Mit dem reellen technologischen Konkurrzenzkampf zu Zeiten des Kalten Krieges ging eine Propagandaschlacht einher, die sich an der Indoktrination von Systemgegensätzen manifestierte, die in der Realität entweder gar nicht oder nur in weniger gravierendem Maße von Bedeutung waren. Den enormen Kostenaufwand etwa eines Apollo-Projekts konnte man nur durch das Aufrechterhalten eines klaren Feindbildes rechtfertigen, schließlich wussten die US-Amerikaner zu jener Zeit seit McCarthy, dass die blutrünstigen Kommunisten ihnen an den Kragen wollen.
Unter dem Eindruck dieses reell so nicht vorhandenen Bedrohungsszenarios lässt sich mit von vorn herein nationalistisch denkenden Menschen (ohne das jetzt wieder verallgemeinern zu wollen) viel anstellen. Vor allem aber kann die Politik mit prestigeträchtigen Projekten das Nicken der Bevölkerung ernten, die sonst eher den Kopf schütteln würden.
Die Situation heute ist kaum vergleichbar mit der damaligen. Es herrscht insofern kein Systemkonflikt, als das es die exakt identischen Systeme in Ost wie West sind, und da würde ich auch China nicht ausnehmen wollen (btw, was soll "Enheitskapitalismus" bedeuten? Gibt es einen "besseren" Kapitalismus?). Die EU soll, das sagt sie selbst, den USA in wirtschaftlichen Aspekten Paroli bieten, was durch Bündelung der Wirtschaftskräfte der europäischen Staaten geschehen soll. Wohin das letztendlich führen soll (einen Zweikampf führt man ja nicht ohne Ausblick auf einen Sieg) steht auf einem anderen Blatt.
Einersits glaube ich, dass ein Interesse an der Raumfahrt, welches auf plumpem Nationalismus und Patriotismus (jetzt nur nich mehr für Deutschland, sondern das Konstrukt Europa) beruht, keinen Pfifflering wert ist. Ganz davon abgesehen kann man durch Alleingänge im 21. Jahrhundert keinen Blumentopf mehr gewinnen. Ein Zweikampf wird zumindest der Wissenschaft nichts bringen, und ich zweifle an, ob Raumfahrt noch immer so prestigeträchtig sein kann, als dass sich die Menschen darüber mit irgendeinem Staat oder System verbunden fühlen könnten. Dabei wäre die Raumfahrt ja auch nur wieder ein Instrument.
Darüber hinaus haben USA und Europa völlig andere wissenschaftlich-technologische Voraussetzungen. Ich wüsste nicht, wie Europa die USA einholen sollte (ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, warum es das überhaupt anstreben soll). Gleichsam ändert ein Konkurrenzkampf nichts an der Tatsache, dass wir nunmal kein Geld haben. Das steckt hüben im Eurofighter und drüben im NMD oder was auch immer.
Unser Bestreben sollte eher sein, die Leute zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Langfristig ergeben sich dadurch mehr Chancen für die Raumfahrt, als es durch einen neuen Wettlauf (wohin? zum Mars?) möglich wäre. Den würde die ESA sowieso nicht gewinnen. Projekte wie Galileo sind das genaue Gegenteil von Marsmissionen: für die Öffentlichkeit absolut uninteressant und als Objekt eines Wettringens daher untauglich.
Mögen die Leute in den Regierungen uns auch noch so beschränkt erscheinen, sie wissen zumindest, dass sich ein billiardenschwerer Konkurrenzkampf nicht auszahlt. Zumindest nicht für sie selbst.