Die künftigen Ziele der bemannten Raumfahrt werden derzeit in den USA entschieden. In Europa scheint man zufrieden, wenn es gelingt die eigenen Raumfahrteinrichtungen zu unterhalten. Die Russische Föderation und ihre Nachbarn sehen sich eher als Dienstleister in Sachen Raumfahrt die auf Aufträge warten und in den asiatischen Staaten und Indien wird die Diskussion noch nicht in aller Öffentlichkeit geführt. Gleichzeitig haben sich die USA ihren Führungsanspruch in der Luft- und Raumfahrt selbst per Gesetz verordnet. Dazu reicht der finanzielle Einsatz alleine nicht. Es heißt auch erfolgreiche Programme durchzuführen.
Dabei genügt es wohl nicht die verfügbaren Bausteine entsprechend der mehrheitlichen Meinungen aneinanderzureihen. Die Optionen der Raumfahrt werden zu allererst von den Möglichkeiten der Ingenieurkunst und Wissenschaft bestimmt. Der Erfolg von Apollo, der einst einen gewaltigen Anschub für die USA bedeutete, war in Wirklichkeit ein Seilakt für Wissenschaft und Technik, der von der Begeisterung aller derer getragen wurde, die aktiv beteiligt waren. Wenn Politiker heute von Visionen sprechen, meinen sie schließlich genau das. Sie würden sich gerne mit einem Ziel identifizieren, für das sich Viele mit Begeisterung und jenseits des Alltagtrotts einsetzten würden. Mit einer Begeisterung einsetzten würden, die nichts mit Pflichtthemen wie Gesundheitsreformen und Vollbeschäftigung zu tun hat.
Die Raumstation hat inzwischen einen ähnlichen Status wie einst Apollo erreicht. Das Programm ist nahezu fertig und man könnte jetzt die Ergebnisse all der Anstrengungen nutzen. Es scheint aber auch ein ähnliches Problem wie bei Apollo zu geben. Der weitere Unterhalt des Programms wird nur wenig kostengünstiger als die Einrichtung und es fällt schwer das notwendige Geld diesseits der Visionen und der Begeisterung aufzubringen. Also hat ein Tauziehen um neue Visionen begonnen.
Der Bereich in dem Leben in unserem Sonnensystem möglich sein könnte, reicht etwa von der Bahn der Venus bis zum Asteroidengürtel hinter der Marsbahn. Die Venus selbst ist dabei äußerst unwirtlich und größere Asteroiden oder kleinere Monde könnten allenfalls ob deren prospektorischer Möglichkeiten von Interesse sein. Nach heutigen Erkenntnissen lohnt sich die Suche nach Rohstoffen aber allenfalls für eine Verwendung vor Ort, da die Transportkosten jeden möglichen Erlös weit übersteigen würden. Es bleiben neben künstlichen Raumstationen unser Erdmond und unser Nachbarplanet Mars. Der Stand der Diskussion scheint also, wie es mit der Raumstation weitergeht, ob man zum Erdmond fliegt oder ob man den Mars erkundet. Gute Karten hat dabei der Mars, da er am ehesten die Faszination des „Neuen“ besitzt.
Seit Apollo hat man konkrete Vorstellungen um die erfolgreiche Bewältigung interplanetarer Flüge. So war es auch das Apollo-Team, das erste Konzepte für eine Marsreise entwickelte. Die Essenz fasste Ernst Stuhlinger vor einigen Jahren zusammen: „Die scheinbare Leichtigkeit, mit der das Saturn Apollo Projekt gelang sollte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass ein Marsprojekt eine völlig andere Größenordnung darstellt. Die Strecke, die von den Marsfahrern selbst bei einem idealen Antrieb zurückgelegt werden muss, ist etwa eintausendmal so lang wie die Strecke, die die Mondfahrer zurücklegten! Dies ist das Verhältnis einer Reise von Peenemünde nach Zinnowitz zu einer Reise von Peenemünde nach Rio de Janeiro in Brasilien! Man möchte wirklich allen, die leichtfertig über eine Mars Reise sprechen, diesen Unterschied zwischen Mond und Mars in aller Deutlichkeit zur Kenntnis bringen!“ In der Folge plädiert er für leistungsfähige elektrische Antriebe, die unter Vernachlässigung der Hohmannschen Bahnen eine Reise zum Mars und zurück innerhalb eines Jahres erlauben würden. Dazu würden der Start von der Erde und die Rückkehr mit einem eigenen wieder verwendbaren Transportsystem, eventuell ähnlich dem ALSV-Vorschlag des Boeing-Konzerns und der Umstieg der Besatzung in ein entsprechendes Marsschiff in der Erdumlaufbahn gehören.
Während zwischenzeitlich, innerhalb der Space Exploration Intitiative des ersten Präsidenten Bushs, ganze Marsflotten vorgeschlagen wurden, gelang es schließlich Robert Zubrin ein Minimalprogramm auszuarbeiten. Mars Direkt beschreibt konventionelle chemische Trägerraketen, die den Treibstoff für die Rückreise aus der Marsatmosphäre gewinnen müssen. Ein ineinandergreifendes System von Flügen würde es dann einer Besatzung erlauben nach etwa zweieinhalb Jahren zur Erde zurückzukehren.
Da aber auch künftige Raumfahrtprogramme nur über endliche Mittel verfügen werden, steht scheinbar ein Weiterbetrieb der Raumstation, eine Mond- oder eine Marsmissionen in direkter Konkurrenz. Zudem stellt sich die Frage, ob der künftige Einsatz von Verlustträgern, zu deren Familie im Prinzip auch das Shuttle zählt, wiederum das bekannte Problem aufwerfen würde: Wenn ein Projekt, ob nun zum Erdmond oder zum Mars, soweit fertig wäre, warum es dann zu ähnlichen Kosten weiter betreiben, oder aber wie das Interesse dafür aufrecht erhalten?
Der eigentliche Kostenfaktor ist der Raumtransport. Das US-Shuttle hat gezeigt, dass es keine kosteneffizienten universellen Transportmittel gibt und auch Ares I wird mit dem Mannschaftsmodul, dem Servicemodul und dem Rettungssystem keineswegs günstiger als das Shuttle fliegen. Seine Nutzlast beträgt vielleicht 1/10 der des Shuttle wobei die Startkosten, spätestens seit der erforderlich gewordenen Bergung der Kapsel aus der See, diesen Anteil übersteigen werden. Müssen deshalb aber das Transportkonzept für eine Raumstation, für den Erdmond oder den Mars in Konkurrenz stehen? Ist es wirklich zu schwierig sich programmübergreifende Transportsysteme vorzustellen, welche die verschiedenen Aufgaben der unterschiedlichen Programme mit maßgeschneiderten Lösungen versorgen? Beispielsweise ein Raumflugzeug für den regelmäßigen Betrieb bis in den Erdorbit, einen Schwerlastträger für den Transport von Raumstationen, Habitaten, Anlagen und interplanetaren Raumschiffen und schließlich interplanetare Raumschiffe selbst?
Das ist kein neuer Ansatz und beschreibt nur das, was man aus dem Apollo-Programm als Erkenntnis gewonnen hatte. So hatte auch die russische Raumfahrt aus den Erfahrungen mit Buran ein neues Konzept ähnlich Boeings ALSV, allerdings mit deutlich mehr Nutzlast, entwickelt. Ist es heute zu unbequem alte Schubladen aufzuziehen, ist es eine Prestigefrage oder was ist es? Der Pfad für erfolgreiche Raumfahrtprogramme ist sehr schmal und erlaubt keine x-beliebigen Randbedingungen. Es besteht aber auch keine Notwendigkeit, dass sich der Betrieb der ISS, Erdmond- und Marsmissionen finanziell gegenseitig ausschließen müssen. Die Vision ist die Erkundung des Weltalls. Es bleibt die Entscheidung Präsident Barack Obamas die dazu notwendigen Dollar für den US-Amerikanischen Anteil bereit zu stellen und für die erfolgreiche Umsetzung zu sorgen.