Nein, der Prozess im eigenen System wird nicht verlangsamt, die eigene Zeit vergeht für einen ja wie immer. Die Zeit des anderen, des Zuhause gebliebenen, vergeht für den Bruder auf der Erde auch wie eh und je. Da sich beide zueinander jedoch mit einer sehr hohen Geschwindigkeit bewegen, vergeht die Zeit des Einen für den Anderen anders. Beide sehen die Zeit des anderen langsamer vergehen. Hört sich paradox an, ist physikalisch jedoch korrekt. Die wechselseitige Verlangsamung steht im Einklang mit dem Relativitätsprinzip, das besagt, dass alle Beobachter, die sich mit konstanter Geschwindigkeit zueinander bewegen, völlig gleichbereichtigt sind - sie befinden sich jeweils in einem Intertialsystem (Bezugssytem).
Das Paradoxon beruht auf der intuitiven, aber unzulässigen Annahme über das Wesen der Zeit, z.B. der Gleichzeitigkeit. Die Zeit ist jedoch relativ, eine der Kernaussagen der speziellen Relativitätstheorie von Einstein. Mit der oben schon angesprochen Zeitdilatation können die Zeit vom einen in das andere Inertialssystem umgerechnet werden. Da die Zeitdilatation jedoch sysmmetrisch ist, sehen beide die Uhr des Anderen langsamer laufen.
Aufgelöst haben das Zwillingsparadoxon anfang des letzten Jahrhunderts Paul Langevin und Max von Laue. Bis zu ihnen hatte nämlich keiner den Richtungswechsel am Umkehrpunkt der Reise berücksichtigt. Durch diese Umkehr sind beide Zwillinge nämlich nicht mehr gleichwertig, da ein Beobachter sein Inertialsystem wechselt. Dadurch ändert sich für ihn die Beurteilung der Gleichzeitigkeit. Für den anderen Zwilling, der Zuhause geblieben ist, ändert sich nichts, sodass bei diesem die Betrachtung der reinen Zeitdilatation das richtige Ergebnis liefert.
Hierbei spielt es auch eine Rolle, dass durch die hohe Geschwindigkeit die Längenkontraktion berücksichtigt werden muss. Diese besagt, dass die Strecke, die der fliegende Zwilling zurücklegt, für den auf der Erde zurückgebliebenen kürzer ist.
Um das zu verdeutlichen, schauen wir uns mal folgendes Beispiel an (Variante ohne Beschleunigungsphasen):
Für eine Hin- und Rückreise mit 60 % der Lichtgeschwindigkeit zu einem Ziel in 3 Lichtjahren Abstand ergeben sich folgende Verhältnisse: aus der Sicht des Zwillings auf der Erde sind für Hin- und Rückweg jeweils 5 Jahre erforderlich. Der Faktor für die Zeitdilatation und die Längenkontraktion beträgt 0,8. Das bedeutet, dass der fliegende Zwilling auf dem Hinweg nur um 5 × 0,8 = 4 Jahre altert. Dieser erklärt sich diesen geringeren Zeitbedarf damit, dass die Wegstrecke sich durch die Längenkontraktion bei seiner Reisegeschwindigkeit auf 3 × 0,8 = 2,4 Lichtjahre verkürzt hat. Da nach seiner Einschätzung auf der Erde die Zeit auch langsamer verstreicht, scheint auf der Erde unmittelbar vor seiner Ankunft am fernen Stern lediglich 4 × 0,8 = 3,2 Jahre verstrichen zu sein. Während der Umkehrphase verstreichen aber auf der Erde seiner Ansicht nach zusätzlich 3,6 Jahre. Zusammen mit den 3,2 Jahren auf dem Rückweg sind also auch aus der Sicht des fliegenden Zwillings auf der Erde insgesamt 10 Jahre verstrichen, während er selbst lediglich 8 Jahre gealtert ist.
So, alles klar?