Hallo,
Udo hat ja bereits weiter oben in dem Beitrag #5604 die derzeit erhöhten Tau-Werte im Operationsgebiet von Opportunity angesprochen...
Dieser Tau-Wert beschreibt die 'Lichtdurchlässigkeit' einer Atmosphäre, welche - in diesem Fall auf den Mars bezogen - von der Durchsetzung der Marsatmosphäre mit Staub und Wassereiskristallen bestimmt wird. Je mehr Staub sich in der Atmosphäre des Mars befindet, desto höher fällt dieser Wert aus und desto weniger Licht erreicht die Oberfläche des Planeten. Je niedriger der Tau-Wert ist, desto besser ist dies somit auch für den Energiehaushalt des ausschließlich mittels Sonnenenergie betriebenen Rovers.
Der Grund für den in den letzten Wochen registrierten Anstieg dieses Wertes findet sich in der Umlaufbahn, in der unser Nachbarplanet die Sonne umkreist und in den sich dadurch ergebenden Jahreszeiten...
Auf seiner sehr exzentrischen Umlaufbahn um die Sonne - der Wert der
Exzentrizität der Marsbahn beträgt 0,0935 und weist nach der Umlaufbahn des Planeten Merkur die größte aus dem Sonnensystem bekannte Abweichung einer Planetenbahn von der idealen Kreisbahn auf - durchlebt der Mars eine regelmäßig erfolgende Veränderung in der Dichte und Zusammensetzung seiner Atmosphäre. Der Grund hierfür :
Sobald auf einer der beiden Hemisphären des Mars der Winter einsetzt, friert das über dem betroffenen Pol in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid, welches mit einem Anteil von 95,32 Prozent den Hauptbestandteil der Atmosphäre bildet, aufgrund der damit verbundenen absinkenden Lufttemperaturen im großen Umfang aus der Atmosphäre aus und schlägt sich in Form von Trockeneisablagerungen auf der Oberfläche nieder.
Im Rahmen dieses Prozesses, welcher regelmäßig zu einer deutlichen Veränderung der Luftdruckwerte in der Marsatmosphäre führt, bildet sich über dem jeweiligen Polargebiet ein ausgedehntes atmosphärisches Tiefdruckgebiet, welches die Luft des Planeten regelrecht in die Richtung des betroffenen Pols 'ansaugt'. Mit dem einsetzenden Frühling erhöht sich die Lufttemperatur wieder und das zuvor im festen Zustand auf der Polarkappe abgelagerte Kohlendioxid geht erneut in den gasförmigen Zustand über, was eine erneut erfolgende Verdichtung der Atmosphäre über dem jeweiligen Pol zur Folge hat. Dadurch bildet sich jetzt über dem betroffenen Pol ein Hochdruckgebiet, welches die Luftmassen wieder in Richtung des Marsäquators schiebt. Hierdurch werden in den oberen Atmosphärenschichten des Mars unter bestimmten Bedingungen Windgeschwindigkeiten von bis zu 650 Kilometern pro Stunde erzeugt.
Diese auch im unmittelbaren Bereich über der Planetenoberfläche aktiven Winde führen in Verbindung mit weiteren Faktoren wie zum Beispiel einer partiellen Erwärmung der Oberfläche dazu, dass ursprünglich auf der Marsoberfläche befindlicher Staub 'aufgewirbelt' und in die Atmosphäre befördert wird. Etwa alle zwei Jahre - dieser Zeitraum entspricht in etwa einem Marsjahr - entsteht dabei eine Großwetterlage, in der sich die unabhängig von den vorherrschenden Jahreszeiten regelmäßig auf dem Mars bildenden Staubstürme von lediglich regional begrenzt auftretenden Phänomenen zu globalen Staubstürmen ausweiten können, welche dann unter Umständen den gesamten Planeten mit einer dichten Staubschicht einhüllen können. Zuletzt konnte dieses Phänomen im Jahr 2007 beobachtet werden.
Vor etwa zwei Monaten hat mit dem Einsetzen des Frühlings auf der südlichen Hemisphäre des Mars erneut eine Periode begonnen, welche die Bildung solcher Staubstürme begünstigt.
Seitdem bildeten sich über der nördlichen Tiefebene des Mars mehrere größere Staubstürme und zogen von dort aus in die etwas weiter südlich gelegenen Regionen Chryse Planitia, Isidis Planitia und Elysium Planitia. Diese Verlagerungen der jeweiligen Sturmfronten und die dabei eingehaltenen 'Routen' der Sturmfronten sind so signifikant, dass sie von den Marsforschern mittlerweile mit Namen belegt wurden. Die am stärksten ausgeprägten Stürme können dabei im Bereich des "Acidalia Storm Track" beobachtet werden.
Hier zur Einleitung eine Karte mit den wichtigsten Oberflächenstrukturen auf der Marsoberfläche und den Standorten der beiden derzeit aktiven Rover Opportunity und Curiosity:
Image Credit : NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Größere Version der Karte :
http://www.raumfahrer.net/news/images/mars_karte_msss02_big.jpg Der Acidalia Storm Track hat seinen Ursprung in der Tiefebene Acidalia Planitia auf der nördlichen Marshemisphäre. Diese Region ist eine der typischen 'Geburtsstätten' von Staubstürmen auf unserem Nachbarplaneten. Von dort aus ziehen diese Stürme dann in die südliche Richtung. Sie bewegen sich dabei zuerst über das Chryse Planitia, erreichen anschließend das Xanthe Terra und überqueren dann den östlichen Bereich der am Marsäquator gelegenen Valles Marineris. Von dort aus bewegen sie sich bis zum Impaktbecken Aryre Planitia und dem westlich davon gelegenen Aonia Terra auf der südlichen Hemisphäre.
Diese Entwicklung der jeweiligen Sturmgebiete wird durch die MARCIE-Kamera - einem der Instrumente des Marsorbiters MRO - dokumentiert und anschließend in Form von wöchentlichen "Mars-Wetterberichten" veröffentlich ( einen entsprechende Link hat Fourth Planet in dem Beitrag #5608 gepostet... ).
Bereits Mitte Oktober zeigte sich in den MARCIE-Daten, dass sich von dem Acidalia Storm Track 'abzweigende' Sturmfronten in die in der Umgebung gelegenen Regionen erstreckten. In der Woche vom 20. bis zum 26. Oktober 2014 erreichten die vom Acidalia Planitia ausgehenden Stürme dabei auch das zentrale Noachis Terra. Zeitgleich formierten sich in der Umgebung des auf der Südhemisphäre gelegenen Einschlagbeckens Hellas Planitia weitere Staubstürme, welche Sand und Staub ebenfalls in Richtung Noachis Terra beförderten.
Gegen Ende der Woche bildete sich so eine ausgedehnte Staubfront, welche sich vom Hellas bis zum Argyre erstreckte. Dieser Effekt wurde durch diverse Stürme verstärkt, welche sich zur gleichen Zeit am Rand der südlichen Polarkappe des Mars bildeten und die sich auf ihrem Weg nach Norden mit den Sturmfronten des Acidalia Storm Track 'vermischten'.
Diese speziellen atmosphärischen Bedingungen hatten zur Folge, dass die im Bereich des Marsäquators operierenden Rover Opportunity und Curiosity in den letzten Tagen ungewöhnlich hohe Tau-Werte registrierten. Curiositys Operationsgebiet - der Gale-Krater - hatte dabei keinen direkten Kontakt mit einer dieser Sturmfronten. Der dortige Himmel wies während der letzten Tage lediglich einen deutlich erhöhten Anteil an Staub auf.
Auch Opportunity hatte bisher eigentlich 'Glück', denn auch ( unmittelbar... ) über dem Endeavour-Krater, welcher sich östlich der Zugbahn des Acidalia Storm Track befindet, war kein Sturm 'direkt' aktiv. Trotzdem war der Staubanteil über dem Endeavour-Krater während der letzten Tage deutlich erhöht, was sich dabei auch durch die täglich ermittelten Tau-Werte bemerkbar machte.
Die für die Steuerung von Opportunity verantwortlichern Roverdriver des JPL sind dieser Beeinträchtigung dadurch entgegen getreten, dass der Rover nach dem jeweiligen Ende der in der letzten Tagen erfolgten Fahrten Positionen einnahm, bei denen die Solarpaneele bewusst in Richtung Sonne ausgerichtet waren. Dadurch konnte der durch den hohen Tau-Wert bedingte 'Energieabfall' soweit begrenzt werden, dass auch in diesen 'staubigen Zeiten' genügend Energie für weitere Forschungen und kurze Fahrten zur Verfügung stand.
Mittlerweile scheint das Schlimmste allerdings überstanden zu sein...
Nach dem Sol 3822 ( 25. Oktober 2014 - der Stand von dem anfangs erwähnten Beitrag von Udo ) stieg der Tau-Wert noch weiter an und erreichte am Sol 3823 einen vorläufigen Höchststand von 2,11. Seitdem wird jedoch ein kontinuierlicher Rückgang dieses Wertes beobachtet :
Sol 3824 - 2,06
Sol 3825 - 2,00
Sol 3826 - 1,81
Sol 3827 - 1,68 ( = 30. Oktober 2014 )
Für den heutigen Missionstag war eine minimale Umpositionierung des Rovers vorgesehen. Hierdurch sollte ein neues Forschungsziel in die Reichweite des Instrumentenarms von Opportunity gelangen, welches dann ab morgen eingehender untersucht werden soll.
Schöne Grüße aus Hamburg - Mirko