmte Erkrankungen bei Kindern NUR in der Nähe von AKWs gehäuft auftauchen. Das Drama um Meinungsfreiheit und Publikationsverbote, dass damit in Zusammenhang steht ist nochmal ein Thema für sich.

Martin

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #6 am: 29. November 2005, 17:15:11 »
Hallo,

um nur mal auf Studien einzugehen: Als ich im ERAM Praktikant war, viel mir auch eine Studie einer Antiatominitiative aus Salzgitter in die Hände (also auch die "Atomlobby" setzt sich mit sowas auseinander). Es ging umd Langzeitsicherheit von Endlagern. Da waren dermaßen haarsträubende Fehler drin, kein Wunder das sowas nicht ernstgenommen wird. Das bezieht sich schon auf ganz allgemeine geoligische Sachverhältnisse, unabhängig davon wie man diese interpretiert. Wenn dort steht, das der Gipshut einer Salzlagerstätte besser aus Anhydrit sein sollte, was soll man dann von der ganzen Sache halten?
Mal ein Tip: Einfach mal in Konrad einfahren, ist sogar kostenlos. Leider hat das Bundesamt für Strahlenschutz, seit die Grünen am Drücker waren, die Besuchsmöglichkeiten stark eingeschränkt (wo bleibt da die Transparenz?, haben die Angst davor, das sich Leute vor Ort ein eigenes Bild machen?), es dürfen jetzt nur noch einmal wöchentlich Gruppen mit Bezug zur Thematik (Geologen, Angehörige von Energieversorgern) einfahren, aber vielleicht ergibt sich mal die Möglichkeit sich mal anzuhängen. Wir (www.seg-freiberg.com) organisieren  gerade eine Doppeleinfahrt Sigmundshall/Konrad nächstes Frühjahr.

Martin

Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #7 am: 29. November 2005, 18:33:08 »
Zitat
Und hier schreibt einer wir würden Atommüll nur in Gebieten lagern, die eh keiner mehr braucht.
Zitat
ja, das war ich. Und ich wohne nicht unter der Erde neben den Castorbehältern, und ich glaube auch in Zukunft werden die wenigsten Menschen unter der Erde leben. Darauf war das nämlich bezogen.
Was die Strahlenbelastung außerhalb angehn muss ich zugeben, dass ich relativ wenig Ahnung davon habe ob/wieviel Strahlung an die Oberfläche gelangt, aber dafür hat Martin bestimmt mehr Ahnung davon. Er hat zwar keine klaren Argumente genannt, aber so wie ich die deutschen Behörden kenne wird man da auf sicherem Niveau arbeiten und glaube daher auch seiner Meinung.

Martin

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #8 am: 29. November 2005, 18:56:35 »
Hallo,

die Strahlenbelastung an der Erdoberfläche ist vernachlässigbar weil nicht nachweisbar. Bevor man das ERAM in Betrieb nahm (ja, auch in der schlimmen DDR hat man sowas gemacht) wurde alles mögliche beprobt. Die Proben von heute weisen sogar weniger Radioaktivität auf als die damals (Fallout der Kernwaffentest, dessen Aktivität nachlässt).
Ironischerweise ist es soagr so, das im Falle des ERAM die höchste Alphaaktivität nicht aus dem Müll selbst kommt, sondern aus der Braunkohlenfilterasche, mit der man die Einlagerungshohlräume auffüllt. Direkte Aktivität kann aus einem tiefen Endlager nicht austreten, bzw. nicht in nachweisbaren Dosen. Der einzige Weg ist das Radionuklide freigesetzt und mit einem Medium in die Biossphäre transprotiert werden.
Um mal ein paar Zahlen zu nennen: ein Mensch hat pro kg eine Aktivität von 50Bq, sprich ein 70kg Mensch insgesamt 3500Bq, ein kg Backpulver hat etwa 12.000Bq, die Kontaminierung die damals an einem CASTOR (TM) festgestellt wurde etwa 20.000Bq.
Nun ist das ERAM ein kleines Endlager ohne langlebige Radionuklide (mal abgesehen von einem Faß mit Radiumhaltigen Abfällen, das derzeit offiziell noch zwischengelagert ist, aber wahrscheinlich bald die Endlagergenehmigung bekommt (also das BfS bittet dann das BfS, die Genehmigung zu erteilen).
In Gorleben und Konrad wird das (wenn die beiden Endlager werden sollten) anders aussehen, hier werden auch langlebige Radionuklide endgelagert, in Gorleben auch etwa 11.000m³ wärmeentwickelnder Abfall (was im allgemeinen als hochradioaktiver Müll bezeichnet wird). Insgesamt sollen in Konrad etwa 600.000m³ nicht wärmeentwickelnder Müll landen, in Gorleben neben dem wärmeentwickelnden 2Mio m³, wobei das einer gehörigen Überdimensionierung entspricht.
Wie gesagt, ich war in allen 3 Anlagen, und für mich als (fast) Erzgeologen war vor allem Konrad beeindruckend. Ich bin es aus unserem Grubem im Erzgebirge gewohnt, das es feucht bis richtig naß ist, überall plätschert und steht Wasser. Dir Wasseraufbereitung der Grube Schlema-Alberoda läuft bei ungefähr 1.000m³ Wasser pro Stunde! Sowas wie Konrad habe ich bei einem Erzbergwerk noch nie gesehen, knochentrocken. Im Grubentiefsten bei 1.300m Teufe ist eine Regentonne eingelassen, in die etwas Wasser tröpfelt. Die haben ein paar m³ pro Jahr, und das ist kein Oberflächenwasser, sondern es kommt aus dem Sedimenten selbst, ist also schon einige hunder Mio Jahre alt.
Das geniale ist, das es keine Störungen gibt, die bis zur Oberfläche reichen. Über dem Eisenerzführenden Horizont mit seinen Störungen kommt eine dicke Schicht mit Tonsedimenten, die das alles abdeckelt.
Übrigens, sollte Gorleben nicht geeignet sein, sind die Tone über dem jetzt als Endlager vorgesehenen Eisenerzhorizont in Konrad geologisch die zweite Wahl für den wärmeentwickelnden Abfall.

Martin

Martin

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #9 am: 29. November 2005, 19:17:44 »
Zitat
Das andere Problem liegt darin, dass ich so einigen Ländern auf dieser Welt ein Kernkraftwerk nicht verkaufen möchte, weil man damit ja auch so tolle Sachen wie atombombenfähiges Material herstellen kann.

Hallo,

das ist so nicht ganz richtig. Um an waffenfähiges Material zu gelangen, braucht man im Falle von Uran235 gar kein Kernkraftwerk, und im Falle von Uran 233 oder Pu239 sehr spezielle Reaktoren. Die von Deutschland betriebenen Leichtwasserreaktoren eignen sich dazu nicht, man kann höchsten Plutonium für den Wiedereinsatz im Reaktor nutzen.
Denn das normale Reaktorplutonium besteht nur zu etwa 75% aus Pu239, der Rest sind andere Pu Isotope, die eine Kernspaltung soagr behindern.
Der Anspruch für Waffen liegt in den USA z.B. bei mindesten 96% Pu239. Und um solches Herzustellen, darf der Brennstag mit dem Ausgangsstoff U238 nur kurz von der "Neutronenflamme" geküßt werden, so ein bis zwei Tage, länger nicht.
Mit einem RBMK (Typ Tschernobyl) würde das gehen, deswegen wurden diese auch nicht außerhalb der UdSSR gebaut. Alle anderen Reaktoren "russischen Typs" (Greifswald, Temelin) sind stinknormale DWR oder SWR. Allerdings wurde meines Wissens nach in den RBMK Kraftwerken auch kein Waffen-Pu produziert, aber das man die baute hatte neben der simplen Bauweise (Baukastenprinzip gegen Maßanfertigung bei uns) den gleichen Grund, warum man auch Pu hätte produzieren können:
Man konnte die Brennstäbe austauschen, ohne den Reaktor abzuschalten, was natürlich Riesenvorteile gegenüber den normalen Bauweisen hat, wo man dafür einen Reaktor rund einen Monat vom Netz nehmen muß, um ihn neu zu beschicken. Der Riesennachteil war die Instabilität des ganzen Systems, sowaohl bei geringer (Tschernobyl geriet außer Kontrolle, weil er unter dem zulässigen Minimum betrieben wurde) als auch hoher Leistung.


Martin

Lunik

  • Gast
Re: Atomkraft und Atombomben
« Antwort #10 am: 01. Dezember 2005, 20:22:41 »
Wie man Atombomben baut, ist mir klar. Aber macht der Umweg über einen Reaktor es nicht leichter, an solche Materialien heranzukommen? Wenn ich Reaktorplutonium erhalte, dass schon zu 75% aus Pu 239 besteht, sollte man das wohl anreichern können. Wie auch immer, so besteht doch die Gefahr, das vorhandene Anlagen missbraucht werden. Und in einem Staat, der Kernkraft betreibt, lässt sich das Werkeln an einer Bombe sicher leichter verbergen, als wenn er gar keine Kernkraftwerke betreibt.

Nach meinen Kenntnisstand war die Ursache für den GAU von Tschernobyl übrigens eine Fehlbedienung. Man wollte untersuchen, ob sich die Regelstäbe bei einem Stromausfall noch in den Reaktorkern fahren lassen, wenn man den Restschwung der Turbinen zur Stromerzeugung nutzt. Die Regelstäbe im RBMK müssen nämlich von einem Elektromotor in den Kern gefahren werden, während in  deutschen Kraftwerken die Regelstäbe von Elektromagneten gehalten werden, die bei einem Stromausfall die Regelstäbe automatisch freigeben.
Bei dem Test in Tschernobyl, der einen Super-GAU vermeiden helfen sollte, hat dann ein Techniker die Regelstäbe aus dem Kern herausgefahren anstatt hinein, so dass der Neutronenfluss stark zunahm und jede Menge schneller Neutronen entstanden, die zur Kernspaltung nicht geeignet sind. Als der Fehler bemerkt wurde, wurden die Regelstäbe in mit großer Hast in den Kern eingefahren. Welche Rolle der Graphit hier spielte weiß ich nicht mehr genau. Aber als Moderator ist der ja kritisch. Jedenfalls wurden die schnellen Neutronen gebremst und die thermische Leistung stieg um den Faktor 1.000, was zur thermischen Spaltung des Wassers im Reaktor führte. Bei der Explosion des Knallgasgemisches wurde dann der Deckel auf dem Reaktor fortgesprengt...
« Letzte Änderung: 01. Dezember 2005, 20:24:49 von Lunik »

Martin

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #11 am: 01. Dezember 2005, 21:13:54 »
Hallo,

ich hatte gerade eine längere Antwort geschrieben, just vorm absenden hat sich aber mein PC verabschiedet. Ich werde deshalb nur noch mal kurz zusammenfassen.
Mit dem Reaktorplutonium ist es doch etwas anders. Anreichern macht bei Pu keiner, aber man könnte es theoretisch doch verwenden, wenn auch mit großen Nachteilen und sehr geringer Sprengkraft: http://nuclearweaponarchive.org/Nwfaq/Nfaq6.html
(steht unter 6.2.2.10 etwa bei der Hälfte der Seite)

Für Tschernobyl nur kurz dieser Link:
http://www.world-nuclear.org/info/chernobyl/inf07.htm

Martin

Lunik

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #12 am: 03. Dezember 2005, 17:51:58 »
Der in deinem Link beschriebene Unfallhergang weicht etwas von dem ab, wie ich es mal in einem Vortrag an der Uni Bremen gehört habe, aber was soll's. Und ohne auf die Details beim Atombombenbau einzugehen, sehe ich halt zwei Gefahren:

1. Ein Land, dass über Kernreaktortechnik verfügt, wird es immer relativ leicht haben, heimlich an Atombomben zu arbeiten.
2. Für Schurkenstaaten sind natürlich auch Atombomben geringer Sprengkraft oder eine schmutzige Bombe interessant. Mal ganz davon abgesehen, was ein Attentäter mit radiaktivem Material für Panik auslösen kann.

Karl M.(Guest)

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #13 am: 06. Dezember 2005, 13:52:44 »
Was ist den ein Schurkenstaat? Ist das jedes Land, das die Kapitalistische Wirtschaftsweise ablehnt? Oder ein Land aus dem Verbrecher kommen, so wie die ganzen Nazis in Argentinien, die alle aus Deutschland kommen?

Lunik

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #14 am: 06. Dezember 2005, 19:40:11 »
Die Definition eines Schurkenstaates ist vielen Punkten subjektiv. Ich definiere den Begriff sicher anders als andere das tun oder manche Politiker in der Gegenwart. Reaktortechnik möchte ich jedenfalls nicht in den Händen von Leuten wissen, die unsere europäischen Werte (Demokratie und Menschenrechte) nicht teilen oder in den Händen von Regierungen wissen, die instabil sind.

@ Karl M:
Die BR Deutschland wäre damit definitiv kein Schurkenstaat mehr.
« Letzte Änderung: 06. Dezember 2005, 19:43:34 von Lunik »

neo

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #15 am: 07. Dezember 2005, 15:58:39 »
Zitat
Zitat

Nein, du bist ahnungslos...

hach gero´chen. wie gut das ihr (du und die anderen qualifizierten beiträge) die weisheit gerade im bezug auf atomkraft gepachtet habt.
eine tödliche gefahr wird von euch so verharmlost, als ob jeder heinz diese privat ebenso nutzen könnte.

es muss ja erst was passieren uind dann seit ihr auch noch die ersten die von hinten palavern. oder einfach abhauen.

na denn: frohe weihnachten

Lunik

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #16 am: 07. Dezember 2005, 21:36:16 »
Hallo Neo,
ich glaube nicht, dass hier die Gefahr der Kernenergie verharmlost werden soll. Ich finde es aber immer wieder verblüffend, wie stark diese Diskussion polarisiert. Wir können auf die Kernenergie schimpfen wie wir wollen und so sehr ich mir einen sofortigen Ausstieg wünsche, so können wir leider den Müll nicht wegwünschen. Wenn ich dann das hysterische Gebaren der Wendländer sehe, flippe ich aus. Ja, man macht sogar Terroranschläge auf Schienen und Straßen! Ist für mich aber beruhigend: Offenbar kann es ja nicht so schlimm sein, einen Castor-Behälter verunglücken zu lassen. Sie sind offenbar sehr sicher und der Inhalt doch nicht so gefährlich. Ich weiß auch nicht, warum immer wieder als Argument angeführt wird, dass nun im Norden unserer Republik soviel Müll aus dem Süden landet. Ist doch egal, aus welchem deutschen Kraftwerk der Müll stammt. Schließlich kann nicht jedes Bundesland eigene Zwischen- und Endlager haben. Mich würde es jedenfalls nicht stören, mein Häusle über einem Endlager zu errichten.

Nur eines würde mich da noch interessieren: Warum werden die Atommüll-Transporte eigentlich öffentlich angekündigt?? Einen solchen Gefahrguttransport öfentlich zu machen, ist schon grob fahrlässig.

Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #17 am: 08. Dezember 2005, 07:23:33 »
Ich denke auch nicht, dass die Kernenergie verharmlost wird. Der Müll der in den Kraftwerken entsteht wurde meiner Meinung nach realistisch beurteilt.
Und dabei beziehen wir uns erstmal nur auf Deutschland.
Gerade bei uns wird doch sehr auf die Sicherheit der Kraftwerke aufgepasst.

In der Hand von Schurkenstaaten will ich Atomkraftwerke aber auch nicht sehen, deswegen hatte ich auch vorher schonmal gepostet, dass nur "vertrauenswürdige" Länder AKW bauen dürften, die sich dann auch verpflichten, regelmäßige Kontrollen der Kraftwerke durchzuführen.

Der GAU ist nie völlig auszuschließen, das ist klar. Für mich ist es das geringe Risiko wert, allerdings habe ich den Unfall in Tschernobyl nicht bewusst erlebt. Vielleicht würde ich anders denken, wenn ich den Unfall jetzt erleben würde, da hast du vielleicht Recht.

Grüße
Tobias

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Offline pikarl

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Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #18 am: 08. Dezember 2005, 11:52:21 »
Zitat
Wenn ich dann das hysterische Gebaren der Wendländer sehe, flippe ich aus. Ja, man macht sogar Terroranschläge auf Schienen und Straßen! Ist für mich aber beruhigend: Offenbar kann es ja nicht so schlimm sein, einen Castor-Behälter verunglücken zu lassen.

es ist nachgewiesen, dass die gefahr der castorbehälter für demonstranten wie für sicherheitskräfte groß ist. erst beim letzten castor hat greenpeace am verladebahnhof strahlungswerte gemessen, die die grenzwerte vielfach überschritten haben.

vielleicht hast du den begriff zivilcourage noch nicht ganz verstanden (stehe man zu den castoren wie man wolle): man steht für eine sache ein, auch wenn sie einem selbst  nachteile bringt. das war bei den widerstandszellen im 3. reich so (wo gefahr bestand in ein kz zu kommen) und das ist bei den castoren so. die demonstranten nehmen die gefahr für ihre gesundheit in kauf, um a) die öffentlichkeit auf die untragbare aufmerksam situation aufmerksam zu machen b) die castor transporte durch vermehrten sicherungsaufwand möglichst auch unrentabler zu machen und c) um die eigene gegend, ernte (es sind immer viele bauern aus der region dabei), familie usw. zu schützen.


Zitat
Mich würde es jedenfalls nicht stören, mein Häusle über einem Endlager zu erricheten.  

ich studiere geologie, deswegen kann ich dir sagen: es ist alles andere als trivial ein lager ausfindig zu machen, das die castoren vor einwirken von geologischer aktivität und vor allem vor wasser zu schützen, über tausende jahre. insofern kann ich die leute im wendland voll verstehen. auch wenn vielleicht nicht heute, vielleicht werden ihre urenkel die gesundheitlichen konsequenzen eines dortigen endlagers tragen, wenn ihr grundwasser durch irgendwelche unerkannten unfälle in der tiefe radioaktiv verseucht wird. ich würde mein häuschen nicht über so einem lager haben wollen. und ich würde, wenn ich im wendland wohnen würde, gegen den castor protestieren.

übrigens sollte man nicht die friedlichen demonstranten mit den aktivisten in einen topf werfen, die straßen unterspülen etc.


Martin

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Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #19 am: 08. Dezember 2005, 16:07:55 »
Hallo Karl,

sicher ist die Suche nach einem Endlager nicht trivial, aber sicher ist es möglich ein Endlager über einen kurzen Zeitraum wie 1Ma zu sichern. Zum einen gibt es hierzu das wundervolle Beispiel der Uranlagerstätte Oklo in Gabun, Westafrika. Vor 2 Mrd Jahren waren dort in einem permeablen Sandstein mehrer natürliche Kernreaktoren für etwa 100.000 Jahre aktiv, es wurden mehrere Tonnen Uran gespalten und auch größere Mengen Plutonium produziert. Heute sind die Spaltprodukte längst in stabile Isotope zerfallen, aber dennoch kann man wunderbar untersuchen wie sich diese vom Reaktorkern ausgebreitet haben. Die sind nicht allzuweit gekommen.
Die Anforderungen an ein Endlager sind natürlich erheblich größer: Hier darf absolut kein meteorisches Wasser Zulauf haben, wie gesagt sind alle Zuläufe in Konrad und Gorleben geologischen Ursprungs, also Wasser was während der Sedimentation mit eingeschlossen wurde und keinerlei Kontakt zur Oberfläche hat.
Aber gehen wir mal vom Worst Case Szenario aus, einen Wasserzulauf in ein Endlager in einem Salzstock: Was würde passieren? In erster Linie gar nichts! Wenn Wasser von oben über Wegsamkeiten in den Salzstöck eindringt, lößt es soviel Salz bis es aufgesättigt ist, die schwere Salzlösung singt nach unten, es bildet sich eine stabile Schichtung, Frischwasser kann nicht nachfließen. Salz in großen Massen kann nur gelößt werden, wenn es neben den Zulauf auch einen Ablauf gibt, ähnlich Karst. Es gibt viele Beispiele in Deutschland, wo Salzgruben abgeoffen waren und Jahrzehntelang unter Wasser standen, bei spätere Wiederaufwältigung waren die Strecken minimal größer, sonst gar nichts.
Unser Salz gibt es seit etwa 250Ma, das wird die nächste 1Ma auch noch schaffen, zumal in Nordeutschland keine aktive Tektonik in nennenswerten Umfang vorhanden ist. Da mit einem Anstieg des Meeresspiegels in nächster Zeit gerechnet werden kann, wird die Sedimentbedeckung über Norddeutschland sogar noch zunehmen.
Wenn man in unmittelbarer Nähe ein Castorbehälters steht, erhöht sich die Strahlenbelastung um etwa 1mSv/a. Der Bundesdruchschnitt liegt bei 2,4mSv/a. Und für einen Erzgebirgler wie mich wäre es Strahlenschutztechnisch sicher besser, nach Gorleben zu ziehen und in das Zwsichenlager einzuziehen als weiter hier wohnen zu bleiben.

Martin


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Offline pikarl

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Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #20 am: 08. Dezember 2005, 16:40:36 »
Hallo Martin. :-)

Du hast natürlich recht - in geologischen Zeiträumen gedacht ist der Endlagerungszeitraum nicht allzu dramatisch. Allerdings habe ich durchaus Zweifel an deiner Darstellung in Sachen "ein Salzstock ist sicher". Die Wikipedia schreibt:

Zitat
Unabhängig vom Standort stellt schon die grundsätzliche Festlegung auf Steinsalz als Wirtsgestein für ein Endlager einen Bewertungsschritt dar, der mögliche Alternativen wie Ton- oder Granitformationen, die in anderen Staaten für diesen Zweck favorisiert werden, von vorneherein ausklammert. Konkrete geologische Aufschlussbohrungen, die zum Zweck der Erkundung zwischen 1979 und 1999 durchgeführt wurden, ergaben dann tatsächlich bereits zu Beginn der 1980er-Jahre, dass eine Eignung des Gorleben-Rambower Salzstocks unter anderem wegen eines instabilen Deckgebirges und wegen Grundwasserkontakts in Frage zu stellen ist. So liegt die „Gorlebener Rinne“, eine bis zu 320 Meter tiefe eiszeitliche Schmelzwasserrinne aus sandig-kiesigem, grundwasserführendem Material, genau über dem tektonisch nach oben aufgewölbten Hut des Salzstocks. Das dort ursprünglich vermutete Deckgebirge aus mehreren hundert Meter mächtigen oligozänen Tonschichten, das – im Sinne der Definition eines „Mehrbarrierensystems“ durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) – eine Mindestvoraussetzung für eine mögliche Eignung des Salzstocks als Endlager wäre, ist in diesem Bereich so nicht vorhanden. Von unten sind diese Schichten durch den vertikal aufsteigenden Salzstock-Diapir und von oben durch eiszeitliche Abtragungen und Auffüllungen zerstört worden. Auch wurde festgestellt, dass salzführendes Grundwasser sich sowohl seitlich als auch vertikal vom Salzstock in Richtung Oberfläche bewegt, so dass bei Kontakt mit hochradioaktivem Material eine Verseuchung der Biosphäre nicht auszuschließen ist. Bei Grundwasserkontakt mit dem Steinsalz muss zudem mit Subrosionen, also der Bildung von Hohlräumen durch Salzablaugung gerechnet werden. In der Folge kann es zum Einsturz des Deckgebirges bis hin zur Bildung von Dolinen an der Erdoberfläche kommen. Für solche Vorgänge gibt es zahlreiche Beispiele über Salzstöcken in ganz Norddeutschland. Dazu zählt auch eine zehn Kilometer lange, tiefe Einbruchrinne über dem nordöstlichen Teil der Gorleben-Rambower Salzstruktur selbst; dort haben sich beispielsweise der 175 Hektar große Rudower See sowie der inzwischen vermoorte Rambower See gebildet.

http://de.wikipedia.org/wiki/Gorleben#Endlagerprojekt_Gorleben

Natürlich sind solche Überlegungen immer ein Stück weit spekulativ. Aber das ist auch gerade das Problem bei der Endlagerungssuche: Letztlich ist es sehr schwer zu sagen, was tatsächlich in den nächsten 1 Ma Jahren an dieser Stelle passieren wird.

Was die gemessenen Grenzwerte angeht, muss ich meine obige Aussage relativieren. Tatsächlich wurde am Verladebahnhof in Dannenberg etwa das 230-fache der normalen Hintergrundstrahlung gemessen. Das ist noch weniger als der normale Grenzwert, stellt nichts desto trotz aber ein Risiko für die Menschen in der Umgebung dar - und auch wenn das nur gering ist, sollten die Behörden die Menschen darüber informieren - da diese Werte Greenpeace gemessen hat: http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/castor_neutronenstrahlung_230_fach_erhoeht-1/

Ist übrigens eine nette Gegend, da wo du herstammst. Ich war mal in dem stillgelegten Uranbergwerk bei Schneeberg. Ist schon ziemlich beeindruckend da unten...

Martin

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #21 am: 08. Dezember 2005, 17:18:05 »
Hallo,

ja, das Erzgebirge ist ganz annehmbar. Ich wohne nur 25km von Schneeberg, wenn ich nicht gerade in Freiberg rumhänge.
In welcher Grube warst Du? Schacht 371 (der Hauptschacht) oder der kleine 15IIB (Markus Semmler Stolln) ?
Bei der Wismut NL Aue habe ich ja Praktikum gemacht, außerdem mache ich dort regelmäßig die Halden unsicher. Wenn Du mal wieder da bist, soltest Du Dir unbedingt noch die Lagerstättensammlung anschauen, die ist der Hammer. Vor allem das Zimmer das kleine Zimmer mit den Bleiplatten in den Wänden.
Eine andere Grube wird ja leider für Besucher geschlossen, und zwar die Grube Pöhle (hat auch zum BB Aue gehört). Von Geologischer Seite her war das eine der schönsten im Erzgebirge neben Freiberg und Ehrenfriedersdorf, wundervolle Aufschlüsse. Das ist die, wo man 1990 den riesigen Silber/Arsenerzfall angeschossen hat, wo Bläcke bis 100kg aus puren Silber und Arsen rausgeholt wurden.

http://forum.terraforming.net/showthread.php?t=4994


Was Gorleben angeht: Wenn der Salzstock sich als ungeignet herausstellt, soll da natürlich kein Endlager rein, das ist ganz klar. Aber gerade um das herauszufinden, wurde das Erkundungsbergwerk Gorleben aufgefahren. Und gerade als alles für das untertägige Bohrprogramm fertiggestellt ist, die meiste Arbeit getan und das meiste Geld von der ganzen Aktion bereits ausgegeben wurde, kommt dieses grottendämmlche Moratorium. Mit den Bohrdaten hätte man ein 3D Modell des ganzen Salzstockes erstellen können, es wäre der am besten untersuchte Salzstock der Welt gewesen. Und dann hätte man definitiv sagen können geht/geht nicht. Die Erkundung soll irgendwann mal wieder aufgenommen werden, aber bis das soweit ist, ist eine großer Teil der Geologen (waren mal über 30 dort oben, jetzt noch 3), die das Projekt von Anfang an mit betreut haben, in Rente, von den Mio für die Offenhaltung der Grube mal ganz abzusehen. Aber wir habens ja.
Die Bundesrepublik beteiligt sich ja in der Schweiz an einem Forschungsbergwerk im Ton, und auf Konrad wird in einem oolithischen Eisenerzhorizont unter Tonbedeckung eingelagert. Die Tone über dem Fe-horizont waren auch mal im Gespräch für den Wärmeentwickelten Müll.
Kristalline Gesteine halte ich für nicht zu günstig, solange man bessere alternativen hat. Bei den sind die Behälter die finalen Barrieren, geologische sind mir lieber. Die Schweden werden deshalb ihre Behälter aus Kupfer fertigen müssen.
Ungünstig ist wohl auch die Wahl der Amerikaner für ihre Abfälle aus der Atomwaffenproduktion im Yucca Mountain, der Ignimbrit soll wohl nicht das ware sein.
Ich denke unser Konzept im Salz ist gut, sicher, machbar. Wir lagern doch auch schon lange im Salz ein, das stört keinen.
Wer hier hat den schon mal vom Endlagern Zielitz gehört? Selber Sachverhalt, bloß das es um chemotoxische Abfälle geht, deren Gefährlichkeit mit der Zeit NICHT nachläßt.

Martin  

Lunik

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #22 am: 08. Dezember 2005, 21:04:20 »
@ Tobias Kolkmann:
Der Tschernobyl-Unfall war für mich damals schon recht unheimlich. Insbesondere deshalb, weil keiner so recht wusste, wie man sich verhalten sollte. Unsere Regierung hat in den ersten Tagen auch nicht unbedingt mit einer offenen Informationspolitik geglänzt.

@ Karl Urban:
Anschläge auf Gleise haben für mich nichts mit Zivilcourage zu tun - das nenne ich Terrorismus. Hier gefährden diese Leute nämlich auch andere, unbeteiligte Personen. In meinem Bekanntenkreis sind drei Leute beim BGS: Sollte einer von denen verletzt werden durch sowas, mache ich im Wendland 'ne Gegendemo. Ich habe im Studium sogar mal ein Mädel kennengelernt, das damit prahlte, zu "Schienenaktionstagen" zu fahren. Naja, ganz schön verstrahlt, die Gute. Auch habe ich nicht das Gefühl, dass die Wendländer hier objektiv bewerten oder sich sachlich mit dem Problem beschäftigen.
Wie schwierig es ist, ein geeignetes Endlager zu finden, ist mir bewusst. Ich bin zwar kein Geologe, aber in meinem Geographie-Studium hab ich dann doch ein bisschen aufgeschnappt.
Was die Grenzwerte angeht: Waren die Werte immer so hoch oder war das eine einmalige Ausnahme?

neo

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #23 am: 08. Dezember 2005, 21:28:09 »
danke karl. es ist eher selten, verständnis für diese sitution zu erhalten wenn man jenseits der 50 km grenze von einem zwischen bzw. endlager wohnt und lebt. obwohl wir natürlich auch unterstützung von außerhalb erhalten (ärzte, juristen, familien, betroffene, entsetzte menschen..)
in finnland formiert sich übrigens gerade ein widerstandsbewegung speziell gegen die errichtung des neuen akw´s. info kam man im internet dazu finden. ein filmteam aus finnland ist am sonntag zu aufnahmen am zwischenlager, um über und mit protestlern und widerständlern zu berichten.

nochmals zur klarstellung. das zwischenlager ist der ort, in dem die "sicheren" castorbehälter ungefähr 40 jahre abklingen sollen (der zeitraum ist durchaus variabel, es geht hier um die außentemperatur). die behälter stehen in eine art kartoffelscheune mit ungefiltertem frischluft ein- und ausgang.
langzeitstudien über die stabilität des materials (stahl, dichtungen, etc) gibt es unter hochradiaktivem beschuß nicht über diese "unbekannte" laufzeit. wer garantiert hier was? gero, tobias, lunik?

das endlager ist etwas völlig anderes. hier sollen in einem weitreichendem salzstock die durch die pilotkonditionierungsanlage aufbereiteten glaskokillen tatsächlich "unwiederbringlich" endgelagert werden. die geologische eignung (nochmals danke karl) steht hierbei noch völlig in den sternen. klar ist, das objektive gutachten gern von der gns geschmiert werden bzw. echte bedenken zu "tode" geklagt werden. ein gutes beispiel hierfür ist gerade aktuell im bereich der tabakindustrie aufgetreten (schmiergelder, bestechungen, totschweigen)

ich persönlich finde es gerade zu famos, mir von anderen subjektivität vorwerfen zu lassen. man solls kaum glauben: das bin ich auch.
hier geht es aber auch um weitverbreitete irrglauben: alle wendländer seien chaoten die menschen gefährden oder sofort die hebel in den akw´s zum stromabschalten legen wollen. dem ist bei weitem nicht so. zum einen ist eine aktive beteiligungen an blockaden oder schienenbesetzungen hier von wendländern immer friedlich. und auch das ist für manche ja schwer zu verstehen: diese aktionen werde sogar vom grundgesetz gedeckt. für was sind nicht alles menschen auf die barrikaden gegangen, haben sich gewehrt, blockiert, quer gestellt... eben sich nicht alles gefallen lassen. solche menschen haben es schon zu außergewöhnlichen dingen geschaft. schwarze blöcke und steinewerfen bilden zu 99% zugereiste randalebrüder. dagegen wird hier von beiden seiten konsequent vorgegangen. nur an die strasse stellen und mit dem fähnchen winken, das lässt hier keiner mit sich machen. das engagement zieht sich durch alle schichten: arbeiter, landwirte, kinder, schüler, akademiker, rentner alle stellen sie sich quer. und das ist gut so.
es geht bei diesem protest darum, über die gedankenlose nutzung und seligsprechnung des atomstroms wachzurütteln um einen wechsel in der energiepolitik -mittel bis langfrisig- zu erzielen. ein durch ein 100m weit entferntes zwischenlager präjudiziertes endlager un damit ein handfestes argument für die nutzung ist zu verhindern.

leider helfen eure versuche der kriminalisierung des widerstandes nicht. es geht weiter x-mal. und die transporte werden teuer gemacht. am besten ist jedoch seinen popo mal hierher zu bewegen und sich mit den MENSCHEN zu unterhalten. auf welcher seite ihr steht oder was eure überzeugungen sind spielt hier keine rolle. dies zeigen auch die guten kontakte zur polizei bzw. der bundespolizei.

neo
ps. mein vater war 8 jahre beim bgs, hat wackersdorf erlebt, startbahn west und raf anschläge. heute stehen wir zusammen auf der protest seite.

Martin

  • Gast
Re: Castor Behälter auf dem Weg nach Gorleben
« Antwort #24 am: 08. Dezember 2005, 22:13:24 »
Zitat
nochmals zur klarstellung. das zwischenlager ist der ort, in dem die "sicheren" castorbehälter ungefähr 40 jahre abklingen sollen (der zeitraum ist durchaus variabel, es geht hier um die außentemperatur). die behälter stehen in eine art kartoffelscheune mit ungefiltertem frischluft ein- und ausgang.
langzeitstudien über die stabilität des materials (stahl, dichtungen, etc) gibt es unter hochradiaktivem beschuß nicht über diese "unbekannte" laufzeit. wer garantiert hier was? gero, tobias, lunik?
Der erste Kernreaktor wurde 1942 in Betrieb genommen, solange gibt es also Erfahrungen mit hochradioaktiven Materialien (eigentlich noch länger, siehe das Oklo-Beispiel). Solange erforscht man auch schon die Auswirkung von Radioaktivität auf Stahl, Beton etc., denn auch Reaktordruckgefäße bestehen aus Stahl. Inzwischen wurde viele einstige Reaktoren auch schon wieder zerlegt und man konnte die Auswirkung auf das Material eingehend untersuchen.

Zitat
das endlager ist etwas völlig anderes. hier sollen in einem weitreichendem salzstock die durch die pilotkonditionierungsanlage aufbereiteten glaskokillen tatsächlich "unwiederbringlich" endgelagert werden. die geologische eignung (nochmals danke karl) steht hierbei noch völlig in den sternen. klar ist, das objektive gutachten gern von der gns geschmiert werden bzw. echte bedenken zu "tode" geklagt werden. ein gutes beispiel hierfür ist gerade aktuell im bereich der tabakindustrie aufgetreten (schmiergelder, bestechungen, totschweigen)
Eben weil die Geologische Eignung fraglich ist, gibt es derzeit das Erkundungsbergwerk Gorlben. Die Betonung liegt hier auf Erkundung. Alle Anlagen sind außerdem Eigentum des BfS, die DBE (GNS Beteiligung 75%) ist nur der Betreiber, er wird ständig vom BfS überwacht. Den Vorwurf der Bestechung finde ich, sagen wir mal so, suboptimal. Und das totklagen liegt ja wohl auf der anderen Seite, nicht bei der GNS.

Ich weiß auch, das die überwiegende Anzahl der Demonstranten friedlich ist, und das in der Vergangenheit vor Allem von Seiten des Bundes Fehler gemacht wurden was den Umgang mit den Atomkraftgegnern angeht. Das ist ja nicht nur bei diesen Demonstrationen so, das oftmals das Verhalten von Minderheiten auf eine größere Gruppe übertragen wird.
Die Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit sind mit die wichtigsten, und ich bewundere auch die Demonstranten in Gorleben für Ihre Ausdauer und Ihren Einfallsreichtum, und in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft sollte man sich da ein Beispiel nehmen.
Nichtsdestotrotz halte ich das Anliegen der Demonstrationen für falsch, eben meine Meinung.
Und ich mag es auch nicht, weil ich (fast) Lagerstättengeologe und Atomkraftbefürworter bin, das man mich für einen Menschen mit "nach uns die Sintflut" Einstellung hält. Ja, ich bin für Kernenergie, ich möchte mal in Richtung Uranlagerstätten oder Base Metals beruflich gehen, ich bin aber auch Mitglied im NABU, und keineswegs aus schlechtem Gewissen, ich bin für das Enegiesparen, für den sinnvollen Einsatz und Förderung regenerativer Energien, für biologische Landwirtschaft und vieles mehr. Und ich bin natürlich auch für das Demonstrationsrecht!

Auf zum Atom!

Martin