Das ist das "gemeine" an Raketen. Die Schwerkraft ist beim Schweben komplett weg, wenn man Rakete und Triebwerk als Einheit betrachtet.
1. "Rakete" und "Triebwerk" sind kräftemäßig aber nicht "eine Einheit" bzw. nur "ein Punkt".
2. Die Schwerkraft wirkt im Schwerpunkt
3. Die stützende Kraft wirkt nicht im Schwerpunkt
4. Der Schwerpunkt befindet sich beim Schweben oberhalb der Stützkraft
5. Damit ist eine instabile Lage gegeben
6. Der Schwerpunkt kann sich also jederzeit gegenüber der Stützkraft in eine beliebige Richtung seitlich "auslenken".
7. Damit bekommt die Schwerkraft einen "Hebelarm" und es entsteht ein Kipp- bzw. Drehmoment, der eine Drehbewegung auslöst.
8. Je größer die Abweichung aus der Vertikalen wird, desto stärker wird das Kippmoment und schneller die Kippbewegung.
9. Darauf muß das Triebwerksteuerung ausreichend schnell reagieren, einen Gegenmoment bzw. Gegenbewegung einleiten, der die beiden Kräfte wieder in eine Vertikale übereinander bringt.
10. Ab einer bestimmten Schräglage wird die Situation unbeherrschbar, mit folgendem RUD. (U.A. weil die Auslenkung der Triebwerke nicht beliebig stark sein kann.)
Das ist meine Sicht des Problems in einer für meine Begriffe logischen Folge. Bitte nenne mir den Punkt, in dem ich mich Deiner Meinung nach irre.
Wäre es so wie Du schreibst, wäre doch eine über dem Boden ortsfest aber deutlich schräg schwebende Stufe ein "normaler, unkritischer Flugzustand", der beliebig lange anhalten könnte. Wenn ich Dich also richtig verstehe. Dem widerspreche ich entschieden und habe es auch noch nie gesehen. Immer nur kurz vor dem Kaboom. Vielleicht kannst Du Dich an den ersten Landeversuch der F9 auf der Barge erinnern. Dort hatte die Stufe eine sehr starke Schräglage und kam mit hoher Geschwindigkeit (ich meine hier die Horizontalkomponente) von der See hinein, knallte gegen die Kante der Barge und flog zum Großteil am anderen Ende ins Meer. Die war der Steuerung bereits "entglitten", meine ich.
Irgendwo habe ich auch ein Video gesehen, wie eine kleinere Militärrakete senkrecht aus einem Bunker flog, sich um 90° drehte, und anschließend annähernd horizontal weiterflog. Dort wurde der Antrieb aber kurz angehalten, meine ich. Das Teil wurde dadurch kurz "schwerelos", es schwebte "kraftfrei", und in diesem Zustand wurde mit irgendwelchen Steuerdüsen ungefähr nach Deiner Beschreibung die Drehung ausgeführt. Und dann wurde das Triebwerk wieder gestartet. Das ist aber in unserem Lande - Schwebezustand nicht möglich, das Kräftespiel läßt sich dort nicht abstellen.
Fazit - für mich: "Schweben" ist nicht gleich "Schweben". In einem Fall wirken tatsächlich keine Kräfte, im anderen aber mindesten zwei entgegengesetzte Kräfte an zwei unterschiedlichen Orten.