N'abend,
nachdem ich am Abend des Starts von STS-118 ohne groß nachzudenken schrieb, daß ich schon mal vom White Room aus in einen Shuttle hineinblicken konnte, hat ein Forist mich gebeten, darüber doch mal zu berichten. Okay, also dann:
Es war einmal vor langer, langer Zeit (1993), daß ich mich zusammen mit Firmen-und ESA-Kollegen am Cape aufhielt, wo wir im dortigen NASA-Headquarter (ist im Industrial Complex, weit weg von den Startrampen) Gespräche zur Nutzung eines zukünftigen europäischen Nachschubtransporters 8-) im Rahmen des geplanten US-Raumstationsprogramms abhielten.
Nett, wie die Amerikaner nun mal sind, bekamen wir 8 Besucher dann nach dem Mittagessen in der NASA-Kantine (Hamburger, nicht viel besser als bei McDagobert) eine spezielle Rundfahrt kredenzt, die uns u.a. ins VAB (nix drin, trotzdem toll, weil so gigantisch groß), ins Shuttle Launch Control Center (tote Hose, schwarze Bildschirme) und auf die Shuttle Landebahn (leer bis zum Horizont) führte.
Nun begab es sich aber, daß zu diesem Zeitpunkt gerade das Shuttle Columbia mit dem von uns Europäern gebauten Spacelab zur deutschen Mission D-2 auf der Rampe 39-A stand. Bis zum geplanten Start waren es noch mehrere Tage. Und es begab sich, daß unser "NASA-Führer" ankündigte, wir würden nun (vom VAB aus) zur Rampe fahren.
Für mich, der sich seit seinem 10.Lebensjahr, also seit 1960, mit Raumfahrt beschäftigte (erst als immer ernsthafteres Hobby, dann, nach dem entsprechenden Studium auch beruflich), war die ganze Rundfahrt natürlich ein echter Knaller. Einmal im VAB zu stehen, dort, wo die Saturn-V zusammengebaut worden war - das war schon toll. Und im Firing Room, dort, wo Wernher von Braun den Start von Apollo-11 beobachtet hatte....
Und nun fuhren wir also im Kleinbus die Straße neben dem Crawlerway entlang zur Rampe LC-39A. Ich fühlte mich fast wie Neil Armstrong!
Kurzer Stop an der Wache am Fuß der Rampe (dort, wo diesmal das Plakat hing "Go Endeavor!"
), dann fuhren wir die Schräge rauf bis zu dem Punkt, wo die Schienen der RSS den Abgasschacht überbrücken. Wow, was für ein Anblick: keine 20 m von der aufgebockten Startplattform entfernt, den Kopf im Nacken hinaufblickend zu dem aus dieser Entfernung riesigen Shuttle (die RSS war zurückgefahren) - g**l!
Und dann der Knüller, als unser Fremdenführer meinte, da ja nicht viel los sei, könnten wir ja mal zum White Room rauffahren! Aaarrghh……
Ich mußte noch etwas warten, denn "ESA people are served first". Also aufgeregt gewartet (hätte gerne eine geraucht, aber ging selbst 1993 aus verständlichen Gründen da nicht) und innerlich schmunzelnd die Touris beobachtet, die winzig klein auf der normalen Touri-Besichtigungstour von der Tribüne vorne an der Küste zum Shuttle herüberblickten. Dort hatte ich 2 Tage vorher auch noch gestanden!
Dann kamen die ESA's endlich wieder runter und wir waren dran. Super, die Fahrt mit dem Fahrstuhl war viel zu kurz! Man sieht den Shuttle zwar vom Fahrstuhl aus nicht, aber hier drin hatten schon die "Helden" meiner Jugend, wie John Young (den ich später auch mal kurz persönlich kennenlernte) ihre Reise in den Weltraum angetreten!
Dann waren wir oben (hab da nur 2 Mechaniker gesehen) und marschierten hinter unserem Fremdenführer her über die Gantry zum White Room. Gingen also genau den Weg, den vor 2 Tagen die STS-118 Astronauten gingen. Habt Ihr ja alle im NASA-TV gesehen, wißt also, wovon ich spreche.
Uff, ich habe doch Höhenangst, aber die Gantry war kein Problem, da ringsherum verkleidet. Aber es sieht verdammt hoch aus von da oben!
In meiner heutigen Erinnerung war der White Room viel kleiner, als man ihn im TV sieht. Aber wie gesagt, ist lange her, und da verblassen Erinnerungen. :'(
Kein Mensch außer uns da. "Safety" war damals noch nicht so großgeschrieben, es war ja noch 8 Jahre vor 9/11. Den White Room habe ich so ähnlich in Erinnerung, wie er im NASA-TV zu sehen war. Sauber, weiß, leer. Aber trotzdem spürte ich ein Kitzeln in der Magengrube, denn die Luke zum Shuttle stand offen (mehr vom Shuttle sieht man dort wirklich nicht, der Kragen vom W.R. liegt fest an), irgendwie einladend.
Ein kurzer Blick ins Innere, 10 sec, - alles dunkel, kaum was zu erkennen. All systems switched off!
Sorry, falls Ihr jetzt enttäuscht seid, aber nach 14 Jahren erinnere ich mich an viele Details auch nicht mehr. Es ging auch alles viel zu schnell. Vielleicht 4-5 min war ich insgesamt da oben, dann gings im Fahrstuhl auch schon wieder nach unten. Rein in den Bus und zurück zum NASA-HQ, zum nächsten "Meeting". Ich weiß auch schon gar nicht mehr, ob ein dicker Belüftungsschlauch durch die Luke ins Unterdeck führte.
Aber für mich als ewigem Raumfahrtfan war's trotzdem toll. Natürlich hätte ich die Führung viel lieber zu Apollo-Zeiten erlebt, wäre viel lieber die 100 m zur Apollo-Kapsel raufgedüst, aber es bleibt trotzdem ein einmaliges Erlebnis. Wenn auch manche Details schon von meiner biologischen Festplatte gelöscht und im Nirwana der Erinnerungen angekommen sind.
Out, Over, Roger, Peep.
Nachsatz: In meinem Arbeitszimmer hängen ca. 50 verschiedene Zugangs/Teilnahme-Badges aus meiner beruflichen Laufbahn, aber jenes in Plastik eingeschweißte vom April '93, daß mir Zugang zu LC-39, KSC Industrial Area und zum CCAFS Industrial Complex ermöglichte, hat einen Ehrenplatz.
Gruß
roger50
