Hallo,
Steve Squyres, der Vorsitzende des "Planetary Science Decadal Survey", hat im September 2009 im Rahmen des Europlanet-Kongress in Potsdam kurz von der Vorgehensweise bei der Auswahl der Missionen berichtet.
Bei den bisherigen "großen" Planeten-Missionen der NASA, so Dr. Squyres damals, wurden die Kosten von Vornherein immer wieder viel zu niedrig angesetzt. Als Beispiel hat er hierfür ganz speziell die nächste Rover-Mission der NASA zum Mars genannt. Ursprünglich war die Curiosity-Mission mit Kosten in Höhe von etwa 1,63 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Bis Ende 2009 wurden daraus dann bereits 2,286 Mrd. US-Dollar ( die aktuelle Zahl liegt übrigens bei 2,47 Mrd. Dollar - und es werden bereits weitere Finanzmittel gefordert... ). Diese Budgetüberschreitungen führten in der Vergangenheit immer wieder zu Einschnitten bei anderen Forschungsmissionen.
Steve Squyres war der Meinung, dass diese Fehlplanungen der Finanzierung unter anderem darin begründet lagen, dass für die Planung der Missionen fast ausschließlich nur Wissenschaftler und Ingenieure, aber keine (Wirtschafts-) Manager verantwortlich waren. Diesen Fehler wollten er und sein Team diesmal ganz gezielt vermeiden.
Neben einer ausführlichen Überprüfung durch unabhängige Experten von verschiedenen US-amerikanischen Universitäten und Instituten ( welche dann nicht direkt in die jeweiligen Missionen involviert wären ), welche die technischen Durchführbarkeit und einer Abschätzung der zu erwartenden wissenschaftlichen Ausbeute sowie eine Einschätzung der "technischen Gewinne" aufgrund entsprechender Neuentwicklungen bewerten sollten, wurden deshalb auch Fachleute aus der Wirtschaft hinzugezogen, um den einzelnen Missionen einen
reellen finanziellen Rahmen zu verpassen.
Dabei sollten besonders die zu erwartenden Mehrkosten bei der Entwicklung der wissenschaftlichen Instrumente und der Hardware, aber auch die Kosten für die Trägerraketen berücksichtigt werden. Auch Mehrkosten durch eventuelle Startverschiebungen wurden bisher immer zu niedrig angesetzt oder bei den Missionsplanungen erst gar nicht berücksichtigt. Dabei, so Steve Squyres, wolle man so vorgehen, dass die Mission eher zu teuer veranschlagt werden und man im Bedarfsfall einen entsprechenden finanziellen Spielraum zur Verfügung hat, als dass anschließend wieder einmal zusätzliche Finanzmittel angefordert werden müssen.
Ich persönlich begrüße diese Vorgehensweise. Wenn ich z. B. ein Auto kaufe, dann will ich von dem Verkäufer den
endgültigen Kaufpreis erfahren und nicht irgendwann hören, dass ich doch bitte noch "ein paar Euro" mehr bezahlen soll. Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich von den Zahlen doch zumindestens geschockt bin. In Anbetracht des aktuellen Finanzrahmens der NASA besteht die absolut reale Gefahr, dass es in den nächsten Jahren keine Flaggschiff-Missionen geben wird. Außerdem hätten entsprechende negative Entscheidungen der NASA auch einen direkten Einfluss auf zumindestens zwei Projekte der ESA. Sowohl bei der Planung einer Jupiter-Mission als auch bei der ExoMars-Mission geht die ESA bisher fest von einer Kooperation mit der NASA aus. Wenn die NASA nicht zum Jupiter bzw. zum Mars fliegen wird, dann würden auch die entsprechenden ESA-Missionen auf der Kippe stehen...
Diese Vorgehensweise einer eher konservativen bzw. vielleicht besser gesagt realistischen Kosteneinschätzung ist dann wohl auch der Grund, warum der NASA-Rover MAX-C mit 3,5 Mrd. US-Dollar veranschlagt wird ( immerhin eine Milliarde teurer als Curiosity ). Dieser Rover soll vom Gewicht her deutlich leichter ausfallen als Curiosity und zusammen mit dem ESA-Rover ExoMars zum Mars fliegen und auch zusammen mit diesem mittels des bereits entwickelten Skycrane-Verfahrens gelandet werden ( wobei dieses Verfahren dann noch einmal modifiziert werden müsste ). MAX-C, ExoMars und eine gemeinsame Landeplattform würden nach den bisherigen Planungen zusammen nicht mehr wiegen als der komplette Curiosity-Rover. Dieser wiegt bei der Landung auf dem Mars rund 900 Kilogramm. Eine größere und entsprechend kostspieligere Trägerrakete wäre also eigentlich nicht nötig.
Diese beiden Rover zwecks Kosteneinsparung in einem einzigen Rover zusammenzufassen, ergibt für mich daher eigentlich keinen Sinn. ExoMars wird komplett von der ESA entwickelt, in deren Auftrag gebaut und von ihr finanziert. Und die entsprechenden Entwicklungen und Tests sind eigentlich bereits SEHR weit fortgeschritten! Neben dem Antriebssystem, welches bereits entwickelt ist und gerade in
Oberpfaffenhofen getestet wird, bezieht sich das z.B. auch auf die Hauptkamera, den Bohrer und andere wissenschaftliche Instrumente von ExoMars. Im Gegenteil : Eine Neukonzipierung würde die Kosten nochmals in die Höhe treiben, da man dann plötzlich fast wieder von vorne beginnen müsste...
Wenn ich mich recht erinnere, dann muss jetzt zuerst die NASA eine Entscheidung darüber treffen, ob und wenn ja, welche Mission(en) schlussendlich fliegen soll(en). Anschließend muss dieser Entschluss vom US-Kongress begutachtet und zusammen mit den entsprechenden Finanzmitteln bewilligt werden. Vermutlich wird die NASA aufgrund des Berichtes dabei zuerst einmal weitere Finanzmittel einfordern. Deren Bewilligung dürfte allerdings aufgrund der desaströsen Finanzlage im amerikanischen Finanzhaushalt eher fragwürdig sein...
Ein Statement der Planetary Society findet Ihr hier weiter unten auf der Seite :
http://www.planetary.org/blog/article/00002945/ ( engl. )
Treffend finde ich den letzten Absatz von Louis D. Friedman : "Dies ist nicht nur der Verlust einer amerikanischen Flaggschiff-Mission, es ist vielmehr ein Verlust für den Planeten Erde. [Den Jupiter-Mond] Europa kümmert es nicht, ob wir dort im Jahre 2030, 2050 oder vielleicht auch nie ankommen, aber die jetzige Generation von Kindern wird sich fragen, was sich unsere Generation bei dieser Entscheidung gedacht hat. Warum haben wir nicht an die Entdeckungen der Sonden Voyager, Galileo und Cassini angeknüpft. Warum ermöglichen wir es unseren Kindern nicht, das Wunder zu erleben, neue fremde Welten zu entdecken."
Schöne Grüße aus Hamburg - Mirko