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Raumfahrt => Fragen und Antworten: Raumfahrt => Thema gestartet von: runner02 am 28. Mai 2008, 15:31:27

Titel: Raketen Bahn
Beitrag von: runner02 am 28. Mai 2008, 15:31:27
Wie starten eigentlich Raketen? Senkrecht oder schief? Kommt das aufs Ziel an? Und müssen sie zwangsweigerlich die Erde umkreisen? Was hat das mit den Flugbahnen um sich - wenn sie langsamer als 11,2km pro Sek sind, wieso kann man sie dann nicht wegfliegen lassen?  Wenn ich eine Leiter hchklettere, die 200km hochn ist, muss ich auch nicht diese Geschwindigkeit haben - oder etwa doch?? :question

Mfg
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: moonjumper am 29. Mai 2008, 09:30:10
Hi runner02,

Zitat
Wie starten eigentlich Raketen? Senkrecht oder schief? Kommt das aufs Ziel an?

Die Startausrichtung einer Rackete hängt einzig und allein von der Startart der Rackete ab. Dabei gibt es verschiedene Startarten:

1. senkrechter Bodenstart (häufigste) Beispiele: Ariane, Space Shuttle
2. waagrechter Luftstart Beispiele: Pegasus, "Space Ship One"

zu 1: Rackete startet senkrecht vom Boden (sollte bekannt sein)

zu 2: Rackete wird von einem Trägerflugzeug auf Höhe gebracht und abgeworfen, dann wird das Triebwerk gestartet. Space Ship One habe ich in Anfürungszeichen gesetz, da es keinen Orbit erreichen kann.

Die weitere Flugbahn ist bei beiden Startarten eher "schräg" Angestellt.

Zitat
Und müssen sie zwangsweigerlich die Erde umkreisen?

Ja und Nein. Alle Flugkörper im All bewegen sich auf Kreisbahnen um andere Massereichere Körper, deshalb muss letztendlicht ein Satellit/Sonde immer auf eine Kreisbahn geschossen werden, allerdings muss es nicht die Erde sein.
Rein theoretisch kann man mit ausreichend Schub auch "gerade Fliegen", dies benötigt aber sehr viel Schub, ist ineffizient und im Moment technische nicht realisierbar.

Zitat
Was hat das mit den Flugbahnen um sich - wenn sie langsamer als 11,2km pro Sek sind, wieso kann man sie dann nicht wegfliegen lassen?  Wenn ich eine Leiter hchklettere, die 200km hochn ist, muss ich auch nicht diese Geschwindigkeit haben - oder etwa doch??

Man benötigt eine gewisse Bahngeschwindigkeit um im Erdorbit zu bleiben, diese variert mit der Orbithöhe. Die angesprochenen 11,2 km/s entspricht der Fluchtgeschwindigkeit des Planeten Erde. Das heißt, dass ein Objekt das den Erdorbit verlassen will/soll mindestens  11,2 km/s schnell sein muss.
Zur Leiter, wenn du wirklich einen Leiter besitzt, die 200 km lang ist, (hät ich auch gern :)) und du diese gerade noch oben aufstellen könntest, besitzt diese am oberen Ende auch eine höhere Geschwindigkeit. Diese entsteht durch die Erdrotation und der Länge der Leiter (Winkelgeschwindigkeit). Ob die 200 km Leiter allerdings ausreicht, weiß ich nicht.

Ich hoffe, dass ich mich eingermaßen verständlich ausgedrükt habe.

mfg

Matthias
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Riker am 08. Juni 2021, 12:29:42
@Riker: Was meinst du mir Schräglage? Die Kraft der Raptoren wird ja praktisch exakt senkrecht in den Stack eingeleitet, seitliche Kräfte dürften praktisch nicht vorkommen. Es ist ja kein aerodymisches Fliegen wie bei einem Flugzeug. In welcher Richtung der Kraftvektor in Relation zur Schwerkraft wirkt, ist für die Kräfte im Schiff irrelevant, die vertikale Komponente des Schubs muss halt stets größer als die Schwerkraft sein, weil man sonst Höhe abbauen würde.

...beim Betrachten des rendering-Videos kam nur so ein komisches Gefühl auf : "hoffentlich bricht der stack jetzt nicht irgendwo durch" , als die Simulation Bilder der nicht mehr senkrecht aufsteigenden Rakete darstellte.
Aber: wird schon halten  ;)
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Sensei am 08. Juni 2021, 15:51:22
Nö, da wirken nicht viele schräge Kräfte ein.

Wenn da was Bricht, dann bei/nach der Wasserung
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Prodatron am 08. Juni 2021, 16:04:58
bis zu welcher Schräglage wird wohl dieser Riesenstack stabil bleiben (können)?
Vielleicht hast Du die Annahme, es würde eine Kraft versuchen, den in Schräglage befindlichen Stack wieder nach oben aufzurichten, indem sie ihn unten anpackt und umzudrehen versucht. So eine Kraft gibt es aber gar nicht.

Kräfte, die ein Durchbrechen bewirken, wie es damals beim Ariane 5 Erststart oder dem Proton-Fehlstart vor ein paar Jahren passiert ist, hatten meiner Einschätzung nach mit airodynamischen Effekten zu tun, weil hier viel zu schnell "gewendet" wurde. Eine normal startende Rakete legt sich aber nur sehr gemächlich nach und nach in die Schräglage, als daß da große Kräfte auftreten.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: HAL 9000 am 08. Juni 2021, 17:41:51
Hallo

Die Saturn 5, ähnliche Länge wie Super Heavy/Starship, ähnlicher Durchmesser
wie Super Heavy/Starship, ist auch von der anfangs senkrechten Aufstiegsbahn
in eine geneigte Flugbahn übergegangen ohne dabei zu zerbrechen!

Gruß  HAL 9000
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 08. Juni 2021, 23:32:35
bis zu welcher Schräglage wird wohl dieser Riesenstack stabil bleiben (können)?

Hallo,

ich muss gestehen, ich verstehe die Frage nicht ganz. Zuerst einmal: Welche "Schräglage" ist denn gemeint?

- Schräg im Vergleich zur anströmenden Luft, solange der Stack noch innerhalb der Atmosphäre ist? So wie es zb die Falcon 9 macht um noch etwas Auftrieb zu generieren... das nennt sich dann Anstellwinkel.

- Oder schräg im Vergleich zur Erdoberfläche? Also der Teil nach dem kurzen senkrechten Aufstieg, der dann im Webcast in der Regel mit "pitching downrange" benannt wird und der dazu dient, eine horizontale Geschwindkeitskomponente aufzubauen.

Ein Flug mit Anstellwinkel innerhalb der Atmosphäre erzeugt laterale Kräfte auf die Struktur, die natürlich auch prinzipiell zum Zerbrechen der Struktur führen können. Es gibt genug Videos von Raketenstarts, bei denen die Rakete irgendwann aufgrund div. Fehlfunktionen eine starke Drehung durchführte und direkt danach aufgrund eben dieser seitlich anströmenden Luft bzw. der seitlich wirkenden Kräfte dann zerbrach. Ob und wie sehr SpaceX den Starship/Superheavy Stack mit Anstellwinkel wird fliegen lassen, wissen wir nicht. Vermutlich wird man - wenn überhaupt - nicht gleich beim ersten Flug in diese Richtung experimentieren. Die Falcon 9 flog auch nicht von Anfang an mit Anstellwinkel, das ist erst seit gar nicht mal all zu langer Zeit zu beobachten. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich rede hier nicht vom Anstellwinkel bei der Rückkehr des F9-Boosters, sondern vom Anstellwinkel beim Start, noch vor Meco und Stufentrennung. SpaceX beherrscht jedenfalls den Flug mit Anstellwinkel, aber man wird sehen, in wie weit das auf Starship übertragen wird und falls ja, wann das geschieht. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass SpaceX hier weiß, was sie tun.

Was den Flug mit teils horizontalem (nicht mehr rein vertikalem) Vektor angeht: Der Rakete ist das "egal". Jedenfalls soweit ich das verstehe. Die Gravitation ist gegenüber dem Schub der Triebwerke zu vernachlässigen und der Schub der Triebwerke wirkt normalerweise entlang der Längsachse der Rakete. Im Endeffekt so, als würde die Rakete immer noch senkrecht zur Erdoberfläche aufsteigen. Zumal die Gravitation auf alle Teile der Rakete gleich wirkt, hier also keine Biegemomente entstehen sollten. Aber natürlich mag es auch sein, dass ich hier falsch liege, ich bin kein Fachmann für diese Themen.

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Prodatron am 08. Juni 2021, 23:52:17
Ob und wie sehr SpaceX den Starship/Superheavy Stack mit Anstellwinkel wird fliegen lassen, wissen wir nicht. Vermutlich wird man - wenn überhaupt - nicht gleich beim ersten Flug in diese Richtung experimentieren. Die Falcon 9 flog auch nicht von Anfang an mit Anstellwinkel, das ist erst seit gar nicht mal all zu langer Zeit zu beobachten.
Wußte gar nicht, daß es bei startenden Raketen einen Anstellwinkel gibt? Das gibt es doch nur bei airodynamisch basierten Flugapparaten, die einen Auftrieb durch durch die Luft benötigen?
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 09. Juni 2021, 09:47:37
Wußte gar nicht, daß es bei startenden Raketen einen Anstellwinkel gibt? Das gibt es doch nur bei airodynamisch basierten Flugapparaten, die einen Auftrieb durch durch die Luft benötigen?

Hallo Prodatron,

ich weiß nicht ob auch andere Anbieter mit Anstellwinkel beim Start arbeiten. Aber bei SpaceX und Falcon 9 ist das ganz klar zu sehen. Sowohl Onboardaufnahmen zeigen den durch den Anstellwinkel asymmetrisch verschobenen Strahl der Triebwerke, ebenso ist es aber auch bei guten Beleuchtungsbedingungen vom Boden aus zu sehen. Hier mal ein paar Beispiele:

Onboard:

(ab T+ 02:20 ist es zu erahnen, der Abgasstrahl ist im Bild nach links verschoben)

(ab T+ 02:00; hier ist es sehr deutlich zu sehen, im Bild wieder ein nach links verschobener Abgasstrahl, viel deutlicher als im ersten Video, hier kann man auch gerade noch erahnen, wie der Anstellwinkel kurz vor Meco wieder reduziert wird-> ab T+ 02:25 sieht man, wie der Horizont im Vergleich zum Raketenkörper wandert, leider wird nach einer Sekunde schon auf eine Kamera umgeblendet)

Vom Boden:

(T+ 01:30 noch ohne Anstellwinkel, ab ca. T+ 01:40 ist ein Anstellwinkel zu erahnen -> Vergleiche Raketenkörper und Abgasstrahl; ab T+ 01:50 wird es deutlicher, ab T+ 02:00 sehr deutlich, ab T+ 02:20 ist der Anstellwinkel am größten und ab T+ 02:25 ist der Anstellwinkel plötzlich weg -> Vorbereitung für Meco)

Zum ersten Mal aufgefallen ist mir das so ca. 2019. Ich habe nie eine offizielle Quelle dazu gesehen, es sind einfach meine eigenen Beobachtungen. Aber ich bin damit auch nicht alleine, man findet zb im NSF Forum dazu auch genügend Diskussionen und ich meine, auch hier im Forum wäre das schonmal Thema gewesen. Prinzipiell klingt es ja auch nicht völlig unlogisch, mit der Rakete selbst ein klein bisschen Auftrieb zu erzeugen. Aber wie gesagt, aufgefallen ist mir das bisher einzig bei SpaceX. Kann aber natürlich dennoch sein, dass auch andere Startanbieter diesen Effekt nutzen.

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Sensei am 09. Juni 2021, 12:32:47
Jain.
Jeder Schub, der nicht direkt entlang der Flugrichtung eingeleitet wird, geht mit einem kurzzeitigen "Anstellwinkel" einher.
Aber dieser Anstellwinkel ist hier nicht Sinn der Sache (wie bei Flugzeugen), sondern ein Nebeneffekt des Lenkschubs/Lenkbewegung der Rakete.

Natürlich treten dabei, innerhalb der Atmosphäre, Querkräfte auf. Rund um den MaxQ kann das schon gut Stress auf die Rakete ausüben. Deswegen ist man in diesem Bereich auch besonders achtsam und entwickelt seine Belastungstests auch auf diese Stelle hin.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: MX87 am 09. Juni 2021, 12:42:23
Hinsichtlich eines gelandeten Starships auf Mars/Mond etc. eine Frage die sicherlich noch nicht von SpaceX öffentlich erklärt wurde:

Wie verhindert man bei schwerer Fracht (bemannter Rover, Habitate) das umkippen des Starships bei der Nutzung des seitlichen Krans wie z.B. beim HLS eingereicht?
Die geringere Gravitation sollte vernachlässigbar sein, da das komplette Ensemble (Starship, Fracht etc) unterm Strich in der Balance trotzdem im Ungleichgewicht wäre.

Mögliche Lösungen die ich mir ausmale:
Gegengewicht im Inneren auf der ggü liegenden Seite (nur bis bestimmter Masse der abzuseilenden Fracht)
Verankerung des Starships im Boden

Das unter der Voraussetzung, dass am Landeort noch keine größere Infrastruktur (Kräne, Rampen, Landepad) vorhanden wäre
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 09. Juni 2021, 12:43:50
Aber dieser Anstellwinkel ist hier nicht Sinn der Sache (wie bei Flugzeugen), sondern ein Nebeneffekt des Lenkschubs/Lenkbewegung der Rakete.

Hallo Sensei,

ich weiß nicht genau, auf welchen Beitrag sich Deine Antwort bezieht. Aber den obigen Satz will ich so pauschal nicht stehen lassen. Natürlich hast Du Recht, wenn Du sagst, dass kurzfristige Lenkbewegungen immer einen Anstellwinkel erzeugen und natürlich ist in dem Fall der Anstellwinkel nur ein Nebeneffekt und nicht Sinn der Sache.

Aber bei der F9 ist schon klar erkennbar, dass es hier nicht um einen Anstellwinkel geht, der sich aus kurzfristigen Lenkbewegungen ergibt, sondern dass - sofern ich mich mit meiner Wahrnehmung und Einschätzung nicht irre natürlich! - der Anstellwinkel bewusst geflogen wird. Immerhin wird er nach meiner Zählung über ca. 40 Sekunden bis kurz vor Meco beibehalten bzw. im Laufe dieser 40 Sekunden sogar scheinbar nach und nach gesteigert. Ich vermute schon sehr stark dass hier und bei diesem Träger bewusst Auftrieb erzeugt werden soll.

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Sensei am 09. Juni 2021, 16:25:47
Wie verhindert man bei schwerer Fracht (bemannter Rover, Habitate) das umkippen des Starships bei der Nutzung des seitlichen Krans wie z.B. beim HLS eingereicht?

Mögliche Lösungen die ich mir ausmale:
Gegengewicht im Inneren auf der ggü liegenden Seite (nur bis bestimmter Masse der abzuseilenden Fracht)
Verankerung des Starships im Boden

Ja, das wären zwei Möglichkeiten.

Es gibt ja auch zwei Frachtluken. Und je nach Schräglage des gelandeten Starships könnte man durch Wahl der passenden, entgegengesetzten Seite  ein Teil der Belastung entgegenwirken.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 09. Juni 2021, 18:05:46
Bei 2 gegenüberliegenden Frachtluken behebt ein gleichzeitiges Entladen auf beiden Seiten das Problem.
Bei der Masse des Starships und den 9 m Durchmesser (wohl >10 mit ausgefahrenen Beinen) kippt da auch sicher so schnell nix, solange das Entladen in unmittelbarer Wandnähe und zwischen den Beinen erfolgt.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Hugo am 09. Juni 2021, 18:43:08
Aber bei der F9 ist schon klar erkennbar, dass es hier nicht um einen Anstellwinkel geht, der sich aus kurzfristigen Lenkbewegungen ergibt, sondern dass - sofern ich mich mit meiner Wahrnehmung und Einschätzung nicht irre natürlich! - der Anstellwinkel bewusst geflogen wird. Immerhin wird er nach meiner Zählung über ca. 40 Sekunden bis kurz vor Meco beibehalten bzw. im Laufe dieser 40 Sekunden sogar scheinbar nach und nach gesteigert. Ich vermute schon sehr stark dass hier und bei diesem Träger bewusst Auftrieb erzeugt werden soll.
Das ist technisch nicht möglich. Die F9 fliegt nicht mit Anstellwinkel um einen Auftrieb zu erzeugen.

Ein Anstellwinkel würde ein Drehmoment erzeugen und die Rakete in Rotation versetzen. Dann würde die Rakete einen Looping fliegen, genauer genommen würde das anhaltende Drehmoment die Rotation beschleunigen und der Looping würde immer kleiner werden.

Folgend die Kräfte auf eine Rakete, welche dann wirken würden:
(https://images.raumfahrer.net/up075372.png)

Wichtig:
- Es gibt dort oben keine Atmosphäre mehr. (Die Fairings sind auch schon abgeworfen)
- Die Rakete hat keine Flügel, welche Auftrieb erzeugen
- Ein (theoretischer) Auftrieb durch (theoretische) Flügel würde eine Beschleunigung nach oben erzeugen. Das ist unerwünscht, man benötigt eine Beschleunigung nach vorne. Eine Beschleunigung um 90° in die falsche Richtung wäre Triebstoffverschwendung.

Wichtig: Auch das Starship bekommt keine Flügel, welche bei einer Vorwärtsbewegung einen Auftrieb erzeugen, sie bekommt Steuerklappen, welche bei einer um 90° gedrehten Bewegung Luftwiderstand erzeugen, welcher durch Drehung der Flügel in seiner Intensität gesteuert werden kann, wodurch die Rakete Drehmoment bekommt und man sie über den Flugcomputer waagerecht halten kann.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 09. Juni 2021, 19:15:15
Hallo Hugo,

es tut mir sehr leid, aber da will ich widersprechen. Zuerst einmal braucht es keine Flügel um "Auftrieb" zu erzeugen. Alles was sich mit einem Anstellwinkel durch eine Luftströmung bewegt, erzeugt eine gegengerichtete Kraft. Natürlich kann auch eine Röhre, die mit einem Anstellwinkel durch eine Luftströmung bewegt wird, Auftrieb erzeugen.

Dann schreibst Du, dass es "dort oben" keine Atmosphäre mehr gäbe und dass die Fairings zu diesem Zeitpunkt schon abgeworfen seien. Beides ist schlichtweg inkorrekt. Die Phase, auf die ich mich beziehe, ist ca. zwischen T+ 01:40 und T+02.25. In dieser Zeit feuert noch die erste Stufe, das Fairing ist zu der Zeit natürlich noch drauf und die Rakete bewegt sich (grob) zwischen 25 und 55 km Höhe. Ohne Frage ist die Luft dort oben dünn, aber es ist definitiv noch Atmosphäre vorhanden.

Dann schreibst Du, eine nach "oben" gerichtete Kraft sei unerwünscht, man brauche Beschleunigung nach vorne. Ja und Nein, natürlich braucht man Beschleunigung nach vorne (Geschwindigkeit mit horizontalem Vektor) um letztlich einen Orbit zu erreichen. Aber solange noch kein Orbit erreicht ist, will der Körper natürlich auch wieder Richtung Erdoberfläche. Somit sind bis zum erreichen der orbitalen Geschwindigkeit natürlich auch immer Gravitationsverluste vorhanden (die Rakete muss gegen die Gravitation arbeiten bzw. "feuern"), die natürlich umso kleiner werden, je höher die Geschwindigkeit ist. Und so lange noch gegen die Gravitation anzuarbeiten ist, ist eine Kraft nach "oben" nicht nur erwünscht, sondern auch notwendig.

Und zu guter letzt: Ohne das jetzt belegen bzw. durch Berechnungen beweisen zu können stimme ich Dir zu, dass ein Anstellwinkel vermutlich immer selbstverstärkend wäre, wenn keine Korrektur erfolgt. Einer der Gründe, weshalb fast alle Flugzeuge ein Höhenleitwerk haben  :) Nun hat die F9 kein Leitwerk, aber sie hat Triebwerke, die den Anstellwinkel in einem gewollten, kontrollieren Bereich halten können. Meiner Ansicht nach ist der (ohne Steuerung) selbstverstärkende Effekt von Anstellwinkeln hier einfach kein Argument.

Mal so ganz am Rande: Hat jemand von den Schreibern, die hier widersprechen, die Videos, welche ich verlinkt habe, auch angesehen? Wenn zb (nicht böse gemeint) Du Hugo davon spricht, das Fairing sei zu diesem Zeitpunkt, von dem ich rede, schon weg, dann hast Du das Video vermutlich nicht angeschaut? Wie wäre es um der Diskussion willen, das nachzuholen? Es würde die Chance erhöhen, zumindest als Basis schonmal von der selben Flugphase zu reden, oder?  ;) Ich mag Diskussionen wirklich gerne und habe auch null Probleme damit, wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Zumal ich selbst ganz bestimmt oft falsch liege, da ich mich hier auf einem Gebiet bewege, in dem ich zwar sehr interessierter und über viele Jahre geübter Laienbeobachter bin, aber eben kein Experte/Fachmann. Und ich mag es, zu lernen, natürlich auch von (Denk-)Fehlern, die ich immer wieder mache.

Aber wenn ziemlich klar wird, dass hier nicht richtig gelesen und trotzdem eine vor Selbstbewusstsein strotzende Antwort rausgehauen wird, die dann auch teils noch völlig eindeutig falsch ist, dann ist das echt nicht schön. So etwas erzeugt nicht nur je nach beteiligten Personen mehr oder weniger Frust, es torpediert auch den Versuch, Klarheit zu schaffen und mündet manchmal sogar in purer Falschinformation. Das wollen wir doch alle nicht, oder?  ::)

Hier nochmal der Link zu dem Video, bei dem der Anstellwinkel am deutlichsten zu sehen ist:
Bitte mal von T+ 01:40 bis T+ 02:25 kucken (sollte von Youtube Zeitstempel 20:30 bis 21:23 Min sein).

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Hugo am 09. Juni 2021, 19:27:15
Zum Fairing hat Du natürlich recht, die werden erst später abgeworfen. Ich hatte da etwas verwechselt. Sorry.

Mache doch bitte mal eine Zeichnung wie Du Dir das vorstellst, wie die Rakete Deiner Meinung nach fliegen soll. Genau dafür habe ich eine minimale Skizze erstellt. Anhand einer Skizze kann man zeigen was man meint. An einem verwackelten Video welches die Rakete von hinten zeigt ist das nur schwer.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 09. Juni 2021, 20:17:55
Hallo Hugo,

ich muss mir nichts vorstellen, ich beschreibe was ich wahrnehme, das hat mit Vorstellung(en) nichts zu tun  :)

Hugo, sei mir nicht böse, aber Deiner Bitte werde ich nicht entsprechen können. Ich habe Wahrnehmungen so präzise wie mir möglich beschrieben, Du stimmst mit diesen nicht überein. Das ist ganz und gar legitim und es freut mich, dass Du die Diskussion mit Deinen Ansichten bereichern willst (das meine ich tatsächlich so wie ich es sage, da ist keine Ironie versteckt). Es tut mir aufrichtig leid, dass es mir mit Worten und Videos als Beleg nicht gelungen ist, für Dich verstehbar zu transportieren was ich wahrgenommen habe aber Zeichnungen hierzu anzufertigen ist nicht meine Welt. Da habe ich sicher eine Schwäche. Aber ich will das, was ich von mir gebe, richtig machen... und Zeichnungen sehen bei mir aus wie moderne Kunst, aber sicher nicht verständlich und klar :)

Es ist auch nicht mein Anspruch Recht zu haben. Mein Vorschlag: Lassen wir es so stehen, vielleicht kann ja jemand, der - so wie ich - Worte bevorzugt, etwas aus meinen Wahrnehmungen für sich mitnehmen.

Edit: Ich hab ein Bild im Netz gefunden, dass eigentlich zeigt, worum es mir geht. Das, wovon ich rede, ist im Bild der "Angle of Attack". Dieser ist nach den Startvideos, die ich seit mind. 2019 sehe, bei F9 in den letzten ca. 30 Sekunden vor Stufentrennung nicht Null. Ich hoffe damit wird es klar:

(https://images.raumfahrer.net/up075371.jpg)

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: proton01 am 09. Juni 2021, 21:56:52
Ich verstehe die Diskussion nicht so ganz.  Quasi jede Rakete startet senkrecht und will die Nutzlast in einen Orbit um die Erde befördern. Der Orbit ist näherungsweise parallel zur Erdoberfläche, also quasi waagerecht. Daher muss die Rakete aus der Senkrechten in die Waagerechte umlenken. Das ist das Prinzip einer Aufstiegsbahn. Typischerweise fliegen die Raketen erst ein Stück senkrecht nach oben um die dichtesten Schichten der Atmosphäre schnell zu durchfliegen, da hier der Strömungswiderstand am größten ist. Dann muss mit Triebwersschwenk (oder Zusatztriebwerken) eine erste Neigung der Rakate eingeleitet werden. Sobald die Rakete nicht mehr genau senkrecht fliegt wirkt die Gravitation nicht mehr genau gegen die Flugichtung sondern zunehmend seitlich (Rakete fliegt diagonal nach oben, Gravitation zieht sie nach unten. Daher folgt man dann dieser Umlenkung, das nennt sich Gravity Turn. Der Anstellwinkel, also die Abweichung der Raketen-Längsachse von der Flugrichtung ist dabei sehr klein, aber nicht Null, damit die Rakete immer mehr umlenkt. Da die Rakete aber immer höher fliegt und dort die Luft immer dünner ist sind aerodynamische Effekte wie Auftrieb zwar vorhanden, aber zunehmend vernachlässigbar. Solange keine Flügel vorhanden sind ist der Auftrieb des Zylinders kein nennenswerter Beitrag zum Aufstieg, verglichen mit den Schub der Triebwerke.
In Wahrheit ist das vie komplizierter und es gibt spezeille Umlenkgesetze um die Leistung zu optimieren. Da gehen dann Beschleunigung, Stufung usw. ein, aber das Prinzip ist immer das gleiche und da wird SpaceX auch nicht die Physik ändern können.

Ob ein Auftrieb durch Anstellwinkel verstärkend oder selbstkorrigierend wirkt hängt davon ab ob der Druckpunkt (resultierender Angriffspunkt der aerodynamischen Kraft auf die Rakete) vor oder hinter dem Schwerpuinkt liegt.

Aus den Videos kan ich keine Anstellwinkel erkennen, dazu täuscht die Perspektive viel zu sehr..
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Prodatron am 09. Juni 2021, 22:38:47
Danke fuer die Klarstellung! Eine Airrodynamische Komponente, die aktiv beim Raketenstart genutzt werden sollte, macht mMn sowieso keonen Sinn.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: jdark am 09. Juni 2021, 22:57:57
Insgesamt sehr interessante Frage (auch für wenig erfahrene).
Hier wurde die Frage kurz diskutiert:
https://space.stackexchange.com/questions/17093/is-aerodynamic-lift-ever-useful-in-rocket-flight (https://space.stackexchange.com/questions/17093/is-aerodynamic-lift-ever-useful-in-rocket-flight)

Es wurde zwar ein Bild einer Rakete mit Flossen dargestellt, aber ohne ist es kontraproduktiv, mit einem Anstellwinkel durch die Luft zu fliegen.
Der Ertrag an Lift ist geringer als der dadurch induzierte Luftwiderstand, welchen man nicht haben will und zusätzlich wirken laterale Kräfte "stressend" auf den Körper.

Mit Flossen und entsprechend gesetzten Schwerpunkt wird bewusst die Aerodynamik genutzt, das ist bei den rein zylindrischen Körpern aber nicht der Fall.
(Im Prinzip alles was proton01 geschrieben hat)

PS. Das ist eigentlich nicht der richtige Thread dafür, hab auf anhieb nichts gefunden. Oder gibts sowas wie "Wie fliegen Raketen?"
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: proton01 am 09. Juni 2021, 23:11:17
PS. Das ist eigentlich nicht der richtige Thread dafür, hab auf anhieb nichts gefunden. Oder gibts sowas wie "Wie fliegen Raketen?"
Vielleicht sollte es schon eine thread für grundsätzliche Fragen geben.

Aber Raketen fliegen nicht aerodynamisch (zumindest nicht beim Aufstieg), sondern werden von der Schubkraft bewegt. Oder bewegen sich mittels der eingebauten Triebwerke im Gravitationsfeld des Himmelskörper, von dem sie starten.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: jdark am 09. Juni 2021, 23:36:59
(https://images.raumfahrer.net/up075371.jpg)

Warum allerdings hier was anderes Abgebildet ist verstehe ich auch nicht.
Gibt es auch einen Artikel dazu?
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Duncan Idaho am 10. Juni 2021, 00:15:17
Ich kann nur eines empfehlen.

Ladet euch mal die Kerbalspace-Testversion runter und versucht mal einen Spargel von ganz am Anfang in die Orbit-Bahn zu reißen.  ;)

PS, verdammt, ich finde leider nicht mehr den Link zur Testversion.  :(
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: PaddyPatrone am 10. Juni 2021, 00:19:23
Ladet euch mal die Kerbalspace-Testversion runter...

Ich dachte KSP gehört hier zur Grundausbildung  ;D
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 10. Juni 2021, 00:32:38
proton01 hat es sehr gut auf den punkt gebracht und diese Abbildung mit der Electron ist eher verwirrend, kommt aber möglicherweise einfach daher, daß sich dieser Winkel alpha wohl ständig ändert in Abhängigkeit von Richtung und Stärke des thrust, der Luftdichte/Flughöhe und dem Pitch der Rakete und die dargestellte Länge der 'Lift, Drag und Side force' - Pfeile nicht stimmen dürfte.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 10. Juni 2021, 02:11:29
Hallo,

nun dann scheint der Konsens hier darauf hinzudeuten, dass ich mich wohl irre.

Bleibt aber dennoch die Frage: Sieht denn niemand außer mir den (über mehr als 30 Sekunden gehaltenen) Anstellwinkel in dem Video?

(https://images.raumfahrer.net/up075368.jpg) (https://ibb.co/4W035Gd)

(https://images.raumfahrer.net/up075369.jpg) (https://ibb.co/F3dKF24)


Und im Vergleich dazu, ganz kurz vor Meco, nachdem der Anstellwinkel wieder nahe Null gebracht wurde:


(https://images.raumfahrer.net/up075370.jpg) (https://ibb.co/pJfJLPv)



Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: MpunktApunkt am 10. Juni 2021, 09:05:29
Hallo,

nun dann scheint der Konsens hier darauf hinzudeuten, dass ich mich wohl irre.

Bleibt aber dennoch die Frage: Sieht denn niemand außer mir den (über mehr als 30 Sekunden gehaltenen) Anstellwinkel in dem Video?

(https://images.raumfahrer.net/up075368.jpg) (https://ibb.co/4W035Gd)

Gruß
Excalibur

Hallo,

ich vermute eher, dass der Abgasstrahl sobald er langsam genug ist, nicht mehr waagerecht hinter der Rakete bleibt solange sie noch in den dichteren Luftschichten ist und nicht, dass die Rakete in einem Anstellwinkel zum Abgasstrahl fliegt. Hinten aus den Triebwerken kommt der Schubstrahl schon auf der Raketenachse raus.

Gruß

Mario
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Sensei am 10. Juni 2021, 09:36:47
Zwei Dinge sind für mich erst einmal klar:

- Mit einem so großen AOA fliegen maximal Luftabwehrraketen, aber keine Orbitalraketen auf einem nominalen Aufstiegspfad. Das muss an einer optischen Täuschung, Perspektive und/oder Ablenkung des Abgasstrahls liegen.

- Eine Rakete wird beim Aufstieg versuchen seinen Luftwiderstand zu reduzieren.
-> ein Fliegen mit Anstellwinkel, nur um Auftrieb zu erzeugen, wird nicht passieren.
-> im Normalfall feuert eine Orbitalrakete in Flugrichtung (abgesehen von Lenkbewegungen oder Ausgleich von unsymmetrischem Aufbau etc.)
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 10. Juni 2021, 16:43:55
Sieht ehrlich gesagt schon recht komisch aus und ist mir bisher nicht aufgefallen, ist aber wohl wirklich eine art 'optische Täuschung' bzw. Verzerrung durch starkes Tele und möglichen Höhenwinden o.ä.
Sieht ja auf dem Bild auch so aus, als wäre die Rakete links oben gestartet, was bestimmt nicht der fall ist. ;)
So starke absichtliche Richtungsschwankungen wären wirklich kontraproduktiv und bestimmt nicht auftriebsfördernd!
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Hugo am 10. Juni 2021, 17:36:42
Hinten aus den Triebwerken kommt der Schubstrahl schon auf der Raketenachse raus.

ist aber wohl wirklich eine art 'optische Täuschung' bzw. Verzerrung durch starkes Tele und möglichen Höhenwinden o.ä.

So ist es.

Vielleicht ist die Länge der Abgasfahne die optische Täuschung, dann würde man es in einer Ansicht von der Seite ganz einfach sehen. Wenn man (seltene) Fotos der F9 von der Seite findet, zeigt sich dieser Effekt absolut gar nicht. 

Vielleicht können hier auch Lichtbrechungen durch die Hitze und das Wasser in der Luft entstehen. So wie am Boden eine Fata Morgana entstehen kann, wird hier die Rakete verzerrt. Vielleicht.

Link zur Erklärung mit einer Zeichnung: https://de.wikipedia.org/wiki/Fata_Morgana#Erkl%C3%A4rung_und_Vorkommen (https://de.wikipedia.org/wiki/Fata_Morgana#Erkl%C3%A4rung_und_Vorkommen)

So lange, wie die Kamera von hinten auf die Rakete durch die heißen Abgase hindurch filmt und hierbei kontinuierlich die Brennweiter vergrößert, kann man aus dem entstehenden 2-D-Bild unmöglich den 3-D-Kurs der Rakete erahnen.

Hinweis: Wenn ich "Vielleicht" schreibe oder einen Absatz so beginne, bin ich mir unsicher und stelle eine Vermutung auf. Auch wenn dieses in Nachstehenden Beiträgen anders gedeutet wird.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 10. Juni 2021, 18:08:42
Hallo,

eigentlich wollte ich an dieser Stelle die Sache ruhen lassen, da ja vieles darauf hinzudeuten scheint, dass ich mit meinen Wahrnehmungen falsch lag oder diese zumindest falsch interpretiert habe. Wenn ich jetzt aber schon wieder lesen darf, wie manche Schreiber (nicht jeder ist damit gemeint, nur manche) hier im Brustton der Überzeugung Absolutheiten raushauen und diese nicht belegen (können?), wenn ich außerdem zwischen den Zeilen lesen muss, wie manche (auch hier ist nicht jeder gemeint) ihren Beitrag ganz offensichtlich verfasst haben, ohne alle von mir beigefügten Quellen studiert zu haben, dann... ja dann... fällt mir das Schweigen echt schwer. Möge man es mir bitte nachsehen.

Nochmal ganz klar: Ich kann mit meinen Wahrnehmungen und meiner Interpretation oder sogar beidem einfach falsch liegen. Punkt. Ich will auch gar nicht darauf beharren. Aber wir haben hier doch ein Diskussionsforum... oder? Diskussionen leben davon, dass man versucht, gemeinsam Klarheit zu schaffen. Also, neuer Versuch meinerseits, zumindest ein paar Aussagen, die vermutlich gar nicht so klar und absolut sind, wie sie dargestellt werden, in Frage zu stellen und einige Vermutungen anderer Schreiber (für die ich sehr dankbar bin!) einzuordnen:

ich vermute eher, dass der Abgasstrahl sobald er langsam genug ist, nicht mehr waagerecht hinter der Rakete bleibt solange sie noch in den dichteren Luftschichten ist und nicht, dass die Rakete in einem Anstellwinkel zum Abgasstrahl fliegt. Hinten aus den Triebwerken kommt der Schubstrahl schon auf der Raketenachse raus.

Ja, auch ich sehe es so, dass der Abgasstrahl die Rakete in Richtung ihrer Längsachse verlässt. Meine Interpretation: er wird dann aufgrund des von mir unterstellten Anstellwinkels von der Luft angelenkt. Was mir bei Deiner Aussage nicht klar wird MPunktApunkt: Weshalb sollte der Abgasstrahl nicht mehr waagerecht hinter der Rakete bleiben, wenn er langsam genug ist? Abgelenkt werden kann er doch nur von dem umgebenden Medium (Luft). Und die Luft kann ihn nur ablenken, wenn sie gegenüber dem Abgasstrahl eine seitliche Komponente hat. Was bleibt dafür? Meiner Ansicht nach nur Wind (da oben gibt es teils sehr schnelle/starke Winde) oder eben dass der Strahl selbst nicht parallel zur umgebenden Luft von der Rakete ausgestoßen wird -> Anstellwinkel. Oder liege ich hier falsch?

Zwei Dinge sind für mich erst einmal klar:

- Mit einem so großen AOA fliegen maximal Luftabwehrraketen, aber keine Orbitalraketen auf einem nominalen Aufstiegspfad. Das muss an einer optischen Täuschung, Perspektive und/oder Ablenkung des Abgasstrahls liegen.

- Eine Rakete wird beim Aufstieg versuchen seinen Luftwiderstand zu reduzieren.
-> ein Fliegen mit Anstellwinkel, nur um Auftrieb zu erzeugen, wird nicht passieren.
-> im Normalfall feuert eine Orbitalrakete in Flugrichtung (abgesehen von Lenkbewegungen oder Ausgleich von unsymmetrischem Aufbau etc.)

Puh  ??? Ok, diese Dinge sind für Dich klar Sensei. Klarheit ist toll! Ganz besonders wenn sie der Realität immer standhält  ;) Darf ich fragen, woher Deine absolute Klarheit kommt? Arbeitest Du bei SpaceX oder einem anderen Raumfahrtunternehmen und weißt daher dass dies alles so ist, wie Du es aufzeigst? Bist Du Ingenieur oder Mathemathiker und hast das alles durchgerechnet? Hast Du mit Menschen gesprochen, die aufgrund ihrer Position und ihrer Ausbildung diese Aussagen so dezidiert treffen können? Versteh mich bitte nicht falsch, es ist definitiv möglich, dass Du ganz und gar im Recht bist mit Deinen Aussagen. Aber dann muss dahinter ja irgendeine Form von Quelle oder Eigenleistung stehen, die diese Klarheit ermöglicht.

Sieht ehrlich gesagt schon recht komisch aus und ist mir bisher nicht aufgefallen, ist aber wohl wirklich eine art 'optische Täuschung' bzw. Verzerrung durch starkes Tele und möglichen Höhenwinden o.ä.
Sieht ja auf dem Bild auch so aus, als wäre die Rakete links oben gestartet, was bestimmt nicht der fall ist. ;)
So starke absichtliche Richtungsschwankungen wären wirklich kontraproduktiv und bestimmt nicht auftriebsfördernd!

Hallo Alepu,

es mag sein dass Du Recht hast und hier eine Art optische Täuschung oder Verzerrung vorliegt. Aber ich glaube das nicht. Denn der Effekt der Ablenkung des Abgasstrahls ist ganz klar auch in den Onboardaufnahmen zu sehen. Weshalb sollten die Onboardaufnahmen zum selben Zeitpunkt auf die selbe Weise verzerrt werden wie die Aufnahmen, die vom Boden gemacht wurden? Außerdem erklärt eine optische Täuschung oder Verzerrung auch nicht wirklich, weshalb dieser Effekt bei quasi allen Starts seit 2019 wahrzunehmen ist. Athmosphärische Bedingungen, Kamerastandorte, Zoomfaktoren, usw. werden nicht immer bei jedem Start genau gleich sein, vermute ich zumindest.

Dass es auf den Bildern so aussieht, als sei die Rakete "links oben" gestartet, ist tatsächlich meiner Ansicht nach ein Effekt des Kamerastandortes bzw. auf welche Weise die Kamera ausgerichtet ist. Da gab es (nicht nur bei SpaceX sondern generell) schon die merkwürdigsten Perspektiven. Mich hat immer besonders verwirrt, wenn eine Kameraeinstellung schon wenige Sekunden nach dem Start die Rakete so zeigte, als würde sie horizontal von links nach rechts fliegen  :D Ist aber eine Perspektive, die ich bisher nur selten gesehen habe.

Was die "Richtungsschwankungen" angeht... ich denke (meine Meinung) dass es hier um Anstellwinkel geht und nicht um Richtungsänderungen. Die Aufstiegsbahn wird meiner Ansicht nach auch mit diesem Anstellwinkel schon sehr stabil sein. Wobei ein Raketenstart, sofern er orbital ist, soweit ich weiß letztlich immer eine über die ganze Zeit des Starts verteilte, langsame Richtungsänderung ist (nämlich von senkrecht am Anfang hin zu waagerecht/horizontal am Schluss der Brennphase). Es gibt außerdem durchaus den Fall, dass Raketen die Richtung (im Sinne der Inklination) während des Aufstiegs ändern, beispielsweise ein sogenanntes "Dogleg"-Manöver, um bestimmten Gebieten am Boden auszuweichen, auf die die Rakte im Falle eines Versagens nicht stürzen darf. Aber ich rede von Anfang schon nicht von Richtungsänderungen. Sondern von Anstellwinkeländerungen. Das sind zwei verschiedene Dinge  :)

Hinten aus den Triebwerken kommt der Schubstrahl schon auf der Raketenachse raus.

ist aber wohl wirklich eine art 'optische Täuschung' bzw. Verzerrung durch starkes Tele und möglichen Höhenwinden o.ä.

So ist es.

Vielleicht ist die Länge der Abgasfahne die optische Täuschung, dann würde man es in einer Ansicht von der Seite ganz einfach sehen. Wenn man (seltene) Fotos der F9 von der Seite findet, zeigt sich dieser Effekt absolut gar nicht. 

Vielleicht können hier auch Lichtbrechungen durch die Hitze und das Wasser in der Luft entstehen. So wie am Boden eine Fata Morgana entstehen kann, wird hier die Rakete verzerrt. Vielleicht.

Link zur Erklärung mit einer Zeichnung: https://de.wikipedia.org/wiki/Fata_Morgana#Erkl%C3%A4rung_und_Vorkommen (https://de.wikipedia.org/wiki/Fata_Morgana#Erkl%C3%A4rung_und_Vorkommen)

So lange, wie die Kamera von hinten auf die Rakete durch die heißen Abgase hindurch filmt und hierbei kontinuierlich die Brennweiter vergrößert, kann man aus dem entstehenden 2-D-Bild unmöglich den 3-D-Kurs der Rakete erahnen.

Hugo. Darf ich Dir ein Kompliment machen? Ich beneide Dich tatsächlich um Dein Selbstvertrauen. Das ist kein Witz. Es muss sich unfassbar gut anfühlen, von sich selbst sagen zu können: Was ich sage, ist richtig. Punkt. Danke für diese Perspektive, ich wünschte ich könnte sie auch irgendwann erreichen  ;)

Leider liegst Du aber schon wieder mit der Kernaussage belegbar falsch. Das ist die Krux an der Geschichte. Zuerst einmal (und das meine ich mit belegbar) gibt es Aufnahmen aus anderen Quellen, die exakt den Effekt, den man in den Bodenaufnahmen sehen kann, ebenfalls zeigen. Ich habe diese Aufnahmen sogar hier schon in meine Beiträge mit verlinkt: Die Onboardaufnahmen. Hast Du sie Dir angesehen? Soll ich auch davon Screenshots machen, weil es für manche vielleicht zu mühsam ist, das Video mal selbst anzuklicken? In den Onboardaufnahmen ist die (über 30 bis 40 Sekunden andauernde) Ablenkung des Abgasstrahls ebenfalls zu sehen. In fast allen Onboardaufnahmen seit 2019 kann man diese finden. Nun ist das aber ein völlig anderer Kamerastandort. Direkt an der Rakete, senkrecht nach unten blickend. Schleppt die Rakete eine Fata Morgana mit, die auch hier auf einige Meter Distanz alles verzerrt? Mag ja sein!

Und es geht ja auch gar nicht um einen "3D-Kurs" der Rakete. Ich stelle mit meinem ganzen furchtbar ausufernden und teils inzwischen echt sarkastischen Geschreibsel doch gar nicht die Bahn der Rakete in Frage. Es geht um einen Anstellwinkel der (von mir unterstellt, nicht belegt!) einen Teil der notwendigen Arbeit entgegen der Gravitation evtl. vielleicht und möglicherweise durch Auftrieb abdecken könnte. Das ist aber etwas ganz anderes als der Kurs der Rakete, der zumindest für mich hier nicht ein einziges Mal Thema war und immer noch keines ist.

Mensch Meier. Ich entschuldige mich für meinen Sarkasmus, aber ich merke, dass ich ihn nicht ganz weglassen kann. Das ist nicht gut, aber ich bin auch nur ein Mensch. Ich hoffe das wesentliche (die Inhalte) werden davon nicht verdeckt und bedanke mich bei allen Teilnehmern an dieser "Diskussion"  ;)
Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Hugo am 10. Juni 2021, 18:35:26
@Excalibur: Nett, wie Du hier mit allen umgehst.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Hugo am 10. Juni 2021, 18:54:58
Ein paar Fotos von der F9:


Foto 01:
https://www.artstation.com/artwork/rndRO (https://www.artstation.com/artwork/rndRO) <-- Rakete und Feuerschein liegen in einer Achse.

Foto 02:
https://www.neueschweizerzeitung.ch/spacex-startet-die-gleiche-falcon-9-rakete-auf-ihrem-neunten-flug/ (https://www.neueschweizerzeitung.ch/spacex-startet-die-gleiche-falcon-9-rakete-auf-ihrem-neunten-flug/) -- Rakete und Feuerschein liegen in einer Achse.

Foto 03:
https://twitter.com/SpaceX/status/1285699900865425411 (https://twitter.com/SpaceX/status/1285699900865425411) <-- Rakete und Feuerschein liegen in einer Achse.

Foto 04:
https://www.flickr.com/photos/65122927@N06/49410747106 (https://www.flickr.com/photos/65122927@N06/49410747106) <-- Rakete und Feuerschein liegen in einer Achse.

Foto 05:
https://arstechnica.com/science/2021/01/with-latest-starlink-launch-spacex-to-set-record-for-rapid-reuse/ (https://arstechnica.com/science/2021/01/with-latest-starlink-launch-spacex-to-set-record-for-rapid-reuse/) <-- Rakete und Feuerschein liegen in einer Achse.

Foto 06:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Falcon_9_Flight_84_(49809757312).jpg (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Falcon_9_Flight_84_(49809757312).jpg) <-- Rakete und Feuerschein liegen in einer Achse.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Sensei am 10. Juni 2021, 21:03:59
@Hugo: Schöne Indizien. Und ich glaub dir auch. Aber diese Bilder sind auch nur Punktaufnahmen der Rakete und deswegen angreifbar.

Zitat von: Excalibur
Ok, diese Dinge sind für Dich klar Sensei. Klarheit ist toll! Ganz besonders wenn sie der Realität immer standhält
Es tut mir Leid das meine Aussage falsch rüber kam.
Es lag nicht in meinem Anliegen dich zu belehren oder gar abzukanzeln.

Meiner "Klarheit" war ein 'aus meiner Sicht' vorangestellt. Eben um zu verdeutlichen dass es nur meine Sicht der Dinge, nur Meine Position war.

Mein Anliegen war es den anderen Pol einer Diskussion zu eröffnen von der aus man losdiskutieren und auf einander zu gehen könnte. Es war als ein Angebot gemeint dem der Diskussionspartner zustimmen oder dem er inhaltlich verneinen könnte.

Das ich mich hier unklar ausgedrückt hatte tut mir leid.

Zitat von:  Excalibur
Es geht um einen Anstellwinkel der (von mir unterstellt, nicht belegt!) einen Teil der notwendigen Arbeit entgegen der Gravitation evtl. vielleicht und möglicherweise durch Auftrieb abdecken könnte.

Ja, durch Auftrieb kann man der Gravitation entgegengesetzte Arbeit verrichten. Da gehe ich mit.
Aber... die Frage ist dann, ob man mehr Arbeit verrichten kann als hinein gesteckt (Schubverlust. Reibung) wird.

Demgegenüber bin ich in diesem Beispiel (Zylinder mit Anstellwinkel im Überschallbereich) sehr skeptisch, auch wenn ich da kein ausgewiesener Experte bin.
Die Arbeit wird durch die Triebwerke erzeugt. Durch eine Schrägstellung der Triebwerke kann man die Rakete schräg 'gegen die Luft drücken'. Dabei werden Teile der Arbeit in Auftrieb umgewandelt während ein anderer Teil an die Luftreibung verloren geht.

Dem gegenüber steht die Möglichkeit die Flugbahn etwas mehr in die Senkrechte zu verlegen und direkt, ohne Umweg, Schub in 'Aufstiegsarbeit' umzuwandeln.


Diese ^ Argumentation befasst sich allerdings nur mit dem Warum, nicht mit dem Ob.
Davon ungenommen ist die pure Möglichkeit, ob SpaceX mit Anstellwinkel fliegt oder nicht.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 10. Juni 2021, 21:56:38
Hallo Sensei,

ich danke Dir für Dein Verständnis. Ich will das Thema "Absolutheit von Aussagen" hier auch nicht zu weit treiben, das hat mit Raumfahrt nichts mehr zu tun. Nur ein letzter Gedanke noch dazu: Menschen wollen - zurecht - respektvoll behandelt werden. Dazu gehört, dass man, wenn man auf ein Anliegen eines Menschen freiwillig eingeht, sein Anliegen Ernst nimmt. Dazu gehört auch, seine Argumente und die Quellen, die er anführt, komplett zu berücksichtigen. Und dazu gehört auch, ihn nicht mit absoluten Aussagen abzukanzeln, es sei denn, ganz klare Fakten zeigen auf, dass sein Anliegen falsch ist. Dieser respektvolle Umgang macht nicht nur die betroffenen Menschen glücklich, er ermöglicht überhaupt erst zielführende Diskussionen.

Wenn mir jemand schreibt, er glaube meine Argumentation sei falsch weil X zu bedenken ist, dann freue ich mich über diesen neuen Gedanken und evtl. lerne ich etwas dabei (und der größte Lerneffekt resultiert ja gerade oft aus falschen Annahmen und Fehlern). Ich kann darauf reagieren in dem ich mich dem anschließe oder indem ich versuche, dem zu widersprechen. Aber wenn ich widerspreche, dann auch wieder respektvoll, in dem ich auf das eingehe was der andere sagt und versuche zu begründen, weshalb ich das eben anders sehe. Das ist alles positive Diskussion. Und wenn es mal ganz offensichtlich eindeutige Falschannahmen gibt, die direkt mit Fakten zu widerlegen sind, dann ist es auch natürlich völlig ok, statt "ich glaube" oder "ich vermute" direkt zu sagen "tut mir leid, aber was Du denkst ist falsch, weil Fakt X dem klar entgegensteht. Alles überhaupt kein Problem, sondern ein guter zwischenmenschlicher Umgang.

Wenn mir jedoch (und ich übertreibe jetzt bewusst) jemand schreibt: "Dein Gedanke ist Schwachsinn, weil X" und es ist gleichzeitig völlig klar, dass derjenige meine Argumentation gar nicht von A bis Z gelesen/angeschaut hat, sondern sich nur etwas rausgepickt hat um mir zu zeigen wie falsch ich doch liege und wenn dann auch noch klar ist, dass derjenige dabei gar keine Fakten berücksichtigt sondern einfach nur behauptet es sei so und so, derjenige evtl. sogar verlangt, dass ich meine Argumentation noch auf eine ihm genehme Weise umstelle (Bilder statt Worte, was auch immer), dann ist das alles höchst frustrierend, würgt ggfs. die Diskussion ab und bringt niemanden weiter.

Und da springt eben mein Sarkasmus an. Diese Mischung aus 1. ganz klar nicht alle Quellen angeschaut, 2. Behauptungen mit Absolutheitsanspruch aufstellen die völlig unbelegt sind und 3. auch noch verlangen dass man es dem anderen möglichst bequem macht... das geht einfach nicht. Auf diese Weise geärgert hat mich jemand anderes hier, nicht Du Sensei. Bei Dir war in Deinem Beitrag nur Punkt 2 so ein bisschen präsent (Du hast es erklärt und ich hab verstanden dass es so nicht gemeint war, ich danke Dir dafür), deshalb hat Dich mein Sarkasmus so ein bisschen mit erwischt  :)

@Hugo

@Excalibur: Nett, wie Du hier mit allen umgehst.

Ich bitte um Verzeihung, den Schuh ziehe ich mir nicht an. Ich habe tausend Fehler und Schwächen aber ich achte immer peinlich genau darauf, andere Menschen respektvoll zu behandeln. Du darfst mich gerne ignorieren, Du musst Dich nicht mit meinen Anliegen auseinandersetzen. Aber wenn Du auf mich hier reagierst, dann mach das bitte ebenfalls auf respektvolle Art und Weise. Tust Du das nicht, so wie Du gestern und heute eben nicht getan hast (siehe dazu, was ich in diesem Beitrag hier weiter oben schrieb) gibt es halt entsprechende Reaktionen meinerseits. Dazu verweise ich auch einfach mal auf den Spruch in meiner Signatur. Und wer etwas säht muss auch damit rechnen, eine Ernte einzufahren. Thats life  ;) Aber bitte fass das nicht als persönlichen Angriff auf. Du darfst sein wie Du möchtest, Du darfst auch Menschen behandeln wie Du es für richtig hälst. Aber ich wehre mich eben, auch mit klaren Worten, ggfs. mit Sarkasmus, das ist mein gutes Recht.

Nun aber Sorry für die Abschweifungen!

Nun noch kurz zum eigentlichen Thema:

Hugos Bilder zeigen allesamt einen Abgasstrahl in der Verlängerung der Längsachse, ohne jede Frage. Aber da bin ich dann ganz bei Sensei: Das sind einzelne Ausschnitte ,einfach nur Punktaufnahmen. Natürlich gibt es Flugphasen, in denen kein Anstellwinkel vorhanden ist. Das ist wieder genau der Punkt: Einfach mal meine Quellen anschauen. Da ist klar ersichtlich, dass ich hier von einer dezidierten Flugphase rede, die ca. 30 bis 40 Sekunden andauert und etwa zwischen T+ 01:40 und T+ 02:20 liegt. Sie liegen zudem noch in Videoform vor, zeigen eindeutig den Beginn und das Ende der Flugphase, von der ich rede, zeigen sogar ganz eindeutig die Veränderung. Einzelne Bilder ohne Zeitstempel belegen hingegen gar nichts. Jedes Bild kann aus einer Flugphase vor dieser Phase, von der ich spreche, liegen. Link 1 und Link 3 liegen sogar eindeutig vor der Phase, die ich meine, sie sind direkt nach dem Start aufgenommen. Link 2, 4, 5 und 6 sind uneindeutig, aber da in allen drei Bildern die Rakete noch relativ groß ist, liegt zumindest der Verdacht nah, dass diese auch aus Flugphasen vor der Phase, auf die ich mich beziehe, stammen. Aber das ist nur eine Vermutung, Kamerazoom spielt hier ja auch immer noch eine Rolle.

Nochmal mein Vorschlag an dieser Stelle: Lassen wir es. Ich kann extrem gut damit leben, dass ich mich evtl. irre und falls ich doch richtig liegen sollte und es mir nicht gelungen ist, dies nachvollziehbar zu vermitteln, dann geht die Welt auch nicht unter  :)

Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!
Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: stillesWasser am 11. Juni 2021, 12:56:45
Hallo Excalibur

mir geht es wir dir, für mich wirkt es auch so, als würde die F9 zwischen MaxQ und MECO mit Anstellwinkel fliegen (und ich verstehe auch deine Anmerkungen zum Thema Selbstbewusstsein einiger Schreiber...)

Während man die Fotos vom Boden noch durch Argumente bezüglich Perspektive und Luft Verwirbelungen diskutieren könnte, finde ich die Onboard Bilder doch ziemlich eindeutig. Die Triebwerke sind symmetrisch angeordnet, man würde also auch einen symmetrischen Abgasstrahl direkt hinter den Düsen erwarten. Er ist aber ganz eindeutig asymmetrisch und es sieht eher so aus, als würde man "auf ihn drauf" schauen, was für einen Anstellwinkel spricht.

Das Problem, dass ich damit habe, ist dass ich keinen Sinn darin finden kann, regelmäßig so zu fliegen. Einen negativen Winkel (nach unten gerichtet) könnte man einfach darüber erklären, dass man schnell durch die dichten Schichten möchte anstatt den idealen gravity turn zu fliegen und dann später nachkorrigieren muss, aber andersrum finde ich es schwer zu erklären.
Das einzige, was wir gerade beim Schreiben noch eingefallen ist, ist dass man damit die Stufentrennung und Zündung der 2. Stufe so anpassen könnte, dass sie in einer Funkabdeckung liegt oder dass das schon eine Vorbereitung für die Landung ist, weil dadurch der Wiedereintritt steiler wird und das besser ist (ist es das?). Das ist aber nur blind spekuliert und ich bin mir auch nicht sicher, ob man das nicht effizienter lösen könnte indem man das Profil vorher anpasst.

Eventuell könnte man aus den Telemetrie-Daten bestimmen, ob es den Anstellwinkel wirklich gibt, das ist aber sicher aufwendig. Und wenn es ihn gibt, wird es auch sicher einen guten Grund dafür geben, er ist mir nur nicht klar...
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Prodatron am 11. Juni 2021, 13:28:22
Sind denn überhaupt alle 9 Triebwerke schwenkbar?
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: jdark am 11. Juni 2021, 13:58:36
Auf den Onboard Videos ist es sehr eindeutig zu erkennen. Warum ist das niemandem früher aufgefallen?  ;D

Das alles passiert so ab 25km Höhe, wo die Luftschichten schon sehr dünn sind, weshalb so ein Manöver überhaupt möglich ist. Was darauf aber hindeutet, dass es hier nicht um zusätzlichen Auftrieb geht.
Kann es sein, dass die Falcon einen flachen gravity turn fliegt und dann in oberen Schichten für diese kurze Zeit etwas mehr Höhe gewinnen möchte?
Ganz kurz vor dem MECO sieht man, dass die Rakete sich in die entgegen gesetzte Richtung wieder zurück ausrichtet.

Wenn das so wäre, warum fliegt man so eine Bahn anstatt gleich mit einen steileren Winkel aufsteigen?
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: trallala am 11. Juni 2021, 14:02:38
Ich kann mir schon vorstellen, das es Sinn macht, mit einem minimalen(!) Anstellwinkel zu fliegen. Eine Rakete will ja eigentlich nur Geschwindigkeit "seitwärts" (um die Erde) aufbauen. Da die Atmosphäre dabei leider stört (reibt) muss man halt auch nach oben. Je mehr Anstellwinkel man hat, um so mehr feuern die Triebwerke seitwärts, was gut ist, und um so mehr wird die Rakete durch den Anstellwinkel nach oben aus der Atmosphäre rausgedrückt. Natürlich erzeugt ein Anstellwinkel auch immer erhöhte Luftreibung, daher gibt es da irgendwo ein Optimum. Ob das aber bei 0,001° oder bei 5° Anstellwinkel liegt, kann man (ich) wirklich nicht schätzen, das muss man rechnen. Der Winkel ändert sich sicher auch in den verschiedenen Flugphasen.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 11. Juni 2021, 14:41:29
Wie hier schon öfter erwähnt, fliegt die Rakete nach dem Start erstmal senkrecht nach oben um möglichst schnell aus den dichten Luftbereichen heraus zu kommen.
Um dann in einen Orbit zu gelangen, muß die Flugrichtung insgesamt um etwa 90° geändert werden. Dies geschieht langsam und gleichmäßig und erfordert einen aktiven Lenkmechanismus, bei F9 wohl die schwenkbaren Triebwerke. Diese werden hier im erforderlichen Winkel aus der Raketenachse gebracht und dies ergibt dann auch einen entsprechend abgelenkten Abgaßstrahl. Dieser ist nun je nach Position der aufnehmenden Kamera mehr oder weniger gut zu sehen. Bereits vor erreichen des erforderlichen etwa 90°-Winkels muß das/die Triebwerk(e) wieder in Längsachse ausgerichtet werden um ein Überschlagen zu verhindern.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 11. Juni 2021, 14:42:28
Hallo,

ok, nochmal davon ausgehend, es gibt diesen Anstellwinkel wirklich und ich bzw. jetzt wir irren nicht mit der Wahrnehmung: Dann bleibt ja wirklich noch die Frage, was Sinn und Zweck dieses Anstellwinkels ist. Meine Theorie habe ich schon vorgestellt: Nicht um die Flugbahn zu verändern, sondern um Hubarbeit entgegen der Gravitation zu leisten. Eure Idee, stilles Wasser, jdark und trallala, geht ja eher in die Richtung, durch den Anstellwinkel die Flugbahn zu beeinflussen. Das ist natürlich auch denkbar!

Bisher hat doch Hugo immer wirklich tolle Auswertungen der Telemetriedaten von F9 Starts vorgenommen. Soweit ich weiß anhand der im Livestream eingeblendeten Daten, die ja scheinbar Echtzeit sind. Hugo, ich weiß nicht ob das anhand des bisherigen Threadverlaufs zu viel verlangt oder unverschämt ist, aber wärest Du denn evtl. bereit, einen Start, in dem dieser Anstellwinkel sichtbar ist, mal dahingehend auszuwerten, ob dadurch die Flugbahn verändert wird? Ist die Auswertung der Echtzeittelemetrie im Livestream überhaupt so fein durchführbar, dass sich ein solcher Effekt zeigen könnte (sofern es ihn gibt)? Ich denke wenn, dann kannst nur Du das für uns auswerten, jedenfalls habe ich bisher niemand anderen wahrgenommen, der sich schonmal so viel Mühe mit diesem Thema gemacht hat und weiß, wie das geht. Aber ich würde natürlich auch verstehen, wenn Du das nicht machen möchtest! Es ist einfach nur eine Anfrage, weil Du da halt sehr kompetent bist.

Falls ja, anbieten würde sich hier der Start vom 07.04.2021, den ich hier auch schon verlinkt hatte. Dennoch hier erneut der Link:


Den Gedanken von trallala finde ich übrigens sehr spannend: Vielleicht geht es ja gar nicht um aerodynamischen Auftrieb durch den Anstellwinkel, sondern einfach darum, dass die Triebwerke etwas seitwärts (Richtung Erde) feuern und damit Hubarbeit geleistet wird. Danke für diese Anregung trallala!

Prodatron, soweit ich weiß sind alle 9 Triebwerke schwenkbar, aber ich habe auf die schnelle dafür keine belastbare Quelle gefunden, nur andere Nicht-Experten, die sagen es sei so. Ich werde da nochmal recherchieren. Aber welchen Unterschied würde es Deiner Ansicht nach denn machen, ob nun alle 9 Triebwerke oder nur manche davon schwenkbar sind? Dass sich der sichtbare Abgasstrahl aus der Längsachse der Rakete rausbewegt, ist ja vermutlich eher ein Effekt der Ablenkung durch die (leicht seitwärts auftreffende) Luft in Folge des Anstellwinkels, und nicht ein Zeichen von ausgelenkten Triebwerken. So jedenfalls meine unbewiesene Theorie. Siehst Du das anders?

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 11. Juni 2021, 14:49:10
Wie hier schon öfter erwähnt, fliegt die Rakete nach dem Start erstmal senkrecht nach oben um möglichst schnell aus den dichten Luftbereichen heraus zu kommen.
Um dann in einen Orbit zu gelangen, muß die Flugrichtung insgesamt um etwa 90° geändert werden. Dies geschieht langsam und gleichmäßig und erfordert einen aktiven Lenkmechanismus, bei F9 wohl die schwenkbaren Triebwerke. Diese werden hier im erforderlichen Winkel aus der Raketenachse gebracht und dies ergibt dann auch einen entsprechend abgelenkten Abgaßstrahl. Dieser ist nun je nach Position der aufnehmenden Kamera mehr oder weniger gut zu sehen. Bereits vor erreichen des erforderlichen etwa 90°-Winkels muß das/die Triebwerk(e) wieder in Längsachse ausgerichtet werden um ein Überschlagen zu verhindern.

Hallo alepu,

ich verstehe was Du meinst. Aber ich glaube nicht, dass dies die Antwort ist. Zum einen: Warum wird dieser "Anstellwinkel" bzw. die Auslenkung des Abgasstrahls dann erst bei T+ 01:40 sichtbar, ein Zeitpunkt, zu dem die F9 schon sehr lange nicht mehr senkrecht aufsteigt und damit eben weit nach dem Zeitpunkt, an dem das "pitching downrange" eingesetzt hat? Und zum anderen sieht man ja sowohl in den Boden- als auch in den Onboardaufnahmen, dass der Abgasstrahl positiv und nicht negativ abgelenkt wird. Oder mit anderen Worten: Man sieht, dass die Ablenkung auf ein "Nase hoch" und nicht ein "Nase runter" hindeutet. Für das "pitching downrange" wird aber vom Boden aus betrachtet ein "Nase runter" benötigt. Deshalb glaube ich jetzt erstmal nicht, dass die sichtbare Ablenkung aus der über den gesamten Startprozess notwendigen Änderung der Flugrichtung um 90 Grad resultiert.

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Prodatron am 11. Juni 2021, 15:09:39
Aber welchen Unterschied würde es Deiner Ansicht nach denn machen, ob nun alle 9 Triebwerke oder nur manche davon schwenkbar sind?
Der Strahl der nichtgeschwenkten würde weiterhin gerade zur Flugrichtung verlaufen, würde ich sagen.

Dass sich der sichtbare Abgasstrahl aus der Längsachse der Rakete rausbewegt, ist ja vermutlich eher ein Effekt der Ablenkung durch die (leicht seitwärts auftreffende) Luft in Folge des Anstellwinkels, und nicht ein Zeichen von ausgelenkten Triebwerken.
Das hieße ja, daß die Luft dann auch auf den ganzen Raketenkörper seitlich drücken würde. Nach meinem "Gefühl" kann sowas energetisch absolut nicht optimal sein. Je weniger aerodynamische Kräfte bei einer Rakete wirken, desto besser.

Wegen des optisch abgeknickten Strahls: Könnten das auch andere Effekte sein?
Es gibt ja z.B. diesen Effekt, daß die Abgase beim Flug nach und nach anfangen, über den unteren Rand der Rakete hoch zu steigen und diese quasi von außen anfangen anzukokeln. Ich weiß nicht mehr, wie dieser Effekt heißt, bei der Saturn V konnte man ihn sehr gut beobachten ( siehe z.B. hier (https://media.gettyimages.com/photos/liftoff-of-saturn-5-the-apollo-xi-s-booster-rocket-picture-id948136564?s=612x612) , das Feuer hat die 1.Stufe über die ganze untere schwarze Markierung eingehüllt). Vielleicht ist sowas der Grund, daß es aussehen würde, als würde die Falvon 9 einen schiefen Abgasstrahl haben? Oder das ist wieder was ganz anderes.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 11. Juni 2021, 15:40:29
Hallo Prodatron,

Das hieße ja, daß die Luft dann auch auf den ganzen Raketenkörper seitlich drücken würde. Nach meinem "Gefühl" kann sowas energetisch absolut nicht optimal sein. Je weniger aerodynamische Kräfte bei einer Rakete wirken, desto besser.

Ja, das ist ja gerade der Kernpunkt meiner (unbelegten) Theorie. Anstellwinkel für Auftrieb. Aber Du hast natürlich Recht Prodatron, so etwas hat seinen Preis. Durch den Anstellwinkel wird der Luftwiderstand höher , die Kräfte auf die Struktur größer und es gibt sicher auch energetische Verluste in der Hinsicht, dass die Triebwerke nicht mehr genau in Flugrichtung feuern. Fraglich wäre halt, sofern meine Theorie doch zutreffen sollte, ob man vielleicht bei SpaceX einfach eine Lösung gefunden hat, die den Preis (den höheren Luftwiderstand, die Verluste durch Schub außerhalb der Längsachse) wett macht bzw. sogar übersteigt. Sei es Gewinn in Form von Hubarbeit oder was auch immer. Ich weiß es ja auch nicht, aber irgendeinen sinnvollen Grund für den Anstellwinkel muss es ja geben, so er denn existiert. Obwohl SpaceX immer viel Wert auf Coolness zu legen scheint, bezweifle ich, dass es gemacht wird, weil es einfach nur spannend aussieht :)

Wegen des optisch abgeknickten Strahls: Könnten das auch andere Effekte sein?
Es gibt ja z.B. diesen Effekt, daß die Abgase beim Flug nach und nach anfangen, über den unteren Rand der Rakete hoch zu steigen und diese quasi von außen anfangen anzukokeln. Ich weiß nicht mehr, wie dieser Effekt heißt, bei der Saturn V konnte man ihn sehr gut beobachten ( siehe z.B. hier (https://media.gettyimages.com/photos/liftoff-of-saturn-5-the-apollo-xi-s-booster-rocket-picture-id948136564?s=612x612) , das Feuer hat die 1.Stufe über die ganze untere schwarze Markierung eingehüllt). Vielleicht ist sowas der Grund, daß es aussehen würde, als würde die Falvon 9 einen schiefen Abgasstrahl haben? Oder das ist wieder was ganz anderes.

Was Du meinst, ist meines Wissens nach der sogenannte Rezirkulationseffekt. Ja, klar, denkbar ist alles, auch dass es einfach eine Art aerodynamischer Effekt ist, der gar nichts mit Anstellwinkel zu tun hat. Aber weshalb sieht man dann passend (auch in den Onboardaufnahmen) dazu, dass die Falcon 9 ausgelenkt wird (im Onboard sieht man den Horizont abrupt wandern zb). Warum taucht es scheinbar nur bei Starts der F9 auf und warum erst seit 2019? All das steht meinem Gefühl nach im Widerspruch zu einem generellen aerodynamischen Effekt, der bei Raketenstarts einfach auftritt, so wie die Rezirkulation.

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Hugo am 11. Juni 2021, 16:37:58
Wegen des optisch abgeknickten Strahls: Könnten das auch andere Effekte sein?
Es gibt ja z.B. diesen Effekt, daß die Abgase beim Flug nach und nach anfangen, über den unteren Rand der Rakete hoch zu steigen und diese quasi von außen anfangen anzukokeln.

Hat die F9 hat keine perfekte Symmetrie?  Ich denke speziell an die Anzahl der Triebwerke im Außenring im Vergleich zu der Anzahl der Landebeine im Vergleich zu den unterschiedlich großen außen angebrachten Leitungskanälen auf der Z-Achse.

Was wäre, wenn dieser Effekt dort wo ein Bein ist, anders ist als dort, wo kein Bein ist?
Was wäre, wenn dieser Effekt dort wo ein Leitungskanal ist, anders ist als dort, wo kein Leitungskanal ist?
Was wäre, wenn dieser Effekt abhängig von der Größe der Leitungskanäle ist?
Was, wenn die Kamera jetzt auch nicht symmetrisch genau in der Mitte dieser Effekte sitzt?

Discaimer: Dieser Beitrag spiegelt meine persönliche Meinung wieder. Es sind weder Fakten noch Quellenwiedergaben.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 11. Juni 2021, 18:06:10
Wegen des optisch abgeknickten Strahls: Könnten das auch andere Effekte sein?
Es gibt ja z.B. diesen Effekt, daß die Abgase beim Flug nach und nach anfangen, über den unteren Rand der Rakete hoch zu steigen und diese quasi von außen anfangen anzukokeln.

Hat die F9 hat keine perfekte Symmetrie?  Ich denke speziell an die Anzahl der Triebwerke im Außenring im Vergleich zu der Anzahl der Landebeine im Vergleich zu den unterschiedlich großen außen angebrachten Leitungskanälen auf der Z-Achse.

Was wäre, wenn dieser Effekt dort wo ein Bein ist, anders ist als dort, wo kein Bein ist?
Was wäre, wenn dieser Effekt dort wo ein Leitungskanal ist, anders ist als dort, wo kein Leitungskanal ist?
Was wäre, wenn dieser Effekt abhängig von der Größe der Leitungskanäle ist?
Was, wenn die Kamera jetzt auch nicht symmetrisch genau in der Mitte dieser Effekte sitzt?

Discaimer: Dieser Beitrag spiegelt meine persönliche Meinung wieder. Es sind weder Fakten noch Quellenwiedergaben.

Hallo Hugo,

alles absolut denkbar und gute Ideen, wie ich finde. Aber das erklärt nicht, dass man in den Onboardaufnahmen kurz vor Meco und genau zu dem Zeitpunkt wenn im Bodenvideo der Abgasstrahl wieder symmetrisch wird, der Horizont klar wandert. Da die Kamera vermutlich fest (und nicht schwenkbar) an der Rakete angebracht ist, kommt für dieses ganz klare wandern des Horizonts meiner Ansicht nach nur eine Winkelveränderung der Rakete selbst in Anbetracht. Und da diese Winkelveränderung direkt mit den Bodenaufnahmen kurz vor Meco korreliert (Abgasstrahl wird wieder symmetrisch) glaube ich erstmal nicht an Zufall. Zumal man zum selben Zeitpunkt in den Bodenaufnahmen auch klar sieht, dass sich der Winkel des Raketenkörpers abrupt ändert. Das deckt sich aus den zwei verschiedenen Perspektiven extrem genau.

Hier nochmal der Link zur Onboardaufnahme, auf die ich mich beziehe:
Das ist zwar ein anderer Start als der, der in den Bodenaufnahmen zu sehen ist, aber die Timeline scheint genau die gleiche zu sein. Wenige Sekunden vor Meco wird der (von mir angenommene) Anstellwinkel auf 0 zurückgefahren. Man beachte bitte den Raketenkörper im Vergleich zur Erde und der abrupte Winkelwechsel bei T+ 02:26 - T+ 02:27 (am besten auch mal in Zeitlupe anschauen). Leider wird dann umgeblendet auf eine andere Kamera, aber für 1 bis 2 Sekunden ist der Effekt, dass der Winkel von Rakete zu Erde sich schnell ändert, sehr klar zu sehen (meiner Meinung nach). Und eben genau da wird dann bei dem anderen Start in der Bodenaufnahme der Abgasstrahl auch wieder symmetrisch entlang der Längsachse der Rakete ausgestoßen.

Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: tonthomas am 11. Juni 2021, 20:59:49
....
Wenn das so wäre, warum fliegt man so eine Bahn anstatt gleich mit einen steileren Winkel aufsteigen?
Falls es so sein sollte und es nicht nur ein optischer Effekt ist: Weil man mit der Startstufe nicht so weit weg will und der Landeort ja erreicht werden will? Also mehr rauf statt mehr Richtung?

Nur so eine spontane Idee ...

Gruß Pirx
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: jdark am 11. Juni 2021, 22:33:35
....
Wenn das so wäre, warum fliegt man so eine Bahn anstatt gleich mit einen steileren Winkel aufsteigen?
Falls es so sein sollte und es nicht nur ein optischer Effekt ist: Weil man mit der Startstufe nicht so weit weg will und der Landeort ja erreicht werden will? Also mehr rauf statt mehr Richtung?

Das hätte man eben mit weniger flachem gravity turn auch erreicht. Aber dann hätte die zweite Stufe weniger Anfangsgeschwindigkeit in der Horizontalen. Wie man sich dreht, es passt irgendwie nicht.

Falls es also kein optischer Effekt ist (die Onboard Videos sind da aber schon auffällig), hat die Falcon ab 25km Höhe durch leichten Anstellwinkel für kurze Zeit einfach nur das Apogäum besonders schnell erhöht.

Die Frage wäre dann vielleicht geklärt, die zweite Stufe braucht schon gewisse horizontale Geschwindigkeit weshalb die Falcon einen flachen gravity turn fliegt. Zum Schluss erhöht der Booster kurz nur noch das Apogäum.
Ob das im Sinne des "Spritverbrauchs" wirtschaftlicher ist, kann ich nicht beurteilen.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: jdark am 11. Juni 2021, 23:00:06
Wenn es also so wäre, würden grob überzeichnet natürlich, die beiden unterschiedlichen Aufstiegsarten so aussehen: (Höhe/Zeit)

(https://images.raumfahrer.net/up075367.png)

(Verzeiht mir bitte meine Malkünste)
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: proton01 am 11. Juni 2021, 23:08:33
....
Wenn das so wäre, warum fliegt man so eine Bahn anstatt gleich mit einen steileren Winkel aufsteigen?
Falls es so sein sollte und es nicht nur ein optischer Effekt ist: Weil man mit der Startstufe nicht so weit weg will und der Landeort ja erreicht werden will? Also mehr rauf statt mehr Richtung?

Das hätte man eben mit weniger flachem gravity turn auch erreicht. Aber dann hätte die zweite Stufe weniger Anfangsgeschwindigkeit in der Horizontalen. Wie man sich dreht, es passt irgendwie nicht.

Falls es also kein optischer Effekt ist (die Onboard Videos sind da aber schon auffällig), hat die Falcon ab 25km Höhe durch leichten Anstellwinkel für kurze Zeit einfach nur das Apogäum besonders schnell erhöht.

Die Frage wäre dann vielleicht geklärt, die zweite Stufe braucht schon gewisse horizontale Geschwindigkeit weshalb die Falcon einen flachen gravity turn fliegt. Zum Schluss erhöht der Booster kurz nur noch das Apogäum.
Ob das im Sinne des "Spritverbrauchs" wirtschaftlicher ist, kann ich nicht beurteilen.
In 25 km Höhe spielt die Aerodynamik keine Rolle. Da ist nur wichtig daß der Gesamtschub durch den Schwerpunkt geht wenn man in gleicher Richtung weiter fiegen will, oder eben nicht wenn man die Rakete drehen will. Die Flugbahn ist das Ergebnis einer ziemlich komplizierten Optimierung (der Nutzlast) mit diversen Randbedingungen wie Rückkehr der ersten Stufe, De-orbit der zweiten Stufe, Aussetzbedingungen der Satelliten, Sichtbereich der Empfangsstationen, usw.

Wenn es also so wäre, würden grob überzeichnet natürlich, die beiden unterschiedlichen Aufstiegsarten so aussehen:

(https://images.raumfahrer.net/up075367.png)

Denkbar, aber ungewöhnlich. Es gab doch mal Foristen die die Flugbahn aus den angezeigten Daten geplottet haben. Da müsste man sowas ja sehen.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 13. Juni 2021, 14:16:23
Hallo,

ich hatte, da ich zu dem Thema im amerikanischen Nasaspaceflightforum auch nichts gefunden hatte, meine Wahrnehmung dort auch gepostet: https://forum.nasaspaceflight.com/index.php?topic=42465.msg2250131#msg2250131 (https://forum.nasaspaceflight.com/index.php?topic=42465.msg2250131#msg2250131)

Dort bekam ich heute den Hinweis, dass dieses Verhalten schonmal im Nasaspaceflightforum am Beispiel des Starlink L16 Starts jemanden aufgefallen ist und diskutiert wurde: https://forum.nasaspaceflight.com/index.php?topic=52324.msg2181066#msg2181066 (https://forum.nasaspaceflight.com/index.php?topic=52324.msg2181066#msg2181066)

Dort wurden Beispiele gezeigt, dass auch andere Raketen einen solchen Anstellwinkel fliegen, zb die Delta 2 oder auch Launcher One von Virgin. Obwohl auch dort bei NSF niemand offizielle Quellen anbringen konnte, die bestätigen/belegen, welchem Zweck dieser Anstellwinkel dient, war der Tenor dort in der Diskussion eine Mischung aus aerodynamischem Auftrieb und der vertikalen Komponente des Schubs, um Höhe zu halten bzw. zu steigern.

Der User Onespeed, der dort in NSF sehr aktiv ist und sich ähnlich wie Hugo hier bei uns sehr viel mit Auswertungen von Telemetrie und Aufstiegsbahnen, usw., beschäftigt, hat in diesem Beitrag hier meiner Ansicht nach sehr schön aufgezeigt, worum es bei diesem Effekt wahrscheinlich geht und was er bewirkt: https://forum.nasaspaceflight.com/index.php?topic=52324.msg2181278#msg2181278 (https://forum.nasaspaceflight.com/index.php?topic=52324.msg2181278#msg2181278) Seine Begründung: F9 beendet den "gravity turn" (das umstellen von senkrechtem Aufstieg zu horizontalem Flug) recht früh bei T+ 01:40. Ab diesem Zeitpunkt muss dennoch weiter gegen die Gravitation gearbeitet werden und dies wird durch eine Mischung aus aerodynamischem Auftrieb und der durch den Anstellwinkel erzeugten, nach unten feuernden Schubkomponente erreicht.

Er hat dazu eine entsprechende Auswertung der Telemetrie dieses Starts vorgenommen, die man dort auch sehen kann.

Ist natürlich alles nichts definitives, finde ich. Aber ich bin etwas beruhigter, dass ich es mir wohl doch nicht eingebildet habe und vielleicht trägt es ja ein bisschen zur Wissensmehrung bei  :)

Nochmal Danke an alle (!), die sich beteiligt haben.
Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: jdark am 13. Juni 2021, 19:13:33
F9 beendet den "gravity turn" (das umstellen von senkrechtem Aufstieg zu horizontalem Flug) recht früh bei T+ 01:40. Ab diesem Zeitpunkt muss dennoch weiter gegen die Gravitation gearbeitet werden und dies wird durch eine Mischung aus aerodynamischem Auftrieb und der durch den Anstellwinkel erzeugten, nach unten feuernden Schubkomponente erreicht.

Dann habe ich wohl (auch mit meiner Zeichnung) richtig getippt  :)

Und nun ist es endlich vorbei mit der Formulierung "Wenn es so wäre...", dank Excalibur  ;)
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 04. November 2022, 22:38:11
Hallo,

mich beschäftigt eine Frage, für die ich bisher keine Antwort finden konnte. Vermutlich gibt es eine simple Antwort und ich stehe einfach auf dem Schlauch, dafür schon einmal Verzeihung im Voraus  :E

Unsere Erde dreht sich um die eigene Achse. Die Atmosphäre dreht sich mit, sonst hätten wir hier extreme Winde im Bereich von 1.000 bis 1500 km/h. Soweit ist eigentlich alles klar. Wenn nun ein Objekt (Flugzeug oder auch Rakete) entlang der Erdachse aufsteigt und die Atmosphäre zb auf einem genauen Südkurs durchfliegt, dreht sich dieses Objekt ja zuerst einmal ebenfalls mit um die Erdachse, richtig? Anderenfalls würde das Objekt ja seitlich mit den besagten 1.000 bis 1.500 km/h angeströmt werden. Das Objekt müsste also, soweit ich mir das vorstelle, den Drehimpuls der Erde sozusagen "behalten haben", wenn es sich vom Erdboden löst.

Nun weiß ich aber, dass im Falle einer Rakete und eines polaren Orbits das "Besondere" ist, dass im polaren Orbit die Erde sich unter dem Objekt, dass mit der Rakete in den Orbit gebracht wurde, hinwegdreht. Das ist zb für bestimmte Arten von Satelliten sehr nützlich.

Was ich mich nun frage, ist: Wenn die Rakete anfangs noch in der Atmosphäre ist und den Drehimpuls der Erde behält und sich die Nutzlast der Rakete dann aber im polaren Orbit scheinbar ohne diesen seitlichen Drehimpuls um die Erde bewegt (die Erde sich unter dem Objekt hinweg bewegt)... wo ist der anfängliche Drehimpuls hin? Warum bewegt sich die Rakete, solange sie innerhalb der Atmosphäre auf dem Weg zum polaren Orbit ist, quasi mit der drehenden Erde mit und verliert diese "Seitwärtsbewegung" dann außerhalb der Atmosphäre?

Wenn ich mir das, was ich hier nun aufgeschrieben habe, so anschaue, bin ich fast überzeugt, dass ich tatsächlich irgendeinen dummen Denkfehler mache  ;P Aber ich komme nicht drauf wo und finde dazu auch nicht wirklich was im Netz. Kann hier jemand helfen?  :)

Schonmal ganz vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Hugo am 04. November 2022, 22:46:43
Wenn eine startende Rakete den vorhandenen Impuls der Erde abbauen soll, dann fliegt sie in die entsprechende Gegenrichtung. Am einfachsten ist es, wenn die Rakete möglichst wenig Impuls bekommt, das wäre dann der Fall, wenn man möglichst weit im Norden startet. Man kann das recht gut am Flugkurs solcher Raketen.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 05. November 2022, 00:44:13
Solange sich die Rakete in der dichten Atmosphäre befindet wird sie praktisch "mitgenommen". So wie auch jedes Flugzeug. Erst wenn sie hoch genug gestiegen ist und dieses Erde/Luftsystem verlassen hat wird sie unabhängig.
In jedem Orbit dreht sich irgendwie die Erde unter dem Flugobjekt, nicht nur im polaren, nur differiert die Relativgeschwindigkeit, so ist diese im geostationären Orbit Null, da sich die Geschw. des Objekts (die nötig ist, daß es nicht wieder runterfällt!) und die Drehgeschw. der Erde. aufheben.

Die Drehgeschwindigkeit der Erde ist am Äquator 1.670 km/h in unseren Breiten etwa 1.000 km/h und direkt am Pol praktisch Null

Wenn nun eine Rakete an einem Pol (Drehachse) aufsteigt und genau nach Süden fliegt (wie in deinem Beispiel!) hat sie überhaupt noch keinen seitlichen Drehimpuls(!) und kommt tatsächlich auf Grund der Corioliskraft seitlich versetzt an!
Deshalb ist es auch so wichtig wo auf der Erde die Rakete startet und in welche Richtung

Hier z.B. schön erklärt:

https://www.stadt-wien.at/freizeit/wetter/corioliskraft.html (https://www.stadt-wien.at/freizeit/wetter/corioliskraft.html)

Die sich in den Weltraum begebende Rakete behält den Drehimpuls den sie am Startplatz mitbekommen hat(!) durchaus, nur muß sie zusätzlich eine "seitliche" Geschwindigkeit aufbauen, damit sie nicht wieder runterfällt. Erst wenn diese groß genug ist, fällt sie praktisch "um die Erde rum."
Diese Eigengeschw. des in einem stabilen Erdorbit fliegenden Objekts wird mit dem Erdabstand immer geringer!
So fliegt die ISS mit 28.000 km/h und der Mond nur mit 3.700 km/h
Trotzdem muß ein Raumschiff um so stärker beschleunigen je höher es hinauf will, nur wird diese Beschleunigung hauptsächlich in Höhe umgesetzt.
New Shepard steigt mehr oder weniger senkrecht auf und kommt senkrecht praktisch in unmittelbarer Startplatznähe wieder runter. (wohl etwas seitlich versetzt wegen Sicherheitsabstand)

Ich befürchte allerdings, ich habe dich jetzt eher noch mehr verwirrt und deine Frage in keinster Weise beantwortet. :-X
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: trallala am 05. November 2022, 09:54:42
Ich finde alepu hat es gut erklärt. Der Denkfehler bei Excalibur lag an dem Punkt, das die Rakete beim Start von einem Pol auch schon den ganzen Drehimpuls wie bei einem Start vom Äquator hat. Das ist dann logisch mit den ganzen anderen (richtigen) Annahmen kollidiert.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 05. November 2022, 11:29:56
Noch ein Versuch das oben geschriebene etwas prägnanter zusammenzufassen:

-Der Drehimpuls der Erdumdrehung ist an den Polen praktisch Null, nimmt in Richtung Äquatur ständig zu und erreicht am Äquator 1.670 km/h.
-Eine startende Rakete nimmt den Drehimpuls mit, der am Startplatz vorliegt und behält diesen auch im Weltraum bei. Wenn sie genau nach Osten fliegt (in diese Richtung dreht sich die Erde) wird dieser Drehimpuls 100%ig zu der Eigengeschwindigkeit hinzugezählt. Wenn sie genau nach Westen fliegt wird sie abgezogen.
-Eine Rakete braucht eine gewisse Geschwindigkeit um nicht wieder runter zu fallen. Diese ist höhenabhängig und dann erreicht, wenn die Rakete "um die Erde rum fällt".
-Fliegt die Rakete innerhalb der Lufthülle, wird sie von dieser ständig abgebremst. Die Stärke dieser Abbremsung ist höhenabhängig, da die Atmosphärendichte mit zunehmender Höhe abnimmt.
(Auch die ISS fliegt noch innerhalb der Atmosphäre(!), wenn diese auch dort schon sehr dünn ist, wird von dieser ständig abgebremst und muß dementsprechend immer wieder mal beschleunigt werden um nicht schlußendlich abzustürzen.)
-Um in einem stabilen Orbit zu fliegen, muß die Rakete um den Erdmittelpunkt kreisen (sehr wichtig!). Um dies zu erreichen, kann eine Rakete nur genau nach Osten starten/fliegen, wenn sie genau über dem Äquator fliegt.(und nur in dieser "Äquatorbahn" fliegen auch die geostationären Satelliten!)
-An allen anderen ("Nichtäquatorpunkten") startet die Rakete normalerweise mit der Inklination (Winkel zum Äquator) die dem Breitenmeridian (Abstand zum Äquator) entspricht (dies kann entweder in nordöstl. oder in südöstl. Richtung erfolgen) Dieser Winkel/AbStand ist am Äquator Null und an den Polen 90. (Cape Caneveral hat z.B. 28)
(Eine Rakete kann natürlich in jede Richtung starten, verbraucht dann aber u.U. wesentlich mehr Energie um einen stabilen Orbit zu erreichen.)
-Am wenigsten Energie braucht die Rakete wenn sie am Äquator genau nach Osten startet und fliegt.
-Eine Rakete steigt zu Beginn ihres Fluges sinnvollerweise erstmal so lange senkrecht auf, bis sie die dichteren, stark bremsenden Luftschichten überwunden hat und schwenkt erst dann in die gewünschte Richtung ein.
-Alle Objekte (Sats, Monde u.ä) die sich in einem stabilen Orbit befinden bewegen sich praktisch auf dem Rand einer Scheibe die durch den Erdmittelpunkt geht und um den Inklinationswinkel zum Äquator gekippt ist. Diese Scheibe bildet nicht notwendigerweise einen vollkommenen achsensymetrischen Kreis sondern meißt eine mehr oder weniger elongierte Ellipse. (Mondbahn, Erdbahn um die Sonne....)

Ist doch wieder etwas länger geworden und vieles davon ist natürlich auch Allen hier bekannt, aber ich habs halt der Vollständigkeits halber nochmal mit hingeschrieben.
Damit es nicht noch länger und unverständlich(er) wird, höre ich jetzt erstmal wieder auf, auch wenn zu diesem Thema sicher noch seitenweise zu schreiben wäre.  ;)
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: James am 05. November 2022, 20:17:02
Guten Abend

Jetzt versuche ich es auch.
Was Excalibur wissen wollte ist wohin der Drehimpuls gekommen ist den die Rakete am Startplatz hatte und den sie auf ihrer polaren Bahn nicht mehr hat.
Ich hoffe das ich es richtig erkläre. Einer der sich in Orbitmechanik auskennt und/oder einer der damit vertraut ist wie man eine Rakete in eine bestimmte Bahn manövriert, bin ich auch nicht.
Nichts desto weniger sieht es für mich so aus:
Es hat überhaupt nichts damit zu tun ob sich die Rakete innerhalb oder außerhalb der Atmosphäre befindet. Das ist Unmöglich.
Die Rakete bekommt genauso wie das Flugzeug den selben Drehimpuls mit.
Drehimpuls ist eine Erhaltungsgröße und verschwindet überhaupt niemals.
Das Flugzeug das nach Richtung Norden fliegt (oder wo auch immer hin), baut diesen Drehimpuls auch niemals ab (bzw. es ist nicht in dessen Sinn diesen abzubauen). Es bleibt im mitdrehenden Koordinatensystem der Erde.
Aus meiner Sicht wird die Rakete genau so geflogen, daß sie dieses Koordinatensystem verläßt. Sie baut beim Flug diesen Drehimplus aktiv ab.
Natürlich muß dieser Orbit immer ein Großkreis sein, also der Mittelpunkt im Erdmitttelpunkt liegen.
Aber ob dieser Orbit "raumstabil" sein muß oder sich auch langsamer oder schneller als der "raumstabile", also in Bezug auf diesen ebenfalls um die Erde drehend sein darf, und damit mehr oder weniger Drehimpuls zu ändern ist, ist mir momentan auch nicht klar. Ich würde aber annehmen daß die Orbits recht vielfältig eingestellt werden können.
Aber welches Bezugssystem würde für "raumstabil" gelten - insoferne ist das eh eine eigenartige Angabe und damit eh schon je nach Bezugssystem variabel.
Da würde mich eine fundierterere Auskunft auch interessieren.

Und nebenbei, wie ich sagte ist Drehimpuls eine Erhaltungsgröße. Auch beim aktiven Abbau des Drehimpulses der Rakete ist der nicht verloren gegangen. Der steckt jetzt in der genutzten Stützmasse.
Ich hoffe ich habe etwas beitragen können, auch wenn mir selber nicht alles klar ist, und ich hoffe das zumindest das Ausgeführte Richtig ist.
(wir brauchen einen der sich in Orbitmechanik und mit Raketenbahnen auskennt....)

Viele Grüße, James


Edit: unzutreffendes durchgestrichen
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 06. November 2022, 00:24:47
Hallo an alle,

zuerst einmal ganz herzlichen Dank für Eure Antworten!  :)

Es wurden viele wichtige (und, soweit ich das beurteilen kann, auch richtige) Dinge gesagt. Aber mein Gefühl ist - und ich glaube da geht es James genauso - dass die Antwort auf meine Frage noch nicht wirklich dabei war. Zuerst einmal @ James, das Beispiel mit der Atmosphäre habe ich nur gebracht, damit es anschaulicher wird, worum es mir geht. Die Rakete muss in dem Moment, in dem sie abhebt, den Drehimpuls der Erde haben, anderenfalls würden ihr 1.000 km/h Wind seitlich den Gar aus machen. Nur um das gewissermaßen "bildlich" zu machen, habe ich die Atmosphäre angebracht. Dass die Atmosphäre zur Lösung des Problems jedoch keinen Unterschied macht, sehe ich genauso wie Du.

Hier wurde ja unter anderem angesprochen, man müsse diesen Drehimpuls abbauen, indem man quasi in die Gegenrichtung fliegt. Also in meinem Beispiel eben nicht direkt nach Süden oder Norden, sondern mit einem gewissen Anstellwinkel entgegen des Drehimpulses. Die Erde dreht sich in östlicher Richtung und dieser Drehimpuls steckt - soweit ich das verstehe bzw. annehme - zuerst einmal ebenfalls in der Rakete. Würde die Rakete auf ihrer zb südlichen Aufstiegsbahn also mit einem gewissen Anteil Richtung Westen starten, würde sie diesen Drehimpuls abbauen. Aber... dann ist es ja kein rein polarer Orbit mehr, den sie erreicht. Sie hätte dann die Inklination, die dem Anteil entspricht, mit dem sie eben nicht nach Süden, sondern nach Westen fliegt. Oder liege ich hier falsch?

Nun möchte ich aber in meinem Beispiel, dass die Rakete bzw. deren Nutzlast eine reine polare Bahn hat. Also genau über die geographischen Pole der Erde führt. Soweit ich annehme, ist es möglich einen solchen Orbit zu erreichen und in diesem Orbit würde sich die Erde unter der Nutzlast hinwegdrehen. Also "muss" ja irgendwo auf dem Weg in diesen Orbit der (östliche) Drehimpuls abgebaut werden. Aber wie?

Ein anderer Vorschlag, der hier angeführt wurde, war, direkt vom Pol zu starten. Eine spannende und gute Idee, finde ich  :) Aber ist das die einzige Möglichkeit? Ich glaube nicht, oder? Was ist, wenn man vom Äquator, oder einem anderen Ort, irgendwo auf einem beliebigen Breitengrad starten möchte, der weder - 90 Grad noch +90 Grad (die Pole) ist?

Viele Grüße und nochmals vielen Dank!
Gruß
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: James am 06. November 2022, 09:16:32
Hallo

Noch ein kleiner Nachtrag.
Damit ist auch klar warum man für polare Bahnen gerne möglichst nördlich gelegene Startplätze nutzt.
Eben damit man möglichst wenig Drehimpuls mitbekommt, weil man den vorhandenen dann ja abbauen muss.
(Starts aus Äquatornähe in polare Bahnen sind deswegen ja nicht unmöglich. Es sind ja sowieso ca. 2700km/h aufzubringen, Äquatornah muß man dann zusätzlich die ca. 1600km/h einrechnen. Das ist kein Showstopper, aber man benötigt halt etwas mehr Antriebsvermögen)
Und man kann die Rakete ja richtungsmäßig fliegen wie man will; erst zuletzt, wenn man antriebslos ist muß der Orbit ein Großkreis sein, damit er auch Bestand hat.
Die Inklination ist dann diejenige, die du letztendlich auf dem gewählten Großkreis hast. Polarer Orbit oder SSO, oder welcher eben angeflogen wird.
Das hört sich für mich alles stimmig an; habe also viel Vertrauen, daß es so ist, wie ich schreibe.
Also, auf dem Flug in den Zielorbit wird auch der Drehimpuls mitgeändert.
Die Idee auf der Rotationsachse der Erde zu starten, ist wegen der Nichtpraktikablen Infrastruktur natürlich nicht gut. Aber als Gedankenszenario würde die Rakete, wenn sie einen Durchmesser von Null hat gar keinen Drehimpuls mehr mitbekommen. Da sie einen Durchmesser hat, bekommt sie wieder einen, aber symmetrisch, also Rotation. Die ist natürlich dann recht sparsam zu kompensieren.
Wie man die Rakete im Detail fliegt, damit sie z. B. einen polaren Orbit erreicht, würde mich trotzdem interessieren.

Viele Grüße, James
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Schillrich am 06. November 2022, 09:57:17
Hallo zusammen

#
...

 Also "muss" ja irgendwo auf dem Weg in diesen Orbit der (östliche) Drehimpuls abgebaut werden. Aber wie?

...

Das "Wie" ist eigentlich ganz einfach. Vektoraddition der Geschwindigkeiten macht das Prinzip offensichtlich:

(https://images.raumfahrer.net/up078219.png)

Auf der Orbithöhe im Beispiel muss die Rakete mit dem Vektor Vo fliegen, also genau polar mit 90° Inklination.
Am Startort bekommt sich den Vektor VE mit. Um von VE auf Vo zu kommen, muss sie VR fliegen ... bzw. in den 7 bis 8 Minuten Aufstieg erzeugen. Sie fliegt also leicht nach Westen.

Wer Kerbal Space Progamm hat, kann es auch einfach mal ausprobieren ... man muss etwas nach Westen steuern.

Was man auch sieht: VR ist länger als Vo. Die Rakete muss mehr DeltaV erzeugen als die eigentliche Zielgeschwindigkeit.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: James am 06. November 2022, 10:15:00
Danke (gut das du mitliest)

Und wird Ve, wie es das Diagramm suggeriert, kontinuierlich abgebaut, oder ist das eine Optimierungssache?
Oder ist es bei einem LEO egal, da die Orbithöhe gegen dem Erdradius eh vernachlässigbar ist?
Zuerst mal hat Priorität aus der Atmosphäre raus, das ist klar, aber wie geht es weiter?
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Prodatron am 06. November 2022, 10:23:55
Hier sieht man ab etwa 21:52...



...die Bahn der Falcon 9, die ihre Nutzlast in einen sonnensynchronen Orbit bringt. Ist zwar nicht genau eine polare Bahn, aber man muß ähnlich manövrieren.
Wie Daniel sagte, wird leicht nach Westen geflogen.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Schillrich am 06. November 2022, 10:29:35
Danke (gut das du mitliest)

Und wird Ve, wie es das Diagramm suggeriert, kontinuierlich abgebaut, oder ist das eine Optimierungssache?
Oder ist es bei einem LEO egal, da die Orbithöhe gegen dem Erdradius eh vernachlässigbar ist?
Zuerst mal hat Priorität aus der Atmosphäre raus, das ist klar, aber wie geht es weiter?


Es bringt eigentlich nichts erst später "umzuschwenken". Das sähe im Vektordiagramm so aus:
(https://images.raumfahrer.net/up078218.png)

Die blauen Vektoren VR1 + VR2 wären ein zweigeteilter Aufstieg. Die sind zusammen immer länger als der schwarze VR. Es ist also sinnvoller direkt und konstant mit Westkomponente zu fliegen.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: James am 06. November 2022, 10:34:46
Hallo
Vektoraddition der Geschwindigkeiten macht das Prinzip offensichtlich.
Wie man damit erkennt (oder ich glaube es zu erkennen) muß damit auch immer die gesamte Ve abgebaut werden, damit es ein polarer Orbit wird.
Wenn man Ve nicht komplett abbaut endet es immer in einer Inklination.
Das was ich unter "raumstabil" dahingefaselt habe, womit man sich vielleicht aussuchen kann ob die Erde schneller oder langsamer unter dem Orbit dahinrotiert ist also vollkommener Blödsinn (ich werde die "raumstabilpassage" im obigen Text durchstreichen, damit ich niemand verwirre). Außer ich erhöhe die Orbithöhe und werde damit pro Umlaufzeit langsamer, womit die Erde sich weiter drehen kann.
Aber die Ve ist immer ganz abzubauen.

Danke für das Vektordiagramm. Das macht es wirklich anschaulich.
Durch das Vektordiagramm bin ich mir eigentlcih recht sicher das es nicht anders sein kann.

Grüße, James
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 06. November 2022, 11:12:39
Ja, danke #Schillrich für das Diagramm!
Damit wird alles auf einen Blick klar.
Hab schon dauernd an so ein Vektordiagramm gedacht, aber kenne keine Möglichkeit es hier rein zu stellen.
Damit ließe sich auch die Kräftesummation bei einem Start am Äquator oder vom Cape o.ä. sehr schön darstellen, aber das kann ja auch Jeder für sich mit Stift und Lineal (und etwas Nachdenken!)
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 06. November 2022, 12:44:57
Hallo Schillrich,

zuerst einmal ganz herzlichen Dank! Aus meiner langen Zeit als Mitleser hier im Forum weiß ich, dass das, was Du schreibst, auch Hand und Fuß hat. Von daher "glaube" ich Dir sofort. Leider bin ich in Mathe/Physik eine Niete (mein Steckenpferd ist eher die Sprache  ;P ), daher habe ich noch eine Frage. Mir ist aber wichtig, dass Du meine Frage bitte nur als Verstehensversuch interpretierst. Ich stelle das, was Du geschrieben hast, nicht in Frage, ok?

Du schreibst, dass man in meinem Beispiel eben nicht genau in Richtung Südpol startet, sondern etwas nach Westen, um den Drehimpuls abzubauen. Man "zielt" also sozusagen am Pol vorbei. Oder, um es anders zu formulieren, man startet mit einer Inklination kleiner 90 Grad. Richtig?

Was passiert dann, wenn während des Aufstiegs dieser Drehimpuls vollständig abgebaut wurde? Ist die Rakete/Nutzlast dann quasi "automatisch" auf der gewünschten Inklination 90 Grad (also exakt polar)? Oder um es in anderen Worten zu sagen: Ich ziele zuerst westlich des Pols und durch den Abbau des Drehimpuls wandert das Ziel automatisch zum Pol? So eine Art automatische "Hundekurve"? Oder muss man während des Aufstiegs, je kleiner der Drehimpuls wird, die Inklination der Aufstiegsbahn aktiv immer mehr in Richtigung Pol anpassen?

Wenn ich mir vorstelle (und ich vermute eben, dass meine Vorstellung da falsch ist) dass man nicht auf den Pol zielt, sondern weiter westlich, dann sagt mir mein Gefühl, dass die Rakete/Nutzlast am Ende eben auch nicht über den Pol fliegt. Ist die Inklination am Anfang zb -87 Grad (um den Drehimpuls abzubauen) und die Rakete fliegt eine gerade Aufstiegsbahn, sollte die Inklination dann nach Erreichen des Zielorbit nicht ebenfalls -87 Grad sein?

Wie gesagt, ich stelle damit Deine Aussagen nicht in Frage. Du weißt darüber tausend mal mehr als ich  :) Ich bin nur noch nicht an dem Punkt, es ganz verstanden zu haben  :-[
Gruß und vielen Dank!
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 06. November 2022, 13:14:03
Die Erde dreht sich während dem Raketenflug unter der Rakete gemächlich weiter, bzw. Die Rakete bewegt sich durch den mitgenommenen Drehimpuls stetig immer weiter seitlich-östlich. Exakte Berechnung und genauer Flug vorausgesetzt hat sie dann genau in dem Augenblick den Pol erreicht, wenn die "negative" Inklination "abgebaut" ist. Tatsächlich wird da nix abgebaut, sondern sie würde mit dieser Inklination weiterfliegen(!), falls nicht im entscheidenden Moment eine Korrekturzündung stattfindet. Das wirkt dann so, als wäre sie vom Pol aus direkt nach Süden/Norden gestartet.
(Ich erinnere daran, daß am Pol kein Drehimpuls wirkt, und daß es zum Erreichen eines polaren Orbits um so besser ist, je polnäher man startet, weil dann eben diese Korrekturzündung zum Abbau des mitgebrachten Drehimpulses entsprechend kürzer ausfallen kann.)

Kannste dir vorstellen, wie z.B. beim Segeln. Je nach einfallendem Wind, mußt du da mehr oder wenig seitlich vorhalten um das Ziel auch tatsächlich zu erreichen und wenn du dann nicht rechtzeitig eine Wende machst, fährst du geradeaus weiter.

Wir Menschen leben zwar schon seit "Urgedenken" auf einer sich drehenden Kugel, aber diese ist so riesengroß und wir bewegten uns bisher so langsam, daß wir eher auf ein Kriechen über eine zweidimensionale Ebene programmiert sind. Deshalb trügt uns sehr oft unser "Gefühl" wenn es um etwas höherdimensionales und schnelleres geht.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: James am 06. November 2022, 13:29:28
Hallo Excalibur

Ich bin nicht der Angesprochene. Ich antworte aber trotzdem, da schon einen Weile "mitrede".
Mit dem leichten Westkurs fliegst du nicht am Norpol vorbei.
Das kannst du dir vorstellen in dem du dir die Strecke in kleine Teile zerlegst (zumindest ich mache es so).
Du fliegst nach Norden und ein kleines Stück nach Westen.
In der Zeit hat sich die Erde das gleiche Stück nach Osten gedreht.
In dem nicht mitdrehendem Koordinatensystem, welches du ja erreichen willst, bist du genau nach Norden geflogen.
(Du verläßt das mitdrehende Koordinatensystem gleich mit dem Start)
Das wiederholt sich bis du am Nordpol angekommen bist.
Ich glaube nicht das ich da falsch liege.
Aber vielleicht kann das Daniel ja besser darlegen.

Viele Grüße, James
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 06. November 2022, 13:41:12
#James
Soweit durchaus richtig, aber was passiert, wenn du am Pol angekommen bist und mit dieser Inklination weiter fliegst?

Siehe den Versuch einer Antwort in meiner letzten post
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 06. November 2022, 13:44:32
Hallo Ihr Beiden,

vielen Dank. Ja, Wahrscheinlich hat einer von Euch Recht... oder Ihr Beide, keine Ahnung  :) Aber in meiner Vorstellung ist da immer noch etwas, dass nicht ganz klick macht und ich denke es geht dabei einfach um genau den Unterschied, den Ihr Beide (Alepu und James) aufzeigt. Nämlich um die Frage, ob der Kurs aktiv angepasst werden muss, oder quasi das "Ziel" (der Pol) autmatisch durch den Abbau des Drehimpulses einwandert.

Ich komme aus der Privatfliegerei. Da kenne ich die sogenannte "Hundekurve". Ich möchte von A nach B und habe einen seitlichen Windvektor. Dieser Windvektor treibt mich von meinem Ziel weg (seitlicher Versatz). Um trotzdem bei B anzukommen, muss ich mit einem je nach Windstärke definierten Winkel an B vorbeizielen (in die Richtung, aus der der Wind kommt) und lande dadurch automatisch bei B. Ziele ich jedoch trotz des seitlichen Windvektors genau auf B, muss ich meinen Kurs ständig anpassen (die Hundekurve). In dieser Analogie und wenn ich Schillrichs Aussagen richtig interpretiere (hoffentlich) würde die Rakete quasi automatisch am Pol landen, wenn sie in ihrer Aufstiegsbahn etwas westlich des Pols zielt. Die Erddrehung wäre da der "Windvektor" und ich denke dass ist, worauf James hinaus will.

Aber kann man das so einfach übertragen? Windvektoren und Erddrehung sind halt doch zwei paar Dinge  :P Es könnte ja auch sein, dass hier eher aktiv die Hundekurve geflogen werden muss, um den Westvektor am Schluss, wenn der Drehimpuls abgebaut wurde, ebenfalls abzubauen? Das entspricht, wenn ich es richtig verstehe, Alepus Aussage.

Was mir - nur so am Rande - gerade noch in den Sinn kommt: Wenn dieses "am Ziel vorbeizielen" um den Drehimpuls der Erde abzubauen so richtig ist... würde das nicht jede beliebige Inklination betreffen? Oder kommt das nur bei extrem hohen Inklinationen zum tragen? Müsste eine Rakete, die zb 50 Grad Inklination erreichen möchte, nicht auch in einem gewissen (geringeren) Maße auf eine andere Inklination zielen, um dann die 50 Grad zu treffen? Hm  ;P

Viele Grüße
Excalibur
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Hugo am 06. November 2022, 13:50:21
Ich habe das ganze mal in eine Grafik gepackt, wie ich es beschreiben/betrachten würden:

(https://images.raumfahrer.net/up078217.png)

Man stelle sich vor, man beobachtet den Start vom Mond aus. Das hat den Vorteil, dass man es sich einfacher vorstellen kann. Die Erde dreht sich dann "frei im Raum", während die gewünschte Bahn der Rakete sich nicht verändert sondern starr ist.


Am Roten "X" ist der Startplatz der Rakete. Die Rakete fliegt in Richtung des orangenen Pfeils. Da sich die Erde aber (anfangs mit der Rakete) dreht, nimmt die Rakete den türkisen Pfad ein. Natürlich dreht sich die Erde während dessen weiter, der Startplatz wandert unter dem grünen Wunschorbit entlang immer weiter nach rechts.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 06. November 2022, 16:17:02
Genauso verstehe ich das auch. Bei Flug zum Pol würde hier grün und blau zusammenfallen.

Da ist auch kein "ständiges Gegensteuern" nötig. Du fliegst von dir aus gesehen geradeaus mit der einmal eingeschlagenen Richtung und kommst dann, wenn deine Berechnungen richtig sind und diese Richtung stimmt(!), über dem Pol an.
Aber, wie geht es dann weiter? Schließlich willst du ja nicht am Pol landen, sondern in einen "polaren Orbit", bzw. jetzt schnurstracks zum anderen Pol!
Fliegst du jetzt einfach geradeaus weiter, oder mußt du jetzt deine Korrekturdüsen zünden und aktiv in einen "polaren 90° Orbit" einschwenken. Weil bisher bist du ja eben nicht mit 90° unterwegs.  ???  ???  ???
Ausser du fliegst eben doch diese "Hundekurve" mit ständiger Kursanpassung über den gesamten Flug hinweg, dann müßtest du bereits mit 90° ankommen.

Die einzigen Fälle in denen tatsächlich keinerlei Kursanpassung/-korrektur nötig ist, ist eben der Start von einem Punkt am Äquator in Richtung des Äquators mit Flug ständig über dem Äquator und Starts von den Polen.
In allen anderen Fällen ist wohl durchaus ein "Vorhalten" bzw. eine "Kurskorrektur" nötig. Und auch in der Praxis ist ja bei den Flügen immer wieder von "Kurskorrekturen" die Rede.
Ähnlich ist es ja auch z.B. beim Flug zum Mond, da zielst du ja auch nicht ständig auf den Mond, sondern fliegst da hin wo er bei deiner Ankunft sein wird. Nur, daß eben hier der Mond bzw. dein Ziel sich auch noch bewegt  ;)

Ich glaube wir sollten doch mal ein Lehrbuch der Orbit-/Himmelsmechanik bzw. der Raumfahrt lesen.  ;)  P-I
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: James am 06. November 2022, 17:32:40
Guten Abend

Ja, da stimme ich zu.
Immer dieses blöde Nichtwissen. Wenn man nur ein bißchen näher ins Detail geht sieht man das alles doch nicht so einfach ist.
Kommen wir noch mal auf Schillrichs Vektordiagramm zurück. Und bleiben wir bei dem polaren Zielorbit.
Es ist ja ein Geschwindigkeitsdiagramm.
Es sagt uns also das von Start bis Brennschluß die Geschwindigkeit der Erdrotation zu kompensieren ist und das als zweite Geschwindigkeitskomponente, 90 Grad dazu, Orbitalgeschwindigkeit aufzubauen ist. Dann befindet man sich auf einem polaren Orbit.
Das sagt jetzt nichts über die Bodenspur aus, also die oberflächenprojektierte Bahn im mitrotierenden Koordinatensystem der Erde.
Weiters wird der Brennschluß nicht mit dem Nordpol zusammenfallen.
(vielleicht ist mein Erklärungsversuch mit den Teilstücken nicht sinnvoll, oder gar falsch, denn das impliziert ja das Brennschluß am Nordpol wäre)
Aber zum Brennschluß, wenn Ve kompensiert ist und Vo erreicht ist, ist keine Korrektur mehr nötig. Man befindet sich bereits im polaren Orbit.
Ich sehe es so, daß man eigentlich nicht "am Nordpol vorbei zielt", der ist nicht maßgebend. Maßgebend sind die beiden Geschwindigkeitsvektoren die aufzubauen sind. Ob die Grundspur real so eine schöne Kurve ist, weiß ich nicht.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Schillrich am 07. November 2022, 14:06:02
...Tatsächlich wird da nix abgebaut, sondern sie würde mit dieser Inklination weiterfliegen(!), falls nicht im entscheidenden Moment eine Korrekturzündung stattfindet. ...

Nein, das stimm nicht. Das Vektordiagramm sagt es klar: Durch die Addition der beiden Vektoren vE + vR entsteht direkt der Vektor vO, in seiner Länge und in seiner Ausrichtung. Durch den schrägen Flug wird vE komplett "eliminiert", von selbst, ohne weitere Korrekturzündung.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Schillrich am 07. November 2022, 14:14:53
Hallo Schillrich,

zuerst einmal ganz herzlichen Dank! Aus meiner langen Zeit als Mitleser hier im Forum weiß ich, dass das, was Du schreibst, auch Hand und Fuß hat. Von daher "glaube" ich Dir sofort. Leider bin ich in Mathe/Physik eine Niete (mein Steckenpferd ist eher die Sprache  ;P ), daher habe ich noch eine Frage.

Danke für deine Perspektive. Meine Worte "mit den Vektoren wird alles klar" sollten auch nicht hochnäsig sein. Sondern so ist das "in meiner Welt" halt ... daher, gut dass wir reden.



Zitat
... Oder um es in anderen Worten zu sagen: Ich ziele zuerst westlich des Pols und durch den Abbau des Drehimpuls wandert das Ziel automatisch zum Pol? So eine Art automatische "Hundekurve"?
Das passt so weit. Das Bild der "Hundekurve" ist schwierig. Wie man die Aufstiegsbahn wahrnimmt, hängt vom eigenen Koordinatensystem ab. Aus Sicht der Rakete fliegt sie immer konstant in eine feste Raumrichtung. Sie schwenkt nicht.

Beim Vektordiagramm muss man noch mitdenken, dass vE der Anfangszustand ist. vO ist der Endzustand. Wenn vR jetzt instantan wirken/auftreten würde, würde die Rakete instantan von vE auf vO schwenken. Real wird aber vR erst aufgebaut, als Integral der Beschleunigung über die Zeit. Der Beschleunigungsvektor aR zeigt aber in dieselbe Richtung wie das finale vR.
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: alepu am 07. November 2022, 18:02:58
...Tatsächlich wird da nix abgebaut, sondern sie würde mit dieser Inklination weiterfliegen(!), falls nicht im entscheidenden Moment eine Korrekturzündung stattfindet. ...

Nein, das stimm nicht. Das Vektordiagramm sagt es klar: Durch die Addition der beiden Vektoren vE + vR entsteht direkt der Vektor vO, in seiner Länge und in seiner Ausrichtung. Durch den schrägen Flug wird vE komplett "eliminiert", von selbst, ohne weitere Korrekturzündung.

Ist mir inzwischen auch klar geworden, daß ich da wohl einem Denkfehler erlegen bin!
Der Witz ist wohl, daß der Vektor VE schon wärend dem Aufstieg eliminiert wird , indem dieser entsprechend nach Westen führt.
Auch der Weiterflug vom Pol aus erfolgt wohl dann unvermeidlich nach Süden (90°)
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Excalibur am 07. November 2022, 20:52:31
Hallo an alle,

damit ist diese Frage geklärt... und mir bleibt nur, vielfach Danke sehr zu sagen. Ich fühle mich nun tatsächlich etwas schlauer (auch wenn mir dieses Wissen im Alltag wohl nie helfen wird) :D

Gruß
Excalibur93
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Schillrich am 07. November 2022, 20:59:02
Ich habe mal ein wenig simuliert, um ein paar Flugbahnen zu zeigen, in unterschiedlichen Koordinatensystemen.

Annahmen:

(https://images.raumfahrer.net/up078215.png)
Der Graph zeigt die Bahn im intertialen Koordinatensystem, auf x- und y-Achse unterschiedlich skaliert. Ich bin praktisch ein im Raum ruhender Beobachter bei (0,0). Die rote Linie ist der 90°-Orbit über mir. Der Startort kommt mit ca. 465 m/s von links nach rechts unter mir durch und in dem Moment startet die Rakete. Sie steuert direkt und konstant den schrägen Kurs aus dem Vektordiagramm (hier 93,4°).
Die blaue Linie zeigt, was ich sehe. Die Rakete driftet weiter nach Osten, schwenkt (aus meiner Sicht) aber nach Norden. Sie erreicht 90° Flugrichtung am Ende des Graphen mit Orbitgeschwindigkeit, grüne Linie. Den 90°-polaren Orbit hat sie also "neben mit" erreicht, ca. 92km Versatz. Heißt: Um den roten Orbit über mir zu erreichen, muss sie ca. 199s früher starten, wenn der Zielorbit noch 92km im Osten liegt.


Hier noch das Bild mit "gleich skalierten Achsen", da sind die Größenordnungen zwischen der Ost- und Nordbewegung dann richtig/proportional.

(https://images.raumfahrer.net/up078216.png)
Titel: Re: Raketen Bahn
Beitrag von: Schillrich am 07. November 2022, 21:24:38
Aus Sicht eines Beobachters am Startort, der sich nach dem Start selbst weiter mit 465m/s nach Osten bewegt, sieht die Bewegung dann so aus:

(https://images.raumfahrer.net/up078214.png)

Die Rakete fliegt nach Westen und Norden. Das sind hier aber zuerst ca. 100° von der lokalen Ostrichtung abweichend (nicht 93° wie im inertialen Koordinatensystem), da wir selbst ja auch immer weiter nach Osten eilen. Aus unserer lokalen Sicht fällt die Rakete also "schneller" nach Westen zurück. Die Bahn sieht aber nur gerade aus. Auch sie kurvt aus unserer Sicht langsam weiter nach Norden. Am Ende des Flugs sind es auch 93,4° geworden gegenüber der Ostrichtung geworden. In der Darstellung ist das nur nicht gut sichtbar ... selbst wenn man reinzoomt.