Zu dem angesprochenen Thema möchte ich den aktuellen Blogbeitrag von Sabine Hossenfelder in ihrem Blog "Backreaction" empfehlen:
https://backreaction.blogspot.com/2020/05/is-faster-than-light-travel-possible.html?m=0 ,
besonders auch die lebhafte Diskussion in den Kommentaren dort (derzeit 246 Kommentare)
Wirklich sehr interessant - obwohl ich mit den Grundzügen der speziellen Relativitätstheorie schon lange vertraut bin, brachte mir das ein paar neue Einsichten.
Die Argumentation, dass man zwar nichts unterlichtschnelles auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kannte ich schon - wahlweise wegen unendlichen Energiebedarfs, oder aus Sicht des Raumschiffs, das ja zu sich selbst still steht, wegen relativistischer Geschwindigkeitsaddition - aber egal wie man argumentiert, man nähert sich nur asymptotisch der Lichtgeschwindigkeit, dass dies aber nicht verhindert, dass etwas mehr als Lichtgeschwindigkeit haben kann (nur kommt man mit normal beschleunigen nicht in diesen Zustand).
Allerdings war ich bisher der Ansicht, dass überlichtschnelle Ausbreitung der Wirkung einer Ursache (z.B. Informationen oder Tatsächlich Partikel/ganze Raumschiffe) unweigerlich zu der Möglichkeit von Zeitschleifen und Paradoxien führt, weil es immer Beobachter gibt, bei der sich die Zeitreihenfolge von Losfliegen/Senden und Ankommen/Empfangen ändert, was man im Minkowski-Diagramm leicht sehen kann und aufgrund des Relativitätsprinzips (alle Beobachter sind gleichwertig, keiner hat Recht oder Unrecht) ja nichts verhindern würde, dass man ein entsprechendes Rücksignal abschicken /Rückflug antreten könnte, der dann am Absender/Abflugort ankommt, bevor das erste Signal/Raumschiff losgeschickt wurde.
Steht übrigens nach wie vor genauso auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tachyon#Konsequenzen_der_r%C3%BCckl%C3%A4ufigen_Zeit mit Link zum Artikel "Antitelefon", der das näher ausführt.
Sie wischt diese Argumentation etwas leger als "rubbish" weg, und erklärt, dass man Paradoxien auch verhindern kann, indem mal "einen konsistenten Zeitpfeil verlangt", leider allerdings ohne dies näher auszuführen.
Ich habe mal ein wenig recherchiert, ob das jetzt nur ihre persönliche Ansicht ist, oder die wissenschaftliche Diskussion tatsächlich in diese Richtung geht. Mit dem Suchbegriffen
-causality
-"faster than light"
-consistent arrow of time
Kommt dieser Artikel "Faster-than-c signals, special relativity, and causality" veröffentlicht 2002 in den Annalen der Physik als Top-ergebnis mit mehr als 100 Zitaten (hier Vorabversion 2001, die vielleicht noch vereinzelte Fehler entält:
https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0107091.pdf die Finale Version bei Elsevier ist hinter einer Paywall).
Der Artikel behandelt das Thema sehr ausführlich, in Bezug auf den Scharnhorst-Effekt (
https://de.wikipedia.org/wiki/Scharnhorst-Effekt) bei dem angenommen wird, dass er zu echter Signalübertragung mit geringfügig > C (anders als das angesprochene tunneln) führen könnte. Es wird herausgestellt, dass in Rahmen dieses Effekts keine Paradoxien möglich sind. Um es kurz zu machen - das Signal könnte sich zwar Überlichtschnell bewegen, aber nur relativ zu den Platten. Für andere Beobachter kann das Signal zwar in der Zeit Rückwärts gehen, aber es ist kein Signal in die entgegengesetzte Richtung möglich, das relativ zu den Platten in der Zeit rückwärts geht (So gesehen bilden die Platten einen absoluten Hintergrund, sozusagen das Übertragungsmedium der Signale). Um Paradoxien bei relativ zueinander bewegten Plattenpaaren zu verhindern, zeigen sie erst, dass es praktisch unmöglich ist, so ein Experiment zu bauen und greifen auf die "Chronology Protection" Argumenation von Stephen Hawking zurück, nach der ein einzelnes Photon durch konstruktive Überlagerung mit sich selbst eine unphysikalische Singularität mit unendlicher Energie bilden würde - folglich also keine Expermiente in unserem Universum geben kann, in der tatsächlich eine Zeitschleife passiert.
Es scheint also tatsächlich so zu sein, dass sich in der Wissenschaftlichen Gemeinde in den letzten 2 Jahrzehnten die Ansicht durchgesetzt hat, dass Phänomene mit echter Informationsübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit nicht per se unmöglich sind (weder von der Relativitätstheorie selbst, noch wegen der Kausalitäts-Argumentation) - evtl. muss der Wikipedia-Artikel da mal überarbeitet werden
.
Das ändert jedoch nichts daran, dass noch nie ein Phänomen beobachtet wurde, bei welchem eine solche überlichtschnelle Informationsübertragung zweifelsfrei statt fand. Dies ist eigentlich momentan das härteste Argument dafür, dass es unmöglich sein könnte.