Luftsauerstoff in die Brennkammer ??

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Reinraum

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Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« am: 17. Dezember 2017, 22:27:18 »
Kann mir jemand sagen, warum Flüssigraketen nicht zusätzlich Luftsauerstoff in die Brennkammer pumpen? Das sollte doch zumindest bis 15 - 30 km höhe möglich sein oder nicht?

Offline Dominic

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #1 am: 17. Dezember 2017, 23:43:52 »
Neu ist die Idee nicht aber technisch sehr anspruchsvoll. Siehe etwa Skylon für ein aktuelles Projekt in diese Richtung.
https://www.reactionengines.co.uk/sabre-engine/

Ältere Projekte dieser Art: HOTOL, Rockwell X-30

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Offline Klakow

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #2 am: 18. Dezember 2017, 04:24:26 »
Wenn es um Optimierung geht, gibts neben der Wiederverwendung von Teilen der Rakete erstmal noch bessere Möglichkeiten.
1) Besserer Treibstoff-->Methan+LOX
2) Dichter am Äquator starten-->Ariane
3) Höherer Startplatz -->z.B. Anden (gibts aber nicht)
4) Besseres Verhältnis Startmasse zu den Trockenmassen der Stufen --> Größerer Core
5) Oberhalb vom LEO SEP Antriebe nutzen-->Wird schon zum Teil gemacht.
6) Nachtanken im All, Soll mit BFR/BFS kommen

Offline Kryo

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #3 am: 18. Dezember 2017, 08:14:30 »
Es gibt mehrere Probleme dabei:

Die Luftdichte ist sehr gering. Man benötigt Verdichter. Das kann über Turbomaschinen oder über RAM/SCRAMjets geschehen. Ersteres erhöht die Systemkomplexität ungemein, zweiteres hat viele andere Schwierigkeiten, weswegen diese Art der Antriebe bisher hauptsächlich fürs Militär genutzt wird.

Luftatmende Triebwerke erhöhen also erstmal ungemein die Systemkomplexität und LOX ist nicht das teure am Raketenstart. Das heißt, kostentechnisch wird es sehr schwer sein, dies zu nutzen.
Anders sieht es eventuell bei Systemen wie Stratolaunch aus, wo die Rakete an dem luft-atmenden Fahrzeug dran hängt. Doch dieses Konzept geht nur für kleine Nutzlasten.

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Offline Klakow

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #4 am: 18. Dezember 2017, 10:46:28 »
Das Hauptproblem ist das man Hyperschallantriebe braucht und damit das funktioniert muss man erstmal überschalltriebwerke haben. Sinnvollerweise braucht man dann so eine ähnliche Konstruktion wid bei Virgin Galactic nur halt mit Überschallträger. Nur stelle man sich sowas vor mit der Nutzlast eines A380, bis so ein Riese flugfähig wird sind vermutlich über 20G$ verbraten worden.
Dagegen ist die Entwicklung einer F9 geradezu ein Homeran.
So bestechend das Eugen Sänger Konzept ist, so übel ist die Möglichkeit damit einen Vorteil zu erzielen. Leider ist die Schallgeschwindigkeit in der Luft elendig lahm.
Die Probleme gehen dann mit dem Umweltschutz gerade weiter, bei der Luftnutzung entstehen vermutlich auch NOx Verbindungen usw.

Offline Dominic

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #5 am: 18. Dezember 2017, 13:57:14 »


Wie diese Grafik zeigt kann man vor allem in niedrigen Geschwindigkeiten und Flughöhen enorm von der Verwendung des Luftsauerstoffs als Oxidationsmittel einerseits und von der Verwendung der Luft als "Stützmasse" andererseits profitieren. Luftathmende Strahltriebwerke erreichen so spezifische Impulse welche Raketentriebwerken bei weitem überlegen sind.

Erst bei Geschwindigkeiten >Mach 10 und Flughöhen >40km geht der Vorteil gegen 0 aber an dem Punkt hat man schon den halben Weg in den Orbit geschafft.

Wie das Skylon Konzept zeigt könnte die Nutzung von beim Start luftathmenden Triebwerken der Schlüssel zu Raumfahrzeugen sein die wie ein Flugzeug starten und landen können und mit nur einer einzigen Stufe den LEO erreichen können.

Auch in einer zweistufigen Variante mit luftathmender Erststufe und konventionell raketenbetriebener Zweitstufe ala Sänger hat das Konzept viele Vorteile.

Unterschätzen sollte man das Potenzial dieser Option nicht. Aber es ist sehr schwer das wirklich umzusetzen. Im Idealfall braucht man ein Triebwerk das bei niedrigen Geschwindigkeiten als Turbofan arbeiten kann, dann als Staustrahltriebwerk, dann als Überschallverbrennungs-Staustrahltriebwerk und schließlich als Raketentriebwerk. Und das ist eben technisch sehr anspruchsvoll. Das Sabre-Triebwerk von Reaction Engines ist hier aber auf dem Papier schon recht vielversprechend.

Zitat
2) Dichter am Äquator starten-->Ariane
3) Höherer Startplatz -->z.B. Anden (gibts aber nicht)

Na ja das kann man beides sehr gut mit air launch Systemen erreichen womit wir in gewisser Weise auch wieder beim Thema luftathmende Triebwerke wären...
« Letzte Änderung: 19. Dezember 2017, 01:00:07 von Dominic »

Reinraum

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #6 am: 19. April 2018, 14:55:24 »
Weiß jemand zufällig wie hoch der Druck der Mantelstrom  (durchschnittlich) eins Mantelstromtriebwerks ist?

lngo

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #7 am: 19. April 2018, 15:39:16 »
Weiß jemand zufällig wie hoch der Druck der Mantelstrom  (durchschnittlich) eins Mantelstromtriebwerks ist?
Der Druck im Mantelstrom eines Turbofans ist stets negativ. Immer wenn keine Turbine mehr angetrieben werden muss, ist der Druck dem Umgebungsdruck gleich oder geringer (-> Bernoulli).

Zur Verbildlichung:

Quelle: WP

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Offline Schillrich

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #8 am: 19. April 2018, 22:18:40 »
Worauf beziehst du „negativ“? Gegenüber dem Außendruck? Das würde ja heißen, der Luftstrom muss auf dem Weg zum Ausgang gegen einen positiven Druckgradienten arbeiten ... und würde gebremst werden. Hinter der Turbine kommt eine aber eine Schubdüse, wo sich der Luftstrom weiter entspannt und beschleunigt.

Der Fan ist auch keine Turbine, sondern ein Bläser, der Energie an den Strom abgibt.

Oder reden wir aneinander vorbei bzgl. Druck und Totaldruck?
« Letzte Änderung: 20. April 2018, 07:20:53 von Schillrich »
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Stefan307

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #9 am: 22. April 2018, 13:59:49 »
nur kurz meine Gedanken zu diesem Thema:
Bei Sabre wird je wenn ich es richtig verstanden habe, die Luft gerade so nicht verflüssigt. Wenn man jetzt noch diesen Schritt weiter gehen würde könnte man sich eine Erststufe vorstellen die mit nur teilweise Gefüllten Oxidator Tanks startet. Über Luftsammler mit Wärmetauschern werden die Tanks dann im Flug aufgefüllt. Wenn man sich den Massenanteil des LOX an Trägerraketen ansieht erkennt man das Potenzial einer solchen Lösung. Die Verbrennung könnte dann in relativ normalen Raketentriebwerken erfolgen. Mit Wasserstoff als Treibstoff steht ja eine sehr große Wärme Senke zur Verfügung.
Leider haben solche Innovativen Konzepte wenig Chancen auf Realisierung, da der "Zeitgeist" die Kostenreduzierung bei den Trägerkonzepten vor allem auch unter Inkaufnahme von immer primitiver aufgebauten Trägersystemen fordert.

MFG S

Offline proton01

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #10 am: 22. April 2018, 14:55:54 »
nur kurz meine Gedanken zu diesem Thema:
Bei Sabre wird je wenn ich es richtig verstanden habe, die Luft gerade so nicht verflüssigt. Wenn man jetzt noch diesen Schritt weiter gehen würde könnte man sich eine Erststufe vorstellen die mit nur teilweise Gefüllten Oxidator Tanks startet. Über Luftsammler mit Wärmetauschern werden die Tanks dann im Flug aufgefüllt. Wenn man sich den Massenanteil des LOX an Trägerraketen ansieht erkennt man das Potenzial einer solchen Lösung. Die Verbrennung könnte dann in relativ normalen Raketentriebwerken erfolgen. Mit Wasserstoff als Treibstoff steht ja eine sehr große Wärme Senke zur Verfügung.
Leider haben solche Innovativen Konzepte wenig Chancen auf Realisierung, da der "Zeitgeist" die Kostenreduzierung bei den Trägerkonzepten vor allem auch unter Inkaufnahme von immer primitiver aufgebauten Trägersystemen fordert.

MFG S

Die Briten arbeiten schon seit Jahrzehnten and Skylon, Sabre, usw. Bisher gibt es kein technisch überzeugendes Konzept.
Zum einen kann man den Wasserstoff nicht nur zur Luftabkühlung verwenden, da er ansonsten selbst so weit aufgeheizt wird daß er im Raketentriebwerk nicht mehr die Brennkammer kühlen kann. Zum anderen ist der Wirkungsgrad der nötigen Wärmetauscher bescheiden. Schon für den Wäremtauscher alleine werden Pumpen nötig, die müssen ja auch angetrieben werden.

Ich habe vor einiger Zeit mal die Papers zu Sabre aus den letzten Jahren gelesen. Das ganze steckt immer noch sehr in den Anfängen. Daß es das (noch) nicht gibt hat nichts mit Zeitgeist zu tun sondern mit Physik und Technik.

Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #11 am: 23. April 2018, 09:50:18 »
Eine Mehrstufige Lösung wäre zwar wohl das Optimum, das Resultierende System wäre aber riesig.
1 Stufe Flugzeug  wie Stratol. Carrier,
2 Stufe Ram/Scramjet (SR71 Triebwerke)
3 Stufe Raketentriebwerk

Stefan307

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #12 am: 23. April 2018, 10:44:33 »
Eine Mehrstufige Lösung wäre zwar wohl das Optimum, das Resultierende System wäre aber riesig.
1 Stufe Flugzeug  wie Stratol. Carrier,
2 Stufe Ram/Scramjet (SR71 Triebwerke)
3 Stufe Raketentriebwerk
So ist es, die Stufengrößen orientieren sich an den Flugphasen in denen sich mit der Jeweiligen Triebwerktechnik das Optimum zu erzielen ist. Größe ist dabei relativ 1000t z.b. sind für ein Flugzeug sehr viel, für eine Trägerrakete allerdings nichts ungewöhnliche.

MFG S

tobi

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #13 am: 23. April 2018, 11:10:35 »
Ist ne konvergente Düse nicht immer angepasst, wenn das Druckverhältnis unter dem kritischem Punkt ist?

Und damit Druck am Düsenende = Umgebungsdruck bei Düsentriebwerken, sowohl für den Fan als auch für das Triebwerk an sich. Ne Ausnahme gibt es nur Jettriebwerke, die ein höheres Druckverhältnis haben und auch eine fürm Überschall bessere Düsenform.

Übrigens kann man auch mit ner konvergenten Düse Überschall fliegen. Das liegt daran, dass die Machzahl von der Temperatur abhängig ist. Und bei hoher Gastemperatur sind die Abgase noch im Unterschallbereich, wenn sie die Düse verlassen.

lngo

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Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #14 am: 23. April 2018, 19:44:11 »
Die Verfluessigung von Luft ist schwierig.
a) muss man eine Menge Energie zum Verfluessigen rausziehen. Nur mal so zur Abschaetzung, Hydrolox hat Ratios von ca. 6:1. Verfluessigte Luft hat immernoch nur 23%, d.h. massenbezogen stehen nur 1,4 kg Wasserstoff zur Kuehlung pro 1 kg Luft zur Verfuegung. Die Verdampfungsenthalpie von Wasserstoff ist gluecklicherweise recht hoch, ca. 450 kJ/kg - entspricht ungefaehr der Energie um Umgebungsluft zu verfluessigen.
b) Sauerstoff/Stickstoff bilden ein Stoffgemisch, dass destillativ getrennt werden muss (aehnlich dem Schnapsbrennen, aber viel kaelter). Das wird in einem Raketentriebwerk sicher nicht funktionieren (zu schwer, zu unflexibel), weshalb
c) Sauerstoff und Stickstoff mit Treibstoff verbrannt wird. Das macht jede Menge Nebenreaktionen (Stickoxide!), die (wie hier so wunderbar erklaert, ca. 40min) schwer beherrschbar sind und Energie schlucken.
d) Luftfeuchtigkeit (beim SABRE mittels Methanoleinspritzung angeblich handhabbar) und CO2 (friert bei ~-80C fest zu recht harten Koernern, welche Abrasionsschaeden verursachen) verunreinigen das alles.
e) wird das alles sehr schwer. Waehrend Raptor/Merlin und andere moderne Triebwerke ein Schub/Gewichtsverhaeltnis von mehr als 200 anzielen/erreichen und uebliche Raketentriebwerke stets bei ueber 50 liegen, soll SABRE bei 14 liegen.

Stefan, "Der Zeitgeist der Kostenreduzierung [...] unter Inkaufnahme von immer primitiver aufgebauten Trägersystemen". Also kein Feststoff, sondern schlaue Raketen? Idealerweise selbstfliegend (und landend)??! :)

Reinraum

  • Gast
Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #15 am: 24. April 2018, 16:24:18 »
Welche drücke sind eigentlich physikalisch mit ein Staustrahltriebwerk möglich?

Rakete24

  • Gast
Re: Luftsauerstoff in die Brennkammer ??
« Antwort #16 am: 28. Juni 2019, 21:08:51 »
Kann mir keiner ein Rat geben?

Vielleicht habe ich zu schwammig gefragt. Also hier noch mal meine Frage, zu der Leistungsaufnahme von Strahltriebwerken z.B. Staustrahltriebwerk im Stillstand und im Flug.

Beispiel:

Möchte man mit 1 Kg Stützmasse ein Impuls von 100 N erzeugen, so muss diese Stützmasse (von 0 m/s) auf 100 m/s beschleunigt werden.  Damit hätten wir nach (l = m c² / 2000) 1 Kg/s * 1002 / 2000 = 5 KW

Bei einem Staustrahltriebwerk im Gegenzug zu einem Raketentriebwerk, kommt die Stützmasse von „Aussehen“ und hat damit eine hohe Strömungsgeschwindigkeit. Wenn als Beispiel angenommen die Stützmasse nach dem Verdichtungsstoß mit 1000 m/s in die Brennkammer geht, dann müsste das Staustrahltriebwerk die Stützmasse von 1 Kg um dem Faktor 100 m/s beschleunigen auf 1100 m/s, um ein Schub von 100 N zu erzeugen…

Damit hätte man jedoch eine Leistungsaufnahme von 105 KW also 21-mal so viel, für dem gleiche Schub im „Stillstand“
(l = m c² / 2000)

1 Kg * 11002 /2000 = 605 KW – (Einlaufgeschwindigkeit) (1 * 10002 / 2000) = 105 KW

Möchte ich als die Einströmende Luft von 1000 m/s auf 1100 m/s beschleunigen braucht man dafür 105 KW

Ist das so richtig oder sehe ich das Falsch?