Marsflug, Marsbasis

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Offline Klakow

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1425 am: 18. April 2017, 22:52:11 »
Nun ich gebe dir schon recht, nur was willst du den machen, gerade bei diesen Themen passiert immer noch sehr wenig,
besser kann das nur werden wenn mehr Forschungsergebnisse vorliegen.
Leider ist es aber so das hier immer noch ein riesiger Mangel  herrscht, derzeit ist man nicht mal in der Lage alle Bilder zu übertragen, wegen der immer noch lausigen Bandbreite.
Nach meiner Info sind nur ca. 4 oder 5% der Oberfläche Fotografisch in HD zur Erde übertragen, das ist zwar schon zum Teil sehr interessant, aber was ist mit dem riesigen Rest, kommt der 2050+x ?
Bei anderen Untersuchungen ist es vermutlich noch schlimmer.
Ich debattiere gerne über echte Nachrichten, aber da ist zu wenig da.

Schneefüchsin

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1426 am: 19. April 2017, 00:02:17 »
....
Die von mir erwähnten Dinge, vor allem die Stromleitungen aus Grafit sind verrückt, ich weiß. Es ging mir auch nicht darum, das es so gemacht werden soll oder einfach ist. Einiges davon währe so wohl sogar komplizierter. Meine Hauptaussage ist dabei, dass wir uns nicht immer daran orientieren sollen, wie etwas auf der Erde gemacht wird, sondern was auf dem Mars ginge, auch wenn man eingeschränkt ist.
Beispiel von der Erde: Wir verwenden einiges an Gold in Elektronik. Wenn wir es übertreiben wird es noch knapper und noch teurer, bis es sich lohnt auf eigenschaftsmäßig schlechtere Materialien auszuweichen, von denen halt mehr verbaut werden muss um die gleiche Wirkung zu erreichen. Kupfer, selbes Spiel.

Zur Sicherung von Wasser geht wohl wirklich nichts über einen Rover, der Testbohrungen macht und ein Gebiet erst akzeptabel ist, wenn an vielen Punkten Wasser nachgewiesen wurde. Natürlich so, dass sich ein größeres Wasserlager abzeichnet und nicht nur verteilte Pfützen.
Zusatzbedingung für eine erste Basis ist natürlich genügend Sonnenlicht für die Stromversorgung.

Grüße aus dem Schnee
« Letzte Änderung: 19. April 2017, 07:23:13 von Pirx »

tonthomas

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1427 am: 19. April 2017, 07:28:14 »
Zur Beachtung: Wir möchten nicht, dass in Fach-Threads darüber diskutiert wird, warum ein Moderator einen Thread öffnet oder schließt. Dafür gibt es Kritik und Anregungen im Bereich Allgemein / Schwarzes Brett. Bitte nehmt Rücksicht auf diejenigen, die in Fach-Threads eine Fachdiskussion vorfinden und führen wollen.

Pirx

Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1428 am: 19. April 2017, 09:26:01 »
Meine Hauptaussage ist dabei, dass wir uns nicht immer daran orientieren sollen, wie etwas auf der Erde gemacht wird, sondern was auf dem Mars ginge, auch wenn man eingeschränkt ist.

Das löst aber das Problem nicht. Wenn eine Station sich selbst versorgen kann, wird das ohnehin nur (!) mit Abstrichen bzw. Einschränkungen gehen. Es können sich die Leute auf den Kopf stellen, aber ich behaupte eine autarke Kolonie ist (unabhängig der vorhandenen Ressourcen) auf absehbare Zeit nicht möglich. Auf dem Mars wird immer die neueste Technik verbaut werden. Man wird dort nicht mit Bauteilen/Komponenten mit integrierten Ursuppen-Schaltkreisen aus den 60er Jahren bauen, nur damit die Station diese irgendwann einmal selbst herstellen kann, bzw. man sogar seine Schaltkreise selbst drucken kann.
Jeder sollte mal bei Wacker in Freiberg eine Betriebsführung machen, um zu sehen wie großindustriell, energiefressend und hochkompliziert alleine der Weg ist, um aus (übrigens auch nicht jedem) Sand PV-grade-Polysilizium oder monokristallines Silizium für Chips herzustellen.

Unseren heutigen mikroelektronischen Stand haben wir über beinahe 60 Jahre der technologischen Entwicklung (mit jährlich Zehntausenden an Mannjahren) alleine für die  hochkomplexen Fertigungsschritte erhalten. Gleichzeitig (!) wuchs in gleicher Geschwindigkeit und mit noch mehr Manpower ein kompletter und sogar noch komplexerer Industriezweig heran, der die Anlagen schuf, die diese mikroelektronischen Bauteile überhaupt erst fertigen können. Darin verbaut: Die mikoelektronischen Bauteile der jeweils aktuellen Generation. Ich habe lange genug in der Halbleiterfertigung gearbeitet, um deren Monstrosität zu kennen. Wenn man das alles (Siliziumproduktion, Halbleiterfertigung, Anlagenindustrie) auf den Mars transferieren möchte, hätte man bereits eine Megacity.
Und wenn man sagt, dann eben einfachere Bauteile, die man sich zur Not auch einfach herstellen (z.B. drucken) kann, dann wars das halt mit leistungsfähiger und hochkomplexer Elektronik. Zurück in die 70er? Was ist dann mit elektronischen Ersatzteilen für die bestehende Technik der Station?
Kommen wir nun zum Flachbildschirm bzw. Displaytechnik....

Worauf ich hinaus möchte: Ich empfinde das Thema Autarkheit beinahe als Metathema. Daher auch meine vielleicht übetriebene Reaktion gestern. Es wird immer so leicht dargestellt, aber das ist es nicht. Niemand kann heute sagen wann und ob überhaupt eine Zivilisation autark irgendwohin übersiedeln kann, ohne ihren technologischen Stand beträchtlich einzubüßen und das Rad zweimal entwickeln zu müssen. Für letzteres wären die Bedingungen auf einem lebensfeindlichen Planeten wie man sich denken kann eher ungünstig.
Dann kann man gleich über Zukunftsprojekte wie das dieses Jahr verkündete Mars-City-Projekt für 2117 der Vereinigten Arabischen Emirate oder das Projekt "100 Year Spaceship" sprechen.
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Offline Klakow

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1429 am: 19. April 2017, 10:14:54 »
Das eine komplett unabhängige Kollonie sicher nicht mit 1000 Leuten auskommt ist klar, da werden eher 100.000 Menschen benötigt und schnell geht das auch nicht.
Am wichtigsten ist es erstmal die benötigte Transportmasse pro Marsianer zu verringern.
Genau dieser Punkt ist sogar überlebenwichtig und dazu muss man versuchen am best möglichen Platz zu starten.
Dieser mag Wissenschaftlich vielleicht eher uninteressant sein.
Deine Aussage wegen Technologie von 1970 stimme ich dir aber nicht zu, man wird sicher nicht eine Chipfabrik für 10nm aufbauen können, aber mit dem Entwicklungsstand von heute sollten kompackte Anlagen für 100nm schon machbar sein.
Typisch ist das man mit den heutigen Erkenntnissen selbst ältere Verfahren erheblich besser ausführen kann.
Eine Sache die mir die letzten Tage durch den Kopf geht ist das benötigte Personal um all die Aufgaben zu bewältigen,  hier wird wohl von Anfang an ein sehr hoher Automationsgrad benötigt damit die Siedler in die Lage kommen überhaupt zu überleben.

Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1430 am: 19. April 2017, 10:42:18 »
Deine Aussage wegen Technologie von 1970 stimme ich dir aber nicht zu, man wird sicher nicht eine Chipfabrik für 10nm aufbauen können, aber mit dem Entwicklungsstand von heute sollten kompackte Anlagen für 100nm schon machbar sein.

Da täuscht du dich leider. Eine 10nm-Fab sieht für Laien aus wie eine 100nm-Fab (eigentlich 90nm), die Anlagen sind gleich groß nur weniger mächtig. Die Anzahl Prozessschritte in der Wertschöpfungskette beträgt vielleicht ein Viertel weniger, weil die Lithografie bei weitem nicht so komplex ist, aber es ändert sich ansonsten nichts. Die Anlagen und der fertigungstechnische Aufwand bleiben grob betrachtet hochkomplex. Wenn richtig einfachere Schaltkreise  gefertigt werden sollen, muß man zu Technologiegenerationen zurückgehen, für die heute keiner mehr Verwendung hat.

Zitat
Typisch ist das man mit den heutigen Erkenntnissen selbst ältere Verfahren erheblich besser ausführen kann.
Dann geh doch mal jemand zu Samsung und sagt denen die sollen bis Ende des Jahres einen VHS-Videorekorder bauen. Die müssten sich das Know-How neu erarbeiten.
Was ist mit der Saturn V? Haben es SpaceX und BO aufgrund des heute verfügbaren Wissens bei einem neuen Superschwerlastträger tatsächlich so viel einfacher?
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Offline Klakow

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1431 am: 19. April 2017, 12:28:27 »
Es ist schon klar das niemand mehr einen VHS Recorder bauen würde, die Frage ist nur wie man mit dem heutigen Stand von Erkenntnissen handhabbare Verfahren für einen Ausenposten der Menscheit bauen kann ohne das dazu, um eine Zahl zu nennen, dafür erst 10 Millionen Menschen dort leben müssen?
Mir ist schon klar das es nicht ohne eine größere Anzahl geht, aber wie könnte dies gestalltet werden?

Schneefüchsin

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1432 am: 19. April 2017, 12:59:54 »
Da habt ihr aber Glück, dass heute keiner mehr einen VHS-Recorder herstellen würde. In Japan wurde bis etwa Mitte letzten Jahres 750.000 Stück pro Jahr hergestellt.

Auch müsste man sich das Know-How nicht neu erarbeiten. Dieses wäre ja schon vorhanden.
Ein großer Teil der 60 Jahre Computerentwicklung entfällt eben auf die Entwicklung des Wissens, wie etwas geht.

Doc Hoschi, du magst recht haben, das die gesamte Prozess- und Zulieferkette für eine Prozessorfabrik einer kleinen oder vielleicht auch größerer Stadt entspricht. Allerdings stellt diese Prozesskette Unmengen Prozessoren her. Auf dem Mars wäre der Bedarf deutlich geringer, weswegen die benötigte Menge an Anlagen reduziert und verkleinert werden kann. Wie viel, weiß ich auch nicht.

Dass nicht aus jedem Silicatsand auf der Erde reines Silizium gemacht wird, liegt nicht daran, das es nicht geht, sondern das der Aufwand bei bestimmten Silicatsand-Arten geringer ist und die Maschinen darauf spezialisiert sind (Fachidioten).
Übertragen auf dem Mars wäre die Rohmaterialproduktion wohl ein Fall für Laboranten, um sich den Gegebenheiten anzupassen und da spezialisierte Ausrüstung für die relativ geringen Mengen sich wohl auch kaum lohnen würde.

Prozessoren und Computerequipment wären wohl auch mit die letzten Teile die dort hergestellt werden würden. Ein Zwischenschritt wäre wohl, das Dinge wie Prozessoren und so weiter geliefert werden und Gehäuse und ähnliches vor Ort hergestellt werden, um die Transportmasse zu senken.

Grüße aus dem Schnee

Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1433 am: 19. April 2017, 15:49:20 »
Da habt ihr aber Glück, dass heute keiner mehr einen VHS-Recorder herstellen würde. In Japan wurde bis etwa Mitte letzten Jahres 750.000 Stück pro Jahr hergestellt.
Ich hatte ja auch nicht die Behauptung aufgestellt, dass derartige Geräte nicht mehr gebaut werden, sondern vielmehr, dass Samsung diese nicht mehr baut und sich erst wieder rantasten bzw. ein Zulieferernetz für Komponenten neu aufbauen müsste. Hintergrund war, dass man mit heutigem Wissen nicht automatisch veraltete, ehemals beherrschte Herausforderungen problemlos in den Griff bekommt. Dass in Japan zuletzt tatsächlich noch so viele hergestellt wurden....krass.
 
Allerdings stellt diese Prozesskette Unmengen Prozessoren her. Auf dem Mars wäre der Bedarf deutlich geringer, weswegen die benötigte Menge an Anlagen reduziert und verkleinert werden kann.
Danke, darauf kam ich noch gar nicht zu sprechen. Moderne Schaltkreise mit ihren bis zu 13 Verdrahtungsebenen (natürlich nur bei Prozessoren) können nicht seriell bzw. einzeln gefertigt werden. Alle Anlagen und Prozesse sind auf die Scheibenprozessierung und somit auf Durchsatz ausgelegt. Uns fehlt schlicht die Technologie einzelne Chips bei Bedarf herstellen zu können. Natürlich wurden schon kleinste Leiterbahnen vielfach einzeln geschrieben, natürlich wurden auch schon (simple und grobe) Schaltkreise gedruckt......aber das hat alles nichts mit der Komplexität moderner Logik- und Speicherbausteine zu tun, wie sie in unseren Geräten nun einmal überall verbaut sind. Vielleicht erfindet ja mal jemand einen Replikator...;)

Prozessoren und Computerequipment wären wohl auch mit die letzten Teile die dort hergestellt werden würden. Ein Zwischenschritt wäre wohl, das Dinge wie Prozessoren und so weiter geliefert werden und Gehäuse und ähnliches vor Ort hergestellt werden, um die Transportmasse zu senken.
Und eben darauf wollte ich hinaus: Es lässt sich nicht vermeiden, dass manche Dinge noch längere Zeit geliefert werden müssten, aber unabhängig auf eigenen Beinen zu stehen, das ist eine ganz schön harte Nuss. Freilich darf die Message jetzt auch nicht sein: "Dann klappt das ja nie". Irgendwann wird das klappen, nur wird das in meinen Augen ein sehr langwieriger Prozess sein.
 
 
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1434 am: 19. April 2017, 16:19:12 »
EDIT: ich merke gerade während ich das schreibe haben andere schon ganz ähnliche Argumente gebracht :) Ich lasse es einfach trotzdem mal so stehen.

Super interessant hier mit zu lesen. Eine Sache von mir noch:

Unsere Industrie ist so groß und so komplex, weil sie auf Effizienz und auf niedrigste Kosten pro Teil optimiert ist. Wenn man bereit ist sehr viel ineffizienter zu arbeiten kann man auch relativ einfachen Mitteln recht erstaunliche Dinge leisten und viele Dinge selber bauen. Prozessoren gehören nicht dazu, das ist aber auch nicht schlimm, denn sie wiegen ja kaum was und halten lange. Viel wichtiger sind Verschleißteile wie Dichtungen, Pumpen, Gelenke, Reifen, Filter und natürlich Lebensmittel. Danach kommen Kleidung, Antriebe, Medizinische Geräte, usw. und dann die Gebäude selbst.

Ein schöner Versuch so etwas auf der Erde umzusetzen sind Open Source Ecology, eine Gruppe von Leuten, die versuchen alle Technik, die man für ein Leben mit modernen Annehmlichkeiten braucht selbst nachzubauen. Sie gehen dabei extrem Modular vor, d.h. sie versuchen z.B. wenn möglich eine standardisierte Antriebseinheit für Dinge wie Traktoren, Häckseler, Pressen, Zementmixer usw zu verwenden, sodass man alles was Drehung benötigt mit dem selben Teil betreiben kann. Das ist alles weit davon entfernt perfekt zu sein, aber es gibt vielleicht eine Idee dafür, was alle möglich ist. Hier eine Liste mit den bis jetzt entwickelten Maschinen mit frei lizensierten Bauplänen. Ich glaube Modularität und einheitliche Standards sind in so einer Gegend wie dem Mars überlebenswichtig. Man kann sich einfach nicht leisten, dass Dinge wie Schläuche und Kabel nicht überall gleich verwendet werden können.

Niemand ist eine Insel, auch keine Marskolonie. Ich denke auch falls irgendwann Milliarden von Menschen auf dem Mars wohnen wird trotzdem noch Handel mit anderen betrieben, einfach weil Menschen sich spezialisieren und unterschiedliche Umgebungen unterschiedlich gut für verschiedene Dinge sind. Auch schon 80% Autark zu werden wäre eine enorme Leistung.

Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1435 am: 19. April 2017, 17:21:26 »

Niemand ist eine Insel, auch keine Marskolonie. Ich denke auch falls irgendwann Milliarden von Menschen auf dem Mars wohnen wird trotzdem noch Handel mit anderen betrieben, einfach weil Menschen sich spezialisieren und unterschiedliche Umgebungen unterschiedlich gut für verschiedene Dinge sind. Auch schon 80% Autark zu werden wäre eine enorme Leistung.
80% gemessen an was? Masse? Artikel?  Ich würde da Masse als das wichtigere ansehen. Und was das angeht, ist es schon ein bisschen leichter, den Massemäßig wären die menschlichen Grundbedürfnisse (atembare Luft, Wasser, Nahrung) der größte Teil, während diese Dinge zugleich relativ leicht machbar sind.

Hochentwickelte Computerchips würden natürlich auch bei einer entschiedenen Kolonialisierung noch lange von der Erde kommen, aber solange die Grundbedürfnisse gedeckt sind und die Möglichkeit der Expansion besteht kann man nach und nach die Masse an Versorgungsgütern die hingeschickt werdne müssen reduzieren.
Raumfahrt ohne Vision ist nichts. Also lasst uns das Unmögliche wahr werden!

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Offline Terminus

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1436 am: 20. April 2017, 08:33:10 »
Da habt ihr aber Glück, dass heute keiner mehr einen VHS-Recorder herstellen würde. In Japan wurde bis etwa Mitte letzten Jahres 750.000 Stück pro Jahr hergestellt.

Herstellen != Entwickeln...

Wahrscheinlich sind die Leute, die die seit Jahrzehnten bewährten Komponenten bis letztes Jahr noch in Großserie herstellten, längst nicht mehr mit denen identisch sind, die sie einst entwickelt haben. Wenn sie bei null anfangen müssten, würden sie dann ganz schön rudern.

Analog würden auch heutige Fachleute sich einiges neu erarbeiten müssen, wenn sie in 70er-Jahre-Elektronik auf dem Mars neu anfangen müssten, das glaube ich auch.

Ich habe neulich gelesen, dass es vor Jahrhunderten eine Technik gab, echten, teuren Marmor durch Anrühren eines sehr speziellen "Steinbreis" nachzuahmen. Stuckmarmor nennt sich das. Heute kann das aber kaum noch jemand. In den Achtzigerjahren (?) sollte der Dresdener Zwinger mal renoviert werden. Dafür musste Stuckmarmor neu angefertigt werden. Äh... ja. Es wäre billiger gewesen, echten Marmor zu nehmen, aber weil der wiederum etwas anders aussieht als Stuckmarmor, half nachher alles nichts, es mussten extra Leute in dieser uralten Technik neu ausgebildet werden.

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Offline Klakow

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1437 am: 20. April 2017, 09:31:52 »
Das Problem einer Herstellung auf dem Mars, wird nicht darin bestehen zu Wissen wie es gemacht wurde, sondern wie groß der Baum an Vorbedingungen ist der nötig ist damit z.B. eine CPU hergestellt werden kann.
Andere Dinge werden erstmal ungleich schwerer machbar sein, z.B, Stahlproduktion und Walzwerke, schon deswegen weil die Machinen riesig sind und man auch keine passende Atmosphäre zur Kühlung hat.
Das wichtigste wird neben möglichst frei zugänglicherm Wissen, eine schnelle Reduktion des Transportes von Materialien die eher einfach herzustellen aber sehr hohe Massen haben,
Wasser
Luft
Lebensmittel
Treibstoff + LOX
Baumaterial aus Sand und Steinen
Kunststoffe für 3D Druck und Spritzguss
Ich halte einen Masseanteil von über 99% für sehr leicht erreichbar und das schon mit 500 Leuten. Der Rest wird immer härter zu reduzieren sein.

Schneefüchsin

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1438 am: 20. April 2017, 12:19:36 »
Im Bereich Metallurgie sind Walzverfahren nicht unbedingt nötig. Gießen geht mit entsprechenden Metallen auch und auf diese müsste man sich umstellen, solange keine Walzen hergestellt wären.
Große Walzwerkanlagen sind auch wieder ein Fall von Massenfertigung.
Übrigens Stahlproduktion und ähnliche Metallproduktion ist auch eher einfach, solange man die Abwärme kontrolliert bekommt. Man braucht hierfür auch keinen Brennstoff, sondern nur Strom, wenn auch wirklich viel davon.

Allgemein ist es auch so, dass Massenfertigungsverfahren bei einer Kolonie, die Autarkie anstrebt nicht übernommen werden müssen, sondern entsprechende Einzelfertigungsverfahren dafür genutzt werden müssen. Diese können auch auf der Erde entwickelt werden.

Falls besonders schweres Gerät doch mal nötig sein sollte steht auch die Möglichkeit, solche Geräte vor Ort herzustellen. Zb: Walzwerk-Walzen oder Brennöfen.

Grüße aus dem Schnee

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Offline Klakow

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1439 am: 20. April 2017, 12:39:57 »
Ich habe mit Walzwerken fast 11 Jahr zu tun gehabt und der Punkt ist das Walzstahl außergewöhnliche Eigenschaften haben kann, man braucht zwar nicht unbedingt 5,5m breite Bleche, aber ganz ohne diese wird es schwer. Viele Bauteile wird man vermutlich gut gießen können, aber gerade hochbelastetd vermutlich nicht.

Schneefüchsin

  • Gast
Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1440 am: 20. April 2017, 12:55:35 »
Dann stelle ich mal die Frage, wo bräuchte man hochbelastbare Materialien, die man nicht auch durch andere ersetzen könnte, die entsprechend massiver gebaut werden?

Einzig Raketen fallen mir ein, da sie leicht sein müssen, nur sind diese selbst für eine luxuriöse Kolonie nicht nötig.

Für dünne Bleche reichen auch entsprechend kleinere Walzen, die auch vor Ort gegossen und überfräst/gedreht, spannungsgeglüht und aufgehärtet werden können.

Grüße aus dem Schnee

Offline rok

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1441 am: 20. April 2017, 13:20:09 »
Walzstahl und Gussstahl haben nicht viel gemeinsam außer einer ähnlichen chemischen Zusammensetzung, alles was aus Stahlblech gefertigt wird kann man nicht als Formstahl gießen. Schlag mal mit einem Hammer auf Blech, dann gibts ´ne Beule, bei Guss hast du Bruch. Natürlich kann man Guss durch Zuschläge und Ausglühen walzbar machen, aber das erfordert viel Energie und ist unter einer bestimmten Mindestgröße nicht zu machen. Na gut, im Mittelalter gab es mal Hammerwerke, die mit Wasserkraft betrieben wurden...

Robert

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Offline Sensei

  • Raumcon Moderator
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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1442 am: 20. April 2017, 15:53:35 »
Zitat
Ich halte einen Masseanteil von über 99% für sehr leicht erreichbar und das schon mit 500 Leuten. Der Rest wird immer härter zu reduzieren sein.

+1
--

^^
Es bringt wenig hier weitläufig zeigen zu wollen dass 100%ige autarkie sehr schwierig wird: Das wissen wohl alle informierten Diskutanten und das ist auch gar nicht das Ziel der Sache.
Gerade einzelne  integrierte Schaltkreise sind wohl das ende der Fahnenstange der Autarkie und es sollte kein problem sein einige tausend oder gar zehntausende davon zum Mars zu bringen ;)

Ich finde eh dass hier etwas falsch diskutiert wird und viel zu vieles in einen Topf geworfen wird.
Grundsätzlich sollte man hier zumindest drei komplett unterschiedliche Entwicklungsstufen (mit ganz unterschiedlichen Anforderungen, Möglichkeiten und Zeithorizonten) einer Marsbasis unterscheiden:

1. Erste bemannte Basen bis zum Aufbau einer längerfristigen Treibstoffproduktion (Spaceport):
- Ausbau der Basis nur durch von der Erde eingeflogene Hardware.
- Verwertung Mars CO2


2. Basen, die leicht erreichbare Ressourcen verwerten.
- Marsatmosphäre wird verwertet um Sauerstoff zu gewinnen. Eventuell wird auch schon leicht zugängliches Wasser für die Crew extrahiert.

3. Vielgestaltige Ressourcengewinnung auf dem Mars. Rohstoffe werden nicht mehr nur an einem Ort und nicht mehr nur an der Oberfläche gewonnen.

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Offline Klakow

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1443 am: 20. April 2017, 17:04:37 »
Es wird sicher keine bemannten Missionen ohne Treibstoff Herstellung geben, weil dies einfach nicht finanzierbar ist, zumindest nicht mit derzeit realisierbaren Konzepten. Zur Not könnte man vielleicht nur LOX aus dem CO2 produzieren,  aber selbst dann bleiben die Konzepte sehr Teuer und man wird nur ganz kleine Teams hinschicken können.
Bevor man sowas macht, wäre es besser beim Eis der Pole zu landen um an das Wasser sicher dranzukommen. Man würde zwar einen Kernreaktor zur Energieversorgung benötigen aber mit dem Nutzlastgewinn wäre das sehr viel besser.

Zum Teama Stahl: da hat rok vollständig Recht, Gus wird kein Stahl. Stahl kann je nach Sorte sehr positive Eigenschaften aufweisen, z.b. für hochbelastete Lager oder Rohre, man kann zwar auch hier ein Komposit aus Kunststoffen und Stahl verwenden, diese haben dann allerdings oft nicht die Langlebigkeit.
Vermutlich wird eine Marskolonie kaum zu einer Wegwerfgesellschaft werden, was sehr interessant werden könnte wie sowas dann funktioniert.

Hendrik

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1444 am: 20. April 2017, 17:05:52 »
Prozessoren lassen sich importieren, die sind nicht schwer. Ein Supercomputer wäre noch nicht mal vor Ort notwendig, man kann Berechnungspakete zur Erde schicken und erhält das Ergebnis nach ein paar Stunden zurück.
Wichtig ist, dass man vor Ort Dinge produziert, die sich durch Masse und Volumen auszeichnen. Also Essen, Baumaterialien, Transportfahrzeuge, Kraftwerke, ....

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Offline Klakow

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1445 am: 20. April 2017, 19:35:30 »
Mikroprozessoren & Mikrocontroller sind wenn sie gut unterhalb ihrer maximalen Halbleitertemperatur betrieben werden auch sehr langlebig, das gilt leider für Leistungshalbleiter und daran angebaute Kondensatoren und Induktivitäten nicht unbedingt, da hier die Schaltvorgänge mechanische Belastungen verursachen was dann zu Brüchen führen kann.
Von der Masse und Volumen halte ich dies allerdings auch nur für recht bescheidene Größenordnungen.
Nach der Startphase mit vielleicht 5x26 Monaten, rechne ich das neben Menschen, Tieren und Pflanzen vor allem Maschinenteile mitgeschickt werden.
Die Hilfsstrukturen, wie Gehäuse usw. wird man vermutlich vor Ort mittels 3D-Druckern herstellen.
Interessant wird dabei werden was man macht um die dafür nötigen Rohmaterialien aus den Ressourcen vom Mars zu gewinnen.
Schade das dies noch einige Jahre dauern wird.

Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1446 am: 21. April 2017, 12:33:26 »
Überleitung von diesem Thema hier, da die von von tobi verlinkte Studie besser in dieses Thema hier passt.

Ich bin wie schon gesagt zum ITS Thema gesprungen, wo die Autoren von einem Direktflug absehen und die Großrakete lieber für den Bau eines Aldrin Cyclers nutzen wollen. (Was laut dem Vorwort sowieso der Ausgangspunkt dieser Studie war.)

Allerdings ist Pro/Contra  Direktflug/Cycler afaik fast schon eine Glaubensfrage bei den diversen Konzeptelagern.








Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1447 am: 21. April 2017, 15:32:13 »
Prozessoren lassen sich importieren, die sind nicht schwer.

Das bestreitet ja auch niemand, nur wurde diese Diskussion durch Post #1422 angestoßen, der sich mit dem Thema Autarkie befasste und dass diese sich nicht einfach nur durch das Vorhandensein aller relevanter Rohstoffe vor Ort ergibt, sondern über wahrscheinlich große Zeiträume erarbeitet werden muss, ist ein grundsätzliches Problem, auf welches ich hinweisen wollte.
Wenn man einmal 98% oder mehr der relevanten Materialien vor Ort gewinnen kann und nur noch 2% oder weniger von der Erde ankarren muss, dann wäre das bereits eine echt epische Leistung. Trotzdem ist die eigentliche Zielstellung des Vorhabens (welche u.a. auch von EM gerne zitiert wird) damit aber eben noch nicht erreicht: Eine Kolonie zu besitzen, die unabhängig von der Außenwelt ist und somit eine Versicherung gegen eine globale Katastrophe auf der Erde darstellt. Was helfen die 98% selbst hergestellten Güter, wenn die 2% Importabhängigkeit gerade auch auf längere Sicht absolut überlebensnotwendig sind?
Die unterschiedliche Lebensdauer diverser Bauteile ändert an diesem Problem eigentlich nichts, sondert verschiebt es nur, denn irgendwann geht auch das haltbarste Bauteil kaputt.

Die angesprochene (in mehrfacher Hinsicht hochinteressante) Analyse der Purdue Universität zu EMs Plänen, kommt ja auch zu dem Schluss, dass 1.000.000 Menschen innerhalb 100 Jahren nicht machbar sind und befasst sich dabei noch nicht einmal mit der Zielstellung "XX% Masseanteil müssen selbst gefertigt werden" bzw. möglichst autark zu sein. Dort geht es primär darum, Habitate und hydroponische Anlagen aufzubauen, sowie Wasser und vielleicht Stahl zu gewinnen, also das ganz grundsätzliche Überleben zu sichern.

Die Darstellung einer 1 Millionen Kolonie auf Seite 36 beschäftigt sich (in meinen Augen vollkommen zurecht) auch nicht mit so trivialen Dingen wie Solarzellen...da werden gleich mal die Atomreaktoren (auch ein versorgungstechnisches Thema) massenhaft ausgepackt, weil für eine größere Kolonie eben auch richtig Energie gebraucht wird.
Das gemäß dem Leitsatz "live of the land" von Robert Zubrin romantische Bild einer solarzellengespickten Station auf dem Mars, die sich zu 100% selbst versorgen kann, wird es eben in dieser Form, zumindest so schnell wohl nicht geben.
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

Offline tnt

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1448 am: 21. April 2017, 16:45:08 »
Atomenergie *Kopfschüttel*. Solarzellen sind viel billiger.

Aber das thema 100% ist recht kompliziert da mehrere Ebenen da einfließen. Die Frage ist ja auch ob 100% autarkie sich wirtschaftlich rechnen. Für viele Stoffe gibt es ja ersatzmaterialien bloß ist die Frage was billiger ist. Beispiel Kohleverflüssigung im 3. Reich; Klar ist öl billiger aber wenn man keins hat muss man halt ausweichen. Wird sich wohl in abgeschnittenen Kolonien ähnlich entwickeln.

McPhönix

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Re: Marsflug, Marsbasis
« Antwort #1449 am: 21. April 2017, 19:47:32 »
Ich rechne mal so -
- da ist die og. Kolonie mit dem sicher nicht geringen Energieverbrauch, der sich hier auch nicht irgendwie "verteilt", sondern in großem Maße für eine pre-industrielle Produktion da sein muß...

Die Entwicklung der Solarzellen hat irgendwo ein Ende. Da hilft auch Perovskit oder Materialien wie solche tollen Cocktails wie Cadmium-Tellurid oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid nix. Zur Herstellung der Letzteren brauchte man sowieso wieder eine hochentwickelte Industrie. Aber selbst wenn man sich also auf gängige Materialien wie Silizium beschränkt - sowas bastelt man nicht mal eben so im Labor, schon garnicht hektarweise.  Schon garnicht mit ca 30%, bei Mehrschicht auch nicht über 50% Wirkungsgrad.

Und jetzt nehmen wir also ein paar Hektar Solarzellen und werfen die einfach vor die Haustür und etwas Kabel hinterher. TaTaaa Licht ist am Fahrrad ;)

Nee warn Scherz. Die müssen schon anständig montiert und verkabelt werden. Auch wenn die Stürme vlt nicht so heftig sind. Kann leichter sein, aber ein paar Tonnen Gestelle und Kupferkabel (woher!) kommen da zusammen. Mit Kabel aus Kohlenfasern wird das nix. Nano oder Graphen wird auch nicht nebenbei zu machen sein.
Dazu dann die Energiezentrale. Es geht hier um Ströme im 100 Ampere Bereich. Da geht nix mit ein paar Schaltern und Sicherungen.
Regelmäßige Wartung und Säuberung muß auch im Dienstplan verankert sein. Es geht hier nicht nur um ein paar Quadratmeter. Damit einher geht ein gewisser Ressourcenverbrauch.
Und es geht eben nicht, sowas Stück für Stück immer den sich entwickelnden Möglichkeiten und der Größe der Kolonie entsprechend zu erweitern. Viele Dinge und Maschinerien müssen so bald wie möglich in einem Mindestbestand/größe vorhanden sein. Es wird nicht funktionieren : "Wir brauchen erstmal nur 3 Solarzellen, erst nächstes Jahr 3000".
Das gilt übrigens nicht nur für Solarzellen.

Kleine Atomreaktoren haben jedoch ein immenses Entwicklungspotential. Forciert noch dadurch, daß man auch im All größere Transporteinheiten nicht ewig mit Kerosin oder Methan betreiben kann und möchte. Was die Sicherheit betrifft - Was macht denn wirklich die Angst vor Atomreaktoren aus? Der erzeugte Strom? Wohl kaum. Es ist die Angst vor Terroristen, die für jemanden brauchbar sind oder die Angst vor Managern, die am falschen Ende sparen, wenns um Betriebssicherheit und Personal geht.

Und letztlich zeigt die Entwicklung der Technik ja auch - es gibt immer das Bestreben Dinge kleiner und kompakter zu machen. Sonst könnte man ja nach wie vor ein Haus voller Transistoren füllen, etwas schütteln und hätte einen Computer. Oder man würde noch mit dem DynaTac 8000 herumlaufen und telefonieren.
Letztlich sollte einem doch zu denken geben, daß das nicht nur wegen der Bequemlichkeit so ist. Sondern nicht zuletzt wegen der Material- und Energiersparnis. Von mancher erst dann möglichen Anwendbarkeit mal abgesehen.
Für einen Atomreaktor auf dem Mars ist also nur wichtig, Idioten und Extremsparer fernzuhalten.

Man kann also nicht sagen, das wird sich langsam entwickeln. Dazu fehlt die Zeit. Es gilt abwägen, was ist besser - etliche Tonnen mehr Transport oder langsame Entwicklung der Kolonie.

Denn die wichtigste für uns schon völlig selbstverständliche, oft genug gering geschätzte Ressource fehlt auf dem Mars - die irdische Umgebung. Psychologisch gesehen.