Tiangong (CSS) - Chinas modulare Raumstation

Für den Fall, dass doch einmal ein Loch entstehen sollte, hier kann man ab 0:59 eine der Sauerstoffmasken sehen, die bei Druckabfall zum Einsatz kommen:



In der Gasflasche, die man etwas später auf dem Boden liegen sieht, dürfte sich wohl ein Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch befinden. In dem Artikel zur Außenhüllen-Perforation wird zwischen gesamtem Luftdruck und Sauerstoff-Partialdruck unterschieden.

Notfall-Übung auf der CSS

Im vorherigen Beitrag von Regnart wird u.a. auch auf eine Notfall-Übung der jetzigen Mannschaft auf der CSS verwiesen.
Aus dem angeführten Video habe ich wieder einige interessante Momente im Bild festgehalten.

Im Kern-Modul muss auch einmal im "Keller" gearbeitet werden. Doch die drei Taikonauten werden mutig zu "Ochsen" und haben keine Angst vor Schwierigkeiten. Daher müssen sie auch immer Mittel gegen einen Notfall bei der Hand haben.

Ein Taikonaut im "Keller" des Kernmoduls                                 Bild: CNSA/CSM/BACC/ed. HausD

Während der Arbeit, wie hier beim Verpacken von Bio-Proben, hat man auch ein Paket mit Notfall-Hilfsmitteln dabei. Hier noch etwas versteckt,  aber griffbereit ...

Ein Notfall-Koffer steht in der Reichweite                                  Bild: CNSA/CSM/BACC/ed. HausD

Die Notfall-Ausrüstung wird entweder an einem gut bekannten Ort oder direkt am aktuellen Arbeitsplatz gehalten.
Offenbar ist ein Übungs-Alarm ausgelöst worden und sofort wird der Koffer mit der Atemschutz-Ausrüstung vom Ersten bei der Übung geöffnet und begonnen auszupacken.

Der erste Taikonaut ist bei der Übung dran                                Bild: CNSA/CSM/BACC/ed. HausD

Da es eine Übung ist, werden die Handlungen mit der Atemschutz-Ausrüstung über die Tianhe Modul Kamera b vom Flugleitzentrum in Peking, dem BACC, aus verfolgt.

Der Prüfling packt die Maske aus                                               Bild: CNSA/CSM/BACC/ed. HausD

Vorn, in der Mitte, die oben erwähnte Gasflasche, darüber eine dünne Druckleitung, noch zusammengerollt. Der Taikonaut dahinter soll offenbar die Verbindung zwischen der Gasflasche und der Druckleitung herstellen. Es gibt noch viel Kommunikatiosbedarf, denn alle drei hängen an ihren "Handys".

Es ist eine Lehr- und Übungsstunde ...                                       Bild: CNSA/CSM/BACC/ed. HausD

Diese Übung wird man für verschiedene Szenarien noch einige Male durchführen, da bin ich mir sicher ...

Gruß, HausD

Derartige Übungen muss jede Mannschaft durchführen. Es gibt vorher eingeplante Übungen, wie hier im Video, und vom Raumfahrer-Ausbildungszentrum (nicht vom Raumfahrtkontrollzentrum) ausgelöste Spontanalarme. Hier eine etwas ausführlichere Beschreibung einer großen Evakuierungsübung während der Mission Shenzhou 13:
https://de.wikipedia.org/wiki/Shenzhou_13#Evakuierungs%C3%BCbung

Bei den Bio-Proben handelt es sich um Zellkulturen. Mit dem Frachter Tianzhou 6, der derzeit am Heck angekoppelt ist, wurden embryonale Stammzellen hochgebracht, die man zu Hämatopoetischen Stammzellen weiterzüchten wollte, um daraus künstliches Blut herzustellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tianzhou_6#Ladung

Ich würde nicht ausschließen, dass sich bei der braunen Flüssigkeit in der Plastiktüte von Gui Haichao, die man ab 0:35 sieht, um derartiges Kunstblut handelt. Natürlich könnten das auch die normalen Blutproben sein, die sich die Raumfahrer in regelmäßigen Abständen gegenseitig abnehmen müssen. Das sind aber in der Regel größere Mengen.

Seit 1 1/2 Wochen verhalten sind die Orbitaldaten der CSS seltsam. Das Apogäum der CSS stabil. Es sinkt nicht mehr. Das Perigäum verhält sich normal. Gibt es dazu Informationen? Werden die Korrekturtriebwerke dafür dauerhaft/täglich genutzt? Für Datenfehler scheint mir der Zeitraum von 1 1/2 Wochen schon etwas zu lang zu sein.

Die vier Hallantrieb-Ionentriebwerke am Heck des Kernmoduls Tianhe werden in der Tat dauerhaft genutzt:
https://spj.science.org/doi/10.34133/space.0035
(bei etwa 1/3 des Textes - suche "xenon")


Bild: CAST

Drei Absätze über dieser Textstelle, unter den Fotos von den Ionentriebwerken, gehen die Autoren auf die drei verschiedenen Fluglagen der Station ein. Wenn man bedenkt, dass das Raumschiff Shenzhou 16 senkrecht an der Station hängt - die vordere Bugschleuse ist vom Frachter Tianzhou 5 besetzt - würde ich sagen, die Station fliegt derzeit im Drehmoment-Gleichgewicht, mit dem Raumschiff als "Anker" mit Gravitationsgradient. Aber möglicherweise habe ich hier den Text auch missverstanden

@Hugo Tianzhou-5 wurde am 6. Juni wieder angekoppelt. Seitdem ist die Masse der CSS so groß, wie nie zuvor:
Die 3 Module, 2 Tianzhous und eine Shenzhou.
Die bisher größte Masse waren die 3 Module, 2 Shenzhous und eine Tianzhou.

Aber ob das die Begründung ist?

Edit:
Seit etwa dem 20. April fallen die Apogäums-Werte nach Bahnanhebungen kaum und es ist so hoch, wie noch nie.
Spielt da ein Unterschied in der Dichte der Atmosphäre bei diesen etwa 10km Differenz zwischen Apogäum und Perigäum eine so große Rolle?
Die Perigäums-Werte fallen ja stetig.

Die 10 km Differenz könnten durchaus eine Rolle spielen. Ab 0:31 in diesem Video kann man sehen, wie man bei der Montage der Wissenschaftsmodule die Solarzellenflügel von Kernmodul und angekoppeltem Frachter zu Stabilisierungszwecken als "Kielschwert" in die Atmosphäre gesenkt hat. Jeder Meter zählt:



Was mir als Begründung noch einfallen würde, wäre dass man wieder mal einen Cubesat aussetzen will und das relativ hohe Apogäum braucht, um ihn in den gewünschten Zielorbit zu bringen.

Oder das für den Flug der Station zuständige Raumfahrtkontrollzentrum Peking will einfach mal Dinge ausprobieren. Die machen sowas öfters, auch zu Ausbildungszwecken. Die oben erwähnten Ionentriebwerke brauchen sehr wenig Treibstoff, Strom gibt's kostenlos von der Sonne, da kann man schon mal ein bisschen herumexperimentieren.

Weiss jemand wann der Subsatellit ausgesetzt wurde ?

In der Weibo-Mitteilung vom 19. August heißt es "vor einigen Tagen" (日前). Das ganze hängt wohl mit der Huawei-Entwicklerkonferenz vom 4. bis zum 6. August zusammen:
https://www.huaweicentral.com/huawei-developer-conference-hdc-2023-roadmap/

Der Satellit verwendet eine allegemein nutzbare Variante des Harmony-Betriebssystems der Firma und wird in der Berichterstattung über die Konferenz als Mitflieger des Raumfrachters, aber nicht als in Betrieb befindlich beschrieben:
https://baijiahao.baidu.com/s?id=1774384782787996408

Nach dem Veröffentlichungsdatum des Konferenzberichts (16. August) würde ich schätzen, dass er so um den 17. August ausgesetzt wurde.

Danke
Vielleicht erfährt man mal genaueres darüber.

Genaueres wird früher oder später bei den Mitteilungen der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik der Technischen Universität Dalian auftauchen, wo der Satellit gebaut wurde:
http://aa.dlut.edu.cn/index/ztxw.htm

Der neueste Eintrag vom 16. August handelt ebenfalls von der Huawei-Entwicklerkonferenz, wo der Satellit gebührend gewürdigt wurde:
http://aa.dlut.edu.cn/info/1062/3425.htm

Die Englische Version der Website ist für Mobiltelefone, man kann da nicht direkt auf einzelne Einträge verlinken. Aber hier ist mal ein gutes Bild von Lianli:



Und so sah er aus, als er noch in der Abschussvorrichtung außen an dem konusförmigen Übergang vom Frachtmodul zum Servicemodul von Tianzhou 6 saß:


Bilder: Technischen Universität Dalian

Hier ist ein kurzes Startvideo:



Auf Deutsch findest Du das, was zu dem Satelliten bekannt ist hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tianzhou_6#Lianli

Ich halte die Wikipedia-Artikel nach Möglichkeit immer auf einem aktuellen Stand.

Die 4 Anlegestellen des neuen Moduls sind noch frei ...



... und am Knoten am TianHe-1 legt ein neues chinesisches Raumschiff an                  Bilder: CSF/CCTV.com

Mittlerweile haben wir als Termin für den Start des Erweiterungsmoduls, das man hier im Vordergrund sieht, das Jahr 2027 ("four years from now"):
https://spacenews.com/china-to-send-new-modules-and-co-orbiting-spacecraft-to-tiangong-space-station/

GRB-Teleskop für Tiangong in Entwicklung

Ein internationales Forscherteam, an dem China, die Schweiz, Polen und Deutschland beteiligt sind, hat mit der Entwicklung des Radioteleskops Polar-2 begonnen, das im Universum nach den gewaltigen Gammastrahlenausbrüchen (GRB - (en. gamma-ray bursts) suchen soll.

Die China Manned Spaceflight Administration (CMSA) plant, das Teleskop 2025 zu Tiangong zu senden und es außerhalb der Station zu installieren. Die beteiligten Wissenschaftler meinen, dass Polar-2 mindestens zwei Jahre lang im Orbit operieren kann und , dass damit jährlich etwa 200 Gammastrahlenausbrüche nachgewiesen werden können.
                                                           Quelle: CSF/www.scmp.com
Gruß, HausD

Möglicherweise ist das mit dem Starttermin 2025 ein Missverständnis. Auf der offiziellen Polar-2-Website der Universität Genf ist als Starttermin "Anfang 2024" angegeben:
https://www.unige.ch/dpnc/polar-2

Das würde einen Transport mit dem Raumfrachter Tianzhou 7 implizieren, der im Januar 2024 starten soll:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Raumstation#Missionsliste

In einem Artikel der Genfer Wissenschaftler vom 1. September 2023 heißt es, dass Polar-2 im Jahr 2025 seinen Betrieb aufnehmen soll ("is scheduled to start operation for at least 2 years in 2025"):
https://newsletter.x-mol.com/paper/1698888585229127680

Polar-2 ist ein Würfel von etwa 50 cm Kantenlänge, das rote Ding an der Seite scheint ein Angriffspunkt für den mechanischen Arm zu sein:


Bild: Institut für Kernphysik der Universität Genf

An sich müsste es egal sein, dass die wohl in drei Wochen startende Besatzung von Shenzhou 17 im Januar/Februar nicht mehr so ganz fit für Außenbordeinsätze sein dürfte. Aber man kann nicht ausschließen, dass das Gerät im Januar nächsten Jahres erst einmal zur Station gebracht und dann erst später bei passender Gelegenheit installiert wird.

.. Ein internationales Forscherteam, an dem China, die Schweiz, Polen und Deutschland beteiligt sind, hat mit der Entwicklung des Radioteleskops Polar-2 begonnen, das im Universum nach den gewaltigen Gammastrahlenausbrüchen (GRB - (en. gamma-ray bursts) suchen soll.

Polar-2 ist kein Radioteleskop, sondern ein Gammastrahlungs-Polarimeter (Wellenlänge typ. 10 Picometer). Deshalb kann das Instrument relativ klein sein (50 cm x 50 cm x 50 cm)

https://de.wikipedia.org/wiki/Tiangong_2#POLAR

... Polar-2 ist kein Radioteleskop, ...sondern ein Gammastrahlung ...

Das ist richtig, nicht UKW sondern ɣW ...

Recht schön gemachtes und sehr informatives Video über den Aufbau und die Funktion von Tiangong, auch im Vergleich zur ISS und früheren Raumstationen.
(Leider mit einer mMn saublöden Werbung  )

Recht schön gemachtes und sehr informatives Video über den Aufbau und die Funktion von Tiangong, auch im Vergleich zur ISS und früheren Raumstationen.  ...

Leider auch mit einer Reihe Fehlern ... und ... viel Eigenwerbung...
Gruß, HausD

Einer der eklatantesten Fehler in dem Video ist die Behauptung, dass das Xuntian-Teleskop nahe der Raumstation um die Erde kreisen würde. Das Teleskop kreist zwar auf dem selben Orbit um die Erde wie die Raumstation, eilt ihr aber um 120° voraus, wie hier auf dem 8. Bild zu sehen:
https://m.weibo.cn/status/4878238776823209

Ein Grund dafür wird nicht angegeben, ich könnte mir aber vorstellen, dass man vermeiden will, dass die Optik des Teleskops von beim Rangieren der Raumschiffe und den Bahnanhebungsmanövern der Station entstehenden Treibstoffresten verschmutzt wird.

Ebenso falsch ist der Längenvergleich der Module. Bei den Wissenschaftsmodulen wird nur der zylinderförmige Teil als Wohn- und Arbeitsbereich genutzt:


Bild: Lee Brandon Cremer

Der gelb markierte Teil ist zum Vakuum offen. Dort befinden sich die Treibstofftanks (die Raumstation ist unter anderem eine orbitale Tankstelle); wenn es dort einen Meteoritentreffer gibt, entweicht das Hydrazin in den Weltraum, ohne die Mannschaft zu gefährden.

Vergleiche zwischen Raumstationen sind generell nicht sinnvoll. Das hat den dezenten Charme der Quartettspiele aus den 70er Jahren ("mein Auto hat mehr PS als deines"), übersieht aber das Wesentliche. Im Falle der chinesischen Raumstation ist es die permanente Erneuerbarkeit durch Ankoppeln und Abwerfen von T-Elementen. Die ISS kann dagegen nur versenkt werden. (Eigentlich hätte es selbst im Zeitalter von David Hasselhoff jemandem auffallen müssen, dass es keine gute Idee ist, die ersten, also am ehesten kaputtgehenden Module in die Mitte der Station zu setzen, wo sie garantiert nicht ausgewechselt werden können).

Informationen zur Chinesischen Raumstation sind übrigens nicht wirklich schwer zu finden. Hier ein sehr guter Artikel auf Englisch:
https://spj.science.org/doi/10.34133/space.0035

Danke für die Richtigstellungen!
Grüße
alepu

Im Mengtian-Modul befindet sich der dritte Robot-Arm der Station. Er ist 70 - 80 cm lang, kann mit unterschiedlichen Geräten/Werkzeugen bestückt werden und mit einer Genauigkeit von 0,1 mm arbeiten. Er soll die Astronauten bei unterschiedlichen Aufgaben unterstützen und ist wohl auch zum Testen und Entwickeln von Robotern gedacht.

https://www.space.com/china-tiangong-space-station-third-robotic-arm-video

Notfall-Übung auf der CSS
...
Vorn, in der Mitte, die oben erwähnte Gasflasche, darüber eine dünne Druckleitung, noch zusammengerollt. Der Taikonaut dahinter soll offenbar die Verbindung zwischen der Gasflasche und der Druckleitung herstellen. Es gibt noch viel Kommunikatiosbedarf, denn alle drei hängen an ihren "Handys".

Es ist eine Lehr- und Übungsstunde ...                                       Bild: CNSA/CSM/BACC/ed. HausD

Diese Übung wird man für verschiedene Szenarien noch einige Male durchführen, da bin ich mir sicher ...

Jede Mannschaft muss das üben. Bei 0:50 in diesem Video kann man sehen, wie die Besatzung von Shenzhou 17 versucht, mit aufgesetzten Atemschutzmasken und mitgeschleppten Sauerstoffflaschen zu einem angenommenen Leck zu gelangen, um es zu reparieren:



Der chinesische Raumfahrer muss immer gut rasiert sein, damit die Maske auch dicht anliegt.

Hier ist eine etwas ausführlichere Beschreibung der Notfalleinsätze, sowohl beim Flicken von Lecks als auch beim Feuerlöschen:
https://spj.science.org/doi/10.34133/space.0089#sec-5

Abhängig von der Größe eines Lecks bis 1,5 cm Durchmesser geben die fest installierten Notgasflaschen den Raumfahrern 20 bis 40 Minuten Zeit, um zumindest schon mal die Laborschränke freizuräumen und das Leck dahinter zu sehen. Bei größeren Lecks bleibt sowieso nur noch die Flucht.

Ein relativ neues Video zur CSS.
Der Inhalt bringt nicht wirklich neues und in den Kommentaren gibt es ein paar sachliche Korrekturen, u.a. zur Leitung der Solar-Paneele.

Siehe diesen und die beiden folgenden Beiträge:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=11795.msg554978#msg554978