Politische Ausrichtung?

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H.J.Kemm

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Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #75 am: 10. September 2005, 15:35:07 »
Moin Lunik,
da gibt es den Begriff *Verursacherprinzip*, will meinen, wenn ein Energieunternehmen *Atomstrom* produziert und entsprechende Gewinne macht, muss es dafür sorgen, und das vorher, dass die *Rückstände* auf dessen Kosten sach- und fachgerecht entsorgt werden. Jeder Lackierbetrieb kann nur arbeiten, wenn er nachweißt, dass die Rückstände aus dem Arbeitsprozess umweltgerecht, und auf Kosten des Unternehmens, entsorgt werden, andere Beispiele kann ich nennen. Nur bei den Energieunternehmen muss das nicht sein; braucht ja auch nicht, zumal in deren Aufsichtsräten immer Politiker sitzen, und die entscheiden nicht gegen ihren eigenen Job.
Also kommt der Müll nach Gorleben, wohin denn sonst, und die Erschliessungskosten sowie die Vorhaltung bezahlen natürlich die Bürger, damit die *armen* Energieunternehmen ( deren Aktionäre ) finanziell nicht überstrapaziert werden. Oder wir bringen den Müll auf den Mond, wie unser Experte Gero so wohltreffend in einem anderen Beitrag empfohlen hat.
Wohin sind wir eigentlich schon gesunken?

Gero_Schmidt

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Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #76 am: 10. September 2005, 23:00:05 »
Ich ignoriere hier einfach mal die wieder aufkeimende Kernkraft-Diskussion, ich habe dazu alles gesagt und es langweilt nur noch.


Zitat
gebe ich dir recht. aber schau dir mal die menschenrechtssituation genau in diesen ländern an. da muss man aktiv werden und zwar mit vorsichtigen aber hartnäckigen begegnungen, so wie es fischer erstklassig erledigt. dies übrigens auch zu deinen weitern anmerkungen zu schröder. diese regierung ist die erste, die ihre prinzipien treu bleibt.

Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein oder? Informier dich bitte mal etwas gründlicher. Schröder betreibt eine absolut unverantworltliche Außenpolitik. Um das verneinen zu können, müsstest du mir schon folgendes glaubhaft erklären:

-Schröders Bestrebungen das Waffenembargo gegen China aufzuheben

-Schröders enge Freundschaft mit Putin (kein anderer führender Politiker im Westen biedert sich so bei Putin an wie Schröder)

-die schwere Beschädigung der deutsch-amerikanischen Freundschaft sowie die Instrumentalisierung der Außenpolitik für den Wahlkampf

-das kategorische Ausschließen militärischer Optionen im Konflikt mit dem Iran

-Das Einfädeln von Waffendeals mit arabischen Diktaturen (interessanterweise kriegt die selbe Regierung Magenbeschwerden wenn es um die Lieferung von unbewaffneten (!) Transportfahrzeugen an Israel geht)

-Das Ignorieren der blutigen Aufstandsniederschlagung in Usbekistan (die angeblich so zynischen Amerikaner haben deutlich Kritik geübt und mussten prompt ihre Militärbasen räumen, die braven Deutschen durften bleiben)


Kann schon sein, dass Rot-Grün seinen Prizipien treu geblieben ist, nur wären das dann nicht meine Prinzipien und deine hoffentlich auch nicht.


Ach ja noch was: Die Menschenrechtslage in Taiwan und Indien ist im Vergleich mit China völlig unbedenklich.


Gero_Schmidt

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Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #77 am: 10. September 2005, 23:01:43 »
@ Kemm: Krieg ich noch eine Erläuterung zur FDP?

H.J.Kemm

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Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #78 am: 10. September 2005, 23:40:49 »
Moin Gero,
sorry, hatte das übersehen.
Ich habe nicht behauptet, dass die FDP den Liberalismus *verraten* hat.
Wir waren und sind noch immer der Meinung, dass die FDP-Führung ab ´82 das Prinzip des *laissez faire* im Sinne von
A. Smith und W. Eucken verlassen hat, indem sie sich aus wahltaktischen Gründen immer mehr der Maxime der CDU unterwirft. Also keine Politik im Sinne des *Nachtwächter-Staates* mehr vertritt.
In den *Freiburger Thesen* von ´69/´71 ist dieses jedoch eindeutig manifestiert, und so wurde auch Politik gemacht. Heute geht es um Regierungsbeteiligung und in den Koalitionsverhandlungen werden die liberalen Grundsätze aufgeweicht.

neo(Guest)

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #79 am: 20. September 2005, 11:56:40 »
wer gern nochmals aktuelle infos zum transport vom *sichersten* müll und bester technologie nach gorleben lesen möchte, googelt mal unter google-news *Gorleben* oder ähnliches.

dort finden sich dann mehrere artikel über krümmel fässer. auch von den cdu-freundlichen zeitungen...

wer hier im forum noch behauptet: das zeug ist einfach nur klasse, den besuch ich persönlich zur butterfahrt nach krümmel um die fässer zu polieren...

auszug aus dem spiegel:
Wie das niedersächsische Umweltministerium heute in Hannover mitteilte, wurden nach Ankunft des Straßentransportes in Gorleben an den fünf sogenannten Mosaik-Behältern mit schwach- und mittelstark strahlendem Müll eine Strahlung von 26 Bequerel pro Quadratzentimeter gemessen. Der zulässige Grenzwert beträgt vier Bequerel pro Quadratzentimeter. Die Ursache war zunächst unklar.

Nach derzeitiger Einschätzung des Ministeriums bestanden keine Gefahren für die Umgebung und das Betriebspersonal;, erklärte das Ministerium weiter. Einen vergleichbaren Fall habe es allerdings bisher nicht gegeben. Wie es zu der Überschreitung kam, soll den Angaben zufolge nun durch die zuständige Gewerbeaufsicht in Lüneburg geklärt werden.

In Gorleben gibt es nicht nur das Erkundungsbergwerk für die mögliche Endlagerung hochradioaktiver Abfälle und ein Zwischenlager für ebenfalls hochradioaktive abgebrannte Brennelemente. Am Standort der Zwischenlagerhalle existiert auch ein von der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) im Auftrag der Elektrizitätsversorger errichtetes Lager für schwach- und mittelstark strahlende Abfälle ausschließlich aus den Atomkraftwerken. Die etwa ein Meter breiten und anderthalb Meter hohen Mosaik-Behälter werden für Transport und Lagerung von größeren Abfällen aus den AKW genutzt. Im Lager Gorleben stehen bereits rund 600 dieser Behälter.



olliman

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Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #80 am: 03. Oktober 2005, 22:12:13 »
Hi Leute,

ich wollte mich auch mal zu Wort melden. Ich bin zwar nicht aus Deutschland aber in Österreich ist die Politik ja ähnlich. Ich bin beigesterter SPÖler aber ich bin nicht blind ein SPÖler. Ich bilde mir bei jedem Thema eine Meinung und unterstützte die Partei die meiner Meinung gerecht wird. Die Partei die dann die meisten Übereinstimmungen hat (und das ist nun mal die SPÖ) bekommt dann meine Stimme.
Zu Deutschland: ich verfolge die Politik in D sehr lange und interessiert. Ich finde es schon super das Schröder & Co. diese Reformpolitik gemacht haben, weil besser als nichts zu machen. Schröder wird oft dafür verurteilt aber er hat es eben gewagt Dinge und Reformen in Bewegung zu setzen...dem Land eine Zukunft gegeben, das es von heute auf morgen nicht so gut gehen kann ist klar. Deswegen bin ich auch in Deutschland bei der SPD fest angesiedelt. Die CDU mit Merkel ist für mich keine Alternative, ist mir zu konservativ.

Naja ein kleiner Einschub meinerseits zu diesen Thema. Ich würde sagen das beste was Deutschland in dieser Situation passieren kann wäre die Ampel. Rot - Gelb - Grün

MfG
Martin

titow

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Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #81 am: 10. März 2006, 15:50:33 »
Die einzige Partei, die im Bundestag noch ernsthaft bemüht ist, Antworten auf die dringendsten Probleme, die wir hier in unserem "vereinigten" Vaterland haben, zu geben, ist ja wohl die Bundestagsfraktion "Die Linke.PDS". Die Arbeitslosenzahl bleibt konstant bei offiziell über 5 Millionen, die Dax-Notierten Unternehmen fahren astronomische Renditen ein, die Rente wird gekürzt, die Bildung geht vor die Hunde und Merkel & Konsorten fällt nichts Besseres dazu ein, als diese dämliche bei den Nazis geklaute Durchhalte-Werbkampgne "DU BIST DEUTSCHLAND" dem Volk vor die Füße zu schleudern. "
( http://www.andreas.de/wordpress/archives/2005/11/22/denn-du-bist-deutschland/ )

Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht..."
Heine.

Lafontaine for Bundeskanzler!

TITOW
« Letzte Änderung: 10. März 2006, 16:27:10 von titow »

Fritz(Guest)

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #82 am: 10. März 2006, 17:10:18 »
He Titow

 hast du ja endlich den Richtigen Tread gefunden, leider ist das
Programm der Linken zum Thema Raumfahrt recht dünn, was nicht heisen soll die anderen Parteien würden da besonders mehr zu bieten haben.

Mein Vorschlag wäre ja mal ne Koalition aus FDP und Linkspartei
die einen für Wirtschaft und Technik die anderen fürs Soziale macht endlich mal jeden was er so kann.   :D


  

Gero_Schmidt

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #83 am: 10. März 2006, 17:19:52 »
Ist die (ziemlich grausige) DbD-Kampagne nicht eine Privatinitiative?

Schade, dass du der PDS zutraust, die heutigen Probleme zu lösen. Womit begründest du diese Hoffnunng? Ihre Vorgänger haben Ostdeutschland über Jahrzehnte heruntergewirtschaftet, wohingegen die Vorgänger von Merkel und Co. Westdeutschland zu einer führenden Wirtschaftsnation gemacht haben. Die Arbeitslosenproblematik wird sich durch populistische 'Rezepte' eines Oskar Lafontaine verschlechtern, nicht verbessern.

tobi453

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #84 am: 10. März 2006, 17:32:39 »
Mich würde vor allen Dingen mal interessieren, wie die PDS das Rentenproblem lösen will ohne das Eintrittsalter zu höhen. Meiner Meinung nach kann es nicht angehen, dass wir in naher Zukunft 100 Jahre alt werden, aber nur  45 Jahre arbeiten müssen und den Rest der Zeit uns vom Staat verwöhnen lassen. Die Erhöhung des Rentenalters ist meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit die Rente noch zu retten.
« Letzte Änderung: 10. März 2006, 19:38:27 von tobi453 »

Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #85 am: 10. März 2006, 18:03:17 »
Ich finde nichts Negatives an der "Du bist Deutschland"-Kampagne. Denn jeder von uns (deutschen Staatsbürgern) ist ein Teil von Deutschland und trägt einen Teil zur Politik bei. Die Meinung "ich alleine kann eh nichts bezwecken" ist viel zu oft vorhanden und dagegen versucht die Kampagne an zu gehen.
Woher die Idee stammt ist egal, selbst wenn sie von den Nazis erschaffen wurde, wofür ich bis jetzt aber noch keine Bestätigung habe.
Es ist gut, eine "Durchhalte"-Kampagne zu starten, denn "wir" dürfen nicht aufgeben, nur weil es nicht so gut läuft. Arbeitsverweigerung und pessimismus allgemein, selbst im Kaufverhalten der Bürger sind nur noch schädlicher für den Staat. Wir brauchen aber mehr Konsum um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, im weiteren Sinne ist das auch ein Sinn des Ausrufes "Du bist Deutschland".

Die Linke ist nur eine Oppositionspartei, bringt zur Zeit doch nur Widersprüche gegen alles ohne wirklich selber konkrete Pläne zu äußern, wie es besser wäre. Nur die Richtung kennen sie, nicht aber, wie der Weg aussieht.

titow

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #86 am: 10. März 2006, 22:14:09 »
Zitat
He Titow

Mein Vorschlag wäre ja mal ne Koalition aus FDP und Linkspartei
die einen für Wirtschaft und Technik die anderen fürs Soziale macht endlich mal jeden was er so kann.   :D

  

Naja, Gysi und Westerwelle sollen sich privat ja gut verstehen, wäre eine menschliche Basis immerhin schon vorhanden. In Bürgerrechtsfragen gäbe es sicherlich viele Übereinstimmungen. Aber bei der Ökonomie? :-[

TITOW

titow

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #87 am: 10. März 2006, 22:22:15 »
Zitat
Ich finde nichts Negatives an der "Du bist Deutschland"-Kampagne. Denn jeder von uns (deutschen Staatsbürgern) ist ein Teil von Deutschland und trägt einen Teil zur Politik bei.

Woher die Idee stammt ist egal, selbst wenn sie von den Nazis erschaffen wurde, wofür ich bis jetzt aber noch keine Bestätigung habe.

 

Sag das mal jemanden, der hunderte von Bewerbungen schreibt, arbeiten will, nichts findet und trotzdem satt werden will. Gibts zu tausenden in unserem Lande. Wie heißt es so schön: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein... So viel Ärmel gibts gar nicht, die da hochzukrempeln wären.

Und zur Bestätigung, daß diese Kampagne ursprünglich von der "KDF" (Kraft durch Freude) stammt, klick einfach meinen Link in meiner vorletzten Nachicht an, da ist ein wunderbares Bild mit Adolf dem Verbrannten und dem Spruch "Denn DU bist Deutschland" aus dem Jahre 1935 zu sehen. Bedenke: Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint!

TITOW

titow

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #88 am: 10. März 2006, 23:23:43 »
Zitat
Mich würde vor allen Dingen mal interessieren, wie die PDS das Rentenproblem lösen will ohne das Eintrittsalter zu höhen. Meiner Meinung nach kann es nicht angehen, dass wir in naher Zukunft 100 Jahre alt werden, aber nur  45 Jahre arbeiten müssen und den Rest der Zeit uns vom Staat verwöhnen lassen. Die Erhöhung des Rentenalters ist meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit die Rente noch zu retten.

Das Rentenproblem ist natürlich ein Aspekt des gesamten Problems, dem Anspruch unseres Grundgesetzes gerecht zu werden, ein sozialer Rechtsstaat zu sein. Aber ich will mal versuchen darzulegen, wie meiner Meinung nach das Problem zu packen wäre - auch wenn ich riskiere, hier wieder wüste Beschimpfungen zu provozieren.

Zunächst sei hier auf ein Kommunikationsproblem hingewiesen: Ökonomie ist die Bezeichnung für die Erwerbskunst, deren Inhalt laut Aristoteles die Schaffung der zum Unterhalt von Haus und Staat erforderlichen Mittel, also die Bedarfsdeckung, ist. Daneben gibt es noch eine zweite Art der Erwerbskunst, die allerdings nicht zur Ökonomie gehört: die Chremanistik (= Bereicherung). "Weil diese der Ökonomie nahe steht", so Aristoteles, "halten sie viele Leute für identisch mit dieser; sie ist es aber nicht." Er verweist auf die Unersättlichkeit der Chremanistik hin: Der Wirtschaft sind in der Bedarfsdeckung eben natürliche Grenzen gesetzt; die Chremanistik sucht dagegen ihr Geld ins Endlose zu vermehren. "Ihr zur Seite tritt das Wuchergewerbe (Kreditgewerbe), das aus guten Grund verhaßt ist, weil es seinen Erwerb aus dem Geld selbst zieht und nicht aus Dingen, zu deren Vertrieb das Geld ursprünglich eingeführt wurde. Denn dies sollte nur zur Erleichterung des Austausches von Waren dienen, der Zins aber bewirkt, daß es (das Geld) sich selbst vermehrt."
Aristoteles folgert, "daß jedermann sich selbst liebt, liegt in unserer natürlichen Anlage. Dagegen wird der Egoismus mit Recht getadelt. Denn dieser besteht nicht darin, daß man sich selbst liebt, sondern daß man sich mehr liebt als man darf."
Was ergibt sich daraus? Das Problem unserer Gesellschaft besteht ja darin, daß der erwirtschaftete produktive Mehrwert eben nicht sozialisiert sondern privatisiert wird. Beispiel: Vor vierzig Jahren benötigte man 1000 Arbeiter, um in zehn Stunden 200 Autos zu produzieren. Heute werden dank der Rationalisierung und Automatisierung 200 Arbeiter benötigt, um in acht Stunden 600 Autos zu produzieren. Um anstatt, wie es die Ökonomie eigentlich fordern würde, diesen erwirtschafteten Mehrwert dazu zu verwenden, ihn in alternative Bereiche, wie Bildung, Rente oder anderen Arbeitsplätzen zu investieren, wird er dazu benutzt, Renditen an nichtproduktive Aktionäre auszuschütten. Laut Aristoteles ist die Ökonomie nicht autonom, hat also keine ihr allein eigenen Gesetze. Der Mensch ist von Natur aus ein gemeinschaftsbildendes Wesen, das sich nicht für sich allein, sondern im Staate erfüllt. Die Zurückdrängung des Staates, wie er vom Neoliberalismus gefordert, verschärft also die Probleme wie Armut, Hunger und Verelendung der Massen.
Die Linke.PDS ist meiner Auffassung nach die Kraft im Bundestag, die die richtigen Antworten darauf gefunden hat. Es geht hier nicht um die Ausrufung des Sozialismus sondern um eine Umorganisierung der Wirtschaft. Nicht die Wirtschaft darf das Primat über die Politik haben, sondern die Politik (also der Staat) über die Wirtschaft.
Durch die rasend fortschreitende Automatisierung und Rationalisierung wird die zu verteilende Arbeit immer weniger, der produktive Mehrwert im Verhältnis dazu immer größer. Nicht Rente mit 67 ist die Lösung, sondern die gerechtere Verteilung des Reichtums.

Doch wie sagte Brecht so treffend: "Es ist das Einfache, das so schwer zu machen ist."
Hoffend auf einen produktiven Disput,
TITOW
« Letzte Änderung: 11. März 2006, 01:43:58 von titow »

Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #89 am: 11. März 2006, 08:24:24 »
@ Titow:
Zitat
Sag das mal jemanden, der hunderte von Bewerbungen schreibt, arbeiten will, nichts findet und trotzdem satt werden will. Gibts zu tausenden in unserem Lande. Wie heißt es so schön: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein... So viel Ärmel gibts gar nicht, die da hochzukrempeln wären.
Ich versteh grad nicht, wie du das als Argument gegen die Kampagne nutzen willst. Natürlich müssen auch die Arbeitsuchenden durchhalten und nicht nach 50 Bewerbungen aufgeben. Aufzugeben kann nur Nachteile für die Wirtschaft mit sich ziehen. Klar ist es für die Arbeitslosen nicht einfach, aber sie müssen einfach immer weiter versuchen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen.

Was spricht denn dagegen, Methoden die erfolgreich waren, wieder zu verwenden? Kannst du unserer derzeitigen Regierung wirklich anhängen, sie würden die Ziele der Nazis verfolgen? Nein, sie wollen nur die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Wie sie das anstellt, da hat sie weite Handlungsfreiräume, solange sie nicht anfängt, Menschengruppen zu benachteiligen.

Zitat
Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint!
Ich weiß nicht, auf welchen speziellen Fall du den Spruch jetzt beziehst, aber generell stimmt er überhaupt nicht.

Und noch eine Generelle Anmerkung: Versuche bitte, Mehrfachpostings zu vermeiden. Du kannst die drei obigen Antworten in einer zusammenfassen und solltest das auch tun, damit es übersichtlicher bleibt.

Gruß,
Tobias

tobi453

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #90 am: 11. März 2006, 12:09:53 »
Zitat

Durch die rasend fortschreitende Automatisierung und Rationalisierung wird die zu verteilende Arbeit immer weniger, der produktive Mehrwert im Verhältnis dazu immer größer.


Seit der Erfindung der Dampfmaschine bzw. der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wird die Produktion immer mehr und mehr rationalisiert. Dennoch geht es uns besser als je zuvor. Durch Rationalisierung steigt auch der Wohlstand. Die Produkte werden so billig, dass heute so gut wie niemand mehr auf der Straße sitzen muss. Niemand muss mehr im Winter frieren, jeder kann sich mindestens eine Wohnung mit Heizung, eigenem Bad etc. mieten (selbst ein Hartz IV Empfänger!). Das wäre im 19.Jahundert undenkbar gewesen.
Desweiterem werden durch die Rationalisierung auch neue Arbeitsplätze geschaffen. Maschinen müssen schließlich auch gewartet werden. Außerdem endstehen durch billige Produkte neue Produkte, die auf diesen Aufbauen:
Mal ein Bsp aus der Raumfahrt:
Nehmen wir mal an, dass die Produktion von Trägerraketen so rationalisiert ist, dass es auf einmal total billig ist in den Weltraum zu kommen. Dann werden vielleicht weniger Leute in der Produktion von Trägerraketen arbeiten, dafür gibt es aber auf einmal gigantisch große andere Absatzmärkte. z.B. Weltraumtourismus, kommerzielle Forschung in der Schwerelosigkeit, vielleicht sogar Produktion in der Schwerelosigkeit, etc... Da wird ein vielfaches an neuen Arbeitsplätzen entstehen.

Meiner Meinung sind heutzutage nicht mehr einfache Arbeiter gefragt, sondern spezialisierte Fachkräfte.  Es werden immer mehr Leute in Forschung und Entwicklung arbeiten(die Entwicklung eines neuen Autos kostet z.B. 1 Milliarde EURO). Dafür sind natürlich hohe Qualifikationen nötig. Und je mehr hightech darin verarbeitet wird, desto teurer wird die Entwicklungsarbeit(noch können Maschinen nicht denken!). Deshalb muss vor allen Dingen in Deutschland die Bildung verbessert werden. Da können wir von den skandinavischen Ländern noch was lernen.
« Letzte Änderung: 11. März 2006, 14:50:26 von tobi453 »

Fritz(Guest)

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #91 am: 11. März 2006, 14:22:38 »
Dazu passend ja auch das Problem das es in Deutschland mittlerweile trotz Millionen
Arbeitslosen in vielen Spezialisierten Fachbranchen einen Arbeitskräftemangel gibt.

Hier ist natürlich auf jedenfall erstmal mehr Bildung gefragt, ich würde jetzt aber mal
behaupten das  Moderne Gesellschaften  immer weniger Angebote für gering
gebildetes oder qualifiziertes Personal haben und somit egal wie gut das Bildungsystem
auch ist ein gewisser Prozentsatz der Gesellschaft auf Dauer in diesem System keine
Chance mehr hat. Hier denke ich wird eine große Herausforderung darin bestehen diesen Personen trotzdem Angebote zu machen welche sie in die Gesellschaft integrieren.




titow

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #92 am: 11. März 2006, 15:05:22 »
"Seit der Erfindung der Dampfmaschine bzw. der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wird die Produktion immer mehr und mehr rationalisiert. Dennoch geht es uns besser als je zuvor. Durch Rationalisierung steigt auch der Wohlstand. Die Produkte werden so billig, dass heute so gut wie niemand mehr auf der Straße sitzen muss. " Zitat.

Da liegt ja genau das Problem, daß die Produkte immer billiger werden. Doch zuvor der Hinweis, daß unser Wohlstand auf Kosten der dritten Welt geht, also bekommt das alles ein sehr schalen Geschmack.
Ein Beispiel zur Erläuterung: Der Anteil der ärmsten 20% der Erdbevölkkerung am Welteinkommen hat sich in den letzten zwanzig Jahren von 2,3% auf 1,4% vermindert, während der Anteil der reichsten 20% von 74% (1970) auf 83% (1990) gestiegen ist. Die Zahl der Hungertoten hat eine Höhe von vierzig Millionen jährlich erreicht, während allein die Menge des weltweit geernteten Getreides ausreichen würde, um alle Menschen satt zu machen. Die derzeitigen Resourcen der weltweiten Nahrungsmittelproduktion würde gar ausreichen, um das zwölffache der Weltbevölkerung zu ernähren! Aber allein in Europa werden 57% des Getreides als Viehfutter verwendet, in den USA sind es gar 70%. Nicht das Bevölkerungswachstum ist die Ursache für Hunger und Elend, sondern unser derzeitiges Wirtschaftssystem, in der Güter und Dienstleistungen nicht zu ihrem Wert ausgetauscht werden, sondern zum Weltmarktpreis, der sich seit den sechziger Jahren ständig weiter zugunsten der reichen Industrieländer verschiebt. So muß Brasilien beispielsweise für eine Lokomotive, für die es vor zwanzig Jahren 15 000 Sack Kaffee zahlte, heute das dreifache (etwa 46 000 Sack Kaffee) geben. Der Wert der Lokomotive hat sich in diesen zwanzig Jahren aber nicht verdreifacht und der Wert des Kaffees hat sich nicht verringert. Denn obwohl die schnelle Rationalisierung in den Industrienationen eigentlich die Indutrieprodukte gegenüber den Naturprodukten verbilligen müßte, also die Weltmarktpreise der Naturprodukte gegenüber den Industrieprodukten hätte steigen müssen, waren 1990 die Preise für Naturprodukte auf 59% ihres Preises von 1980 gefallen. Das bedingte, daß der finanzielle Anteil der armen Länder am Welthandel von 43 % (1980) auf 26 % (1990) fiel - nicht mengenmäßig (!) und nicht nach ihrem Wert, sondern nach ihren Weltmarktpreis, der zum Hebel der Ausbeutung der dritten Welt seit dem Ende des politischen Kolonialismus geworden ist. Die Subvebtionen der Agrarindustrien Westeuropas und der USA verschärfen diese Entwicklung noch weiter.

Da kommen wir wieder auf das Thema Ökonomie zurück - die derzeitige Wirtschaftsordnung hat mit Ökonomie nichts zu tun (siehe Definition des Aristoteles in meinem Beitrag vom 10.03 um 23:23 Uhr).
Voltaire hat das Wesen der Nationalökonomie mal wie folgt beschrieben: "Es ist klar, daß ein Land nur gewinnen kann, wenn ein anderes verliert." Oder anders gesagt: "Niemand kann besser gestellt werden, ohne die Lage eines anderen zu verschlechtern." Pareto (1882 - 1923). Nur eine gerechtere Verteilung des Reichtums ist die einzige Antwort auf die drängendsten Fragen unserer Zeit.
Die Menschen der sog. ersten Welt verbrauchen 400 mal soviel wie die Menschen in den ärmsten Ländern, oder ein anderes Beispiel: Die Bewohner der Schweiz (6,4 Millionen Einwohner) verbrauchen an einem Tag mehr als die Bewohner Mosambiks (12,8 Millionen Einwohner) im ganzen Jahr. Diese Diskrepanz wächst täglich, die gezahlten Entwicklungshilfebeiträge an die dritte Welt wandern umgehend wieder in die Zinstilgung, und damit in die Taschen der Banken. Das ist der Nährboden für Krieg und Terrorismus. Ein satter Bauch hat keine Lust, andere totzuschlagen. Das war schon immer so.

Und zur "Du-bist-Deutschland"-Kampagne: Nein, bitte nicht falsch verstehen - ich unterstelle der BRD-Regierung keinesfalls, mit dieser Kampagne die gleichen Ziele der Nazis zu verfolgen - um Gottes Willen, nein. Ich werfe ihr aber vor, mangelndes Geschichtsbewußtsein zu besitzen. Glaub mir, Teile meiner Familie wohnen in der Prignitz (Land Brandenburg). Sie sind alle seit 10 Jahren Arbeitslos, unterbrochen nur von kurzen Ausflügen in ABM oder 1-€-Jobs. Damit kann man keine Sprünge machen. Weißt Du, wie zynisch das in ihren Ohren klingt, wenn Frau Witt ihr entgegenlächelt und sagt, hör zu jammern auf, Du bist Deutschland? Und was sollen die Opfer und Überlebenden des Hitler-Faschismus denken, wenn ihnen wieder der gleiche Spruch entgegendröhnt?
Kleiner Buchtipp: Victo Klemperer, "LTI - Lingua Tertii Imperii" (Die Sprache des dritten Reiches), erschienen im Reclam-Verlag Leipzig. Es ist das Standartwerk für Einblicke in die Ideologie des 3. Reiches. Wirklich sehr Lesenswert - auch, weil es zum Teil die autobiografischen Erlebnisse des Autors Victor Klemperer verarbeitet. Klemperer war von 1920 - 1933 an der Technischen Hochschule Dresden tätig, bis ihn die Nazis ob seiner jüdischen Herkunft von dort vertrieben.
Ich finde, gerade von einer deutschen Bundesregierung sollte man verlangen dürfen, Fingerspitzengefühl bei solch einer Werbekampagne zu besitzen. Das hätte man auch anders über die Bühne bringen können. Leider ist der Schuß nach hinten losgegangen. Das Europäische Ausland lacht sich ob dieses Fauxpas´ übrigens schlapp. Aber - das ist meine Ansicht, muß niemand teilen.

Mit Freude am sachlichen Disput,
TITOW

(Sorry für die Mehrfachpostings - lag am Eifer des Gefechts)
« Letzte Änderung: 11. März 2006, 15:07:00 von titow »

tobi453

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #93 am: 11. März 2006, 16:46:38 »
@Titow:
Mein Post bezog sich jetzt nur auf Deutschland bzw. die erste Welt. Warum es dem Rest der Welt so schlecht geht, ist eine andere Frage. Da gibt es viele Gründe, z.B:
1. die assoziale Politik der ersten Welt (mit dem Hunger in der Welt muss ich dir schon recht geben. Man sollte schon deutlich mehr Geld in Entwicklungshilfe stecken und was ebenfalls sehr wichtig ist, ist armen Ländern die Schulden zu erlassen).
2. der Kommunismus z.B. bis vor kurzem in China oder in der DDR(es fehlt die Motivation zu arbeiten / es gibt keine Perspektive )
3. In Afrika liegt das vor allen Dingen an politischem Chaos, sich bekämpfenden Banden(meistens ein Überbleibsel des europäischen Imperialismus) und dem Problem, dass es in Afrika in einigen Ländern keine Bodenschätze gibt und kein Wasser für Landwirtschaft vorhanden ist.
4. Diktaturen
Mehr Gründe fallen mir im Moment nicht ein, gibt aber sicher noch weitere.

Zusammengefasst kann man folglich sagen, dass die erste Welt schon einen Großteil der Schuld trifft. Ich vertrete ja sowieso die Meinung, dass sich Europa in der Welt etwas mehr engagieren sollte, jetzt aktuell z.B. im Kongo.

titow

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #94 am: 11. März 2006, 18:34:59 »
Erst mal bin ich aus gegebenen Anlaß froh, daß diese Diskussion ziemlich sachlich und argumentativ abläuft. Prima!

Zum Thema: Es ist leider nicht damit getan, einfach die Entwicklungshilfefonds zu erhöhen, zumal das suggeriert, die Länder der Dritten Welt wären nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Als erstes müßte mal eine Komplett-Entschudlung der Dritten Welt her, schon allein deshalb, da diese Länder schon den mehrfachen Teil der ursprünglichen Kredite durch Zins und Zinseszins zurückgezahlt haben. Das Problem ist, wie beschrieben, die einfach ungerechte Weltwirtschaftsordnung. Die meisten Länder auf dieser Welt haben ihre Souveränitet an die Weltbank und dem IWF "verkauft", da diese Institutionen diesen Ländern eine Politik diktiert, die sie dazu zwingt, Sozialkürzungen und Kürzungen im Bildungsbereich vorzunehmen, um die Kredite zurückzuzahlen und um neue zu erhalten. Im Gegensatz dazu werden sie gezwungen, Waren aus der ersten Welt einzukaufen - das ist eine Teufelsspirale und ändert gar nichts an der fatalen Situation unserer Welt. Mangel an Bildung fördert Haß auf alles Fremde, Hunger läßt die Menschen einfach verzweifeln. Diese Menschen haben nichts mehr zu verlieren.

Wenn Coca-Cola eine Fabrik irgendwo auf der Welt eröffnet, glauben wir, das wäre ein Akt der Wirtschaftshilfe. Das Gegenteil ist der Fall: Sie erhalten kostenlos Förderlizenzen für das benötigte Grundwasser, im Ergebnis dessen hinterlassen sie ganze vertrocknete Landstriche, da das Grundwasser ohne Rücksicht auf Verluste gnadenlos abgepumpt wird. Und Steuern zahlen diese Konzerne ebenfalls nicht. Shell und Total beuten die Ölvorkommen im afrikanischen Namibia aus, ein ungeheurer Reichtum - abgesehen von der gnadenlosen Umweltverschmutzung - ist Namibia eines der ärmsten Länder Afrikas. Wir tanken in Deutschland an Shell-Tankstellen unser Benzin, und trinken Coca-Cola (Bsp.). Du siehst, die ganzen Dinge sind alle kausal.

Und man mag ja über die Sozialistischen Länder sagen, was man will. Aber gerade in der Zusammenarbeit mit den Ländern der dritten Welt, ging es, ich sag mal "unseren" Ländern, immer wirklich um echte Solidarität. In der DDR wurden hunderttausende Menschen aus Angola, Vietnam, Algerien, Cuba und Mocambique an Schulen und Universitäten zu Ärzten, Ingenieuren und Lehrern ausgebildet, um später in ihren Ländern das erworbene Wissen produktiv umzusetzen. Nie wurde da auch nur ein Pfennig Geld verlangt. Tausende Kinder aus dem damals bürgerkriegsgeschüttelten Angola sind in die DDR gekommen, um hier zur Schule zu gehen und um Ausbildungsberufe zu erlernen. Nicht umsonst spricht man in diesem Zusammenhang heute noch in Angola von "den anderen Deutschen". Und wir waren nun beileibe kein reiches Land, vergleichbar mit der BRD.
Beispiel: Nach dem schrecklichen Vietnam-Krieg förderte die DDR mit Geld und Experten vor Ort den Anbau von Kaffee, der dort vorher nie wuchs. Das wurde alles aus dem DDR-Solidaritätsfond bezahlt. Heute ist Vietnam eines der führenden Kaffee-Export-Nationen auf der Welt, und der Kaffee stellt für Vietnam eine der wichtigsten Einnahmequellen dar. Das war praktizierte Entwicklungshilfe. Ich könnte da noch so viele Beispiele auch aus Afrika aufzählen - das würde den Rahmen aber sprengen. Auf was ich hinauswill ist, das die Nationalökonomien heutzutage eben nach dem Motto funktionieren, wie von Peret beschrieben:"Niemand kann besser gestellt werden, ohne die Lage des anderen zu verschlechtern." Doch, es geht anders. Wenn wir hier in unserem Reichen Norden es nicht langsam schaffen, diesen verdamten Neoliberalismus zu überwinden, werden wir eines Tages die Rechnung dafür präsentiert bekommen: Dann wird die Dritte Welt vor den Grenzen Europas stehen, und dann gnade uns Gott.

Der Kapitalismus hat es in fast zwei Jahrhunderten geschafft, der Industrialisierung so atemberaubend zum Durchbruch zu verhelfen, daß wir genug Kapazitäten haben, alle auf unserer Welt satt zu machen. Wie gesagt, es geht nicht darum den Sozialismus auzurufen, funktioniert so, wie er war, auch gar nicht. Es geht darum, die Weltwirtschaftsordnung gerechter und solidarischer zu gestalten. So, wie es unserer eigentlichen menschlichen Natur entspricht. Wozu brauch Bill Gates fast 45 Milliarden Dollar? Ein Mensch? Die Mehrheit der Menschheit muß mit weniger als einen Dollar pro Tag auskommen. Da kann doch was nicht stimmen. Und wir als drittgrößte Indutrienation der Welt haben da ebenfalls eine große Verantwortung.

Wir haben heute nicht das Ende der Geschichte erreicht, wie uns immer suggeriert wird. Wie heißt es so schön? Eine andere Welt ist möglich!

TITOW

Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #95 am: 11. März 2006, 19:22:50 »
@Titow: Du sprachst die Nahrungsmittel"knappheit" der Dritten Welt Länder an. Klar produzieren die Industrienationen mehr als sie brauchen, jede einzelne Fabrik produziert mehr, als verbraucht wird. Doch es gibt mehrere Probleme, die verhindern, dass die Überproduktion einfach an 3. Welt Länder geschenkt oder verkauft werden.
1.: Stell dir mal vor, die überflüssigen Ernten, die ins Meer gekippt werden, würden an dritte Welt Länder verkauft werden. Selbst diese scheinbar gute Lösung hat einene Haken: Die 3. Welt Länder würden von uns abhängig werden. Wir "schenken" ihnen teile unserer Ernte viel günstiger, als sie es selber produzieren könnten. Dadurch wird die Wirtschaft des Empängerlandes geschwächt, Firmen gehen unter weil sie ihre Produkte nicht mehr verkaufen können --> noch mehr Arbeitslosigkeit, die wiederum verursachen, dass das Land Abhängig von den Schenkungen ist. Aber gerade die 3. Welt Länder müssen ja eine Wirtschaft aufbauen und können nicht nur von Schenkungen leben.

Ein Teil der Schulden wurde den Ländern doch bereits erlassen. Aber du hast Recht, ein 100%iger Schuldenerlass wäre erstrebenswert.

 
Zitat
Und wir waren nun beileibe kein reiches Land, vergleichbar mit der BRD.

Da siehst du, dass das System, so wie es war, nicht funktioniert. Dabei hat sich selbst die DDR auf ihre Art in ein Schuldenloch geritten. Es muss halt ein richtige Mittelweg gefunden werden, z.B. dass auch heute noch Lehrer fürs Ausland ausgebildet werden müssen, solange sich der Staat das halt leisten kann. Aber was der Staat sich leisten darf scheint manchmal höher zu sein als das was er kann... selbst ohne, dass wir Geld für die Ausbildung für Lehrer für 3. Welt Länder ausgeben, ist unsere wirtschaftliche Lage alles andere als gut. Aber immerhin. es laufen ja auch einige Hilfsprogramme, es ist also nicht so, als ob wir nichts tun würden.
Kommunismus ist von der Grundidee gut, aber lässt sich einfach nicht durchsetzen, die Gefahr auf Ausnutzung ist generell zu groß und ein Teil der Bürger würde sich immer ungerecht behandelt fühlen.

Zitat
Glaub mir, Teile meiner Familie wohnen in der Prignitz (Land Brandenburg). Sie sind alle seit 10 Jahren Arbeitslos, unterbrochen nur von kurzen Ausflügen in ABM oder 1-[ch8364]-Jobs.
Ich komme aus einer ländlichen Gegend. Und ich kenne keinen, der hier langfristig ohne Arbeit ist, daher kann ich mich nicht wirklich in die Situation versetzen.

Zitat
Voltaire hat das Wesen der Nationalökonomie mal wie folgt beschrieben: "Es ist klar, daß ein Land nur gewinnen kann, wenn ein anderes verliert." Oder anders gesagt: "Niemand kann besser gestellt werden, ohne die Lage eines anderen zu verschlechtern." Pareto (1882 - 1923)
Es lassen sich für jede Meinung Zitate finden, und kein Zitat kann die Wahrheit auch nur ansatzweise zusammenfassen. Die Technologie hilft uns, dass es der gesamten Menschheit besser geht. Rationalisierung bringt nicht nur die Wirtschaft sondern das allgemeinwohl voran. Es muss nur alles Schritt für Schritt gehen, damit Menschen Zeit haben, in neuen Bereichen zu lernen um dort ihren Beruf zu bekommen, natürlich kann man nicht auf einen Schlag alles rationalisieren was technisch möglich wäre, dadurch würde jede Wirtschaft zugrunde gehen. Aber dennoch würde es heute Industrienationen geben, auch ohne, dass 3. Welt Länder ausgenutzt werden. Es geht schneller durch Ausnutzung, das ist klar, aber der technische Fortschritt würde auch alleine die Menschheit "reicher" machen. Für die derzeitige Weltlage muss aber die Antwort zur Frage gefunden werden "wie erhöhen wir das BIP der 3. Welt Länder ohne die wachsenden Industrienationenwirtschaftlich gegen die Wand zu fahren?" denn wir brauchen auch die Nationen, die Geld haben für Forschung.

Gruß,
Tobias

titow

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #96 am: 12. März 2006, 00:14:04 »
Hallo,
einleitend ein kleiner Kinotip: Habe mir gerade den Film "Syriana" angeschaut; seht Euch diesen Film unbedingt an. Wunderbar erhellend und gewährt einen kleinen Einblick in die Ölmachenschaften US-Amerikanischer Konzerne in Saudi-Arabien und der Golfgegend. Oh man!

Aber zurück zum Thema. Zuerst eine kleine Einführung zum Thema Kommunismus: Was "wir" hatten, war kein Kommunismus, da wollten wir irgendwann mal hin. Kommunismus bedeutet, daß jeder seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten entsprechend sich in die Gesellschaft einbringt. Es gäbe kein Geld mehr und der Staat als organisierte Exekutive hätte sich selbst abgeschafft. Frei nach Kant: "Handle stets so, daß die Maxime Deines Willens jederzeit zugleich als das Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte." Zugegeben, utopisch. Soll keine Propaganda sein, aber Marx´Kommunitisches Manifest gibt Prima Auskunft darüber, was unter Kommunismus zu verstehen ist. Sozialismus dagegen ist die Vorstufe dessen. Das Problem aller europäischer und asiatischer sozialistischer Staaten war es gewesen, den Menschen nicht wirklich das Bewußtsein vermittelt zu haben, sie sind die Besitzer ihrer eigenen Produktionsmittel und damit Herren über ihr eigenes Schicksal. Che Guevara hat das übrigens am schärfsten kritisiert, in dem er in seinem Buch "Der neue Mensch" anprangerte, daß in den sozialistischen Staaten Beispielsweise der Arbeiter nur mittels ausgefeilter Prämiensysteme für sein Engagement in der Gesellschaft angehalten wurde, anstatt sein Bewußtsein fürs große Ganze zu schärfen. Dieses Buch war deshalb auch im gesamten "Ostblock" (mit Ausnahme Kubas) nicht erhältlich. Der real-existierende Sozialismus war leider eine Illusion. In keinem von Marx´Werken steht zum Beispiel drin, daß die "Kommunistische Partei", wie bei uns Usus, die Rolle der Führung zu übernehmen hätte. Partizipierende Demokratie hieße das Stichwort. Das war bei uns leider nur Ansatzweise verwirklicht. Nun ja, Chance vertan.

Zur Lebensmittelknappheit: Klar, ist keine Lösung, unsere zu viel produzierten Lebensmittel einfach an die Dritte Welt abzugeben, da hat unser Freund Tobias vollkommen recht; das würde keins der Probleme lösen. Das brächte, wie richtig festgestellt, eine Abhängigkeit. Nur wie sieht denn die Lage momentan aus? Die Länder der Dritten Welt sind bedingt durch das koloniale Erbe arm. Wir geben ihnen Kredite und zwingen sie, ihre eigenen Märkte für unsere Produkte zu öffnen. In dem wir aber unsere Agrarindustrien hoch subventionieren, haben diese Länder gar keine Chance, ihrerseits nun ihre Waren bei uns abzusetzen, zumal hohe Schutzzölle dies auch verhindern. Also lohnt es sich für diese gar nicht, z.B. Landwirtschaft im großen Stil zu betreiben. Ihre geöffneten Märkte eröffnen nun ausländischen Konzernen einen großen Absatzmarkt für ihre Produkte. Gleichzeitig diktieren wir über den IWF (Internationalen Währungsfond), der die Kredite vergibt, wie diese Länder ihren Haushalt zu organisieren haben, um erstens Kreditwürdig zu bleiben und zweitens die alten zurückzuzahlen. Umschuldungsprogramme nennt man das und die beinhalten Privatisierungen, die Zurückdrängung des öffentlichen Sektors und brachiale Sozialkürzungen. Ein Teufelskreislauf ohne Ausweg. Marionettenregierungen in Ländern mit reichen Bodenschätzen (Öl, Nickel, Erze ect.) verscherbeln Förderlizenzen an ausländische Konzerne, um diese auszubeuten, da ihnen ja der IWF eh verbietet, die Rohstoffindustrien zu verstaatlichen. Beispiel: Bevor der Schah von Persien Mohamed Reza Pahlavi sich an die Macht putschte, gab es im Iran eine demokratisch gewählte Regierung unter Mohammed Mossadegh (1951 - 1953). Er verstaatlichte die gesamte Ölindustrie des Landes, um sich von den internationalen Konsortien zu befreien und die Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu vergesellschaften. Mit Hilfe Eisenhowers und der CIA wurde Mossadegh durch die Operation "Ajax" 1953 gestürzt und der Schah konnte, nachdem er den USA versichert hatte, die Ölindustrie wieder für ausländische - hier US-amerikanische - Konzerne zu öffnen, wieder nach Persien zurückkehren, um eines der brutalsten autokratischen Regime der Nachkriegszeit zu installieren. Was dann geschah, kennen wir alle: Die Mullahs haben heute das sagen - mit einer übrigens wieder verstaatlichten Ölindustrie; Nachtigall, ick hör dir trapsen...
Und Latein-Amerika ist ein gutes Beispiel für das Funktionieren der Monroe-Doktrien, die beinhalten, Latein-Amerika zum Vorhof der USA zu machen. Venezuela wagt jetzt einen Ausbruch, um genau diesen Teufelskreis aus den Abhängigkeiten der oben genannten Erscheinungen zu durchbrechen - sehr zum Mißfallen Washingtons natürlich. 70 % der in Venazuela konsumierten Waren kamen aus den USA. Das muß der Ruin einer eigenständigen Nahrungsmittelindustrie sein. Chavez versucht unter anderem durch eine groß angelegte Landreform sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien.
Venezuela soll hier nur mal als Beispiel dienen für den Rest der Dritten Welt.

Wir kommen immer wieder aufs Gleiche hinaus: Nur eine gerechtere und faire Weltwirtschaftsordnung, die einen Mittelweg aus (echter) Marktwirtschaft nach keynsianischem Vorbild und (echten) Sozialismus  nach Marx´schem Vorbild darstellen müßte, wäre die Lösung - meiner Meinung nach.
Aber wie sagte Marx so treffend und was eingefleischte pseudomarxisten nie hören wollen: "An allem ist stets zu zweifeln."

Und zum Voltairzitat: Es trifft aber meines Erachtens den Kern.

Gruß,
TITOW
« Letzte Änderung: 12. März 2006, 14:28:56 von titow »

Gero_Schmidt

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #97 am: 12. März 2006, 16:32:56 »
Eigentlich mag ich Voltaire, aber in diesem Punkt hat er ganz klar Unrecht (und mit ihm aller Kommunisten/Marxisten/...). Es ist eben nicht so, dass immer einer verlieren muss, damit ein anderer gewinnen kann. Das war in der vormodernen Wirtschaftsordnung der Fall, aber seit der industriellen Revolution und dem Aukommen der freien Marktwirtschaft haben wir es nicht mehr mit einem Nullsummenspiel zu tun: Es ist nicht mehr so, dass es einen Kuchen von festgelegter Größe gibt, aus dem sich jeder ein möglichst großes Stück (auf Kosten der anderen) sichern möchte, sondern der Kuchen selbst wird ständig größer!

Indien, China und weitere asiatische Nationen sind in wenigen Jahrzehnten von bettelarmen Entwicklungsländern zu Schwellenländern geworden und entwickeln sich rasend schnell hin zu noch größeem Wohlstand. Möglich gemacht hat das der Kapitalismus und der Abschied von kommunistischen Illusionen.

Die von titow angesprochen 'Verteilungsprobleme' sind in Wirklichkeit Folge eines ungerechten Welthandels. Die reichen Länder sträuben sich dagegen,  die Handelsschranken abzubauen, die den armen Ländern den Zugang zu unseren Märkten versperren. Um unsere (völlig anachronistische, nicht konkurrenzfähige Landwirtschaft) am Leben zu halten, werden deren Produkte über Subventionen (also Steuergelder) künstlich verbilligt, um dann damit die einheimischen Märkte von Drittweltstaaten kaputtzumachen. Gleichzeitig forden die Industrienationen von den Entwicklungsländern einen besseren Zugang zu deren Märkten für High-Tech-Produkte.
Glücklicherweise verucht die WTO seit Jahren, den Welthandel schrittweise immer weiter zu liberalisieren. Mehr Freihandel und mehr Kapitalismus sind die Antwort, nicht weniger.


Zu Syriana. Von der Machart her kein schlechter Film, von der Message eine Katastrophe. Aber klar, dass er dir gefallen hat...

Hier eine treffende Kritik:

http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2006/03/02/AR2006030201209.html

nickasas

  • Gast
Re: Politische Ausrichtung?
« Antwort #98 am: 19. Juli 2006, 14:53:05 »
Zitat
Mich würde mal interessieren, welche politschen Ansichten die Forumsteilnehmer vertreten. Haben wir hier ein buntes Gemisch von rechts-autoritär bis links-liberal oder gibt es eine (oder mehrere) dominante Richtung/en?<br><br>Ich mach mal den Anfang: Ich würde mich am ehesten als rechts-liberal bezeichnen. Das heißt ich befürworte einen wirtschaftsliberalen Kurs, möglichst wenig staatliche Einmischung, und eine "no appeasement"-Außenpolitik. <br><br>Hier in Deutschland wähle ich FDP, in den USA ginge meine Stimme an die Republikaner (ja, ich kann Bushs Politik viele positive Seiten abgewinnen, shocking!). <br><br>Auf den Raumfahrtbereich übertragen heißt das für mich, dass der Staat versuchen sollte, eine lebensfähige Raumfahrtindustrie aufzubauen und von dieser Dienste in Anspruch nehmen sollte (also zum Beispiel Frachtflüge zur ISS), statt alles in Eigenregie zu erledigen. Letzteres ist ineffizient, dauert länger und ist teurer.