Hallo,
ganz allgemein kann dazu gesagt werden, dass das JPL die maximale Länge der täglichen Fahrten von Curiosity mit bis zu etwa 200 Metern pro Sol angibt. Zum Vergleich : Opportunitys "Streckenrekord" liegt bei 220 Metern bei einer einzigen Fahrt. Fahrten über längere Distanzen als 150 Meter waren aber bei diesem Rover während der letzten neun Jahre immer eher die Ausnahme.
Diese 200 Meter können von Curiosity aber auch nur dann erreicht werden, wenn wirklich
alles zusammenpasst. In erster Linie sind hierbei die Passierbarkeit des Geländes und die Energiesituation gemeint. Bei der Energie spielen auch auf den ersten Blick eher unscheinbare Details wie z.B. die Umgebungstemperatur eine wesentliche Rolle.
Für längere Fahrten benötigt der Rover mehr Zeit und muss somit auch entsprechend früher im Tagesverlauf mit der Fahrt beginnen. Vor dem Beginn jeder Fahrt müssen die Antriebsmotoren der Räder mittels des Rover-internen Heizungssystems jedoch zunächst auf eine bestimmte Betriebstemperatur "vorgewärmt" werden. Je früher der Rover seine Fahrt beginnt, desto mehr Energie ist dabei notwendig, um diese Temperatur zu erreichen. Das gleiche Prinzip gilt auch für alle anderen beweglichen Komponenten des Rovers ( z.B. für die für die Ausrichtung des Kameramastes notwendigen Motoren oder für die Sensoren und die elektronischen Komponenten der einzelnen Instrumente). Je früher am Tag ein bestimmtes Instrument Messungen durchführen soll, desto mehr Energie ist somit hierfür notwendig.
Dabei ausschlaggebend ist die natürliche Umgebungstemperatur im Bereich des Rovers. Während der Sommermonate steht aufgrund der damit verbundenen höheren Temperaturen im Gale-Krater prinzipiell mehr Zeit für eine Fahrt zur Verfügung als während der demnächst beginnenden Wintermonate. Am Sol 369 ( 20. August 2013 ) lag die maximale Bodentemperatur, welche kurz nach 12:00 lokaler Marszeit erreicht werden dürfte, bei 2°C. Die maximale Lufttemperatur in rund 1,5 Metern Höhe über der Oberfläche betrug dagegen lediglich noch -9°C. Diese Temperaturen fielen vor einigen Monaten noch deutlich höher aus und erreichten dabei an manchen Tagen Werte von fast 10°C in 1,5 Metern Höhe...
http://curiosityrover.com/rems/temps.php Die jetzige Jahreszeit - vor wenigen Wochen begann auf der Südhemisphäre des Mars der Herbst - ist aus der Sicht des Energiebedarfs also eher ungeeignet für "Streckenrekorde"...
Eine weitere Einschränkung bei der zurückzulegenden Strecke ergibt sich aus der Fahrweise. Soll Curiosity während der gesamten Fahrt durchweg "Gas" geben und dabei pro Sekunde vier Zentimeter überbrücken ( das ist die offiziell angegebene Maximalgeschwindigkeit ) oder soll der Rover eher defensiv, also langsamer, fahren und so das Antriebssystem so gut wie möglich/ sinnvoll schonen? Immerhin soll der Rover noch viele weitere Kilometer überbrücken, ohne dass einzelne Räder ausfallen...
Zudem werden unabhängig von der für jeden Fahrabschnitt vorprogrammierten Geschwindigkeit in regelmäßigen räumlichen Abständen Zwischenstopps eingelegt. Bei diesen Stopps nehmen die Kamerasysteme Bilder der Umgebung auf, welche anschließend von der Drive-Software automatisch bezüglich vorausliegender Geländehindernisse ausgewertet werden. Mit diesen Aufnahmen wird auch überprüft, ob sich der Rover noch wie vorgesehen "auf Kurs" befindet oder ob er sich mittlerweile z.B. in einer Düne festgefahren hat.
Sollen diese Stopps jetzt alle ein, zwei, fünf oder zehn Meter erfolgen? Je kürzer die Zwischenräume ausfallen, desto mehr Zeit wird für diese Analysen benötigt. Je länger die Zwischenräume werden, desto größer ist allerdings die Gefahr, dass sich Curiosity zwischenzeitlich in eine gefährliche Situation manövriert hat.
Ein extremes Beispiel : Genau dies ist im April 2005 bei Opportunity passiert. Bei einer Fahrt über eigentlich geplante 90 Meter hatte sich dieser Rover aufgrund zu lascher Sicherheitsparameter nach lediglich 40 Metern fast hoffnungslos in einer Sanddüne festgefahren. Statt auch die weiteren 50 Meter zu überbrücken hatten sich die Räder stattdessen tief im Sand eingegraben (
http://www.raumfahrer.net/news/raumfahrt/29042005013821.shtml ). Die Roverdriver, welche aufgrund der Entfernung zwischen Erde und Mars sowieso keine Möglichkeit haben, aktiv in gerade erfolgende Fahrten einzugreifen, merkten dies erst nach der Übermittlung der entsprechenden Telemetriewerte. Es dauerte fünf Wochen, um Opportunity wieder aus dieser misslichen Lage zu befreien (
http://www.raumfahrer.net/news/raumfahrt/06062005114215.shtml )...
Seitdem ist es Usus, die Marsrover eher langsam und mit in kürzeren Zeiträumen erfolgenden Zwischenstopps fahren zu lassen und dabei zwangsweise auch kürzere Tagesstrecken in Kauf zu nehmen als theoretisch möglich. Für die exakten diesbezüglichen Planungen sind die Roverdriver verantwortlich, welche nicht nur über entsprechende wissenschaftliche Daten über das vorausliegende Gelände und den technischen Zustand des Rovers verfügen, sondern die mittlerweile auch eine mehrjährige Erfahrung bezüglich der Steuerung eines Rovers auf dem Mars besitzen.
Erschwert wird die Situation allerdings durch die "Neuartigkeit" von Curiosity. Wie reagiert ein fast 900 Kilogramm schwerer Rover beim Passieren eines unbekannten Terrains auf dem Mars auf bestimmte Bewegungen ( Spirit und Opportunity wiegen jeweils lediglich rund 185 Kilogramm und sind dabei von ihren Abmessungen her deutlich kleiner )? Trotz der mittlerweile 371 Missionstage sind die Roverdriver des JPL im Bezug auf die Curiosity-Mission immer noch in der "Lernphase"...
Diese "Stop and Go"-Fahrweise lässt sich übrigens auch ganz gut an dem Sped-Plot-Diagramm der heutigen Fahrt erkennen :
http://curiosityrover.com/tracking/speedplot.php?drivenum=79 Schöne Grüße aus Hamburg - Mirko