Loch in der Erdkruste

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rolli

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Loch in der Erdkruste
« am: 06. März 2007, 19:56:52 »
Vielleicht hatte Jules Verne doch recht mit seiner hohlen Erde:

Zitat
MEERESBODEN

Forscher entdecken riesiges Loch in der Erdkruste

Auf dem Grund des Atlantiks haben Forscher ein gewaltiges Loch in der Erdkruste gefunden. Wo sich Gestein der Kruste kilometerdick auftürmen müsste, liegt der Erdmantel frei. Die Geologen schwärmen vom "Fenster ins Innere der Erde".

Santa Cruz de Tenerife - Britische Wissenschaftler haben eine Expedition gestartet, um riesige Lücken auf dem Boden des Atlantiks zu erkunden. Die rätselhaften Bereiche befinden sich am Mittelatlantischen Rücken, wo die Afrikanische auf die Südamerikanische Erdplatte stößt.

"Durch die Öffnung können wir direkt in den Erdmantel schauen", sagte Projektleiter Roger Searle, Geophysiker an der Durham University. Neben einer großen Lücke glauben die Forscher noch ein zweites und möglicherweise gar ein drittes Loch ausgemacht zu haben.

Das größte befindet sich auf halber Strecke zwischen Teneriffa und Barbados. Es liegt den Angaben zufolge fünf Kilometer unter der Wasseroberfläche und hat einen Durchmesser von drei bis vier Kilometern. Am Mittelatlantischen Rücken, wo sich zwei tektonische Platten gegeneinander verschieben und sich eine Reihe von Untersee-Vulkanen erstreckt, sind solche Löcher in der Erdkruste keine Seltenheit. Allerdings füllen sie sich normalerweise von unten wieder mit Lava auf.

"Man kann nur darüber spekulieren, warum das in diesem Fall nicht geschehen ist", sagte Ulrich Hansen, Professor am Institut für Geophysik der Universität Münster, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Auch die britischen Forscher hatten erwartet, dass sich an der Stelle des von ihnen entdeckten Lochs sieben Kilometer Erdkruste auftürmen. Stattdessen könne man direkt auf den Fels des Erdmantels blicken - der grün schimmert, weil er aus dem Mineral Olivin besteht.

Spektakuläre Entdeckung

Die Entdeckung ist laut Hansen "spektakulär", weil sich hier die einmalige Gelegenheit biete, mit relativ geringem Aufwand an große Mengen Erdmantel-Material zu gelangen. "Das ist sonst extrem schwierig, weil man kilometertief bohren muss." Auf dem Trockenen reichten die tiefsten Bohrlöcher der Welt nur etwa zehn Kilometer tief. "Eine solche Bohrung kostet rund eine Milliarde Euro, und man steckt immer noch in der Erdkruste."

In den Ozeanen sei die Kruste zwar wesentlich dünner als auf den Kontinenten. "Aber es wäre enorm schwierig, vom offenen Meer aus kilometertief in die Erde zu bohren", sagte Hansen. "Deshalb ist es äußerst wertvoll, wenn man große Mengen von Mantelmaterial praktisch auf dem Tablett serviert bekommt."

Entsprechend enthusiastisch gibt sich das zwölfköpfige Team des britischen National Oceanography Centre, das gestern unter der Leitung von Searle mit dem Forschungsschiff "RRS James Cook" zur Erdkrusten-Lücke aufgebrochen ist. Denn bisher hätten Wissenschaftler bestenfalls kleine Stücke aus dem Erdmantel gefunden, die zusammen mit Lava an die Erdoberfläche gelangt seien - aber noch nie ein großes, nacktes Stück Meeresboden.

Ein Fenster ins Innere der Erde

Die Forscher versprechen sich von ihren sechswöchigen Untersuchungen weit reichende Erkenntnisse über die Chemie der Ozeane und das Verhalten der Erde unter dem Meereswasser. Ein Hightech-Tauchroboter namens "Toby" soll Gesteinsproben ans Tageslicht befördern und den Meeresboden filmen. Die Episode zeigt einmal mehr, wie wenig erforscht der Grund der Tiefsee ist. Erst im vergangenen Dezember hatten Wissenschaftler mitten im Pazifik eine blanke Steinplatte von der Größe des Mittelmeers entdeckt - obwohl man bisher davon ausgegangen war, dass eine dicke Schlammschicht überall auf der Welt den Meeresboden bedeckt.

Das Loch in der Kruste am Mittelatlantischen Rücken wurde bereits vor fünf Jahren bei Sonar-Untersuchungen entdeckt, sagte Bramley Murton, einer der an der Expedition beteiligten Geophysiker. Es gebe derzeit zwei Theorien über die Entstehung der Lücke: Eine Verwerfung habe ein großes Stück der Erdkruste weggerissen, oder aber das Gebiet sei von den Vulkanen, die zur Entstehung der Kruste beitragen, aus rätselhaften Gründen ausgelassen worden. Das Loch, schwärmte Murton, "ist wie ein Fenster ins Innere der Erde".

Quelle:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,druck-470276,00.html

 :o

Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #1 am: 06. März 2007, 20:25:52 »
Hi Rolli,

kaum vorzustellen wie weit man da nach unten blicken kann und erst recht, dass die Kruste grün schimmert. Kann ich mir auch wirklich nicht vorstellen ohne ein Bild gesehen zu haben, was leider noch fehlt in dem Artikel.

Ich konnte mir nich ganz vorstellen, wie weit die Kruste überhaupt nach unten geht und hab deswegen grad nochmal bei Wikipedia nachgeschaut:
40km ist die Erdkruste tief (bzw. breit).

Ich bin mal gespannt welche Materialien dort gefunden werden und ob es tatsächlich die sind, die bei einer solchen Tiefe erwartet werden. Wäre dann ja auch ein einmaliger Beweis für die Richtigkeit vieler Theorie und die Genauigkeit vieler Messinstrumente.

Ich bin mal gespannt, was da noch nach alles drüber berichtet wird  :)

Grüße,
Tobias

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Offline pikarl

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #2 am: 07. März 2007, 11:10:02 »
Der Spiegelartikel ist etwas trügerisch, das Loch in der Kruste das sie da gefunden haben ist mit Sicherheit nicht 40 km tief..

Man unterscheidet klar zwischen ozeanischer und kontinentaler Erdkruste. Beide haben grundliegend unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften. Ozeanische Kruste ist deutlich starrer und spezifisch viel schwerer. Dagegen ist kontinentale Kruste leichter und reicher u.a. an SiO2 (dem Silikat).

Die größere Dichte und Starrheit der ozeanischen Kruste ist übrigens auch der Grund, warum ozeanische Kruste ab einem bestimmten Alter (und damit einer bestimmten schwere, da sie nach ihrer Bildung immer schwerer wird) einfach absinkt und eine Subduktionszone bildet. Dagegen ist die kontinentale Kruste zu leicht um einfach abzusinken, sie schwimmt gewissermaßen "auf", wenn sie mit ozeanischer Kruste zusammenstößt.

Also zurück zum Loch: Die ozeanische Kruste ist maximal 2 km mächtig, nahe den mittelozeanischen Rücken teilweise mehr, teilweise weniger. In jedem Fall ist das Loch nicht 40 km tief.

BTW - kontinentale Kruste kann auch mal 150 km mächtig sein - wie z.B. im Himalaya oder in den Anden.

rolli

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #3 am: 07. März 2007, 11:13:19 »
Na ja, Spiegel halt.

Immerhin:

Entsprechend enthusiastisch gibt sich das zwölfköpfige Team des britischen National Oceanography Centre, das gestern unter der Leitung von Searle mit dem Forschungsschiff "RRS James Cook" zur Erdkrusten-Lücke aufgebrochen ist.

Dann lasst uns mal die "enthusiastischen" Ergebnisse abwarten...

 8-)

ILBUS

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #4 am: 07. März 2007, 12:46:42 »
@ Karl Urban,

 danke für die Klärung, ich habe die ganze Zeit garüber gegrübelt, was das ganze eigentlich heissen soll. Ich muss zugeben, für einen Moment dachte ich die gucken da aufs Offene flüssige Gestein der Magma, konnte es aber nicht glauben.   :-[

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Offline pikarl

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #5 am: 08. März 2007, 00:01:42 »
Zitat
@ Karl Urban,
 danke für die Klärung, ich habe die ganze Zeit garüber gegrübelt, was das ganze eigentlich heissen soll. Ich muss zugeben, für einen Moment dachte ich die gucken da aufs Offene flüssige Gestein der Magma, konnte es aber nicht glauben.   :-[
Kannst mich ruhig Karl nennen: ;) Die langläufige Meinung ist, dass es unter dem festen Gestein des Erdbodens nur so brodelt und alles flüssige Magma ist. In der Tat ist die Erdkruste UND der Erdmantel zu 99,9% fest! Zwar gibt es ein paar interessante Phänomene: Beispielsweise kann aufgrund des hohen Drucks in größeren Tiefen das feste Material ins Fließen geraten - sehr langsam wohlgemerkt. Aber flüssiges Gestein ist im Erdinnern die absolute Ausnahme und entsteht nur in großer Nähe zur Oberfläche bzw. in kleinen Mengen im oberen Mantel.

D.h. bei diesem Loch sieht man grün, da das überwiegende Mineral im oberen Mantel der (grüne) Olivin ist, der selbst natürlich eine feste Phase darstellt.

Martin

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #6 am: 08. März 2007, 01:07:32 »
Mantelmaterial kann man ürbrigens auch in Deutschland finden, das sind die grünen Olivinknollen als Einschlüsse in Basalten. Aber das ist natürlich verschlepptes Material, da ist so ein Fenster wie im Atlantik wo man die Mantelgesteine in ihrer natürlichen Umgebung beobachten kann schon besser.

Die Erdkruste kann wirklich in einigen Bereichen sehr dick werden, und ein gutes Beispiel hierfür sind unsere erzgebirgischen Gneise. Diese waren teilweise bis zu 100 km versenkt, und es bildeten sich darin sogar Mikrodiamanten.

Martin

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Offline pikarl

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #7 am: 08. März 2007, 09:30:56 »
Danke Martin. Gut dass noch jemand vom Fach da ist und aufpasst, dass ich Grundstudiums-Geologe nichts Falsches schreibe..  :)

Martin

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #8 am: 08. März 2007, 22:56:04 »
Zitat
Danke Martin. Gut dass noch jemand vom Fach da ist und aufpasst, dass ich Grundstudiums-Geologe nichts Falsches schreibe..  :)


Ich denke ein Grundstudiumsgeologe hat von Grundlagen Geologie mehr Ahnung als ich. Ich grübele nur noch an Barytlöslichkeiten, Schwefelisotendaten, Mineralzusammensetzungen von der EDX und REE´s. Aber dafür bekomme ich ne Menge Gold unterm REM zu sehen.

Mal wieder eine schöne Wochenednexkursion mit ein paar hübschen Aufschlüssen und langen Abenden wie im Grundstudium, ach war das schön....

Martin
« Letzte Änderung: 08. März 2007, 22:58:27 von Martin »

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Offline Terminus

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #9 am: 09. März 2007, 09:20:54 »
Zitat
Na ja, Spiegel halt.

Moment. Spiegel.de hat doch gar nicht geschrieben. dass das Loch 40 km tief ist. Spiegel.de hat nur geschrieben, dass die Erdkruste ein Loch hat. Darauf hat jemand in die Wikipedia geguckt und da gelesen, dass die Erdkruste 40 km dick ist. Da kam die Zahl her.

Im ersten Lesen von dem Spiegelartikel hab ich auch gedacht "Guckt man da jetzt auf einen kilometerbreiten Lavasee unter dem Wasser oder wie?" ;D . Ist ja auch kein Wunder, nach all den Abbildungen, wie Vulkane funktionieren, und durch die Lehre der Kontinente als "Schollen", die da auf dem Erdmantel herum driften, müssen wir uns das ja als eine einzige brodelnde Lavaschicht vorstellen. Von daher waren Karls Ausführungen und die Vorstellung von diesem "grünen Olivin" schon recht heilsam. :-)

Wir reden immer von "Erdkruste" und "Erdmantel", als seien das klar unterscheidbare Schichten. Ist das wirklich so oder muss man sich das eher als allmählichen Übergang vorstellen?

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Offline pikarl

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #10 am: 09. März 2007, 14:56:14 »
Zitat
Ist ja auch kein Wunder, nach all den Abbildungen, wie Vulkane funktionieren, und durch die Lehre der Kontinente als "Schollen", die da auf dem Erdmantel herum driften, müssen wir uns das ja als eine einzige brodelnde Lavaschicht vorstellen.

"Schollen" ist trotzdem ein recht passendes Bild, eben weil die kontinentale Kruste deutlich weniger dicht ist als ozeanische und daher immer "oben auf" schwimmt, wie eine Eisscholle, die eine geringere Dichte hat als flüssiges Wasser.

Zitat
Wir reden immer von "Erdkruste" und "Erdmantel", als seien das klar unterscheidbare Schichten. Ist das wirklich so oder muss man sich das eher als allmählichen Übergang vorstellen?

Ja, da gibt es tatsächlich etwas. :)



Wir haben zum einen die Kruste, die so dünn ist, dass sie hier kaum dargestellt werden kann. So dünn ist sie dann vom menschlichen Standpunkt aber doch nicht, immerhin sind die tiefsten je gebohrten Löcher eine handvoll Kilometer tief.

Über seismische Messungen kann man aber die Gesteinsdichte relativ genau bestimmen, da sich seismische Wellen in unterschiedlich Dichten Medien unterschiedlich schnell ausbreiten (wie auch Schallwellen) und an Grenzflächen abhängig vom Dichteunterschied der Medien gebrochen werden.

Wenn man so den Globus durchleuchtet (entweder durch von Seismologen herbeigeführten Explosionen, Atombombenversuche oder natürliche Erdbeben) sind besonders zwei dieser innerirdischen Dichteunterschieds-Grenzflächen besonders auffällig: Die Mohorovi[ch269]i[ch263]-Diskontinuität (von Geologen nur liebevoll Moho genannt) unter dem normalen Kontinent in 30-50 km Tiefe - und die Wiechert-Gutenberg-Diskontiunität in etwa 2900 Kilometern Tiefe. Die Moho markiert dabei die Kruste-Mantel-Grenze, die Wiechert-Gutenberg-Diskontinuität die Kern-Mantel-Grenze.

Der Grund für diese Dichteunterschiede sind Mineralumwandlungen im Gestein. Aufgrund des mit der Tiefe zunehmenden Druckes werden Minerale (wie der angesprochene Olivin) instabil und wandeln sich in andere um, die nur bei hohen Drücken stabil sind. Diese haben eine höhere Dichte. Soweit so klar? Alles richtig Martin? ;)

Martin

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #11 am: 09. März 2007, 18:00:48 »
Hallo Karl,

soweit ich mich noch erinnern kann stimmt alles. Aber man unterscheidet soviel ich noch weiß sogar mehrer Kruste-Mantel Grenzen, je nach Fachgebiet. Für einen Petrologen liegt die Moho woanders als für einen Seismologen. Die Schollen bestehen aber nicht nur aus Kurste allein, sondern umfassen auch einen Teil des Mantels, der Lithospärhische Mantel (hellgrau in der Graphik). Zusammen mit der Kurste bilden sie die Lithosphäre, die in die herumtreibenden Platten zerbrochen ist.

Martin

Martin

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Re: Loch in der Erdkruste
« Antwort #12 am: 09. März 2007, 18:11:57 »
Weil es mir heute gerade wieder in die Hände fiel, hier ein Literaturtip: "Spektrum der Wissenschaft Compact, 2/2002 - Was die Steine erzählen".
Das Heft macht richtig Lust auf Geologie. Jede Doppelseite ist einem Thema gewidmet, ausgehend von einem schönen Aufschlussphoto. Der Aufschluss wird beschrieben und das zu sehende wird erklärt, und von diesem Punt aus geht es fachlich in die Tiefe. Besser als manches Lehrbuch.

Martin